Kulturelle Bildung im Horizont der Bildungsberichterstattung des Bundes
Um den Blick auf Bildung jenseits der in den Schulleistungsstudien von PISA, IGLU und TIMSS gemessenen Kompetenzen zu weiten, beschlossen die Kultusministerkonferenz und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) als Auftraggeber des Bildungsberichts, dass sich der Bildungsbericht 2012 schwerpunktmäßig dem Thema der „Kulturellen Bildung im Lebenslauf“ widmen sollte.
Neben einer indikatorenbasierten Berichterstattung zu wichtigen Stationen der Bildung im Lebenslauf wird in einem gesonderten Schwerpunktkapitel ein besonders steuerungsrelevanter Themenbereich in den Mittelpunkt gerückt, der die standardisierten Teile ergänzt. Mit dem Schwerpunktthema für 2012 Kulturelle Bildung im Lebenslauf war mehr als zuvor die Herausforderung verbunden, einem grundlegenden Anspruch an die Berichterstattung gerecht zu werden: Das Schwerpunktthema quantitativ zu vermessen, sprich: es möglichst auf der Basis amtlicher oder zumindest bundesweit repräsentativer Umfragedaten auszuloten. Dies ist für ein quantitativ-empirisch ausgesprochen wenig erschlossenes Feld eine kaum zu lösende Herausforderung. Für ein empirisch gestütztes Monitoring der Rahmenbedingungen kultureller Vielfalt in Deutschland sprach sich auch die Deutsche UNESCO-Kommission im Zuge der Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens zur Vielfalt kultureller Ausdrucksformen aus (Deutsche UNESCO-Kommission 2009:4).
Berichterstattung zwischen einschlägigen Studien und amtlichen Daten
Aufgrund der fachlichen Traditionen und einer Großzahl der untersuchten Fragestellungen gibt es im Feld der Kulturforschung ein deutliches Übergewicht an Studien und Erkenntnissen auf der Basis qualitativer Forschungsdesigns. Dazu zählen beispielsweise die Studien zu jugendkulturellen Aktivitäten, die sich meist qualitativ-ethnologischer Zugänge bedienen (etwa Hitzler/Niederbacher 2010). Bei der Untersuchung von künstlerischen Angeboten und Modellprojekten an Schulen kommen daneben häufig Fallanalysen mit verschiedenen qualitativen Forschungsmethoden zum Einsatz, die teilweise noch durch quantitative Methoden ergänzt werden (Bamford 2010; Lehmann-Wermser u.a. 2010).
Daneben bieten verschiedene Haushaltsbefragungen, wie z.B. das Sozioökonomische Panel (SOEP), die Zeitbudgetstudien des Statistischen Bundesamtes, der Allbus oder der DJI-Survey „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten – AID:A“, auch zahlenmäßige Einblicke in die Verbreitung kultureller Aktivitäten in verschiedenen Altersgruppen. Hinzu kommen teilweise regelmäßig durchgeführte Studien der Kindheits- und Jugendforschung, wie z.B. die SHELL-Studien (SHELL 2010), die World Vision-Kinderstudien (Hurrelmann/Andresen 2010), die KIM- und JIM-Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2012) oder verschiedene Studien des Deutschen Jugendinstituts, die die Freizeitaktivitäten von Kindern und Jugendlichen, darunter auch die künstlerischen und musischen Aktivitäten miterfassen. Auch in den Schulleistungsstudien PISA, IGLU/PIRLS und TIMSS werden einzelne Aspekte kultureller Aktivität, beispielsweise die Nutzung von Bibliotheken, erhoben. Dennoch setzen die genannten Studien überwiegend andere thematische Schwerpunkte, sodass kulturelle Aktivitäten nicht in ihrer Breite erfasst werden.
Hervorzuheben als umfassende themenspezifische Studien sind das 1. und 2. Jugendkulturbarometer sowie das Kulturbarometer 50+ des Instituts für Kulturforschung (Keuchel/Larue 2012; Keuchel/Wiesand 2008), die, ausgehend von einem weiten Kunst- und Kulturbegriff, die kulturellen Interessen und Hobbys sowie die Nutzung kultureller Angebote von 14- bis 24-Jährigen bzw. über 50-Jährigen untersucht haben. Durch eine weitgehende Replikation der ersten Befragung von 2004 gibt das 2. Jugendkulturbarometer Hinweise auf gesellschaftliche Veränderungen in der Teilhabe an Kultur (Keuchel/Larue 2012: 21f.).
Vorliegende Studien zur kulturellen Jugend(bildungs)arbeit weisen zwar auf vielfältige Wirkungen auf Seiten der Teilnehmenden bei der Nutzung entsprechender Kulturangebote hin, allerdings hat ein Großteil der Studien lediglich eine regionale Reichweite und/oder einen qualitativen Charakter, sodass auf dieser Basis keine zuverlässigen Aussagen zur Situation in Deutschland möglich sind (vgl. Buschmann 2010:60f.). Einige Aussagen können jedoch mit Blick auf die kulturellen Angebote der Kinder- und Jugendhilfe auf Basis der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik getroffen werden, etwa über die Anzahl der Einrichtungen, die sich schwerpunktmäßig als „Jugendkunstschule, kulturpädagogische und kulturelle Einrichtung für junge Menschen“ bezeichnen sowie das dort tätige Personal (nach Anzahl, Qualifikation und Arbeitszeitvolumen).
Demnach hat die Anzahl jugendkultureller Einrichtungen zwischen 1994 und 2010 von 285 auf 330 zugenommen. In diesen Einrichtungen arbeiten zusammen 3.603 Personen. Vergleicht man dieses Personal mit allen Personen in der Kinder- und Jugendhilfe, die sich überwiegend dem Arbeitsbereich der kulturellen Jugend(bildungs)arbeit zuordnen lassen, so wird deutlich, dass auch jenseits der jugendkulturellen Einrichtungen kulturelle Bildungsarbeit geleistet wird, deren genauere Erfassung aber nicht möglich ist. Die Kinder- und Jugendhilfestatistik kann somit keine Informationen zu den Kulturangeboten in der Kinder- und Jugendhilfe sowie den daran Teilnehmenden liefern (vgl. auch Rauschenbach u.a. 2010:205ff.).
Im Jahr 2008 hat das Statistische Bundesamt als Einstieg in die statistische Berichterstattung über Kultur 20 Indikatoren zur Kulturproduktion und -rezeption zusammengestellt (Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2008). Auf Basis von amtlichen Daten, Studien und Institutionenstatistiken, etwa des Verbands Deutscher Musikschulen (VDM) sowie des Deutschen Chor- und Bibliotheksverbandes, können jedoch kaum Informationen über die kulturelle Teilhabe von Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen in Deutschland oder verschiedener sozialer Gruppen dargestellt werden. Daneben geben die in einigen Bundesländern vorliegenden Kulturberichte schwerpunktmäßig über spartenbezogene Kulturförderung und länderspezifische Initiativen, Programme und Modellprojekte Auskunft.
Auch der Bildungsbericht „Schule in Nordrhein-Westfalen“ 2009 umschreibt die musikalisch-künstlerische Bildung an Schulen und stellt Modellprojekte des Landes vor (Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes NordrheinWestfalen 2009). Im Bildungsbericht „Ruhr 2012“ wird daneben explizit auf kulturelle Angebote außerhalb der formalen Bildungseinrichtungen hingewiesen, doch kann die Vielfalt der Kulturlandschaft in der Region bislang noch nicht auf Basis von statistischen Daten dargestellt werden. Hierfür wird derzeit die Studie „mapping//kulturelle-bildung“ durchgeführt, die strukturelle Rahmenbedingungen Kultureller Bildung in vier Bundesländern beschreiben möchte, sowie der „Ruhratlas Kulturelle Bildung“ erstellt, der den Zusammenhang zwischen den Rahmenbedingungen und der Qualität Kultureller Bildung in der Praxis untersucht (Regionalverband Ruhr 2012:2011f.).
Ergebnisse der Bildungsberichterstattung des Bundes
Um sich dem Thema der „Kulturellen Bildung im Lebenslauf“ von der frühen Kindheit bis zum Erwachsenenalter anzunähern, wurden im Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2012“ insgesamt drei Perspektiven verfolgt (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012). Zunächst standen (1) die kulturellen Aktivitäten und die kulturelle Praxis von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in unterschiedlichen sozialen Kontexten und im Zusammenhang mit ihrer individuellen Lebensgestaltung im Vordergrund. Im Anschluss daran wurde der Blick auf (2) die kulturellen Angebote formaler Bildungseinrichtungen gerichtet. Diese Einschränkung erfolgte nicht zuletzt deswegen, weil die große Vielfalt an kulturellen Angeboten verschiedenster Akteure jenseits der formalen Bildungseinrichtungen, darunter Angebote von Vereinen, Kunst- und Musikschulen, Kirchen, soziokulturellen Zentren oder Privatpersonen, durch die vorhandenen statistischen Daten nur bruchstückhaft und punktuell darstellbar gewesen wären. Schließlich lag ein weiteres Augenmerk (3) auf dem Personal in den Arbeitsfeldern der Kulturellen Bildung und dessen Qualifizierung. Der dabei zugrunde liegende Kulturbegriff umfasst die Kernbereiche der kulturellen/musisch-ästhetischen Sparten. Daneben wurden – soweit dies auf Basis vorliegender Daten möglich war – aber auch moderne Ausdrucksformen und medienunterstützte kulturelle Aktivitäten, wie Musik samplen, Bilder am PC bearbeiten oder Graffiti, berücksichtigt.
Die Autorengruppe konnte bei der Bearbeitung des Themas auf drei Sondererhebungen zurückgreifen, die eine wichtige Datenbasis für das gesamte Schwerpunktthema darstellten. Dies waren eine telefonische Befragung von knapp 5.000 Personen im Alter von neun bis 24 Jahren (MediKuS-Studie), eine Online-Befragung von über 8.000 Studierenden (HISBUS-Studierendenbefragung) sowie eine Online-Befragung von Schulleitungen an 2.550 öffentlichen Schulen in Deutschland (Schulleiterbefragung).
Individuelle Bildungsaktivitäten
Ausgehend von einer Lebenslaufperspektive lässt sich festhalten, dass die kulturelle Alphabetisierung der Kinder von Anfang an in der Familie beginnt, in der sie alltagsintegriert musikalische und ästhetische Erfahrungen machen. Besonderen Stellenwert hat in der überwiegenden Mehrheit der Familien von unter 6-Jährigen das regelmäßige Vorlesen, durch das die Kinder narrative Welten kennenlernen. Es zeigt sich dabei, dass Kinder, denen in der frühen Kindheit häufig vorgelesen wurde, auch im Alter von sechs bis acht Jahren häufiger selbst in der Freizeit lesen. Darüber hinaus ist das Singen und Malen in Familien mit unter 6-Jährigen Kindern ein integraler Bestandteil ihres Alltags – auch in vielen bildungsfernen Familien und in Familien mit Migrationshintergrund.
Deutlicher sind hingegen die sozialen Unterschiede in der Teilhabe von Unter-6-Jährigen Kindern an der musikalischen Früherziehung (siehe Larissa von Schwanenflügel/Andreas Walther „Partizipation und Teilhabe“). Während 33 % der Eltern mit hohem Bildungsstand ihre Kinder zu solchen Angeboten anmelden, sind es bei Eltern mit niedrigem Bildungsstand lediglich etwa 9 %. Dies trifft in ähnlicher Weise auch für Kinder mit Migrationshintergrund zu. Diese selektive Nutzung von musikalischen Angeboten ist auch im Alter von sechs bis acht Jahren beobachtbar und weist darauf hin, dass schon in der frühesten Kindheit eine unterschiedliche Teilhabe an Gelegenheitsstrukturen Kultureller Bildung vorherrscht, die sich in späteren Lebensjahren verfestigen kann.
Zwischen neun und 24 Jahren zeigt sich – außerhalb des formalen Schulunterrichts – ein breites Spektrum kultureller Aktivitäten, wobei die Hochphase der Aktivität zwischen neun und zwölf Jahren stattfindet und die Anteile kulturell Aktiver in höheren Altersgruppen niedriger sind. Während bei den 9- bis 12-Jährigen das Malen/Zeichnen und das Spielen eines Instruments sowie Basteln und Singen dominieren, sind medienunterstützte kreative Tätigkeiten wie Fotografieren, Videos drehen, Bilder am PC erstellen und Blogs im Internet schreiben am häufigsten bei 13- bis 17-Jährigen verbreitet. Nur bei einzelnen Aktivitäten wie Instrument oder Theater spielen ist ein Einfluss der sozialen Herkunft erkennbar, wohingegen junge Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status und/oder mit im Ausland geborenen Eltern deutlich seltener Theater, Konzerte und Museen besuchen.
Betrachtet man die Orte, an denen 13- bis 20-Jährige aktiv sind, so wird insbesondere bei musikalischen und darstellendkünstlerischen Aktivitäten die große Bedeutung von organisierten Angeboten außerhalb der nonformalen schulischen Angebote deutlich. Über 60 % der aktiven 13- bis 20-Jährigen sind in Vereinen, Gruppen oder anderen Organisationen musikalisch oder darstellend-künstlerisch aktiv, 35 % nutzen außerunterrichtliche kulturelle Angebote der Schule. Zugleich übt etwa ein Drittel der Aktiven seine kulturellen Aktivitäten ausschließlich selbstorganisiert aus, wobei dies häufiger auf Jungen sowie Jugendliche mit niedrigem sozioökonomischem Status zutrifft.
SchülerInnen, Auszubildende und Studierende sind nach eigenen Angaben fast in gleichem Maße kulturell aktiv. Die häufigsten Aktivitätsfelder von Studierenden sind das Fotografieren und die populäre Musik, die von über 20 % genannt werden. Allerdings werden einige kulturelle Aktivitäten mit dem Studium aufgegeben: Knapp 40 % waren vor dem Studium im Bereich klassischer Musik aktiv, während es nur noch 13 % als Studierende tun. Deutlich weniger zurück gehen mit dem Alter bzw. einem Statuswechsel die Aktivitäten im Bereich Fotografieren. Auch bei Studierenden dominieren dabei die nonformalen und informellen Aktivitätsorte. Im Alter von 19 bis 64 Jahren sind noch etwa 28 % der Erwachsenen in ihrer Freizeit selbst kulturell aktiv. Knapp 60 % besuchen regelmäßig kulturelle Sehenswürdigkeiten, Theater oder Konzerte.
Wie auch im Jugendalter sind soziale Differenzen bei einer solchen rezeptiven Teilhabe stärker als bei kulturellen Eigenaktivitäten. Betrachtet man die über 50-Jährigen, so ist der Anteil der nicht oder nur wenig kulturell Aktiven ab dem Alter von 65 Jahren etwas höher. Es scheint somit in der Nacherwerbsphase nicht zu einer vermehrten Wiederaufnahme kultureller Aktivitäten zu kommen. Von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter zeigt sich eine stärkere kulturelle Teilhabe von Mädchen bzw. Frauen. Auch ein Zusammenhang von eigener kultureller Aktivität mit der Eigenaktivität der Eltern lässt sich sogar noch bei Studierenden feststellen (vgl. ebd.: 161ff.).
Kulturelle Angebote in formalen Bildungseinrichtungen
Formale Bildungseinrichtungen haben eine besondere Bedeutung im Kindes- und Jugendalter, da sie potentiell allen Kindern und Jugendlichen einen Zugang zu Kultureller Bildung ermöglichen. In den Bildungsplänen der Länder für die frühkindliche Bildung in Kindertageseinrichtungen ist das Bildungsziel der Kulturellen Bildung, darunter auch die musikalische Früherziehung, fest verankert. Wie dies in der Praxis umgesetzt wird, ist nicht bekannt. Doch deuten einzelne Studien darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der Kindertageseinrichtungen entsprechende Angebote anbietet. Im Zuge der sozialräumlichen Vernetzung haben sich Kooperationen mit Musik- und Kunstschulen, Bibliotheken oder KünstlerInnen ausgeweitet. Etwa 11 % der Kindertageseinrichtungen und etwa 20 % der Schulen kooperierten 2010 mit öffentlichen Musikschulen. Werden auch die Kooperationen mit privaten Anbietern berücksichtigt, so gibt etwa die Hälfte der Schulen an, mit externen Partnern zusammenzuarbeiten.
Betrachtet man den formalen Schulunterricht, so wird deutlich, dass mit Blick auf das intendierte Curriculum für die künstlerischen Fächer eine höhere Stundenzahl vorgesehen ist als in vielen anderen Staaten Europas. Doch zeigt sich auch, dass die Ausgestaltung des tatsächlichen Unterrichts teilweise sehr flexibel gehandhabt werden kann. An den beruflichen Schulen kommen die künstlerischen Fächer außerhalb der künstlerischen Berufsausbildungen nicht mehr als Pflichtfächer vor, können aber freiwillig belegt werden.
Daneben bieten allgemeinbildende Schulen ergänzende außerunterrichtliche Angebote in Form von Schul-AGs und Kursen an (allen voran Schulorchester und Bands). Insbesondere Ganztagsschulen haben eine größere Vielfalt an Angeboten und vernetzen sich häufiger mit externen Partnern. Betrachtet man das Angebot an Ausbildungsplätzen für künstlerische Berufe (der Fächergruppe 83 der Berufsklassifikation), so wird deutlich, dass 7 % der SchülerInnen an Berufsfachschulen und 0,7 % der Auszubildenden in der dualen Ausbildung einen solchen Beruf erlernen, wobei sowohl das Angebot als auch das Interesse an einem künstlerischen Ausbildungsberuf zurückgegangen ist.
Schließlich ist davon auszugehen, dass es derzeit etwa 1.500 Studiengänge im Bereich Kunst und Kultur gibt. Betrachtet man die Weiterbildungsangebote im kulturellen Bereich, so werden die Volkshochschulen als wichtigste Anbieter sichtbar (siehe Hans-Hermann Groppe „Kulturelle Bildung an den Volkshochschulen“). Die Kursteilnahme an Volkshochschulkursen im Programmbereich „Kultur/Gestalten“ hat dabei allerdings absolut wie relativ abgenommen. Während die Kursbelegungen vor allem bei Kursen im Bereich „Werken/textiles Gestalten/Textilkunde/Mode/Nähen“ zurückgegangen sind, haben Angebote im Bereich „Medien/Medienpraxis“ jedoch an Beliebtheit gewonnen (vgl. ebd.: 176ff.).
Das Personal für Kulturelle Bildung und seine Qualifizierung
Mit Blick auf das Personal in formalen Bildungseinrichtungen, das die Aufgabe hat, Kulturelle Bildung zu vermitteln, zeigt sich, dass in allen Ausbildungen von pädagogischen Fachkräften, die für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen qualifizieren, die Kulturelle Bildung als Fach oder Lernfeld verankert ist. Während sich die pädagogischen Fachkräfte in fast allen Domänen ihrer Arbeit gut qualifiziert fühlen, geben nur etwa 57 % an, sich bei der Vermittlung musischdarstellender Bildung, also in den Bereichen Musik und Tanz, sicher zu fühlen (siehe Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss „Kulturelle Bildung für U6“).
Betrachtet man die Lehrkräftesituation in der Schule, so wird deutlich, dass trotz des gleichen Gewichts der Fächer Kunst und Musik ein größeres Angebot an Lehrkräften mit der Lehrbefähigung für das Fach Kunst vorherrscht als für das Fach Musik. Etwa 14 % der Schulen beschäftigen Honorarkräfte, die den Pflichtunterricht im Fach Musik oder Kunst abhalten. An etwa der Hälfte der Schulen werden Honorarkräfte für außerunterrichtliche Angebote eingesetzt, darunter häufig für Angebote im Bereich „Tanz/Akrobatik/Zirkus“, „Instrumentalmusik“ oder „Textiles Gestalten/Basteln/Handarbeit“. Insbesondere Ganztagsschulen und Gesamtschulen greifen häufiger auf Honorarkräfte zurück.
Die Hochschulausbildung in künstlerischen Studiengängen ist mit Blick auf die Professionalisierung in künstlerischen und kulturvermittelnden Berufen von besonderer Bedeutung. An den Hochschulen wurden 2010 etwa 3.300 Lehrkräfte für die künstlerischen Fächer ausgebildet. Daneben sind die Hochschulen in der Ausbildung von Fachkräften in den Fächern Kunstgeschichte oder Musikwissenschaft vorherrschend. Trotz ansteigender Studierendenzahlen ist der Anteil der StudienanfängerInnen in der Fächergruppe Kunst/Kunstwissenschaft bei rund 3,4 % stabil geblieben. Ausgebaut wurden entsprechende Studienangebote insbesondere an Kunst- und Musikschulen sowie an Fachhochschulen – in letzteren vor allem im Bereich „Gestaltung“. Knapp 12.000 AbsolventInnen haben 2010 einen Studienabschluss in der Fächergruppe Kunst/Kunstwissenschaft erworben. Mit Ausnahme der Lehramtsstudierenden gestaltet sich die Berufseinmündung schwieriger als bei AbsolventInnen anderer Studienfächer (vgl. ebd.: 189ff.).
Fazit und Forschungsdesiderata
Der Bildungsbericht 2012 konnte nur einen groben Einblick in die verschiedenen Aspekte der Kulturellen Bildung liefern. Infolgedessen ist es mit Blick auf die Zukunft von erheblicher Bedeutung, auf der Basis von amtlichen Daten und einschlägigen Forschungsvorhaben die gravierenden Datenlücken zu schließen, um künftig ein regelmäßiges Monitoring kultureller Aktivitäten und Angebote in Deutschland gewährleisten zu können. Eine bedeutsame und noch zu wenig erforschte Fragestellung ist dabei, wie das Bildungsziel der Kulturellen Bildung, das in Bildungs- und Lehrplänen verankert ist, in der Praxis von Kindertageseinrichtungen und Schulen flächendeckend umgesetzt werden kann, welche Qualität derartige Angebote aufweisen und welche Bedeutung sie für Kinder und Jugendliche haben.
Bisher kann die Landschaft außerschulischer, non-formaler kultureller Angebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene auf Basis von statistischen Daten so gut wie nicht dargestellt werden, obwohl diese als Orte kultureller Aktivitäten eine erhebliche Bedeutung in Kindheit und Jugend erlangen können. Hier gilt es, nicht nur einmalig oder punktuell Daten zu erheben, sondern eine regelmäßige Angebotserfassung aufzubauen. Dies gilt auch für individuelle Bildungsaktivitäten der Kinder und Jugendlichen. Insbesondere auf Basis von Zeitreihendaten über eine längere Periode hinweg können Trends, positive wie negative Entwicklungen in der Angebots- und Teilhabestruktur von jungen Menschen an Kultureller Bildung in Deutschland sichtbar gemacht werden, die als Eigenwissen für das Arbeitsfeld ebenso genutzt werden können wie für gesellschaftliche Diskurse und politische Entscheidungsprozesse.