Neue Texte: Theater – Auf(s) Spiel setzen

Wiederaufnahme: Fachtexte zum Spiel neu entdeckt und befragt

In 2021 startete das mehrjährige Projekt Theater – Auf(s) Spiel setzen. In dem Vorhaben geht es in unterschiedlichen Weisen um das Verhältnis von Spiel und Theater und das Potenzial von Spiel und seinen Begrifflichkeiten für das Theater und die Theaterpädagogik. Initiiert wurde das Projekt von Ute Handwerg, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Spiel & Theater und Norma Köhler, Professorin im Profilstudiengang Theater als Soziale Kunst an der FH Dortmund.

Zentraler Ausgangspunkt des Projektes ist die Erfahrung, dass Spiel und Theater besonders in Zeiten gesellschaftlicher Herausforderungen und Krisen und damit verbundenem Wandel eine nachdrückliche Relevanz zuwachsen. Spiel- und Darstellungsweisen gehen dabei oftmals in Veränderung. Zudem hat der theaterpädagogische Diskurs in den letzten Jahrzehnten das Spiel, seine Begrifflichkeiten und Theoriebezüge wenig akzentuiert und vertieft. So strebt das Projekt unter aktuellen gesellschaftlichen und fachlichen Vorzeichen die Wiederaufnahme von dezidiert spielbezogenen Diskursfäden an.

Projektbaustein: Fachlicher Rückblick nach vorn

Der Sammelband Spieltheorie, hg. von Hans-Wolfgang Nickel, Mitbegründer der Spiel- und Theaterpädagogik in der Bundesrepublik West, und dem Kunsthistoriker, Christian Schneegass, bildet die textliche Grundlage für den ersten Baustein im Projekt Theater – Auf(s) Spiel setzen. Der Band ist 1998 aus dem gleichnamigen Symposion hervorgegangen, das 1995 in der Akademie der Künste Berlin stattfand und veranstaltet wurde von der BAG Spiel & Theater, der LAG Spiel & Theater Berlin, dem Institut für Spiel- und Theaterpädagogik der Hochschule der Künste (heute UdK) Berlin und der Akademie der Künste. Die Publikation versammelt fachliche, z.T. in den Hintergrund geratene, Positionen, die Prof. Dr. Norma Köhler und Ute Handwerg als Initiator*innen des Projektes den Urheber*innen der Textbeiträge selbst, aber auch weiteren Theaterexpert*innen für eine aktuelle Auseinandersetzung mit dem Sujet vorgeschlagen haben.

Die Aufgabe der Expert*innen besteht darin, anhand eines frei wählbaren Textes ­­– der Zugriff auf andere Quellen war ausdrücklich möglich – auszuloten und abzubilden, welche Bedeutung das Spiel im aktuellen theaterpädagogischen Diskurs einnimmt, welche begrifflichen und anwendungsbezogenen Verschiebungen über die Jahrzehnte zu beobachten sind und welche Potenziale und Entfaltungsmöglichkeiten dem Spiel grundsätzlich innewohnen.

Mit angeregtem Blick und aktueller Kontextualisierung formulieren die Autor:innen eine eigenständige Position. Die Herangehensweise war offengestellt. Die beabsichtigte Auseinandersetzung besteht also weniger in einer Bewertung und Einordnung des Textes, sondern vielmehr darin, eine Anregung für eine Resonanz zu finden. Mit Bezug zum Text und einem Gedankengang respektive markantem Textbaustein geht es darum, die Besonderheiten von Spiel/en in den Zusammenhang einer gegenwärtigen und zukünftigen Theaterpädagogik zu stellen. Perspektiven und Diskursanregungen werden dabei anwendungsbezogen, praxeologisch, theoretisierend und interdisziplinär angelegt.

Von den insgesamt 22 Textbeiträgen und Kommentaren des Sammelbands Spieltheorie wählten 12 beteiligte Theaterexpert:innen sieben Texte aus. Drei der beteiligten Autor:innen haben sich mit dem ‚älteren‘ Text aus eigener Feder befasst. Zeitversetzt werden über den Sommer hinweg sowohl die Referenztexte als auch die aktuellen Einlassungen veröffentlicht.
Die folgenden Autor:innen sind mit Textbeiträgen am Projekt beteiligt: Felix Büchner (Hannover), Isabel Dorn (Frankfurt/M.), Stefanie Husel (Mainz), Norma Köhler (Dortmund), Martina Leeker (Berlin), Frank Oberhäußer (Hildesheim), Dietmar Sachser (Bochum/Essen), Mira Sack (Zürich), Hanne Seitz (Berlin), André Studt (Erlangen), Sören Traulsen (Hannover), Michael Zimmermann (Bielefeld).

Bereits auf kubi-online erschienen sind:

  • Von Stefanie Husel: Theater als Spiel? Jenseits des ‚Als-ob‘ 
    Der Artikel reflektiert, in Reaktion auf Peter Simhandls Text „Theater als Spiel", das „sociale Spiel“ (Max Herrmann) in der Theatersituation: Wer spielt eigentlich im Theater? Die Schauspielenden? Oder das Publikum? Und was hat dies mit theaterpädagogischer Arbeit und Kultureller Bildung zu tun?
  • Von Dietmar Sachser: Theater als Möglichkeitsraum spielerischer Aneignung
    Theater ist Ausdruck seiner Zeit. Vertreten wird die These, dass sich Theater heute als ein gemeinsamer Konstruktionsprozess von Spielenden und Zusehenden ereignet und als solcher wahrgenommen, erlebt, gelesen und verstanden werden sollte. Wesentliches der Theaterkunst wäre aufs Spiel gesetzt, würde sich diese nicht als ebensolche - nämlich als gemeinsames Spiel - verstehen.
  • Von Hanne Seitz: non non fiction – Zur Theorie und Praxis des Spiels und die Rolle der Mimesis im Theater und anderswo
    Vor dem Hintergrund der Cailloischen Spielkategorien agộn, alea, mimicry und ilinx beschäftigt sich der Beitrag mit der Frage, ob die postdramatische Aufführungspraxis überhaupt noch auf Spiel, das Theater als Kunstform sich womöglich selbst aufs Spiel setzt, wobei zu beobachten ist, dass die Verfahren das mimetische Vermögen mancherorts in seltsame Gefilde treiben.