Zum Einsatz sozialwissenschaftlicher Datenerhebungsmethoden im Rahmen der Evaluation Kultureller Bildung
Evaluation Kultureller Bildung
Evaluation im wissenschaftlichen Sinne ist eine Form angewandter Sozialforschung, die dazu dient, unter Einsatz sozialwissenschaftlicher Datenerhebungsmethoden fundierte Informationen zu generieren, diese mit einer Bewertung zu verknüpfen und auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen (vgl. Stockmann 2007a:25f.). Gegenstand der Bildungsforschung ist ein „sehr breites Spektrum von Fragestellungen“ (Tippelt 2002:9) auf der institutionengerichteten Meso- und Makroebene sowie der auf Lehr- und Lernprozesse in schulischen wie außerschulischen Bereichen ausgerichteten Mikroebene (vgl. ebd.). Gerade im letztgenannten Bereich werden oftmals auch evaluative Forschungsfragen bearbeitet. Kulturelle Bildung wiederum kann als eine spezifische Form der Bildung verstanden werden, die auf die Vermittlung künstlerisch-kultureller Inhalte abzielt – sei es durch Ausstellungen und Museen, durch Theater, Tanz und Film, durch Konferenzen, Tagungen und klassische Bildungsangebote (z.B. Trainings in der Aus-, Fort- und Weiterbildung) sowie auch durch Literatur, Musik und Design. Je nach verwendetem Kulturbegriff und Verwertungszusammenhang könnte diese Aufzählung kultureller Bildungsangebote natürlich erweitert werden.
Im Rahmen von Evaluationen im Bereich der Kulturellen Bildung stehen in der Regel die Veränderungen, die bei den RezipientInnen kultureller Bildungsangebote ausgelöst werden, im Zentrum des Interesses (siehe Tobias Fink „Evaluationen im Feld der Kulturellen Bildung“ ). In Abhängigkeit von Erkenntnisinteresse, Evaluationskontext und -zweck ist damit die Frage nach der Wirksamkeit oder auch der fehlenden Wirksamkeit kultureller Bildungsangebote in konkreten Forschungs- bzw. Evaluationsfragen zu differenzieren.
Evaluationsprozess
Evaluationen können in drei Hauptphasen untergliedert werden: eine Planungs- und Konzeptionsphase, eine Design- und Erhebungsphase und eine Berichts- und Verwertungsphase (vgl. hierzu auch Silvestrini 2007). Da diese Phasen eng miteinander verknüpft sind, werden im Folgenden die damit verbundenen Evaluationsschritte kurz benannt und der Einsatz sozialwissenschaftlicher Methoden im Forschungsprozess verortet.
Im Zentrum der Planungs- und Konzeptionsphase stehen die Festlegung des Untersuchungsgegenstands und der Ziele der Evaluation, die Identifikation und Einbeziehung wichtiger Beteiligter, die Festlegung der Untersuchungsfragen sowie der Bewertungskriterien und die Klärung der zur Verfügung stehenden Ressourcen. In der Design- und Erhebungsphase werden zunächst Untersuchungshypothesen und Indikatoren zur Bewertung des zu evaluierenden Sachverhalts entwickelt. Auf dieser Basis wird ein Untersuchungsdesign erarbeitet, das in die Auswahl adäquater Datenerhebungsmethoden und die Instrumentenentwicklung mündet. Diese Phase schließt mit der Datensammlung und -aufbereitung sowie der Datenauswertung und -interpretation. In der Berichts- und Verwertungsphase werden die Evaluation sowie die Evaluationsergebnisse dokumentiert sowie ggf. präsentiert und mit den an der Evaluation Beteiligten diskutiert. Letztlich sollte diese Phase mit konkreten Handlungen und Veränderungsprozessen und damit mit einer Verwertung der Evaluationsergebnisse schließen.
Im Kontext von Evaluationen dienen sozialwissenschaftliche Methoden also der systematischen Gewinnung und Sammlung von Informationen und Daten, auf deren Basis anschließend Bewertungen vorgenommen und Entscheidungen getroffen werden sollen. Daher wird die Qualität einer Evaluationsstudie in hohem Maße von der Qualität der gesammelten Daten bestimmt, wobei diese wiederum von der Angemessenheit des Untersuchungsdesigns abhängig ist, in dem die einzusetzenden Datenerhebungsmethoden festgelegt werden. In einem Untersuchungsdesign ist präzisiert, welche Datenerhebungen in welcher zeitlichen Abfolge vorgesehen sind und welche Daten mittels welcher Datenerhebungsmethoden bei bestimmten Personen oder Gruppen erhoben werden (Primärdaten) oder aus anderen Quellen gewonnen werden können (Sekundärdaten).
Sozialwissenschaftliche Datenerhebungsmethoden
Die sozialwissenschaftliche Forschung stellt eine Vielzahl von Methoden zur Datenerhebung bereit, die auch zur Evaluation Kultureller Bildung genutzt werden können. Wolfgang Meyer unterscheidet die Erhebungsmethoden in (1) Befragungen, (2) Beobachtungen und (3) nicht-reaktive Verfahren (vgl. Meyer 2010:207). Befragungen können schriftlich (postalisch, Online- und Classroom-Befragungen), mündlich (telefonisch oder persönlich) oder als Gruppeninterviews (Peer-Review, Delphi-Methode, Fokusgruppe) realisiert werden. Bei den Beobachtungen werden teilnehmende sowie nicht-teilnehmende Beobachtungen unterschieden, die sowohl verdeckt als auch offen angelegt sein können. Unter dem Begriff der „nicht-reaktiven Verfahren“ können physikalisch-technische sowie physiologisch-medizinische Messungen, die Analyse von textlichen, visuellen und Audio-Dokumenten sowie prozessproduzierte und fremderhobene Sekundärdaten subsumiert werden.
Bei der Auswahl einer Datenerhebungsmethode sollte bedacht werden, dass alle Methoden mit spezifischen Stärken und Schwächen verbunden sind, weshalb Datenerhebungen immer mit einem gewissen Fehlerrisiko verbunden sind. Zwar können in der Praxis geeignete Maßnahmen zur Reduktion dieses Risikos ergriffen werden, eine vollständige Kontrolle von Störfaktoren ist allerdings im Rahmen von Evaluationen in der Regel nicht möglich. Darüber hinaus ist die Eignung einer Methode von der spezifischen Forschungssituation abhängig, wobei die Zusammensetzung der InformationsträgerInnen und deren Verhältnis zu den Auftraggebern einer Evaluation, ihre Erreichbarkeit, der Durchführungsort der Erhebungen sowie weitere den Datensammlungsprozess beeinflussende Rahmenbedingungen zu berücksichtigen sind (vgl. Meyer 2010:193; zu den Datenerhebungsmethoden im Einzelnen vgl. die weiterführende Methodenliteratur). Grundsätzlich ist im Kontext von Evaluationen zu beachten, dass aus Effizienzgründen nur solche Daten erhoben werden sollten, die zur Bearbeitung der Evaluationsfragestellung tatsächlich erforderlich sind.
Forschungsstand und Ausblick
Während im Bildungskontext, z.B. in den Bereichen Schule und Hochschule, Fort- und Weiterbildung, sowie in den Themenfeldern Umwelt, Gesundheit oder neue Medien auf viele Evaluationen verwiesen werden kann, zeichnet sich die Evaluationsforschung in der Kulturellen Bildung durch einen starken Fokus auf die Bereiche Museumsevaluation und Besucherforschung aus. Obwohl sich in Studien aus dem Bereich der Bildungsforschung oftmals auch evaluative Fragestellungen zur Kulturellen Bildung finden und gerade vor dem Hintergrund zunehmenden Legitimationsdrucks auch im Kultursektor inzwischen viele Studien zu spezifischen Aspekten Kultureller Bildung vorliegen, steht eine Bündelung des bisherigen Forschungsstands sowie insbesondere des methodischen Know-How zur Evaluation Kultureller Bildung bislang aus.