Das Community Music Netzwerk als Diskurs- und Transferplattform
Einblicke in die zehnjährige Entwicklungsgeschichte 2013 – 2023
Abstract
In diesem Beitrag wird die Entwicklung und Arbeit des Community Music Netzwerks - beginnend 2013 mit der Münchner Community Music Aktionsforschungsgruppe bis zur Gründung eines nationalen Netzwerkes dargestellt. Herausforderungen und Chancen der Entwicklung von einer lokalen, kooperativen, informellen Initiative hin zu einem nationalen eingetragenen Verein in einem sich aufbauenden Feld werden beschrieben. Wie das Netzwerk Wissen in der und über die Community Music in Deutschland verhandelt und wie es sich weiterentwickelt hat, wird reflektiert.
Dieser Beitrag entstand vor dem Hintergrund des Projekts „Witra KuBi" und der 14. Netzwerktagung „Experiment Wissen" (2023). Er ist Teil des von Anne Hartmann und Kerstin Hübner herausgegebenen kubi-online Dossiers über „Wissenstransfer in der Kulturellen Bildung" (i. E.).
Verortung
Ich schreibe diesen Beitrag aus der Perspektive der Mit-Gründerin und aktuellen Vorständin des Community Music Netzwerkes. Vor meiner Tätigkeit im Community Music Netzwerk hatte ich keinerlei Erfahrung mit deutschen Verbandsstrukturen und deren Aufgaben. Community Music ist jedoch ein Thema, dem ich mich mein ganzes Leben aus verschiedenen Perspektiven gewidmet habe: in Kindheit und Jugend als Teilnehmerin in Community Arts Projekten in München, als Studentin der Community Arts in Liverpool, als freiberufliche Akteurin/Community Musician in Deutschland und England, als Beraterin von Schulen, Kulturinstitutionen und Stadtverwaltungen, Netzwerkerin und nun in Forschung und Lehre als Professorin für Musik in der sozialen Arbeit / Community Music an der Hochschule Düsseldorf. Diese unterschiedlichen Perspektiven beeinflussen meine Haltung, meinen Blick und meine Arbeit.
Einführung
Community Music als interventionistische Praxis beschreibt aktives, inklusives, partizipatives Musizieren in Gruppen als Ausdruck des geographischen, sozialen, kulturellen, persönlichen und politischen Kontextes der Musikmachenden. Community Music ist eine diskriminierungskritische Praxis und basiert auf Idealen wie der kulturellen Demokratie, der sozialen Gerechtigkeit, der Gleichwertigkeit von Prozess und Produkt, dem sicheren Raum und dem Empowerment der Teilnehmenden (Bartleet/Higgins 2018). International ist Community Music ein Feld, welches seine Wurzeln in der Praxis hat (zum Beispiel in Großbritannien in den 1970er Jahren aus der Community Arts Bewegung). Eine wissenschaftliche Ausarbeitung kam erst sehr viel später, vor allem Lee Higgins hat hier durch den Aufbau des International Journal of Community Music (IJCM) und seine theoretischen Arbeiten das Feld maßgeblich aufgebaut. Gut ablesen lässt sich diese Entwicklung auch an den Inhalten vom IJCM in den letzten 17 Jahren: der Zunahme von forschungsbasierten Papers und der Abnahme von Projektberichten (Coffman/Coffman 2023). Theoriebildung entstand oft mit dem Ziel der Feldentwicklung, beispielsweise Te Oti Rakena (2018), der Community Music in einen theoretischen Bezug zur indigenen Maori-Philosophie und Epistemologie setzt und betont, wie wichtig kulturell passende Forschungsmethoden, die das Maori Kollektiv stärken, in seinem Kontext sind.
Durch diesen historischen Hintergrund ist in der Community Music der Praxisbezug sehr prägend. Dies spiegelt sich einerseits in den angewandten Forschungsmethoden (zu Anfang sehr viele Fallstudien und Projektberichte, eine Offenheit zur Praxis- / Aktionsforschung, partizipativer und künstlerischer Forschung), dem langsam aber stetig wachsenden Aufbau einer theoretischen Grundlage, aber auch dem Versuch die oben genannten Ideale der Praxis ebenso im Miteinander im Allgemeinen und in strategischer Arbeit, Forschung und Praxis im Besonderen beizubehalten. In Deutschland ist Community Music ein sich neuformierendes, interdisziplinäres Feld. Hier bereits existierende Praktiken von Community Art und Community Arbeit wurden in den letzten Jahren in Bezug gesetzt zu internationaler Community Music Forschung (de Bánffy-Hall 2019; Hill 2017). Zusätzlich hatten von unterschiedlichen Institutionen ausgehende Initiativen, wie beispielsweise vom Konzerthaus Dortmund oder von verschiedenen Universitäten, starken Einfluss auf die Entwicklung des Feldes. Zugleich hat die inzwischen zehn Jahre währende Auseinandersetzung mit der Idee der Community Music in Deutschland einerseits jene schon existierenden Praktiken in den Fokus gerückt, die mit der Community Music korrespondieren, und andererseits eine vielfältige für den deutschen Kontext relevante und spezifische Praxis hervorgebracht.
Das in diesem Artikel beschriebene Community Music Netzwerk ist aus der Münchner Community Music Aktionsforschungsgruppe erwachsen. Es will Akteur*innen aus der Praxis unterstützen, für Vernetzung sorgen und als Interessensvertretung fungieren. In diesem sich neuformierenden Feld ist die kritische Betrachtung des Wissenstransfers eine sehr bedeutsame: Wir sollten uns fragen, wessen Wissen weitergegeben wird und wessen Wissen gilt. Wie wird mit einem sehr international geprägten Diskurs im deutschen Kontext umgegangen? Wie hat sich das Wissen der Münchner Aktionsforschungsgruppe weiterentwickelt? Wer hat die Definitionsmacht - eine wichtige Frage in einer Phase der Feldentwicklung, in der sich Akteur*innen unterschiedlichster Praxisfelder, Disziplinen, Diskurse und Zielsetzungen den Begriff der Community Music zu eigen machen.
Nach einem Überblick über die Entwicklung der ersten zehn Jahre des Community Music Netzwerks (2013 - 2023) werde ich auf die oben gestellten Fragen eingehen.
Community Music in Deutschland: Praxis und Qualifizierung 2013 - 2023
Der Begriff „Community Music” wird in Deutschland seit circa zehn Jahren verwendet und das Feld der Community Music ist in diesem Zeitraum in Praxis, Forschung und Lehre stetig gewachsen. Praxis, die dieser Idee entspricht, gibt es jedoch in Deutschland - wie überall auf der Welt - schon viel länger. Bereits vor der Verwendung dieses Begriffes gab es Projekte und Praxisansätze, die mit Community Music korrespondieren und deren Bezugsfelder demzufolge Schnittmengen mit Community Music haben (de Bánffy-Hall 2017). Dazu zählen zum Beispiel Projekte, die als Teil der Soziokultur-Bewegung der 1970er Jahre entstanden sind, oder Teile der Volksmusik.
In der Volksmusik setzen viele Projekte einen starken Schwerpunkt auf niederschwelliges gemeinsames Musizieren in Gruppen. Die Volksmusikabteilung der Landeshauptstadt München organisiert beispielsweise Singstunden in Stadtteilzentren, in denen ohne musikalische Vorerfahrung teilgenommen werden kann, oder offeriert Jodeln für alle, das ohne Notationskenntnisse zugänglich ist. Sie bietet ein gemeinsames inklusives Singen auf dem Christkindlsmarkt an und sorgt für Zugänglichkeit durch räumliche Barrierefreiheit, Texte in Großschrift und Blindenschrift, Gebärdensprachübersetzung sowie Induktionsschleifen für Hörgeschädigte oder durch die Möglichkeit, Assistenzhunde mitzubringen. Der Kreative Hoagartn, ein Projekt organisiert von der Volksmusikabteilung der Landeshauptstadt München, dem Bezirk Oberbayern und der Musikpädagogin Johanna Schwarz, entwickelte diese alte regionale Musiktradition durch die Idee der Community Music weiter. Ursprünglich geht es im Hoagarten um gemeinschaftliches Musizieren im Stil der Volksmusik im ländlichen Raum, oft im Wirtshaus oder in Nachbarschaften. Beim Kreativen Hoagartn wurde diese Praxis unter anderem um inklusive musikalische Ansätze, Gruppenimprovisationen und Songwriting-Werkstätten ergänzt (Bezirk Oberbayern 2021).
In der Schnittmenge von Sozialer Arbeit und Soziokultur lassen sich ebenso Projekte finden, die rückblickend als Community Music Projekte bezeichnet werden könnten. Beispiele sind das Mädchen-Musicalprojekt „Komm mit lauf weg“, welches in den 1990er Jahren über zwei Jahre im Münchner Haus der Jugendarbeit mit knapp 30 Mädchen ein selbstgeschriebenes Musical erarbeitete (Lang 1997), oder die WestEndOpera, ein HipHop Projekt für Jugendliche, das zur gleichen Zeit vom International Munich Arts Lab auch im Haus der Jugendarbeit durchgeführt wurde. Beides waren Projekte, die von Sozialarbeiter*innen gemeinsam mit Künstler*innen geleitet wurden und die klar interventionistische und künstlerische Ziele verfolgten.
Trotz dieser Praxis: Bis 2012 gab es keine deutschen Veröffentlichungen zum Thema und ob sich das Wort im deutschen Sprachraum durchsetzen würde, war umstritten. Durch die beginnende Arbeit der Münchner Community Music Aktionsforschungsgruppe entwickelten sich Praxis und Lehre rasant: 2013 gab es die erste Lehrveranstaltung „Community Music“, geleitet von Prof. Dr. Burkhard Hill, an der Hochschule München. 2014 setzten die Münchner Philharmoniker vier einjährige Community Music Projekte um. Das Kulturreferat der Landeshauptstadt München und der Bezirk Oberbayern begannen, die Arbeit zu fördern. 2017 erschien das erste deutschsprachige Buch über Community Music. Der erste deutsche Masterstudiengang in inklusiver Musikpädagogik / Community Music wurde 2017 an der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt etabliert. 2020 wurde an der Hochschule Düsseldorf die erste Professur mit der Denomination Community Music ausgeschrieben. Nach einer mit 53 Teilnehmenden durchgeführten Umfrage gab es in Deutschland im Jahr 2020 zehn Universitäten mit einem Lehrveranstaltungsangebot zum Thema Community Music und 37 Hochschulen, an denen Community Music als Teil anderer Lehrveranstaltungen gelehrt wird, Tendenz steigend (de Bánffy-Hall 2020). Zudem gibt es viele Fort- und Weiterbildungsangebote, zum Beispiel die Weiterbildung „Musik in der sozialen Arbeit / Community Music“ an der Hochschule Lübeck oder das einjährige, über 236 Lehrstunden umfassende „Community Music Zertifikat“, eine Kooperation der Robert-Schumann-Musikhochschule Düsseldorf, der Hochschule Düsseldorf, der Landesmusikakademie Nordrhein-Westfalen, des Konzerthauses Dortmund und der Musicians without Borders. Die verschiedenen Qualifizierungsformate setzen unterschiedliche Schwerpunkte: Der Masterstudiengang in Eichstätt legt seinen Schwerpunkt sowohl auf inklusive Musikpädagogik als auch auf Community Music und schließt als bisher einziger Universitätsstudiengang in dem Bereich mit einer Masterarbeit ab. Der Zertifikatslehrgang an der Landesmusikakademie NRW hat die Vision, Musikstudierende, Studierende der Sozialen Arbeit und Akteur*innen aus dem Feld gemeinsam lernen zu lassen. Inhalte sind sowohl künstlerisch-pädagogische Ansätze und Workshop- und Projektkonzeption als auch wissenschaftliche Grundlagen mit dem Ziel, die eigene Praxis im Diskurs verorten und kritisch reflektieren sowie argumentieren zu können. Dazu kommt eine intensive Begleitung des allein durchzuführenden Praxisprojektes durch das Community Music Team des Konzerthauses Dortmund, das Lücken in bisherigen Studienformaten bezüglich der Vorbereitung für die Praxis sieht und reflektiert. Viele der recherchierten Fortbildungen und Workshops legen Schwerpunkte auf einzelne Facetten der Community Music. Dies können musikalische Ansätze wie Gruppenkomposition sein, die Arbeit mit bestimmten Zielgruppen oder Aspekte der gruppenbezogenen oder stadtteilbezogenen Arbeit.
Auch Praxisprojekte wachsen stetig, hier ein paar Beispiele: Das Konzerthaus Dortmund hat, ausgehend von Intendant Raphael Hoensbroech, seit 2019 eine eigene wachsende Community Music Abteilung unter der Leitung von Matthew Robinson, die verbindlich und langfristig mit den Bewohner*innen der angrenzenden Stadtviertel (Brückviertel und Nordstadt) arbeitet. Vom Community Chor und Community Jam Angeboten über Einladungen zu Kaffee und Kuchen für die Nachbarschaft bis hin zu regelmäßigen Festen, die mit und für die Community gefeiert werden, sind alle Angebote für alle offen und kostenlos. Die Landeshauptstadt München, Abteilung Bildung und Sport, initiierte 2022 ein Community Music Projekt in Kindertageszentren, in dem es um Musikmachen im öffentlichen Raum zur Unterstützung von nachbarschaftlichen Beziehungen ging. Das Jazzhaus Köln lädt regelmäßig zu Community Music Seminaren und Vernetzungsveranstaltungen ein. Beim Community Music Jour Fixe ist dort einmal im Monat Raum, Methoden und Stücke auszuprobieren. Festzustellen ist, dass sich Community Music innerhalb von 10 Jahren in Deutschland als eigenständiges Praxis- und Forschungsfeld durchgesetzt hat.
Strukturentwicklung – Entstehung vom Community Music Netzwerk
Münchner Community Music Aktionsforschungsgruppe: 2013 – 2015
Zwischen 2013 und 2015 arbeitete eine Gruppe von acht lokalen Münchner Akteur*innen als Community Music Aktionsforschungsgruppe zusammen. Begonnen wurde das Forschungsprojekt mit den Fragen, inwieweit es für die Praxis der „Community Music” in Deutschland überhaupt Bedarfe gibt, was Community Music bedeutet, ob dieser englische Begriff notwendig ist oder ob es das gleiche schon unter einem anderen (deutschen) Namen gibt. Initiiert und wissenschaftlich begleitet durch Alicia de Bánffy-Hall im Rahmen ihrer Doktorarbeit trafen sich Akteur*innen aus Kulturverwaltung, Musikpädagogik, Musikpraxis und Forschung regelmäßig an wechselnden Orten und bearbeiteten das Thema Community Music. Die Gruppe schrieb kollaborativ die erste deutschsprachige Definition von Community Music (de Banffy-Hall 2019:107), erarbeitete Desiderate im Feld der Community Music in München, organisierte eine große dreitägige internationale Tagung mit 150 Gästen und 53 Beiträgen aus 12 Ländern, für welche die Hochschule für Musik und Theater München, der Bezirk Oberbayern, die Hochschule München, das Kulturreferat der Landeshauptstadt und das Munich Centre for Community Arts erstmals zu diesem Thema kooperierten (de Bánffy-Hall 2019). Aufbauend auf den Tagungsbeiträgen erschien 2017 das erste deutschsprachige Buch zum Thema Community Music (Hill/de Bánffy-Hall 2017), in dem die Gruppe die gemeinsame Arbeit und die Bedeutung ihres kollaborativen Wissenstransfers in einem eigenen Kapitel beschreibt. Ebenfalls in dieser Zeit entstand auf Einladung des damaligen Herausgebers Lee Higgins das erste Special Issue „Community Music in Germany“ im International Journal of Community Music (de Bánffy-Hall/Hill/Harthog 2016).
Community Music Netzwerk: 2015 – 2020
Nach knapp drei Jahren intensiver Arbeit entschied die Gruppe, dass es nun an der Zeit wäre, sich zu öffnen. Daraufhin entstand eine lose, informelle Gruppe unter dem Namen „Community Music Netzwerk”. Ab 2015 wurden in München Fortbildungs- und Vernetzungsveranstaltungen zur Entwicklung und Sichtbarkeit von Community Music in Deutschland angeboten. Mit Gästen wie Phil Mullen (UK), Pete Moser (UK), Jess Abrams (UK), Carina Dengler (DE), David Lines (Neuseeland) und vielen anderen fanden bisher insgesamt 35 sogenannte Community Music Salons, ein Format zur Fortbildung und Vernetzung von Community Musicians, statt. Themen wie Gruppenkomposition, Soundpainting, Arbeit mit Jugendlichen oder Trauma sensible Praxis fanden hier Raum.
Im September 2020 wurden im Kulturreferat der Landeshauptstadt München erneut alle Community Music Interessierten eingeladen und gefragt, welche Bedarfe sie an das Netzwerk haben und ob weiterhin ein Netzwerk gewünscht wird. Hier wurden nach sieben Jahren erneut die Forschungsergebnisse der Autorin (de Bánffy-Hall 2019:96) bestätigt: Community Music Akteur*innen hatten weiterhin Bedarf nach Vernetzung, gemeinsamem Lernen und Austausch, dem Aufbau des Feldes und einer Interessensvertretung. Diese Rückversicherung nach sieben Jahren gab dem Netzwerk erneut Bestätigung und einen Auftrag für die weitere Arbeit. Dieses Treffen führte zur Entscheidung, einen eingetragenen Verein zu gründen, um die Arbeit der Gruppe auf stabile Beine zu stellen. Diesen Schritt wollten wir lange nicht gehen, da wir genau die freie, informelle und fluide Form des Netzwerkes als große Stärke empfanden und uns deshalb nicht in feste Strukturen begeben wollten. Wir hatten bis dahin Bedenken, ob wir unsere Energie in formalisierte Strukturen und in die Arbeit, die damit einhergeht, stecken wollten. Nach diesem Treffen und in Anbetracht der dynamischen nationalen Entwicklung von Community Music wurde klar, dass es fast eine Verpflichtung gab, das Wissen und die Erfahrungen unseres Netzwerks langfristig und stabil dem Feld zur Verfügung zu stellen. Die Vereinsgründung schien der richtige Weg zu sein, um dies zu erreichen.
Community Music Netzwerk e.V.: seit 2020
Am 15.09.2020 wurde also aufbauend auf den Jahren informeller Arbeit der gemeinnützige Verein Community Music Netzwerk als nationale Plattform von Community Musicians zur Vernetzung, Fortbildung und Interessenvertretung gegründet.
Dann kam Corona und diese Zeit stellte das Netzwerk - wie so viele andere Organisationen - vor die Herausforderung, unter komplett anderen Bedingungen weiterzuarbeiten: im digitalen Raum und dadurch plötzlich nicht mehr nur in München, sondern mit einer großen nationalen und teilweise sogar internationalen Reichweite.
Zwischen April 2020 und Januar 2023 wurde das Netzwerk von Jessika Köbele und Theresia Rösler im Rahmen von Ehrenamtspauschalen mit wenigen Stunden in der Woche koordiniert; im Februar 2023 hat Swantje Ndaje die feste Rolle der Koordinatorin des Netzwerkes übernommen. Mitglieder sind sowohl freie Akteur*innen der Community Music also auch immer mehr Institutionen, die im Feld aktiv sind. Dazu gehören beispielsweise die Münchner Stadtbibliotheken, die Community Music in die Stadtteile bringen wollen, die Musikhochschule Lübeck, die Musik in der Sozialen Arbeit / Community Music Certificate of Advanced Studies anbietet, die katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, die den Masterstudiengang inklusive Musikpädagogik/Community Music verantwortet, die Anton-Bruckner Universität Linz mit dem Masterstudiengang Musikvermittlung, die Robert Schumann Hochschule Düsseldorf und die Hochschule Düsseldorf durch ihre Rolle im Community Music Zertifikatslehrgang an der Landesmusikakademie Nordrhein Westfalen, die Jazzhausschule Köln, die Community Music Fortbildungen und Projekte realisiert, die Musikschule Frankfurt, der Musik:Welt Studiengang an der Universität Hildesheim und das Orff Institut Salzburg. Dazu kommt eine stetig wachsende Zahl von individuellen Mitgliedschaften.
Aufgaben des Netzwerkes
Das Community Music Netzwerk begann als Aktionsforschungsprojekt bestehend aus acht Personen, wurde dann zur losen Gruppe von Akteur*innen im Münchner Raum, bis es sich schließlich erst vor drei Jahren zu einem eingetragenen Verein formierte. Entsprechend sind die Aufgaben gewachsen und haben sich mit der Entwicklung erweitert und gleichzeitig fokussiert.
Entwicklung nach innen als Verein für Mitglieder zum Wissenstransfer
Der Aufbau geschah am Anfang sehr intuitiv, der Fokus des Netzwerkes entwickelte sich organisch, ohne langfristige Strategie. Zuerst konzentrierten wir uns hauptsächlich auf die interne Entwicklung eines Netzwerks für die Mitglieder. Wir begannen mit der Kernidee der Vernetzung von Community Musicians durch Fortbildungsworkshops und lokale Treffen. Die sogenannten Community Music Salons waren das Format, auf welches sich das Netzwerk konzentrierte und welches das Herz der Arbeit darstellte. Die Inhalte und Auswahl der Referent*innen ergaben sich meist durch Ideen des Vorstands oder von neuen Mitgliedern. Inzwischen laden wir hierzu aktiv alle Mitgliedern ein, um auf ihre Ideen und Bedarfe der einzugehen.
Relativ am Anfang wurden bereits Gruppen auf sozialen Medien gegründet: zuerst die Facebook Gruppe des Netzwerkes „Community Music Netzwerk” mit aktuell 513 Mitgliedern (Stand: Januar 2024). Es folgten Instagram-, LinkedIn- und Twitter-Konten mit dem Ziel, Informationen wie Jobmöglichkeiten, Fördermöglichkeiten, Projekte etc. zu teilen und Akteur*innen auch digital miteinander zu vernetzen. Die Facebook Gruppe ermöglicht im Sinne der Community Music einen von der Gruppe selbstgesteuerten Austausch. Instagram, LinkedIn und Twitter kamen später dazu und werden vom Netzwerk bespielt, hier mit dem Ziel, Informationen, Projekte von Mitgliedern zu teilen und nach außen zu kommunizieren und Mitglieder dadurch zu unterstützen. Ab Sommer 2022 wurden von ausgewählten Mitgliedern Profile erstellt und auf der Website veröffentlicht, um sichtbar zu machen, wo und wie Community Musicians in Deutschland arbeiten bzw. was ihre beruflichen Wege sind und um sie durch eine zeitgleiche Veröffentlichung in den sozialen Medien und auf der Vereinswebsite sichtbar zu machen. Seit August 2023 gibt es auf der Website einen internen Mitgliederbereich für Profile, Fortbildungsmöglichkeiten, Jobangebote, Fördermöglichkeiten und mit der Funktion für Mitglieder, in einem geschützten digitalen Raum miteinander in Kontakt zu treten und sich auszutauschen. Ein weiterer strategischer Schwerpunkt ist die Unterstützung und Entwicklung regionaler Gruppen, um regionale Vernetzung und lokale Bedarfe gezielt zu unterstützen. Der Münchner Raum ist durch die langjährige Arbeit – als Ursprung des Netzwerkes – schon am stärksten entwickelt; aktuell gibt es außerdem Regionalgruppen in NRW, Berlin und Baden-Württemberg.
Die erwähnten verschiedenen Formate des Austauschs sorgen für verschiedene Formen des Wissenstransfers:
- öffentlich zugänglich und online (z. B. auf sozialen Medien und auf der Netzwerkwebseite) wird sowohl ein informeller Austausch als auch das Teilen von Wissen und die Kommunikation der Mitgliederaktivitäten nach außen ermöglicht.
- intern geschlossen und online (im internen Mitgliederbereich) geht es um Vernetzung und kollegialen Austausch im geschützten Raum zu ausgesuchten Themen, Jobangeboten und Fördermöglichkeiten. Ermöglicht werden auch Synergien durch das gegenseitige Kennenlernen (u. a. durch die Profile der Akteur*innen und ihrer Praxis).
- in Präsenz (in den Salons, Fortbildungsworkshops und regionalen Treffen) werden ausgesuchte Ansätze der Community Music vermittelt und lokale Vernetzung unterstützt. Diese Angebote sind für Mitglieder kostenlos zugänglich, aber auch offen für Interessierte.
Entwicklungen nach außen als Interessensvertretung
Immer stärker wird seit Vereinsgründung im Netzwerk das Ziel verfolgt, die Rahmenbedingungen für Community Musicians zu beeinflussen und Mitglieder zu repräsentieren: Faire Bezahlung, Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse durch Anerkennung des Berufsbildes, Fördermöglichkeiten, Qualitätsstandards sind nur einige der Themen, die regelmäßig diskutiert werden.
- Qualitätsstandards – Code of Practice:
Ein erster deutschsprachiger „Code of Practice” wurde von Mitgliedern des Community Music Netzwerks und dem Community Music Team vom Konzerthaus Dortmund gemeinsam erarbeitet und liegt nun öffentlich vor. Dieser Prozess war ein kollaborativer Schreibprozess, indem Mitglieder des Netzwerkes gemeinsam einen Text verfassten und wir uns als Netzwerk dazu positionieren, was Qualität in der Community Music Praxis für uns bedeutet. Angelehnt an den von Sound Sense (der britischen Interessensvertretung für Community Musicians) verfassten Code of Practice starteten wir mit einer übersetzten Version, die wir inhaltlich und sprachlich auf den deutschen Kontext anpassten. In dem Prozess kamen praxisbasierte Perspektiven (von Akteur*innen in der Workshoppraxis und in Konzeptionsrollen), Perspektiven aus der Wissenschaft und Perspektiven mit deutscher und englischer Prägung im Feld der Community Music zusammen. Nach einem Onlinetermin, in dem in Kleingruppen und in der Großgruppe einzelne Punkte und Formulierungen verhandelt wurden, wurde der Text von der Netzwerkkoordinatorin textlich finalisiert. Genau diese Form des gleichwürdigen Zusammenkommens und Zusammendenkens von Menschen aus Wissenschaft, Praxis, freier Szene und Institutionen wollen wir als Netzwerk ermöglichen. Da der Begriff „Community Musician“ nicht geschützt ist, ist es umso wichtiger, sich zu ethischen, musikalischen und sozialen Qualitätsstandards zu bekennen. Dieser gemeinsam erarbeitete Code of Practice steht nun im internen Mitgliederbereich den Mitgliedern zur Verfügung.
- Künstlersozialkasse:
Durch die wachsende Anzahl von Ausbildungsmöglichkeiten und Studienangeboten in der Community Music kommen immer mehr Akteur*innen in die Praxis, die sich als Community Musician definieren und meist in der Freiberuflichkeit arbeiten. Hier ist Versicherung ein essenzielles Thema. Auf Initiative von Community Musician Tina Gronert hin unterstützte das Community Music Netzwerk eine Aktion, um die Künstlersozialkasse für dieses neue (und nicht mehr wegzudenkende) Berufsbild zu sensibilisieren und Entscheidungsträger*innen von der Aufnahme von Community Musicians in die Künstlersozialkasse zu überzeugen. Bisher erkennt die Künstlersozialkasse diese Arbeit nicht als künstlerische Arbeit an und nimmt Community Musicians nicht in die Künstlersozialkasse auf.
- Faire Bezahlung:
Ein wichtiges Thema für Community Musicians ist eine faire Bezahlung, von der sie leben können. Bisher empfehlen wir das von ver.di erarbeitete Papier zu fairen Honorare von Kulturarbeiter*innen, werden aber im nächsten Jahr ein eigenes von Mitgliedern erarbeitetes Positionspapier zum Thema veröffentlichen. Immer noch wird die Arbeit im sozialen und künstlerischen Bereich oft nicht in einer Weise bezahlt, in der Akteur*innen davon leben können.
Herausforderungen für die Zukunft
- Umgang mit Wissen:
Da Community Music in Forschung und Praxis auf nationaler Ebene aktuell noch von wenigen Akteur*innen gestaltet wird, besteht die Herausforderung, wie wir für die Weiterentwicklung des Diskurses und den Einbezug von unterschiedlichen Perspektiven sorgen können. Wie kann Austausch zwischen „alten“ und „neuen“ Mitgliedern ermöglicht werden und wie kann die Gefahr gebannt werden, dass bestimme etablierte Stimmen den Diskurs dominieren? Wie können Forschungs- und Praxisperspektiven weiterhin gleichberechtigt in das Feld einfließen – zu einem Zeitpunkt, wo sich Praxis und Theoriebildung jeweils stark vertiefen, eigene Dynamiken entwickeln und immer mehr Personen am Diskurs teilhaben? Wie können wir sichergehen, dass wir aktuelle Entwicklungsthemen und Bedarfe wahrnehmen? Wichtig sind die bewusste Öffnung und Einladung an die Mitglieder, hier mitzuwirken. Vor allem, da auch die Tendenz zu einer „Servicestelle Community Music Netzwerk“ wahrzunehmen ist, ganz entgegengesetzt zur Grundidee des Netzwerkes, dass sich alle engagieren und einbringen. Hier wären finanzielle Ressourcen essenziell, um Räume und Zeit zum Austausch und zur Weiterentwicklung von Forschungs- und Praxisperspektiven zu ermöglichen. Menschen in privilegierten Positionen können es sich leisten, sich für das Netzwerk Zeit zu nehmen, zu schreiben und zu netzwerken oder an Denkwerkstätten und Austausch teilzunehmen. Andere, die es sich nicht leisten können, werden nicht gehört und fehlen im Diskurs.
- Finanzielle Ressourcen:
Eine große Herausforderung für das Netzwerk ist, dass wir zwar durch steigende Mitgliederzahlen einen stetigen Auftrag aus der Praxis haben, das Netzwerk aber aktuell keine öffentliche Förderung mehr erhält. Nach jahrelanger Förderung durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt München und den Popularmusikbeauftragten des Bezirks Oberbayern, Matthias Fischer, haben wir 2020 dort die maximale Förderdauer überschritten. Zeitgleich hat sich das Netzwerk von einem regionalen, vor allem auf Münchner Akteur*innen basierten Netzwerk, zu einem nationalen Netzwerk in Vereinsform entwickelt. Da sich das Netzwerk finanziell auf sehr unsicheren Beinen befindet (als Netzwerk fallen viele Förderquellen weg, die nur direkte Arbeit mit Zielgruppen fördern), ist es schwer, langfristig zu planen. Die Mitgliedsbeiträge fließen direkt in die Organisation der Vernetzungsveranstaltungen, in die Honorare für die Koordinatorin und Workshopleitungen und die Webseite.
- Zeitliche Ressourcen:
Die Koordination des Netzwerks (erst über Ehrenamtspauschale, jetzt über einen Minijob) umfasste von Anfang an nur wenige Stunden in der Woche. Dies ist eine viel zu dünne Personaldecke für die Aufgaben, die wir haben, für die wir aber (noch) keine ordentliche Förderung erhalten. Der gesamte Vorstand arbeitet ehrenamtlich – bereits die grundlegende Arbeit der Münchner Aktionsforschungsgruppe fand ehrenamtlich statt. Selbst die privilegierte Position an der Schnittstelle zwischen Forschung, Lehre und Netzwerkvorständin fordert mich hier heraus. Zeit als Ressource für meine Arbeit im Netzwerk ist im Rahmen meiner Stelle nicht vorgesehen, gleichwohl ich es als essenziell für das Feld sehe, hier Zeit zu investieren, gerade weil wir immer mehr junge Menschen in diesem Feld qualifizieren. Ich sehe es als Teil meiner Aufgabe als Vorständin, diese Brücke in die Praxis offen zu halten, meine Arbeit in der internationalen Forschungscommunity für das deutsche Community Music Netzwerk nützlich zu machen, und will deshalb diese Zeit investieren.
- Strategische Arbeit:
Diese finanziell unsichere Situation hat Einfluss darauf, wie langfristig wir planen können und auf die uns zur Verfügung stehenden zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Wir platzen vor Ideen und nehmen viele Bedarfe sowohl für die Mitglieder – also auch im Rahmen von politischer Überzeugungsarbeit und als Interessenvertretung – wahr, arbeiten aber aktuell mit Ressourcen, die eine Realisierung von vielen Ideen und systematischer strategischer Arbeit nicht ermöglichen.
- Vereinsaufbau:
Ein Verein für ein sich neuformierendes Feld muss sich nicht nur selbst finden und grundlegende Strukturen und Aufgaben definieren, sondern die Rolle und Mission nach außen kommunizieren. Mitgliederaufbau funktioniert nur, wenn diese internen Prozesse klar transparent gemacht werden können. Dies waren neue Wege für uns als Vorstand und die Netzwerkkoordinatorin.
Tom Brauns und Kerstin Hübners Beitrag über Verbände der kulturellen Kinder- und Jugendbildung als Wissensarenen diente als nützliche Schablone, um unsere Netzwerk Arbeit zu analysieren. Die zentralen Funktionen von Verbänden wie der Bundesvereinigung der kulturellen Kinder- und Jugendbildung werden als „a) Anregungsfunktion durch Fachimpulse und Innovation, die b) Servicefunktion durch Vernetzung, Beratung und Förderung sowie die c) politische Funktion durch Interessensvertretung und Lobbyarbeit“ dargestellt (Braun/ Hübner 2023:173). Die Aktivitäten des Community Music Netzwerks, die oben detailliert dargestellt wurden, können leicht diesen drei Funktionen zugeordnet werden, ohne dass diese je strategisch so geplant wurden. Im Gegenteil, jeder Schritt in der Entwicklung des Netzwerks war immer eine direkte Reaktion auf Entwicklungen und auf Bedarfe aus der Praxis sowie auf Beobachtungen der Netzwerkmitglieder. Den Blick auf alle drei Funktionen zu behalten, war eine Herausforderung und erforderte auf Vorstandsebene immer wieder den Perspektivwechsel und den Transfer zwischen Bedarfen und Service für Mitglieder und Entwicklungen auf nationaler Ebene, nötiger Lobbyarbeit und Feldentwicklung in Wissenschaft und Praxis.
Verhandlung von Wissen – Verhandlung der Community Music
Die MCMARG (Munich Community Music Action Research Group): Die ersten diskursiven Verhandlungen über die Bedeutung von Community Music im deutschen Kontext, die gemeinsame Suche nach den richtigen (deutschen) Begriffen oder die Entwicklung einer Definition für den deutschsprachigen Kontext fand im Rahmen der Arbeit der Münchner Community Music Aktionsforschungsgruppe statt. Acht Personen aus Praxis, Wissenschaft und Kulturverwaltung haben hier gemeinsam gearbeitet und 2015 gemeinsam die erste deutschsprachige Definition verfasst (de Bánffy-Hall 2019:107). Der Schreibprozess der Gruppe war kollaborativ, es handelte sich eindeutig nicht um einen Übersetzungsprozess von existierenden englischsprachigen Definitionen ins Deutsche, sondern um ein Finden der richtigen Worte und der passenden Bezüge zu deutschen Diskursen und Praktiken, in der die ganze Gruppe miteinander verhandelte und gemeinsam nach einer für den deutschen Kontext passenden Definition rang. Diese ist inzwischen acht Jahre alt und sollte im Sinne des sich weiterentwickelten Community Music Diskurses in Deutschland von Akteur*innen der Community Music Forschung und Praxis wieder neu geschrieben werden. Dies ist wichtig, da sich das Denken im Feld weiterentwickelt hat, Community Music Praktiken etabliert und verändert wurden und eine neue Generation von jungen Community Musicians und weiterhin erfahrene Akteur*innen durch die verschiedenen Ausbildungsformate ins Feld kommen. Begriffe wurden für die Community Music inzwischen bezogen auf Deutschland definiert, zum Beispiel die Idee des „sicheren Raums“ (Honnens/ Ziegenmeyer 2020), „Facilitation“ (Hill/de Bánffy-Hall 2017:189), „Inklusive Musizierpraxis“ (de Bánffy-Hall 2022) oder „Kontext“ (de Bánffy-Hall 2023).
Der Vorstand: Burkhard Hill hat auf Basis seiner Jahrzehnte langen Erfahrung in Vereinen und Netzwerken und als Professor für ästhetische Praxis in der Sozialen Arbeit das Community Music Netzwerk als Gründungsmitglied und Finanzvorstand maßgeblich geprägt. Marie Karaisl hat mir Ihrer Erfahrung in internationaler Entwicklungsarbeit und als Vorständin von Live Music Now viel grundlegende Arbeit im Aufbau der Vereinsstruktur, der Finanzen und der regionalen Entwicklung in München geleistet (Karaisl 2022). Viele Ideen und Initiativen von mir beruhen auf meiner Zeit als Community Musician, mit jahrelanger Erfahrung in England, aber auch auf meiner aktuellen Arbeit als Forscherin und Lehrende. Im Herbst 2023 fand die letzte Vorstandswahl statt und wir hofften im Vorfeld auf neue Akteur*innen, die Zeit und Energie in den weiteren Aufbau des Netzwerkes stecken wollen und können. Dieser Wechsel ist wichtig, damit nicht die Perspektiven von einigen wenigen die Entwicklung dominieren. Als Vorstand ist uns die Aufgabe bewusst dafür zu sorgen, dass neue Perspektiven im Netzwerk sichtbar werden. Marion Haak-Schulenburg wurde als Nachfolgerin von Burkhard Hill gewählt.
Die Mitglieder: Das Community Music Netzwerk schafft einen Raum für Akteur*innen, sich gemeinsam zu positionieren und auszudrücken. Mitglieder im Netzwerk sind Community Musicians, Forscher*innen und Institutionen – all deren Interessen, Bedarfe und Wissensformen spiegeln sich im Netzwerk. Die Mitgliedschaft von einigen Studiengängen im Netzwerk ist ein Weg für uns, um junge Akteur*innen im Studium ins Netzwerk einzuladen und diese Stimmen miteinzubeziehen. Die Verhandlung des Code of Practice ist ein Beispiel, wie die Mitglieder gemeinsam eine Aussage über Qualität in der Community Music erarbeiteten und Praxiswissen, Bezüge zum wissenschaftlichen Diskurs und internationale Bezüge für den deutschen Kontext passgenau angewendet haben.
Fazit
In Deutschland ist in den letzten zehn Jahren ein wachsender kontextualisierter Community Music Diskurs entstanden. Ein kleiner Teil der wachsenden Community nutzt den Begriff vielleicht, um das, was schon früher existierte, neu zu kleiden. Die meisten jedoch suchen eine grundsätzlichere Auseinandersetzung und Entwicklung der Praxis und des Nachdenkens darüber. Aufbauend auf einem internationalen wissenschaftlichen Diskurs und praktischen Erfahrungen im Feld der Community Music machen sich Akteur*innen in Deutschland immer mehr das Feld zu eigen und gestalten es mit. Das wird sichtbar durch deutschsprachige Definitionen für relevante Begrifflichkeiten, deutschsprachige Veröffentlichungen mit einer einhergehenden wachsenden theoretischen Fundierung des Diskurses, den gemeinsam entwickelten Code of Practice, die wachsenden Mitgliedszahlen des Netzwerkes und eine wachsende Zahl an Menschen, die sich als Community Musicians definieren.
Ich verorte mich an der Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis und kann als Vorständin nur dadurch den Transfer von Wissen aus nationaler und internationaler Forschung in die Praxis und umgekehrt ermöglichen. Zugleich fordert die Vorstandsarbeit die Fähigkeit zum ständigen Perspektivwechsel: den strategischen Blick für Entwicklungen auf nationaler Ebene und nötiger Lobbyarbeit, den Bezug zu nationalen und internationalen wissenschaftlichen Entwicklungen und das Wahrnehmen von Bedarfen der Akteur*innen in der Praxis. Um diese Rolle, im Sinne der Community Music, ethisch und partizipativ, alle Stimmen miteinbeziehend zu erfüllen, brauchen wir Räume und Ressourcen, um die Akteur*innen zu hören und kollaborative Mitwirkung zu ermöglichen. Nur dann schaffen wir es, dass nicht bestimmte Stimmen den Diskurs dominieren und die Definitionsmacht nicht bei einigen wenigen liegt.