Kulturpolitik für Kulturelle Bildung
Kulturpolitik ist die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Kulturlandschaft und will Infrastrukturen schaffen, um Kultur zu ermöglichen. Kulturpolitik für Kulturelle Bildung will die Rahmenbedingungen dafür schaffen, erhalten und ausbauen, dass Bildung mit und durch Kunst und Kultur gelingen kann. Im politischen Mehrebenensystem der Bundesrepublik Deutschland betrifft das die Kommunalpolitik, die Politik der Länder und des Bundes, vor allem aber auch die Zivilgesellschaft und eher im geringeren Maße den Markt.
Aber auch die KünstlerInnen und die KulturvermittlerInnen entfalten kulturpolitische Wirkung. Das Kunstwerk steht in Kommunikation mit dem Rezipienten. Und dieser Rezipient bringt seine Erfahrungen ein, lässt sich auf die Kommunikation mit dem Kunstwerk ein. Am Ende gelingt – im besten Falle – Bereicherung, Erkenntnis oder Erweiterung von Erfahrungen. Das ist eine der Grundlagen für Veränderungen, und zwar im Menschen selbst mit Blickrichtung auf die Welt. Kunst verändert niemals direkt und verträgt auch nicht so viele fremdbestimmte Kategorien, schon gar nicht didaktische Forderungen der Pädagogik. Deshalb geht es neben dem Handwerklichen, dem Können im eigenen Fach, immer auch um die inspirative Kraft von Kunst, die künstlerische Handschrift, die Subjektivität des Ausdrucks, die Komplexität des Kunstwerks.
„Kultur für alle“ als unabgegoltene Forderung
Es geht also um eine Auseinandersetzung mit künstlerischen Ausdrucksformen, um eine Allgemeinbildung mit kulturpädagogischen Mitteln, um eine Heranführung an den Umgang mit Kunst und Kultur, um eine Verständnisförderung für künstlerische und kulturelle Phänomene, um eine Vermittlung künstlerischer Techniken. 1979 klang die daraus resultierende kulturpolitische Formulierung folgendermaßen:
„Eine kritische Forderung alternativer Kulturpolitik ist das kulturelle Lernen. Über die Ausbildung aktiver Wahrnehmung mittels kultureller Medien soll jeder Mensch dazu befähigt werden, sich die ihm angebotenen Fertigkeiten und Informationen zu erwerben und nach Erlangung kultureller und sozialer Kompetenz selbst produktiv zu werden“ (Hoffmann 1979:54).
Das von Hilmar Hoffmann formulierte Credo einer „Kultur für alle“ wurde nicht nur durch die Kommunalpolitik als Slogan für eine neue Kulturpolitik aufgegriffen (siehe Hilmar Hoffmann/Dieter Kramer „Kultur für alle. Kulturpolitik im sozialen und demokratischen Rechtsstaat"). In den mehr als drei Jahrzehnten bis heute gab es in der Tat gute Beispiele und noch mehr gute Absichtserklärungen. Dennoch konstatierte die Kulturenquete auch 2007 noch das Auseinandertreten von „Sonntagsreden und Alltagshandeln“. Kulturelle Bildung ist in aller Munde, doch ein Konzept lebenslangen Lernens, das die bisher stark segmentierten Bildungsbereiche verzahnen und Kita, Schule, Berufs- und Hochschulbildung sowie allgemeine und berufliche Weiterbildung zu einem kohärenten, d.h. aufeinander aufbauenden und vor allem durchlässigen Gesamtsystem zu integrieren versucht, fehlt. Auch deshalb, weil sich die rigide Abgrenzung der verschiedenen Ressorts – Kulturpolitik, Bildungspolitik, Jugendpolitik – auf allen politischen Ebenen als kontraproduktiv darstellt.
Zahlreiche Akteure der Kulturellen Bildung (z.B. die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ), der Deutsche Kulturrat, die Kulturpolitische Gesellschaft (KuPoGe), der Deutsche Städtetag, die Bundesakademien für Kulturelle Bildung in Remscheid, Trossingen und Wolfenbüttel, die Kulturstiftungen der Länder und des Bundes) haben sich seit Jahren theoretisch und in Modellversuchen eingehend mit dem Thema befasst und fundierte Konzepte vorgelegt. Von Ausnahmen abgesehen scheint es dennoch so, dass der Alltag der meisten Schulen und vieler Kulturinstitutionen noch nicht durch eine verbreitete Praxis Kultureller Bildung bestimmt ist – auch weil eine durchgreifende Kulturpolitik für Kulturelle Bildung noch keine Priorität genießt. Nach wie vor besteht ein krasses Missverhältnis zwischen Theorie und Praxis. Dies ist nicht hinzunehmen, denn Kunst und Kultur vermitteln sich nicht von allein.
Legitimation durch Transfereffekte?
Immer wieder wird betont, warum gerade dem kulturellen Bildungsbereich hohe gesellschaftliche Relevanz zukommt. In diesen Diskursen ist vermehrt zu beobachten, dass Plädoyers für Kulturelle Bildung sich eher von Transfereffekten als von den Künsten her legitimieren, wie etwa der Förderung von sozialen Kompetenzen, Schlüsselqualifikationen oder Interkulturalität. Mareike Elbertzhagen hat in ihrer kulturwissenschaftlichen Diplomarbeit an der Universität Hildesheim (Elbertzhagen 2010:71) allein 125 Argumente identifiziert. Eine Auswahl: Direkter Kunstbezug – Künstlerische Kompetenzen, Rezeptionskompetenzen, Teilhabe an Kunst und Kultur; Indirekter Kunstbezug – Kreativität, Interkulturelle Kompetenz, Gesellschaftliche Teilhabe; Kein Kunstbezug – Persönlichkeitsbildung, Schlüsselkompetenzen, Gesellschaftsfähigkeit.
Manchmal scheint es, als wäre Kulturelle Bildung so etwas wie ein Allheilmittel für die Probleme in der Gesellschaft. Hier besteht die Gefahr, Kulturelle Bildung zu instrumentalisieren. Elbertzhagen kommt zu dem Schluss: „Es bedarf vielmehr professioneller Konzepte, wie sich Kulturelle Bildung in die Gesellschaft einbringen kann. Dies bedeutet in Bezug auf Argumente, dass genau überlegt werden muss, was Kulturelle Bildung in welchen Kontexten wirklich leisten kann. Dass Kulturelle Bildung imstande ist, positiv auf die Gesellschaft und ihre einzelnen Mitglieder zu wirken, steht außer Frage. Eine naive Verherrlichung Kultureller Bildung führt ebenso wenig weiter, wie ihre Unterschätzung. Es sollte vielmehr um eine ganzheitliche Bildung des Menschen gehen als um die Konkurrenz zwischen verschiedenen Bildungsdomänen“ (ebd.).
Kulturelle Bildung „ist auch Mittel der Integration“, pointiert es die Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung von 2009, Kulturelle Bildung „vermittelt Werte und Orientierung“, postuliert der Staatsminister für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt 2010, und 2011 propagiert die BKJ in ihrem Positionspapier „Kultur öffnet Welten – Mehr Chancen durch Kulturelle Bildung“ das magische Dreieck „mit den Eckpfeilern Kultur, Bildung und Jugend“ als Politikfeld. Die Zuschreibungen in Politik und Zivilgesellschaft sind evident, die Verortungen in der Praxis expandieren: Nordrhein-Westfalen ruft sich zum „Modelland“ aus, die Mercator-Stiftung definiert ein „Themencluster“ Kulturelle Bildung, die BKJ entwickelt ein „Modellprojekt“ nach dem anderen, der Bund stiftet einen „Preis für beispielhafte Projekte“ und auch die Freie und Hansestadt Hamburg sieht sich gern als „Modellregion“.
Kulturpolitik für Kinder
Auffällig ist, dass Kulturelle Bildung zumeist Kulturpolitik für Kinder ist. Eine Studie (Schneider 2010b) der Universität Hildesheim bestätigt diesen Trend. Dies ist Stärke und Schwäche zugleich – Schwerpunktbildung und Entwicklungsdefizit. Eine Erkenntnis ist, dass Kinder als Zielgruppe vor allem im Zusammenhang mit Kultureller Bildung kulturpolitische Berücksichtigung finden. Zumeist wird Kulturpolitik als Querschnittsaufgabe angesehen und offenbart zwei Seiten einer Medaille: die ästhetische Erfahrung, also die Teilhabe an Theater, Literatur, Bildender Kunst, Medien und Musik sowie die künstlerische Praxis, also die kulturpädagogischen Programme der Kultur- und Bildungseinrichtungen. Ein erstes Ergebnis der Studie ist deshalb auch ein klares Plädoyer für eine eigenständige Konzeption einer Kulturpolitik für Kinder, ihre Umsetzung auf allen politischen Ebenen sowie in der schulischen und außerschulischen Kulturellen Bildung.
Eine „Kulturpolitik für Kinder“ in Deutschland bedarf der Sichtung von Beispielen aus Bund und Ländern. Selbstverständlich kann es aber nicht nur Aufgabe der staatlichen Kulturpolitik allein sein, für eine neue Zielgruppenorientierung Sorge zu tragen. Kulturpolitik in Deutschland ist nach wie vor auch eine kommunale Aufgabe, vor allem verankert in den Städten, aber auch in den Landkreisen und Gemeinden. Auch das wäre eine Untersuchung wert, was sich kommunal tut, wenn es um Kinder, Kunst und Kultur geht. Viele Maßnahmen des Bundes und der Länder kommen natürlich „unten“ an. Aber viele Initiativen gehen auch von „unten“ aus. Die Wechselwirkungen sind dabei nicht zu unterschätzen, insbesondere wenn man die Mischfinanzierungen in der kulturellen Infrastruktur – ob Projekt oder Institution – betrachtet. Selten ist es nur eine politische Ebene, die zur Förderung beiträgt. Und ganz besonders hervorzuheben wäre auch das Engagement der vielen freien Träger, der Vereine und Verbände, der ehrenamtlich Tätigen und der vernetzten Hauptamtlichen in Theatern, Museen und Bibliotheken, in Musik- und Jugendkunstschulen, in den Landes- und Bundesvereinigungen der KünstlerInnen und KulturvermittlerInnen. Deren Rolle wird in der Politik auch weiterhin zu stärken sein; denn Politik kann nur dann erfolgreich Kulturpolitik betreiben, wenn diese auch im Alltag von Menschen umgesetzt wird. Und Kulturpolitik für Kinder bedarf der besonderen Verantwortung, weil sie auch Stellvertreterfunktion hat.
Die Bundesrepublik Deutschland versteht sich als „Kulturstaat“ und im Wettbewerb des Kulturföderalismus sieht sich jedes der deutschen Bundesländer selbstverständlich als „Kulturland“. Doch kann sich ein Bundesland deshalb auch schon als „Kulturland für Kinder“ bezeichnen? Die Hildesheimer Studie will nicht ein Ranking sämtlicher Projekte und Programme, die von Landesministerien initiiert und unterstützt werden, vornehmen. Vielmehr interessieren programmatische Schritte und die dazugehörigen Fragestellungen. Ist eine Sensibilität für das Thema „Kulturpolitik für Kinder“ vorhanden? Werden daraus auf der Ebene der Kompetenzfelder Konsequenzen gezogen? Inwieweit folgt von Seiten der politisch Verantwortlichen eine konzeptionelle Rahmensetzung für eine solche Politik?
Das vorbildliche Beispiel Hamburg und die beiden Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen zeigen, dass die Teilhabe an Kultur durch eine dezidierte kulturpolitische Konzeption zur Aufgabe gemacht werden kann. Dies gilt im Besonderen für ein Recht auf Kunst und Kultur für Kinder. Die Verpflichtung der politisch Verantwortlichen zu einer kulturellen Daseinsvorsorge impliziert, dass besonders im Bereich Kinderkulturpolitik klare Konzepte formuliert werden müssen, die eine Unterstützung nicht nur auf Seiten der KulturpolitikerInnen verbindlich regeln und eine entsprechende finanzielle Förderung festlegen.
In der Kulturellen Bildung wird viel kooperiert (Theater mit Schulen, der Musikunterricht mit der Musikschule, die Museumspädagogik mit der Jugendkunstschule), aber die Kulturinstitutionen haben nicht ausreichend Personal, um eine flächendeckende Nachfrage zu generieren. Es wird viel projektiert, aber die Bildungsinstitutionen sind nicht bereit, Zeit, Räume und Mittel in angemessener Form bereitzustellen. Die Curricula der Schulen sind nicht auf künstlerische Praxis und kulturelle Teilhabe umgestellt. Die Stundentafeln sind nach wie vor der Allgemeinbildung verpflichtet und politisch zum Teil sakrosankt. Eine Kulturpolitik für Kinder braucht aber eine umfängliche Konzeption, einen politischen Wandel hin zur Kulturgesellschaft, die heute über das Zusammenleben von morgen entscheidet.
Im Bund mit der Kultur
Kulturelle Bildung war auch Gegenstand der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestags. In ihren Handlungsempfehlungen von 2007 wird konstatiert, dass Kulturelle Bildung „unverzichtbarer, integraler Bestandteil von Bildung wie von Kultur“ ist. Bund, Länder und Kommunen werden aufgefordert, in die Kulturelle Bildung zu investieren, Kultur- und Bildungseinrichtungen angeregt, Kooperationsvereinbarungen zu vereinbaren, und den Ländern wird empfohlen, die Fächer der Kulturellen Bildung qualitativ und quantitativ aufzuwerten. In einem Sondervotum hat der Verfasser als Sachverständiges Mitglied der Kulturenquete für einen eigenen Lernbereich „Kulturelle Bildung“ plädiert, der Kunst, Musik, Film, Theater und Literatur miteinander vereint (Deutscher Bundestag 2008). Hochschulen werden angeregt, Kulturvermittlung in den Curricula zu verankern. Auch die Kinderkommission des Deutschen Bundestages kommt 2009 zu dem Schluss, dass Kulturelle Bildung auf die politische Agenda gehört und empfiehlt der Kultusministerkonferenz einen diesbezüglichen Ausschuss.
Bundes- und länderpolitisch übergreifend arbeiten die Kulturstiftung der Länder und die Kulturstiftung des Bundes auch im Bereich der Kulturellen Bildung unter anderem mit den Großvorhaben „Jedem Kind ein Instrument“ und „Kulturagenten für kreative Schulen“.
2003 startete die Kulturstiftung der Länder die Bildungsinitiative „Kinder zum Olymp“, mit der die „kulturelle Bildung besser im Alltag von Schulen oder auch Kindergärten sowie im Bewusstsein der Öffentlichkeit“ verankert werden soll. Mit Publikationen, Kongressen und dem Wettbewerb „Schulen kooperieren mit Kultur“ regt die Kulturstiftung neue Initiativen an und baut Netzwerke auf und aus.
Stadt und Land, Hand in Hand
Länder und Kommunen arbeiten zudem an Konzeptionen für die Kulturelle Bildung, um die inhaltlichen und organisatorischen Voraussetzungen für eine Stärkung dieses Praxisfeldes zu schaffen. Die Bundeshauptstadt hat ebenso wie der Stadtstaat Hamburg oder die bayerische Landeshauptstadt einen Prozess eingeleitet, der die besondere Entwicklung von Kultureller Bildung als politische Querschnittsaufgabe fördern soll. Im Rahmenkonzept für Berlin von 2008 ist zu lesen: „Ziel kultureller Bildung ist es daher, Kinder und Jugendliche zu befähigen, am kulturellen Leben der Gesellschaft aktiv und selbstverantwortlich teilnehmen zu können. Dazu gehören das Vertrautwerden mit der Kunst als Sprache, die Sensibilisierung auf Kunst hin ebenso wie das Verständnis für den Eigenwert von Kunst, die sich jeglicher Verzweckung verweigert, die Freisetzung schöpferischer Kräfte und Phantasien durch die Ausbildung künstlerisch-ästhetischer Ausdrucksformen. Ein ganzheitliches Verständnis kultureller Bildung begreift den Menschen daher immer im Zusammenspiel seiner kognitiven, sinnlichen, emotionalen und ästhetischen Aneignungsweisen und zielt darauf, diese individuell zu fördern und auszuprägen“ (Schneider 2010b:152).
Programmatisch versteht sich auch die Konzeption „Kulturelle Bildung für München“ von 2009. Kulturelle Bildung wird als ganzheitliche und vielfältige Aktivität und Erfahrung beschrieben, die sich im Wechselspiel und in der Verantwortung von kulturellen, schulischen, jugendbildenden und familiären Handlungs- und Wirkungsfeldern realisieren. Besonders herausgestellt wird die Rolle der Künste. „Die Instrumentalisierung von Kunst und Kultur – egal zu welchem Zweck – widerspricht deren Wesen. Kulturelle Bildung darf künstlerische Produktion und Rezeption nicht pädagogischen oder didaktischen Zielen unterordnen“ (Schneider 2010b:167).
Auf Länderebene kamen in jüngster Zeit weitere kulturpolitische Manifeste zur Veröffentlichung. „Kultur 2020. Kunstpolitik für Baden-Württemberg“ beschreibt unter dem Titel „Kulturelle Bildung – Den ganzen Menschen stärken“ Fantasie und Kreativität als grundlegende Faktoren zeitgemäßer Bildung. Ein Bündnis für Kulturelle Bildung soll die institutionelle Rahmung vornehmen. „Um die Potentiale der schulischen und außerschulischen Kulturellen Bildung wechselseitig fruchtbar zu machen, wird von Kultusministerium und Kunstministerium ein Bündnis für Kulturelle Bildung initiiert, das gemeinsam mit den Kommunen als Schulträgern und den Kultureinrichtungen auf möglichst vielen Ebenen ansetzt“ (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg 2010:40). Nordrhein-Westfalen gehört seit Jahrzehnten zu den Schrittmachern Kultureller Bildung auch im Bundesmaßstab. Jüngste Initiativen sind die „Arbeitsstelle Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit“ und das 2012 eingeführte Landesprogramm „Kulturrucksack“ mit kostenlosen bzw. kostenreduzierten Angeboten speziell für Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 14 Jahren (siehe Klaus Schäfer „Jugendpolitik und Kulturelle Bildung“). Kulturelle Bildung steht auch an erster Stelle der Kulturpolitik des Landes Niedersachsen, zumindest wenn es um die Formulierung von Zielen und Schwerpunkten geht. Ein erster Kulturbericht belegt, dass es die großen Institutionen in den großen Städten sind, die die großen Anteile des Kulturhaushaltes erhalten. Als ausbaufähig wird allerdings die Kulturelle Bildung gesehen, die es zu intensivieren gelte.
Von der Kulturbildung zur Interkulturalität
Mittels Kultureller Bildung soll auch die interkulturelle Öffnung von Kultureinrichtungen forciert werden. Menschen mit Migrationshintergrund sollen Zugang zum und Teilnahme am kulturellen Leben ermöglicht werden. Diversity-Management wird für Theater, Museen und Kulturzentren gefordert. Im „Nationalen Aktionsplan Integration“ der Bundesregierung werden vor allem die Länder ermutigt, der kulturellen Integration eine hohe Bedeutung beizumessen und ihre Kulturpolitik konsequent international auszurichten. „Interkulturalität und internationale Orientierung müssen überall selbstverständlich sein“ (Bundesregierung 2011:464).
Kulturpolitisch ist in Sachen Kulturelle Bildung in Deutschland einiges in Bewegung gekommen. Allerdings fehlen noch der große Wurf, die konzertierte Aktion, der grundsätzliche Wille, entscheidende Veränderungen herbeizuführen, von der Produktionsorientierung umzuverteilen auf die Rezeptionsförderung. Der Präsident des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert, teilt diese Skepsis und hat sich 2012 an exponierter Stelle („Bunte“ 4/2012:90) warnend in die Debatte eingemischt: „Es gibt eine notorische Unterschätzung der Bedeutung von Kultureller Bildung im Verhältnis zur sonstigen allgemeinen beziehungsweise beruflichen Ausbildung. Das ist nach meiner Überzeugung die Achillesferse des deutschen Kultursystems. Durch jahrelange Vernachlässigung der Kulturellen Bildung sowohl auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite wächst nicht das nach, was diese Kultureinrichtungen zum Überleben brauchen: nämlich Leute, die in Zukunft Mitglieder von Orchestern werden oder Theater spielen können, die Bücher schreiben, und umgekehrt Leute, die sich für diese Angebote interessieren“ (Lammert 2012:90).