Medienbildung in der Schule

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von Vera Haldenwang

Erscheinungsjahr: 2013/2012

Im Zuge der rasanten Entwicklung der Medien wachsen Kinder und Jugendliche als ‚Digital Natives‘ heute ganz selbstverständlich mit multifunktionalen digitalen Technologien auf. 79 % der Jugendlichen verfügen über einen eigenen Computer oder Laptop, etwa jeder Zweite kann von seinem Zimmer aus online gehen. Zwei Drittel der 12­- bis 19­-Jährigen sind täglich im In­ternet (vgl. JIM-­Studie 2011). Die Möglichkeiten gesellschaftlicher, politischer, kultureller und beruflicher Teilhabe sind heute vornehmlich durch Medien und die Art ihrer Nutzung bestimmt.

Vor diesem Hintergrund wird es für Heranwachsende in der Informations-­ und Wissens­gesellschaft immer wichtiger, über Computerfertigkeiten und geeignete Lernstrategien zu verfügen, wie z.B. das selbständige Aneignen von Wissen. Eine regelmäßige Nutzung von Medien befähigt die „Digital Natives“ jedoch nicht per se zu einem selbstbestimmten und verantwortungsvollen Umgang mit Medien. Um sich in der modernen Gesellschaft zurecht­zufinden, benötigen Heranwachsende neben Kenntnissen über Funktionsweisen vor allem die Fähigkeit zu einem kritisch-reflexiven, kreativen und kompetenten Umgang mit Medien, der jedoch in der Regel erst erlernt und von kompetenter Seite im Sinne einer umfassenden Kulturellen Bildung vermittelt werden muss.

Aufgaben und Inhalte schulischer Medienbildung

Das Lehren und Lernen mit (digitalen) Medien sowie die Förderung der Medienkompetenz gehören daher in allen Jahrgangsstufen und Schularten fraglos zum Bildungsauftrag und zur Weiterentwicklung von Schulen.

Gemäß der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zur Medienbildung von 2009 „sollen Kinder und Jugendliche in der Schule

>> Medien kennen lernen,

>> Medien auswählen, analysieren und bewerten lernen,

>> Medien anwenden und reflektieren lernen,

>> die Möglichkeiten und Grenzen sowie die Gefahren von Medienangeboten einschätzen lernen,

>> Medien im gesellschaftlichen Zusammenhang sehen lernen“

(Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus 2009:358).

Die Förderung der Medienkompetenz geht einher mit der Vermittlung notwendigen (Funk­tions­-)Wissens. Außerdem sollen Wertorientierung, Wahrnehmungs-­ und Urteilsvermögen, Verantwortungsbewusstsein, Kommunikationsfähigkeit und schöpferische Kräfte der Kin­der und Jugendlichen ausgebildet und entfaltet werden. Damit dient die Medienbildung der Persönlichkeitsentwicklung der SchülerInnen. Heranwachsende sollen sich der Bedeutung und der Wirkung von Medien auf das Individuum, die Kultur und Gesellschaft bewusst werden und lernen, mit ihnen kritisch, sicher und kompetent umzugehen. So können sie die Vorzüge von Medien erkennen und nutzen, aber auch vor gefährdenden Einflüssen geschützt werden.

Verankerung der Medienbildung in den Lehr- und Rahmenplänen

Medienbildung wird in den Lehrplänen in der Regel als integratives, fächerübergreifendes Bildungsziel aller Schularten und als Querschnittsaufgabe aller Fächer definiert. Darüber hinaus ist das Lernen mit und über Medien in vielfältiger Weise in den Fachlehrplänen der verschiedenen Schularten zum Teil verbindlich verankert. Über die konkrete Realisierung dieses Auftrags im Unterricht entscheidet jede Lehrkraft gemäß ihrer pädagogischen Freiheit und den Vorgaben der Lehrpläne der einzelnen Schularten und Fächer.

In Bundesländern wie z.B. Baden-­Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Sachsen-­Anhalt und Thüringen existieren bereits Medienbildungspläne bzw. sind curriculare Vorgaben in Planung, die sich am kompetenzorientierten Konzept für die schulische Medienbildung der Länderkonferenz Medienbildung von 2008 orientieren. In Sachsen-­Anhalt gibt es z.B. Bestre­bungen, über die integrative Medienbildung hinaus, explizite Medienkurse (Wahlpflichtkurs ‚Moderne Medienwelten‘ für die Schuljahrgänge 7 bis 10 an Sekundarschulen) in den Schulen zu verankern (vgl. Bartsch 2011).

Die von der Universität Hamburg erstellte „Expertise zum Stellenwert der Medienkompe­tenzförderung in Schulen“ von 2010 kommt zusammenfassend zu folgendem Ergebnis: „Die Analyse der Lehr-­ und Rahmenpläne zeigt in Bezug auf eine breitenwirksame und verbindliche Medienkompetenzvermittlung ein sehr heterogenes Bild. In einigen Bundesländern liegen spe­zielle Rahmenpläne für eine Medienerziehung in der Schule vor, die wiederum unterschiedlich stark ausdifferenziert werden. Teilweise werden Kompetenzniveaus für eine Medienkompe­tenz formuliert, altersangemessene Zielstellungen nach Aufgabenbereichen festgelegt oder konkrete Unterrichtsinhalte aufgeführt. Neben den Rahmenplänen zur Medienbildung sind medienerzieherische Anforderungen in die Lehrpläne einzelner Unterrichtsfächer oder die übergreifenden Bildungspläne einzelner Schulformen integriert. Medienpädagogische Ansätze finden sich zudem in der ‚informationstechnischen Grundbildung‘“ (Kammerl/Ostermann 2010:26).

Verzahnung der Medienbildung mit dem allgemeinen Schulentwicklungsprozess

Im Ländervergleich lässt sich konstatieren, dass Schulen als Teil oder Ergänzung der Schulpro­grammarbeit, des Schulentwicklungsprozesses oder im Rahmen von Projekten verpflichtend aufgefordert sind, Medienkonzepte bzw. Medienentwicklungspläne zu entwickeln.

Der Status „Referenzschule für Medienbildung“ wird z.B. ausgewählten bayerischen Schulen verliehen, die einen nachhaltigen Qualitätsentwicklungsprozess im Medienbereich in Gang gesetzt bzw. weitergeführt und diesen Prozess in einem Medienentwicklungsplan transparent dokumentiert haben. Im Fokus stehen dabei die Stärkung der Medienkompetenz der SchülerInnen und die weitere Verbesserung der Unterrichtsqualität. Dies soll vor allem durch die Implementierung schulspezifischer Medien- und Methodencurricula und eine systematische schulinterne Lehrerfortbildung im Bereich der Medienbildung erreicht werden.

Auch für die Bewerbung und Förderung von Schulen im Rahmen des 10-­Punkte-Programms der Landesregierung Rheinland-­Pfalz „Medienkompetenz macht Schule“ ist die Erstellung und Umsetzung eines Medienkonzepts Grundlage und Voraussetzung. Dabei steht die Weiterent­wicklung der Schul­- und Unterrichtsqualität im Fokus.

Als Teil des Schulprogramms sind Schulen in Hessen gehalten darzulegen, wie sie Medien­bildung schulübergreifend und schullaufbahnbegleitend vermitteln.

Bei der Implementation des integrativen Kurses „Medienkunde“ in Thüringen ist die Erar­beitung einer schulinternen Lehr- und Lernplanung verpflichtend.

In Bundesländern wie z.B. Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein­-Westfalen und Sachsen erfolgt die (künftige) Ausstattung der Schulen nur noch bzw. größtenteils auf der Basis von Medienkonzepten bzw. Medienentwicklungsplänen (vgl. Bartsch 2011).

Verankerung der Medienbildung in der Lehrerbildung

Medienbildung in der Schule setzt voraus, dass Lehrkräfte selbst über informationstechnische Grundkenntnisse und vor allem über medienpädagogische Kompetenz verfügen. Ihre Stärkung muss demnach auch verpflichtendes Ziel der Lehreraus- und -fortbildung sein.

Die strukturelle Verankerung einer medienpädagogischen Grundbildung, die verbindli­cher und prüfungsrelevanter Bestandteil in der ersten und zweiten Phase der Lehrerbildung ist, sowie eine Festschreibung medienpädagogischer Themen als (verpflichtende) Inhalte in der dritten Phase der Lehrerbildung lassen sich bisher nur in einzelnen Bundesländern beobachten. So heißt es z.B. in der Bekanntmachung des Bayerischen Kultusministeriums zur Medienbildung von 2009: „In den verschiedenen Phasen der Lehrerbildung wird der Me­dienpädagogik und der informationstechnischen Bildung in Bayern eine große Bedeutung beigemessen. Grundlagenwissen wird im Studium (1. Phase) und im Vorbereitungsdienst (2. Phase) vermittelt. Dieses Wissen ist in der Lehrerfortbildung (3. Phase) zu vertiefen.“ In der Ersten und Zweiten Staatsprüfung sind Medienpädagogik und informationstechnische Bildung zudem unter den für die Prüfung relevanten Themen verbindlich verankert.

Aktuelle Entwicklungen zur Förderung von Medienkompetenz in der Schule

Viele Bundesländer verstärken derzeit ihre Aktivitäten zur Förderung der Medienkompetenz in der Schule durch Landesprogramme und tragen somit einer Vielzahl neuer Entwicklungen Rechnung (z.B. Bayern: „Digitales Lernen Bayern“; Bremen: „Masterplan Medienbildung“; Niedersachsen: „Medienkompetenz in Niedersachsen – Meilensteine zum Ziel“; Nordrhein­-Westfalen: „Medienpass NRW“; Thüringen: „Konzept der Landesregierung zur Stärkung und Weiterentwicklung der Vermittlung von Medienkompetenz in Thüringen“).

Gemeinsam sind den Konzepten die besondere Bedeutung der schulischen Bildung für den Erwerb von Medienkompetenz sowie der verstärkte Netzwerkgedanke und die Bündelung vorhandener Aktivitäten innerhalb des Landes. Thematisch rücken die mit der Internetnutzung einhergehenden Schattenseiten wie Datenmissbrauch, Verletzung des Persönlichkeitsrechts und die Urheberrechtsproblematik sowie dementsprechende Präventions­- und Interventionsmöglichkeiten stärker in den Vordergrund.

In einigen Ländern (z.B. Bayern, NRW, Thüringen) werden Medienpässe, Zertifikate, Portfolios oder ähnliches zur Systematisierung der Vermittlung von Medienkompetenz und zur Dokumentation der von den Lernenden erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten im Umgang mit Medien angeboten (vgl. Bartsch 2011).

Zudem wurde 2012 im Auftrag des Schulausschusses der Kultusministerkonferenz (KMK) die KMK­-Erklärung zur „Medienpädagogik in der Schule“ vom Mai 1995 inhaltlich überarbeitet (vgl. Beschluss der KMK vom 8. März 2012 zur „Medienbildung in der Schule“). Ziel ist es, den Ländern eine stringente Leitlinie für die Umsetzung einer zeitgemäßen kompetenzorientierten schulischen Medienbildung an die Hand zu geben.

Insbesondere der bundesweite Ausbau von Ganztagsangeboten bietet für die Kulturelle Bildung und die Zusammenarbeit zwischen dem Schul-­ und Kulturbereich vielfältiges Potential. Als moderne Lernorte ermöglichen Ganztagsschulen durch offene Unterrichtsformen, flexible Zeit-­ und Raumstrukturen, Themen­- und Projektorientierung sowie die verstärkte Öffnung nach außen besondere pädagogische Chancen für die Medienbildung. Hier eröffnen sich – wie z.B. im Rahmen der bundesweiten „SchulKinoWochen“ – vielfältige Möglichkeiten, Schülerinteres­sen und außerschulische Nutzungs-­ und Erfahrungsformen in den Schulalltag zu integrieren (siehe Michael Jahn „Kino und Schule am Beispiel der SchulKinoWochen“). Die Kooperation mit externen Partnern und die Nutzung kultureller Lern-­ und Bildungsorte, wie z.B. Kinos, kann die schulische Medienarbeit in vielerlei Hinsicht gewinnbringend unterstützen.

Ausblick

Medienbildung ist zu einem wesentlichen Bestandteil der Allgemeinbildung geworden, Me­dienkompetenz gilt heute neben Rechnen, Schreiben und Lesen als vierte Kulturtechnik. Die Erziehung zu einem verantwortungsbewussten und kompetenten Umgang mit Medien ist ein grundlegendes pädagogisches Erfordernis an allen Schulen, die jedoch unter konsequenter Einbindung der Elternhäuser erfolgen und altersgerecht bereits im vorschulischen Alter be­ginnen muss. Die Vermittlung von Medienbildung ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die über die Schule hinaus reicht und die von allen gesellschaftlichen Kräften getragen werden sollte.

Die gezielte Beschäftigung mit Medien als Lernwerkzeug und Unterrichtsgegenstand ist ein Kennzeichen guter Schule und begünstigt das lebenslange Lernen. Dafür sind von staatlicher Seite die strukturellen, organisatorischen und technischen Rahmenbedingungen zu optimieren, ggf. auszubauen und den gesellschaftlichen Erfordernissen anzupassen. Von entscheidender Bedeutung für eine breitenwirksame, systematische und nachhaltige Medienbildung ist dabei neben einer adäquaten IT­-Ausstattung der Schulen vor allem eine verbindliche Verankerung medienpädagogischer Inhalte in den schulischen Lehrplänen und Abschlussprüfungen. Gleiches gilt für die Curricula in allen pädagogischen Studiengängen und Ausbildungsbereichen. Förderlich wären zudem bundesweit festgelegte Bildungsstandards für den Bereich Medienkompetenz.

Eine Verbesserung der Medienkompetenz auf Seiten der SchülerInnen und Lehrkräfte lässt sich schulintern vor allem durch eine systematische, differenzierte und verbindliche Medienarbeit, d.h. im Rahmen eines Medienentwicklungsplans erreichen, dessen Ziele und Maßnahmen mit der Schulfamilie abgestimmt werden.

 

Verwendete Literatur

  • Bartsch, Paul (2011): Synopse zu ausgewählten Fragen der Medienbildung in den Bundesländern. Interner Bericht der Länderkonferenz Medienbildung. Halle (Saale).
  • Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (2009): Medienbildung – Medienerziehung und informationstechnische Bildung in der Schule. Bekanntmachung. München.
  • Kammerl, Rudolf/Ostermann, Sandra (2010): Medienbildung - (k)ein Unterrichts­fach? Eine Expertise zum Stellenwert der Medienkompetenzförderung in Schulen. Hamburg: Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA/HSH): www.ma-hsh.de/cms/upload/downloads/Medienkompetenz/ma_hsh_studie_medien… (letzter Zugriff am 22.09.13)
  • Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2011): JIM 2011. Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Stuttgart.

Anmerkungen

Dieser Text wurde erstmals im Handbuch Kulturelle Bildung (Hrsg. Bockhorst/ Reinwand/ Zacharias, 2012, München: kopaed) veröffentlicht.

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Vera Haldenwang (2013/2012): Medienbildung in der Schule. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/medienbildung-schule (letzter Zugriff am 14.09.2021).

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Dieser Artikel wurde dauerhaft referenzier- und zitierbar gesichert unter https://doi.org/10.25529/92552.425.

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