Zur Bedeutung des vereinsgetragenen Amateurmusizierens in ländlichen Räumen
Abstract
In Deutschland musizieren ca. 14 Mio. Menschen in ihrer Freizeit – ein Großteil davon in ehrenamtlich getragenen Strukturen in ländlichen Räumen. Die Ursprünge liegen bei den Ensembles der Fürstenhöfe, welche damals schon von Laien/Amateuren gebildet wurden. Im 18./19. Jahrhundert entwickelte sich das Amateurmusizieren zu einer Bürgerbewegung, die bis heute für einen Großteil der musikalischen Veranstaltungen in Deutschland verantwortlich zeichnet. Insbesondere in ländlichen Räumen ist das vereinsgetragene Amateurmusizieren sowohl in großer Zahl als auch in großer Vielfalt vertreten und bereichert das Leben vor Ort in vielfältiger Weise. Die Auswirkungen des demografischen Wandels werden ländliche Räume besonders treffen – im Bereich des vereinsgetragenen Amateurmusizierens bilden sich allerdings zunehmend Seniorenensembles, wie das Deutsche Musiktreffen 60plus gezeigt hat. Um die Strukturen außerschulischer musikalischer Bildung in ländlichen Räumen zu stärken, ist ein spartenübergreifendes Denken bei der Ausprägung kommunaler Bildungslandschaften ebenso wichtig wie die konsequente Umsetzung von Förderprogrammen wie z.B. „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“. Nicht zuletzt muss auch das Engagement als solches gefördert werden – hier können Dachverbände und lokale Ebene noch effektiver zusammenarbeiten.
Der vorliegende Aufsatz untersucht die Bedeutung des vereinsgetragenen Amateurmusizierens in ländlichen Räumen. Neben einer allgemeinen Einführung zum Amateurmusizieren und dem Einfluss auf das kulturelle Leben in ländlichen Räumen wird dabei insbesondere auf die Auswirkungen des demografischen Wandels eingegangen, bevor Strategien für die kulturpädagogische und -politische Herangehensweise aufgezeigt und abschließend Perspektiven der Förderung des Engagements beschrieben werden.
Auf Grund der teilweise schlechten Datenlage werden in einigen Fällen Zusammenhänge verallgemeinert bzw. ausgehend von Teilbereichen auf andere Bereiche übertragen. Auch wenn der folgende Text lediglich das vereinsgetragene Amateurmusizieren behandelt, so ist ebenso von einer Relevanz für den Bereich des kirchlichen Amateurmusizierens oder anderen Trägern in ländlichen Räumen auszugehen.
Überblick zum vereinsgetragenen Amateurmusizieren
Mit schätzungsweise 14 Millionen Menschen, die in ihrer Freizeit Musik machen, ist das Laien- bzw. Amateurmusizieren eine der größten Bewegungen des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland. Die musikalischen Aktivitäten der Musikvereine finden dabei zu rund drei Vierteln in Gemeinden und Kleinstädten unter 50.000 Einwohnern statt. In Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern sind rund ein Viertel der Musikvereine aktiv.
Die meisten Ensembles sind heute in Vereinen organisiert und haben daher nicht nur bezogen auf Kunst- und Traditionspflege, sondern auch unter gemeinschaftsbildenden wie auch jugendpflegerischen Aspekten einen anerkannt hohen gesellschaftspolitischen Stellenwert. So sind z.B. Musikvereine nicht nur als Orte der Musikpflege zu verstehen, sondern auch als Institutionen kultureller Bildung sowie sozialer und kommunikativer Repräsentanz. Darüber hinaus bilden die Ensembles einen Nährboden, auf dem Begabungen wachsen, Talente entdeckt sowie in vielen Fällen Voraussetzungen für das spätere Berufsleben als Musiker*in erworben werden.
Dabei ist Vielfalt eines der auffälligsten Merkmale des Laien- und Amateurmusizierens: So haben sich z.B. Genres, Repertoires und Gruppen in den letzten Jahren ausdifferenziert, sei es im Bereich der Chöre, Orchester oder der Pop- und Rockbands. Im Folgenden soll die historische Entwicklung erläutert, die Vielfalt beschrieben und die Breitenkultur des Amateurmusizierens in ländlichen Räumen am Beispiel von Baden-Württemberg veranschaulicht werden.
Historische Entwicklung des Laien- und Amateurmusizierens
Das Laien- und Amateurmusizieren in Deutschland zeichnet sich durch eine Vielfalt und Breite aus, welche alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringt und einen prägenden Einfluss auf die kulturelle Identität Deutschlands ausweist. Die Vielfalt entwickelte sich aus der kleinstaatlichen Verfasstheit Deutschlands im 17. und 18. Jahrhundert. An den Fürsten- und Königshöfen musizierten zunächst die Herrscher*innen selbst oder ihre Kammer- und Saaldiener*innen – also Laien. Die bürgerliche Chorbewegung war eine Geburt der Aufklärung und erlebte im 19. Jahrhundert ihre Blütezeit. Als mit der Singakademie im Jahr 1792 in Berlin der erste gemischte Chor als dauerhafte Institution gegründet wurde, war das ein revolutionärer Vorgang. Schließlich sangen hier Menschen unterschiedlicher Stände und Geschlechter zusammen.
Heute blicken viele Musikvereine auf eine teilweise über 150-jährige Tradition zurück. Unter anderem mit der jährlichen Verleihung der vom Bundespräsidenten gestifteten Zelter- und Pro Musica-Plakette für mindestens hundertjähriges Bestehen wird dieser langen Tradition Rechnung getragen.
Eine tief greifende Zäsur erlebten viele Musikvereine während der Zeit der Nazi-Diktatur und des Zweiten Weltkriegs, in der die musikalischen Aktivitäten der meisten Vereine weitgehend zum Erliegen kamen. Nach Kriegsende machten sich viele Vereine mit vielerorts einfachen Mitteln daran, den Verein und damit das soziale und kulturelle Leben in ihren Gemeinden wiederauferstehen zu lassen.
Das aktuelle Laien- und Amateurmusizieren hält nicht nur an Überlieferungen fest, sondern entwickelt sich ständig weiter und setzt sich mit gesellschaftspolitischen Themen auseinander. Zusammen mit den vielen neuen Bewohner*innen in Deutschland kann Musik etwa als interkulturelle Verbindung genutzt werden und durch gemeinsames Musizieren ein gemeinsames Verständnis füreinander geschaffen werden.
Vielfalt an Strukturen und Begrifflichkeiten
Der Begriff Laien- bzw. Amateurmusizieren bezeichnet heute einen „nicht-professionellen, aktiven Umgang mit Musik.“ „Nicht-professionell“ bedeutet dabei, den Lebensunterhalt nicht hauptsächlich durch Musizieren oder Singen zu bestreiten. „Aktiv“ heißt, sich Musik anzueignen und selbst wiederzugeben. Ob von Laienmusizieren oder Amateurmusizieren gesprochen wird, ist je nach Region und Sprachgefühl unterschiedlich. Es wird der jeweils gefühlt „höherwertige“ Begriff genutzt, um den eigenen Qualitätsanspruch zu unterstreichen. Beide Begriffe veranschaulichen dabei die inhaltliche Dimension: Laien (von griechisch λαός (laós) „Volk“) postuliert eine Volksbewegung, während Amateure zu Deutsch die „Liebhaber“ sind, also aus Liebe zum Musizieren selbst Teil dieser Gruppe sind.
Ohne das vokale und instrumentale Laienmusizieren würden bedeutende musikalische Werke der Vergangenheit und der Gegenwart für viele Menschen nur selten unmittelbar und live erfahrbar werden, denn die Aufführungen in ihrer großen Anzahl und Qualität wären nicht bezahlbar. So wird z.B. auch das Jahrhunderte alte kulturelle Erbe der Chormusik überwiegend von Amateurchören getragen. Um eine kleine Vorstellung der Dimension zu bekommen: Hochrechnungen aus regionalen Umfragen ergaben, dass allein die Chöre in Deutschland jährlich über 300.000 Konzerte für rund 60 Millionen Zuhörer*innen veranstalten. In den vergangenen Jahren ist daher auch das „Laien- und Amateurmusizieren“ auf die nationale Liste des immateriellen Kulturerbes gesetzt worden.
Für die geographische Verteilung des vereinsgetragenen Amateurmusizierens liegen aktuell nur Zahlen für den instrumentalen Bereich vor. Aus regionaler Sicht finden sich Hochburgen der instrumentalen Vereinskultur besonders im Süden Deutschlands. Allein in den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern sind über die Hälfte der Musikvereine angesiedelt. Weitere rund 36% der Musikvereine sind in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hessen beheimatet. Eine mit Abstand geringere Vereinsdichte besteht in den fünf ostdeutschen Bundesländern, in denen zusammen knapp über 4% der Vereine aktiv sind. Allerdings existieren nach Expertenmeinung dort weitere Orchester und Gruppen, die sich bisher verbandlich nicht organisiert haben und deshalb in den Mitgliederlisten der Verbände nicht auftauchen. Die verbleibenden 7% der Vereine verteilen sich auf die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen (zusammen 1%) und die Bundesländer Saarland (2,4%) und Schleswig-Holstein (3,8%). Im vokalen Bereich kann eine ähnliche Verteilung angenommen werden.
Die mit Abstand meisten Musikvereine im instrumentalen Bereich gehören der Sparte der Blasorchester und Spielleute an (82%). Sie repräsentieren 78% der Orchester und Ensembles und 77% der aktiven Instrumentalisten. Auf die Bereiche Zupforchester (inkl. Zitherorchester) und Sinfonieorchester entfallen jeweils 5% der Vereine. 8% Prozent sind Vereine mit Akkordeonorchestern.
Amateurmusizieren in ländlichen Räumen Baden-Württembergs
Bereits 2013 postulierte die Bundesregierung dass „die Laienmusik und das Amateurtheater […] wesentliche Bestandteile der Breitenkultur im ländlichen Raum“ (Bundesregierung 2013:7) seien. Wolfgang Schneider hat dies am Beispiel von Niedersachen in Studien an der Universität Hildesheim untersucht. Er beschreibt die Funktionen der Kulturvereine auf dem Land als „Orte des Zusammenhalts, der Bildung, der Geselligkeit und vieles mehr“ (Schneider 2014:40).
Gleichwohl ist insbesondere von Kulturschaffenden häufig zu hören, dass „die Menschen in ländlichen Regionen von der Kulturpolitik benachteiligt, der Kunstwelt belächelt und den überregionalen Medien ignoriert würden.“ Dieses Bild ergibt sich aus Gesprächen mit Expert*innen der Studie Kultur im Ländlichen Raum sowie aus Antworten auf die Frage nach den Herausforderungen für Kultur im Rahmen einer Umfrage des Ministeriums für Ländlichen Raum in Baden-Württemberg (Zemni 2013:14).
Am Beispiel von Baden-Württemberg lässt sich aber vor allem belegen, dass die Musik für die Kultur in den ländlichen Regionen Baden-Württembergs geradezu tonangebend ist. Chöre und Orchester tragen mit 40 Prozent den größten Teil des kulturellen Angebots auf dem Land, wie oben genannte Studie des Ministeriums für Ländlichen Raum zeigt. Laut der Erhebung gibt es in fast 90% der Gemeinden im Land Angebote für Amateurmusiker*innen (Zemni 2013:35).
Richtet man den Blick auf die Verteilung der Angebote und Einrichtungen in ländlichen Räumen, zeigt sich auch hier die sehr große Bedeutung der Musik, die sich u.a. in Chören, Orchestern, Musikgruppen und Bands ausdrückt. In fast 90% der Gemeinden gibt es Angebote im Bereich des Amateurmusizierens, wobei sich kirchliche – siehe Jakob Johannes Koch „Kirchen und Kulturarbeit auf dem Land“ – und weltliche Aktivitäten beim Gesang die Waage halten, im instrumentalen Bereich überwiegen weltliche Angebote. 12% der Gemeinden geben an, professionelle Musikangebote in ihrem Ort zu haben. Konzertgastspiele finden in rund 60% der Gemeinden statt.
Zahlreiche bedeutende Einrichtungen der außerschulischen jugendmusikalischen Bildung befinden sich in ländlichen Räumen, alleine in Baden-Württemberg zum Beispiel die Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen, die Musikakademie Schloss Weikersheim, die Landesakademie für die musizierende Jugend in Baden-Württemberg in Ochsenhausen sowie die Internationale Musikschulakademie Kulturzentrum Schloss Kapfenburg Lauchheim. Nicht zuletzt fördert das Land Baden-Württemberg aktuell Baumaßnahmen zweier verbandsgetragener Akademien der Blasmusik.
Obwohl traditionelle Musikbereiche wie Chorgesang und Blasmusik eine zentrale Rolle im Musikangebot ländlicher Räume spielen, wird mancherorts leider ein rückläufiges Interesse beobachtet. Als Grund hierfür lässt sich neben der Verengung der Zeitkorridore durch die Ganztagsschule vor allem der steigende Wettbewerb durch andere Freizeitaktivitäten, die insbesondere durch Internetzugang ermöglicht werden, vermuten. Blasinstrumente sind nach wie vor sehr beliebt und werden auch in modernen Musikstilen eingesetzt. Beim Gesang ist die Situation weniger einheitlich. Obwohl verschiedene TV-Formate die ungebrochene Popularität des Singens belegen, können Gesangsformationen im herkömmlichen Sinn, wie Liederkränze und Gesangsvereine, im ländlichen Raum kaum von dieser Begeisterung am Singen profitieren. Kleinere Formationen dagegen, z.B. Vokalensembles von vier bis 16 Stimmen, Barbershop-Ensembles oder Projektchöre, die sich für eine spezielle Aufführung zusammenfinden, haben großen Zulauf. Mit der Modernisierung der Strukturen und einer zeitgemäßen inhaltlichen Ausrichtung können Gesangsangebote im ländlichen Raum auch für jüngere Menschen wieder attraktiver werden. D.h. insbesondere in den Führungsstrukturen werden flachere Hierarchien bzw. mehr Mitbestimmung gefordert, ebenso gilt es Konzertinhalte und -formate zu hinterfragen und neue Wege zu gehen. So erhalten z.B. auf vokaler Seite gerade Mitmachaktionen wie „Rudelsingen“, „Offenes Singen“ oder „Sing alongs“, quasi Live-Playbacks, großen Zulauf.
Gerade Musical-Projekte stoßen aktuell bei Kindern und Jugendlichen auf sehr großes Interesse. Allerdings müssen für die Umsetzung Strukturen und Möglichkeiten geschaffen bzw. verbessert werden. Für einzelne Vereine oder auch Musikschulen ist eine Durchführung aus verschiedenen Gründen oft schwer zu stemmen. Organisation, künstlerische und pädagogische Leitung, rechtliche Absicherung, Öffentlichkeitsarbeit und die Sicherstellung der notwendigen Ausstattung – vom Kostüm bis zum Mikrofon – bedürfen eines nicht zu unterschätzenden personellen, zeitlichen und finanziellen Einsatzes. Doch die Wirkung ist auch dementsprechend hoch, da den Teilnehmer*innen viele unterschiedliche Möglichkeiten geboten werden, sich je nach Talent und Interesse vor und hinter den Kulissen einzubringen.
Die Sicherstellung der Qualität musikalischer Ausbildung und Darbietung sind Themen, denen sich die Vereine verstärkt zuwenden. Damit verbunden ist der Wunsch nach einer stärkeren öffentlichen Wahrnehmung der von Kulturarbeit in der Fläche erbrachten Leistungen auch von Seiten der Politik und der überregionalen Medien, wie es die Ergebnisse der Befragung von Städten und Gemeinden, Stadt- und Landkreisen sowie Organisationen im Rahmen der „Kulturanalyse Ländlicher Raum Baden-Württemberg“ zeigen (vgl. Wegner/Pröbstle 2011).
Demografischer Wandel: Auswirkungen für das Kulturleben und Umgang damit im Bereich des Amateurmusizierens
Der demografische Wandel ist zunehmend in den Blickpunkt politischer und gesellschaftlicher Diskussionen gerückt. Es gibt vermutlich kaum eine andere Entwicklung, die unsere Gesellschaft so umfassend beeinflussen und nachhaltig verändern wird, wie der demografische Wandel. Die Bevölkerungsstruktur in Deutschland wird sich in den nächsten Jahrzehnten entscheidend verändern: Die Gesellschaft wird älter, nimmt zahlenmäßig ab und spiegelt gleichzeitig immer mehr die Vielfalt der Kulturen wider. Insbesondere ländliche Räume benötigen Strategien, die sich mit diesem Wandel auseinandersetzen und die Auswirkungen kompensieren können, da gleichzeitig jüngere Menschen lieber in Städte ziehen und insbesondere der höher gebildete Anteil nach dem Studium in urbanen Räumen bleibt.
Der demografische Wandel wird auch das Kulturleben maßgeblich verändern. Die von der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände hierzu in den Jahren 2009 und 2010 befragten Expert*innen aus dem Bereich des Amateurmusizierens gehen davon aus, dass Musikvereine vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und demografischer Veränderungen einem zunehmenden Wettbewerb mit kommerziellen und ehrenamtlichen bzw. gemeinnützigen Anbietern ausgesetzt sind. Dadurch ist ein Modernisierungs- und Innovationsdruck entstanden, der dazu führt, dass Musikvereine, die nachhaltig erfolgreich sein wollen, neue Konzepte der Vereinsorganisation, der Jugendarbeit, der Erschließung neuer Zielgruppen und der musikalischen Aus- und Weiterbildung für unterschiedliche Zielgruppen umsetzen müssen.
Musikalische Angebote und kulturelle Teilhabe für ältere Menschen
Von besonderer Bedeutung wird es sein, sich angesichts des demografischen Wandels und der Überalterung der Bevölkerung in ländlichen Räumen gezielt an ältere Menschen zu wenden. Für diese fehlen bislang in Deutschland fast durchgängig musikalische Angebote, wie es der Deutsche Musikrat bereits im Jahr 2007 in seiner „Wiesbadener Erklärung“ festgestellt hat und dabei ausdrücklich flächendeckende Angebote auch in ländlichen Regionen fordert, um älteren Menschen das eigene Musizieren und die Teilhabe am Musikleben zu ermöglichen. Zudem sind geeignete Bedingungen für musikalische Betätigungen in den Alteneinrichtungen immer noch kaum vorhanden und müssen erweitert werden. Der Deutsche Musikrat befürchtet, dass angesichts der schon heute vorhandenen Altersarmut zukünftig breite Bevölkerungsschichten, insbesondere im dritten und vierten Lebensalter von der kulturellen Teilhabe ausgeschlossen werden. Dies ist umso misslicher, da ein breiter Konsens besteht, dass Musik geeignet ist, um einer zunehmenden Vereinsamung älterer Menschen entgegenzuwirken und Chancen eröffnen kann, die kreativen Potentiale älterer Menschen in viel stärkerem Maße als bisher zu entfalten und in die Gesellschaft einzubringen (siehe:Theo Hartogh / Hans Hermann Wickel „Musikalische Bildung im Alter"). Musizieren ermöglicht es älteren Menschen (neue) soziale Kontakte zu schaffen und hilft, Verluste zu verarbeiten. Darüber hinaus zeigen gerontologische Forschungsergebnisse, dass die Musik auch prophylaktische und therapeutische Wirkungen hat und zur Wahrung von Identität beiträgt.
Die zur Umsetzung der Forderungen der „Wiesbadener Erklärung“ benötigte kulturelle Infrastruktur für den ländlichen Raum unterscheidet sich jedoch deutlich von Erfordernissen in städtischen Zentren. In ländlichen Räumen, in denen eine geringere Anzahl kultureller Institutionen als in städtischen Regionen existiert, besteht die Herausforderung besonders darin, einen gut erreichbaren und am Bedarf orientierten Zugang zu Angeboten musikalischer Bildung zu ermöglichen. Von der Zivilgesellschaft organisierte Maßnahmen, das bürgerschaftliches Engagement im Allgemeinen sowie integrative Ansätze, die künstlerische und kulturelle Akteur*innen bereits bei der Konzeptentwicklung einbeziehen, spielen in ländlichen Räumen eine stärkere Rolle.
In Umsetzung der "Wiesbadener Erklärung" des Deutschen Musikrats haben die beiden Dachverbände des vereinsgetragenen Amateurmuszierens, die Bundesvereinigung Deutscher Chorverbände und die Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände 2016 gemeinsam das Deutsche Musiktreffen 60plus in Bad Kissingen ausgerichtet. Diese Veranstaltung trägt dem Trend der zunehmenden Gründungen von Seniorenensembles Rechnung. Dabei wird zwischen Wiedereinsteigern, Menschen, die nach einer längeren Pause wieder musizieren, und Neueinsteigern, Menschen, die zum ersten Mal im Leben musizieren, unterschieden. Eine Veranstaltung dieser Art gab es bis dahin noch nie und BDO-Präsident Ernst Burgbacher machte bei der Eröffnungsveranstaltung in seiner Begrüßung deutlich, dass es sich bei diesem Musiktreffen um „eine Herausforderung und ein Experiment" gleichermaßen handle, auf das alle gespannt sein dürften. Er bekam viel Applaus für die Feststellung, es sei falsch von einer alternden Gesellschaft zu reden, vielmehr müsse man von einer länger lebenden Gesellschaft sprechen.
Um die Verfügbarkeit und Erreichbarkeit kultureller Angebote in ländlichen Räumen auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sicherzustellen, wird nicht zuletzt eine Verbesserung des Informationsflusses über die vielfältigen Förderinstrumente für Kultur im ländlichen Raum verlangt (vgl. Bundesregierung 2016:32).
So regt z.B. die Kulturstiftung des Bundes mit dem Förderprogramm „TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel" gezielt ländliche Regionen an, über Kulturangebote den Herausforderungen des demografischen Wandels zu begegnen und entsprechende Transformationsprozesse anzustoßen. Für die Jahre 2016 bis 2021 stehen aus dem Etat der BKM bei der Kulturstiftung des Bundes bis zu 13,5 Mio. Euro an Mitteln hierfür zur Verfügung. In Zusammenarbeit mit den Ländern, Landkreisen und Kommunen können Kulturinstitutionen, also auch Chöre und Orchester, in strukturschwachen ländlichen Regionen darin unterstützt werden, neue Kooperationsmodelle und Arbeitsformen für kulturelle Einrichtungen gemeinsam mit der Bevölkerung zu erarbeiten und zu erproben. Ziel ist es, Anstöße zu geben und Beispiele zu sammeln, wie attraktive Kulturangebote in ländlichen Regionen zukünftig gestaltet sein können. Das Programm folgt dabei insbesondere der Überzeugung, dass den Kulturinstitutionen gerade in dieser Phase tiefgreifender Veränderungsprozesse eine wichtige Funktion zukommt (siehe Kristin Bäßler „Kulturelle Feldentwicklung: Wie sich Kultureinrichtungen in ländlichen Räumen weiterentwickeln“).
Kulturpädagogische bzw. kulturpolitische Handlungsstrategien für ländliche Räume
Ländliche Räume stehen in vielerlei Hinsicht im Wettbewerb mit Städten und Großstädten. Das vereinsgetragene Amateurmusizieren kann in ländlichen Räumen dabei helfen, kulturell attraktiv zu bleiben – hierfür muss es aber strukturell eingebunden werden. Möglichkeiten bieten insbesondere die Verankerung der Vereine und Zusammenarbeit in lokalen Bildungslandschaften und Förderprogramme wie „Kultur macht stark“. Lokale Bildungslandschaften meint dabei die Kooperation und Vernetzung von schulischen und außerschulischen Bildungsträgern vor Ort, um mit abgestimmten Maßnahmen ein möglichst breites Bildungsangebot zu ermöglichen. Da beispielsweise Theater und Museen in ländlichen Räumen unterrepräsentiert sind, ist die Zusammenarbeit von lokalen Bildungsträgern dort schon alleine aus synergetischen Gründen besonders relevant.
Kooperation und Vernetzung von schulischen und außerschulischen Kultur- und Bildungsträgern vor Ort
Tatsächlich wurde es in den letzten Jahren immer häufiger sichtbar, dass es Kommunen in ländlichen Räumen immer öfter schwerfällt, ihre Versorgungsaufgaben in „zumutbarer Nähe“ zu gewährleisten. Bedingt durch den demografischen Wandel und der daraus resultierenden Abnahme der Anzahl der Schüler*innen wurden und werden zahlreiche Schulen geschlossen. Diese Schließungen führten faktisch zu einem Rückzug vor allem weiterführender allgemeinbildender Schulen aus den kleinen ländlichen Gemeinden und einer Konzentration in ländlichen Mittelzentren – mit drastischen Folgen nicht zuletzt für den Schulweg der Kinder und Jugendlichen und somit auch für die Ausprägung des jeweiligen Sozialraums. So sind z.B. einstündige Schulwege mit dem Bus zum nächsten Gymnasium oder einer anderen weiterführenden Schule keine Seltenheit.
Zudem lässt die Zentralisierung von Schulen häufig die Wahlmöglichkeiten für Schüler*innen schwinden. Gerade in den Regionen, in denen es dann oft nur noch eine einzige Schule gibt, ist diese vielfach zu klein, um fachliche Schwerpunkte in verschiedenen Zügen organisieren zu können. D.h. die Schule muss sich dann entscheiden, entweder Kunst oder Musik anzubieten; den Schüler*innen verbleibt damit aber nicht die Wahlfreiheit, sich gemäß den eigenen Interessen und Neigungen zu engagieren.
Oft ist der lokale Musikverein der einzig verbleibende mögliche „Anbieter“ von kulturellen Bildungsleistungen und damit herausgefordert, aber auch prädestiniert, sich in seiner wichtigen Rolle in lokale Bildungslandschaften auf dem Land einzubringen. Dabei bieten ländliche Räume, so die Erfahrungen der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände – trotz der scheinbaren und tatsächlich herausfordernden Voraussetzungen – strukturelle Möglichkeiten, welche im Vergleich zu Ballungsräumen eine schnellere Realisierung von Kooperationen und Zusammenarbeit in lokalen Bildungslandschaften begünstigen.
Wenn Bildungsangebote von Musikvereinen in die regionale Standortpolitik prominent einbezogen werden, beispielsweise über Sing- oder Musizierklassen in den Schulen, und sowohl in der Öffentlichkeitsarbeit als auch in der Konstruktion einer lokalen Identität verankert sind, können die vermeintlich strukturschwachen ländlichen Räume auch Stärken entwickeln und diese im Wettbewerb um Arbeitnehmende und deren Familien ausspielen.
Das Engagement der größtenteils ehrenamtlich geführten Vereine erhielte durch die strukturelle Einbindung und die Sichtbarmachung ihrer ökonomischen Relevanz als weicher Standortfaktor insgesamt auch eine besondere zivilgesellschaftliche Funktion, die nicht zu vernachlässigen ist und Gegenstand einer zusätzlichen Untersuchung sein sollte. Für die BDO ist es von Bedeutung, dass die Musikvereine einen für sie klar erkennbaren Mehrwert aus dem Mitwirken in einer lokalen Bildungslandschaft ziehen können. Dabei lässt sich üblicherweise zwischen einem indirekten und einem direkten Mehrwert unterscheiden, welche sich gegenseitig bedingen. So wird durch das ehrenamtliche Engagement zuerst ein gesellschaftlicher und damit ein für den Musikverein indirekter Mehrwert geschaffen: Die Kinder und Jugendlichen kommen mit Musik in Kontakt, können Gemeinschaft erleben und von den vielen Facetten der musikalischen Bildung in fachlicher und persönlichkeitsbildender Hinsicht profitieren. Erst anschließend kann sich für die Musikvereine ein direkter Mehrwert einstellen, der idealerweise aber ein sehr nachhaltiger ist: Jugendliche verwachsen über das Bildungsangebot im Rahmen der lokalen Bildungslandschaft langfristig mit dem Musikverein. Ein aktiver Musikverein wiederum bereichert nachhaltig das Leben der Gemeinschaft vor Ort und steigert damit auch wieder die Attraktivität des gesamten Standortes.
Damit sich lokale Bildungslandschaften erfolgreich entwickeln können und ihr Mehrwert für alle Beteiligten erkennbar wird, ist leicht einsehbar, dass Kooperation und Kommunikation die zwingenden Voraussetzungen hierfür sind. Dabei stehen die Systeme Schule und Jugendhilfe für das Gelingen der Kooperation in besonderer Verantwortung: Zum einen sind hier die hauptamtlichen Pädagogen angesiedelt, welche die Zeit und das Fachwissen für die Gründung und Betreuung der lokalen Bildungslandschaft einbringen müssen. Zum anderen werden die Bildungsbiographien der Zielgruppe auf jeden Fall den Sozialraum Schule berühren, so dass hier definitiv der sinnvollste Beginn für Zusammenarbeit und Vernetzung zu sehen ist. Die Verantwortlichen in Schule und Jugendhilfe sollten daher – idealerweise über kommunale Einrichtungen bzw. von den Kreisen/Ländern getragene Servicestellen – über die grundsätzlichen Möglichkeiten und Potentiale lokaler Bildungslandschaften mit Einbeziehung der Musikvereine in ländlichen Räumen informiert und aufgeklärt werden.
Dabei ist es sehr wichtig, dass die ehrenamtlich geführten Musikvereine nicht als bloße Dienstleister betrachtet werden. Um ihr Potenzial entfalten zu können, benötigen Musikvereine Einfluss auf die Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse der lokalen Bildungslandschaft und nicht zuletzt wenigstens öffentliche, wenn nicht sogar auch finanzielle Anerkennung. Selbstverständlich muss die Tätigkeit des Musikvereins sich nicht auf Kinder und Jugendliche im Schulalter beschränken, wenngleich dies zurzeit die häufigste und vermutlich auch die am ehesten umzusetzende Form ist. Auf jeden Fall wollen sich Musikvereine in der Zukunft noch stärker in der frühkindlichen Bildung engagieren; die Kooperation in diesem Bereich ist aktuell noch nicht sehr ausgeprägt. Ebenso sollte in der Entwicklung lokaler Bildungslandschaften darauf geachtet werden, dass das Potenzial musikalischer Angebote für Menschen im vierten Lebensalter berücksichtigt ist.
Für eine gelungene Vernetzung innerhalb der lokalen Bildungslandschaften sind letztendlich auch auf der persönlichen Ebene der Lehrenden der formalen Bildungseinrichtungen ein Verständnis für die Erwartungen und Bedürfnisse der außerschulischen Bildungsträger, z.B. der kooperierenden Chöre und Orchester, unabdingbar. In diesem Zusammenhang wäre der konsequente, öffentlich finanzierte Einsatz von multiprofessionellen Fortbildungen oder eine direkte Integration entsprechender Inhalte und/oder praktischer Einblicke in das Lehramtsstudium sehr zu begrüßen. Auf diese Weise könnte das Verständnis der verschiedenen Professionen füreinander und die Zusammenarbeit miteinander unterstützt werden. So führte z.B. die Bertelsmann-Stiftung unter dem Titel „Förderung der Musikkultur bei Kindern“ ab dem Schuljahr 1999/2000 ein Forschungsprojekt durch, bei dem Lehrer*innen und externe Fachkräfte als „Tandem“ operierten, welches zusätzlich gezielte Schulungen erhielt. Die abschließende Auswertung aller Beteiligten wertete das Projekt als großen Erfolg.
Kultur macht stark – prädestiniert für ländliche Räume
Vor dem Hintergrund der Relevanz von lokalen Bildungslandschaften ist das Förderprogramm des Bundes „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eine gute Chance, strukturelle Zusammenarbeit und nachhaltige Kooperationen zu initiieren und auszubauen. Dieses Förderprogramm ist durch seine Ausrichtung gerade für ländliche Räume als Katalysator für die Gründung und Institutionalisierung von lokalen Bildungslandschaften zu werten. Durch die mehrjährige Programmlaufzeit und die hohe Gesamtsumme der Mittel erhalten die beteiligten Akteure auf der lokalen Ebene einen entsprechenden Anreiz. Die Arbeit und Energie, die benötigt wird, um eine solche Bildungslandschaft aufzubauen und zu betreuen, wird speziell durch „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ leider nur indirekt gefördert, da diese „vorbereitenden Aspekte“ sozusagen als Eigenleistung betrachtet werden. Trotzdem wird dieses Programm im Bereich des vereinsgetragenen Amateurmusizierens in ländlichen Räumen hervorragend angenommen, weil die Musikvereine und Chöre über die hundertprozentige Förderung der projektbezogenen Ausgaben zum ersten Mal eine entsprechende finanzielle Würdigung als einen der wichtigsten Träger instrumentaler musikalischer Bildung im außerschulischen Bereich erfahren und dem Amateurmusizieren damit ein in der Breite bisher einmalig wirkendes Förderinstrument zur Verfügung gestellt wird, welches über die allgemeinen Bekenntnisse von Sonntagsreden hinausgeht.
Förderung des Engagements im Musikbereich
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass in ländlichen Räumen besonders viele Menschen ehrenamtlich engagiert sind. Diese Vereine leisten einen wichtigen Beitrag zur Demokratiestärkung in unserer Gesellschaft. Sie schaffen Orte, an denen die Bevölkerung zusammenkommt, Freude hat und mit dem Musizieren ein für sie wichtiges Ziel gemeinsam verfolgt. Musik wirkt nicht zuletzt deshalb integrativ, da sie auch dort verbindet, wo eventuell Sprachbarrieren bestehen. Schließlich erhöht das kulturelle Angebot der Vereine die Lebensqualität auf dem Land und hemmt zugleich Abwanderungsbewegungen.
Für viele Vereine ergeben sich aber durch die wachsende Bürokratisierung bei der Inanspruchnahme diverser öffentlicher Förderprogramme sowie durch den demografischen Wandel Probleme. Mit den rückläufigen Einwohnerzahlen verringert sich auch die Zahl der möglichen neuen Mitglieder, die in Vereinen oder Einrichtungen ehrenamtlich in verantwortungsvolle Positionen hineinwachsen könnten. Schon heute stehen viele Vereine vor Nachwuchsproblemen im ehrenamtlichen Bereich. Doch die Gründe liegen nicht allein in der sinkenden Zahl potenziell Engagierter, sondern auch in veränderten Interessen- und Motivlagen. Vorrangige Motive für die Übernahme freiwilliger Aufgaben sind immer noch das „Bestreben, mit anderen Menschen zusammenzukommen“ und der „Wunsch, die Gesellschaft zumindest im Kleinen mitzugestalten“. Aspekte wie „Gewinn persönlicher Qualifikationen“ oder „Spaß“ haben aber überproportional hinzugewonnen (Freiwilligensurvey/Sonderauswertung Baden-Württemberg 2009:20).
Die Bundesakademie für musikalische Jugendbildung in Trossingen hat daher in Kooperation mit der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände zwei Weiterbildungsformate entwickelt, welche Ehrenamtliche unterstützen, ihren eigenen Nachwuchs für ehrenamtliches Engagement in der Zukunft strukturiert und nachhaltig aufzubauen und Ehrenamtliche für verantwortungsvolle Positionen im Verein zu qualifizieren, bevor das Vereinsleben mangels Ehrenamtlicher strukturell bedroht wird. Das Angebot wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Die Weiterbildung zu „Vereinspilot*innen“ richtet sich an aktuelle und angehende Vorstände von Musikvereinen und Chören. An vier Tagen vermitteln Expert*innen aus der Praxis die Themen Vereinsrecht und Veranstaltungsrecht, Projektmanagement, Nachwuchsstrategien, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Fundraising und Förderprogramme des Bundes und geben einen Überblick über die Verbandsstrukturen im Amateurmusikbereich. Im Mittelpunkt des Seminars steht auch der Austausch der Teilnehmer*innen. Neben den Präsenzterminen an der Bundesakademie erhalten die Teilnehmer*innen Muster-Vereinssatzungen, Musterverträge und -formulare, die sie langfristig bei der Vereinsarbeit unterstützen. Ein speziell zu diesem Zweck entwickeltes Onlineseminar zum Thema Social Media richtet sich an Anfänger*innen und Fortgeschrittene und kann immer wieder angeschaut und von vielen Akteur*innen genutzt werden. Im Jahre 2016 haben sich rund 200 Ehrenamtliche aus zehn Bundesländern um eine Teilnahme an der Weiterbildung beworben. Die an der Weiterbildung interessierten Vereinsvorstände haben wir gebeten, uns ihre Motivation zur Teilnahme zu erläutern. Die Antworten der angehenden und aktuellen Vereinsvorstände bestätigten die Konzeption der Weiterbildung und die bei der Netzwerkveranstaltung gesetzten Themenschwerpunkte. Über 50 aktuellen und angehenden Vereinsvorsitzenden konnte schließlich die Teilnahme ermöglicht werden. Aufgrund der großen Nachfrage setzt die Bundesakademie das Angebot der Weiterbildungen fort.
Die Weiterbildung zu „Verbandspilot*innen“ hingegen richtet sich insbesondere an haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter*innen von instrumentalen und vokalen Amateurmusikverbänden auf Kreis‑, Landes- und Bundesebene. Bei der Themensetzung der Weiterbildung spielen zwei Perspektiven eine Rolle: So geht es zum einen darum, die Verbände bei Fragen ihrer Organisationsentwicklung zu unterstützen und zum anderen, sie in der Beratung von Vereinen weiterzubringen und zu stärken. Themen der Weiterbildung waren unter anderem die Nachwuchsgewinnung, die Organisationsentwicklung von Vereinen und Verbänden, die Kommunikation, Beratung und das Konfliktmanagement, Social Media und die Moderation von Veranstaltungen. Die Themensetzung der Weiterbildung ging auf die Rückmeldungen anlässlich verschiedener Netzwerkveranstaltung zurück. Außerdem wurden im Vorfeld Experteninterviews mit Verbänden geführt, um den Weiterbildungsbedarf abzufragen.
Im Sommer 2017 fand die Weiterbildung zu „Verbandspilot*innen“ mit rund 40 Teilnehmer*innen erstmals statt. Erfreulich hoch war die bundesweite Resonanz auf das Angebot. Aus elf Bundesländern reisten haupt- und ehrenamtliche Verbandsvertreter*innen an. Als dementsprechend fruchtbar erwies sich auch der Austausch der Vereine und Verbände in Form einer kollegialen Beratung. So stieß beispielsweise das Verbandscafé, das im Rahmen der Weiterbildung stattfand, auf reges Interesse. Hier erhielten die Verbände die Möglichkeit, ihre Aktivitäten vorzustellen und sich über die Chancen von Kooperationsprojekten auszutauschen. Dabei zeigte sich: Egal aus welcher Region in Deutschland die Teilnehmenden kamen - im Arbeitsalltag sind sie in ihren Verbänden häufig mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert. Nach dem Erfolg der Auftaktveranstaltung bietet die Bundesakademie die Weiterbildung nun regelmäßig an.
Ausblick
Die Dachverbände des Amateurmusizierens müssen es schaffen, das Engagement in den lokalen Vereinen besser zu unterstützen. Hierzu müssen sie zum einen durch Programme wie z.B. die Vereins- und Verbandspilot*innen der Bundesakademie Trossingen den Wissenstransfer von der Spitze zur Basis beschleunigen und institutionalisieren. Ebenso würde es dem Feld gut zu Gesicht stehen, wenn Strukturen effizienter und effektiver arbeiten könnten. Idealerweise sollten hierfür Doppelstrukturen reduziert und gleichzeitig die Vernetzung verstärkt werden. Letzteres könnte beispielsweise über FAQ-Portale, welche die häufigsten Fragen und Antworten zusammenstellen, und die Sammlung und Veröffentlichung von Best-Practice-Beispielen erfolgen.
Auf lokaler Ebene ist zunächst ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das vereinsgetragene Amateurmusizieren die ländlichen Räume nicht nur attraktiver macht, sondern darüber hinaus viele weitere soziale Querschnittsaufgaben übernimmt. Insgesamt ist dies auch eine Investition in die Zukunft, da bereits heute der Gesellschaft und den Entscheider*innen von morgen auf diese Weise Zugänge zu Kultureller Bildung vermittelt werden.