Ästhetik – Digitalität – Macht: Tagungsdokumentation steht online

Digitalisierung verändert Selbstverhältnisse, Gemeinschaftsformen und Demokratieverständnisse. Die gegenwärtige post-digitale Kultur und ihre ästhetischen Erfahrungsräume können ohne Kenntnis digitaler Medialität und digitaler Designs – verstanden als machtgeladene ästhetische Prozesse – nicht mehr verstanden werden. Umgekehrt ist die Ausbreitung digitaler Medialität in der ästhetisierten Gesellschaft nur mehr unter Bezug auf ästhetisch-kulturelle Praxen entschlüsselbar. Ästhetische, kulturelle und mediale Wissensfelder sind daher für pädagogische Handlungsfähigkeit wie auch für eine zukunftsgerichtete Entwicklung der Forschung zur Kulturellen Bildung und Medienpädagogik unumgänglich.
Die gemeinsame Tagung des Netzwerks Forschung Kulturelle Bildung, der DGfE Sektion Medienpädagogik und des Forschungsprojektes Digitalisierung in der kulturellen Bildung / DiKuBi-Meta an der FAU Erlangen-Nürnberg brachte daher im März 2021 Forschende zur ästhetisch-kulturellen Bildung und Forschende im Feld der Medienpädagogik zusammen, um gegenseitig Einsichten zu erkunden, Kooperationsmöglichkeiten zu sondieren und gemeinsam neue Perspektiven für Forschung und Praxis zu diskutieren. Dieses kubi-online Dossier dokumentiert die Tagungsbeiträge der Konferenz und soll anregen, den Diskurs zu vertiefen. Alle Artikel sind auch als Jahrbuch Medienpädagogik 18: Ästhetik – Digitalität – Macht erschienen, herausgegeben von Benjamin Jörissen, Claudia Rosskopf, Klaus Rummler, Patrick Bettinger, Mandy Schiefner-Rohs und Karsten D. Wolf.
19 Konferenz-Beiträge stellt Ihnen die Wissensplattform kubi-online zur Vertiefung des Diskurses um „Ästhetik - Digitalität - Macht" zur Verfügung:
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Von Nadia Bader, Notburga Karl
time (space) matters – Mediatisierte Zeit(räume) in Tutorial-Videos // Tutorial-Videos suggerieren Verständlichkeit, Machbarkeit und einen schnellen, selbstbestimmten Zugriff auf deren Lerninhalte – z.B. zum perspektivisch ‹richtigen› Zeichnen. Der Beitrag untersucht kunstpädagogisch ausgerichtete (Lehr-/Lern-)Medien und Tools und erörtert am Thema Perspektive bildungsrelevante, medienästhetische Erkenntnisse. Er verdeutlicht, wie eine für Medialität sensibilisierte Zugangsweise aussehen kann und Rezipient*innen in einer potenziell ermächtigenden, bewussteren Wahrnehmung und repräsentationskritischen Sichtweise unterstützt werden können. -
Von Barbara Sterzenbach, Micha Kranixfeld, Wiebke Waburg
Choreografien vor den Überwachungskameras der Kleinstadt // Im Kontext des Forschungsprojektes ‹DO_KiL› stellt dieser Beitrag das Residenz-Projekt ‹SELFIE2› von „Kılınçel & Schaper“ vor. Die Autor*innen untersuchen, wie Selbstaufnahmen und digitale Assemblagen als Befragung von Machtfigurationen in ländlichen Räumen wirksam werden. Der Artikel ist fokussiert auf die Analyse der Arbeit der Residenz-Künstler*innen in einem Jugendzentrum und macht exemplarisch Zusammenhänge von Digitalität, Kultureller Bildung und Sozialraum deutlich. -
Von Michaela Kramer, Jane Müller, Mareike Thumel et al.
‹Ich wurde auf einem Bild markiert, da war so ein Mädchen und die war nackt› Zur Notwendigkeit von visueller Kompetenz und Digitaler Souveränität // Für Jugendliche sind (digitale) Bilder omnipräsent. Wie sie mit sexualisierten Bildern in Social-Media-Kontexten umgehen können, wurde in einer explorativen Studie vor dem Hintergrund medienpädagogischer Jugendforschung und der Ansätze der visuellen Kompetenz und der Digitalen Souveränität erforscht. Ziel des Beitrags ist, auf empirischer und theoretischer Ebene ein Verständnis für das Aufwachsen in einer tiefgreifend mediatisierten Gesellschaft zu entwickeln.
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Von Matthias Heider
Rechtsextremes Framing auf YouTube: Darstellungsformen und Ästhetik von Influencer*innen der Identitären Bewegung // Der Beitrag analysiert fünf typische Videos der rechtsextremen Identitären Bewegung mittels qualitativer Inhaltsanalyse und anhand der Erkenntnisse der Framing-Theorie. Dabei wird deutlich, dass sich die Produzierenden der ID der gängigen Ästhetik der YouTube-Plattform und bekannten Sehgewohnheiten anpassen, um ihre Inhalte weniger radikal wirken zu lassen. Die Ergebnisse der Studie bieten auch Anknüpfungspunkte für die praktische Arbeit gegen Rechts. -
Von Kerstin Hallmann, Fabian Hofmann, Jessica Knauer et al.
Digitale Collagen als Medium ästhetischer Interaktion // Dieser Beitrag des NFKB-Forschungsclusters dokumentiert einen Online-Workshop, dessen Arbeitsweise selbst interaktiv und partizipativ entlang der Tagungs-Thematik konzipiert war. In dem experimentellen Format des Erstellens von Collagen - in Gruppen auf dem digitalen Whiteboard - konturiert sich performativ ein ästhetisch-digitaler Möglichkeits- und Erfahrungsraum, in dem Perspektiven aller Beteiligten über Text, Bild und Sprache interaktiv in vernetzende Artikulationsformen treten und die Aspekte von Ästhetik, Digitalität und Macht in eindrücklicher Weise zum Tragen kommen. -
Von Sören Jannik Traulsen, Felix Büchner
Postdigitales Schultheater: Eine Kartografie zentraler Akteur*innen des Diskurses ‹Theater und Digitalität› // ‹Wer spricht wie über Theater und Digitalität?› und ‹Welche Implikationen erschließen sich daraus für das Postdigitale Schultheater?› sind die zentralen Forschungsfragen der Autoren. Ihre Analyse ergibt, dass sich vier idealtypische Positionen bestimmen lassen, die insbesondere durch ihre Verortung des ‹Digitalen› im Theater zu unterscheiden sind und eine Grundlage zur Theoretisierung und Konzeptualisierung des ‹Postdigitalen Schultheaters› bieten können. -
Von Katrin Potzel, Andreas Dertinger
Aufwachsen mit digitalen Medien — Dynamische Machtbalancen in der familialen Medienerziehung // Anhand des theoretischen Ansatzes der kommunikativen Figurationen werden empirische Ergebnisse der qualitativen Panelstudie «ConKids – Sozialisation in einer tiefgreifend mediatisierten Lebenswelt» mit Blick auf die wahrgenommenen Gefühle von Macht und Machtlosigkeit der Akteur*innen in der Familie diskutiert. Die Dynamik von (Medien-)Erziehungsverhältnissen und eine Machtlosigkeit sowohl von Eltern als auch Kindern gegenüber figurationsexternen Einflüssen, werfen Fragen auf. -
Von Annika Waffner-Labonde
Verschränkungen kultureller Bildpraxen und Bildbegegnungen im Kunstunterricht // Das Bild nimmt im Kontext digitaler Kommunikationsstrukturen einen immer größeren Stellenwert ein. Der Beitrag reflektiert Konsequenzen für die Kunstpädagogik, um auch in digitalen Strukturen eine aktive kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Aufgezeigt werden Tendenzen der gegenwärtigen kulturellen Bildpraxis, ebenso wie die Einflüsse der Digitalisierung auf die Bildbegegnung. -
Von Kirsten Winderlich, Stefanie Johns
Perspektivwechsel – Mediale Bildungen digitaler Kinder- und Jugendöffentlichkeit am Beispiel des Earth Speakr von Olafur Eliasson // Der Beitrag beleuchtet das in seiner Medialität zwischen Kindern, Kunst und Klimakrise verortete Kunstwerk von Olafur Eliasson und reflektiert es als ein partizipatives Beispiel kunstbasierter bzw. -initiierter digitaler Kinder- und Jugendöffentlichkeit. Mittels einer phänomenologischen ‹Blickverschiebung› erfolgt eine Analyse der medialen Schichten im Gebrauch der App Earth Speakr sowie deren Verortung im Kontext digitaler Bildung und Kultur. -
Von Anna Wiehl
Twist it once, twist it twice. Mediale Praktiken zwischen künstlerischer Intervention und informellen Bildungsprozessen // Dieser Beitrag befasst sich mit dem Bildungs-Potenzial interaktiver dokumentarisch-künstlerischer Konfigurationen. Die leitende Fragestellung ist, inwiefern experimentelle, stark prozessual operierende Konfigurationen als informelle bzw. non-formale Bildungsmedien betrachtet werden und welchen Beitrag sie zur Entwicklung von Medienkompetenzen und einem reflektiert-kritischen Blick auf das eigene ‹digitale Subjekt› leisten können. -
Von Martina Leeker
Be part, play the game! Vorschlag für ein Modell zu Bildung in digitalen Kulturen // Der Zustand von Bildung in digitalen Kulturen wird aus der Konstitution von Kritik in diesen hergeleitet und lesbar als Anpassung an Medienkulturen. Anstelle von Kritik und vermeintlich emanzipatorischen humanistischen Bildungszielen werden medienwissenschaftlich informierte ‹Kulturen der operativen Vermittlung› als ‹posthumane Bildung› in digitalen Kulturen vorgeschlagen, bestehend aus: (1) einem diskursanalytischen Zugang zu Bildung, (2) ‹Daten-Bildung›, (3) einem Training für ein engagiert-zauderndes Mitspielen in techno-humanen Performances. -
Von Martin Donner
(Un-)Sichtbares Design und ‹Gesten der Freiheit›: Zu technomedial bedingten Transformationen in der Ästhetischen Bildung // Der Beitrag wirft einen Blick auf die bildungstheoretische Bedeutsamkeit von Interface-Designs, die mit einer Entlehnung von Jacques Rancière als spezifische Sinnlichkeitsregimes lesbar werden, mit denen sich bestimmte Gestenrepertoires und Körperpolitiken verbinden. Vor diesem Hintergrund und zwei Beispielen aus dem BMBF-Verbundprojekt MIDAKuK wird die Idee einer integrativen Kulturellen Bildung entwickelt, die Gestenrepertoires miteinander ins Gespräch bringt und die digitale Souveränität fördern kann. -
Von Nicola Przybylka
Wer versetzt wen oder was wohin – und wozu? Eine kritische Auseinandersetzung mit Augmented und Virtual Reality in schulischen Bildungsangeboten // Der Beitrag geht dem Versetzen in andere Zeiten, Räume und Körper nach, welches mit AR und VR verknüpft wird. Anhand von AR- und VR-Anwendungen für die Fächer Sport, Geschichte und Geografie wird beispielhaft diskutiert, wie die von der Autorin in den Fokus gestellte Eigenschaft der ‹Entrahmung der Bildlichkeit› thematisch ausgestaltet wird und wie damit einhergehende Wissens- und Machteinschreibungen neue didaktische Herausforderungen schaffen. - Von Sieger Marvin
Zwischen Unsicherheit und Stabilisierung: Zur produktiven Wirkmächtigkeit von interaktionalen Artefakten, Störungen und Krisen im Kontext dis/ability // Reflektiert werden die Teilhabepotenziale für Jugendliche und junge Erwachsene mit schweren Behinderungserfahrungen im Rahmen von Musiziersituationen mit digitalen Geräten und Musik-Apps. Vorgestellt wird ein Analyseraster für audio-visuelles Material in komplexen Settings, welches im Projekt «be_smart», gefördert vom BMBF, entwickelt wurde. - Von Robert Hausmann
What if und What will … be like? Spekulative Taktiken der Zukunftsexploration in einer postdigitalen Gegenwart // In postdigitalen Verhältnissen entwerfen Künstler*innen wie Mary Maggic und auch TikToker*innen Szenarien des What-if und What-will …be-like. Sie erzeugen dabei spekulative Spielräume für (Un-)Möglichkeiten und Projektionen von Zukünften im Hier und Jetzt. Der Beitrag fragt danach, wie diese Taktiken des Erweiterns und handelnden Erprobens von Zukünften neue Impulse für Lernen und Bildungsprozesse eröffnen. - Von Jule Korte, Lisa Unterberg
(re)united!? Neue Forschungsperspektiven im Schnittfeld von Kultureller Bildung und Medienpädagogik // Der Beitrag basiert auf den Abschlussreflexionen der Autorinnen zur Joint Conference „Ästhetik – Digitalität – Macht". Er hat das Anliegen, zentrale Diskurslinien auf- und in etwas überspitzter Weise auch nachzuzeichnen, die das Feld der Kulturellen Bildung einerseits, das der Medienpädagogik andererseits (historisch) durchziehen und prägen. Im Rückgriff auf zentrale Ideen und Gedanken aus den ‹Cultural Studies› werden Folgen für Forschung, Diskurs und Praxis entwickelt. - Von Daniel Autenrieth, Stefanie Nickel
KuDiKuPa — Kultur der Digitalität = Kultur der Partizipation?! Verschränkung von Theorie und Praxis in partizipativ angelegter Hochschullehre durch Gaming und Game Design — ein Praxisbeispiel // Der Beitrag gibt einen Einblick in ein dialogisch angelegtes, partizipativ organisiertes Hochschulseminar. Über theoretische Ausgangspunkte wird der Frage nachgegangen, wie eine Kultur der Digitalität durch eine politisch-kulturelle Medienbildung zu einer Kultur der Partizipation werden kann und welchen Beitrag Gaming und Game Design hierzu leisten können. -
Von Stefan Meißner
Maker-Literacy. Digitale Kulturelle Bildung // Makerkultur – oder schlicht: digitales Basteln umfasst das Zusammenspiel von Kultureller Bildung und aktueller Digitaltechnik. Maker-Literacy könnte dann die durch das digitale Basteln erworbenen Kompetenzen beschreiben. -
Von Miriam Haller (2021)
Heterotopien des Alters? Mediale Räume kultureller Altersbildung in Zeiten von Corona // Anhand von drei Fallbeispielen analysiert die Autorin aus kulturgerontologischer Perspektive im Anschluss an Michel Foucaults Begriff der Heterotopie mediale Räume kultureller Altersbildung in Zeiten von Corona. Welche medialen Brücken und Kanäle wurden in künstlerisch-kulturgeragogischen Projekten gebaut und genutzt, um die Mauern und Gräben zu überwinden, die das Pandemie-bedingte Gebot der physischen Distanz zu älteren Menschen errichtet hat?
Den Diskurs der Tagung weiterführen und zum Wissenstransfer beitragen!
Die Wissensplattform Kulturelle Bildung Online lädt interessierte Autor*innen ein, der kubi-online Redaktion weitere Fachbeiträge im Schnittfeld von Digitalität, Medialität und Kultureller Bildung anzubieten.
Vertiefen Sie mit Ihren Fachbeiträgen die Qualität des Wissens über Künste, Kultur und Bildung. Tragen Sie mit Ihren Reflexionen zu einer guten Praxis digitaler Kultureller Bildung bei! kubi-online lädt Expert*innen ein, die Veröffentlichungsmöglichkeiten der Wissensplattform zur Vertiefung des Diskurses über „Ästhetik – Digitalität – Macht" zu nutzen. Voraussetzung für die Veröffentlichung Ihrer Beiträge auf kubi-online ist eine profunde Reflexion von Theorie-, Praxis- und Forschungsfragen der Kulturellen Bildung und Medienpädagogik im Kontext von Digitalität sowie die Fokussierung auf den Bereich der Bildung in und durch Künste und ästhetische Praxis. Zweitveröffentlichungen relevanter Artikel zur Kulturellen Bildung sind möglich. Auch bedeutsame „ältere“ Fachtexte können Sie uns für eine Veröffentlichung anbieten. Hier finden Sie den kubi-online Autor*innenleitfaden.
Aktuell sind auf kubi-online 60 Fachartikel im Menüpunkt „Themen >> Digitalisierung“ veröffentlicht, welche sich mit dem digitalen Wandel und den sich dadurch ändernden Denk- und Handlungsweisen für Künste und kulturelle Bildungsprozesse auseinandersetzen. Die gesellschaftliche Relevanz der digitalen Transformation und die Spannbreite des Themenfeldes bedingen, dass kubi-online an der Veröffentlichung weiterer kritisch-reflexiver, fachlich-wissenschaftlicher Beiträge zur „Digitalisierung" interessiert ist.
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Die Wissensplattform „kubi-online: Wissenstransfer für Kulturelle Bildung“ wird getragen von der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW, der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel, der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung und der Stiftung Universität Hildesheim. Sie wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.