Zeitgenössische Kulturarbeit in ländlichen Räumen Österreichs: Bedingungen, Potenziale, kulturpolitische Forderungen
Abstract
Abseits urbaner Zentren sind Kunst- und Kulturinitiativen mit anderen Problemlagen und Herausforderungen konfrontiert als in Städten. Nicht nur Strukturen und Netzwerke sowie die öffentliche Wahrnehmung fehlen vielfach in ländlichen Räumen, sondern oft auch die grundlegende Akzeptanz für zeitgenössische künstlerisch-kulturelle Arbeit. Zudem sind die finanziellen Rahmenbedingungen – für Neugründungen wie etablierte Projekte – schwierig. Was sind Gründe dafür? Welche Lösungsansätze gibt es? Welche kulturpolitischen Forderungen sind daraus abzuleiten und wie lässt sich eine ländlichen Räumen angemessene Kulturpolitik skizzieren?
Bedingungen regionaler zeitgenössischer Kunst und Kulturarbeit auf dem Land
In der Kunst- und Kulturarbeit tätig zu sein bedeutet, sich unter anderem erheblichen strukturellen und finanziellen Herausforderungen zu stellen. In Österreich ist insbesondere die freie Szene von chronischer Unterfinanzierung, Raummangel, fehlender Anerkennung sowie prekären Arbeitsbedingungen trotz hoher Professionalität (vgl. Moser 2015) geprägt. Während jedoch in urbanen Räumen zeitgenössische freie Kunst- und Kulturarbeit als wichtige Bestandteile städtischer Kultur nicht mehr wegzudenken ist, Kulturarbeiter*innen dort auf Netzwerke gegenseitiger Unterstützung und kulturpolitisch aktive Initiativen als Anlaufstellen zurückgreifen und einige Kulturorganisationen sogar finanziell halbwegs abgesichert arbeiten können, sind die Bedingungen in ländlichen Gebieten (vgl. TKI 2012; Götzky 2012) deutlich schwieriger.
Auf dem Land sind Brauchtumspflege und Volkskultur meist gut verankert, und vor allem in den Bereichen Musik und Theater gibt es lange und wirksame Traditionen samt entsprechender Strukturen. Die katholische Religion und ihre Institutionen haben einen großen Stellenwert, Heimat- und Ortsmuseen sind in vielen Gemeinden wichtige kulturelle Träger und Mainstreamprogramme wie Kabaretts, Sommertheater, Popkonzerte sind gut angenommene und durchaus auch kulturpolitisch unterstützte Formate. Gerade für kritische Kulturarbeit fehlt in ländlichen Räumen jedoch oft die Akzeptanz. Dörfer sind sowohl in Hinblick auf die Bevölkerungsstruktur als auch die kulturellen Angebote weniger divers aufgestellt als größere Städte, wodurch Ungewohntes nicht selten auf Unverständnis stoßen kann. „Innovative Kulturprojekte im ländlichen Raum führen im Kulturbetrieb ein Schattendasein“, umreißt der Künstler und Kulturtheoretiker Bernhard Kathan (2011) die Lage. Es werde dort tendenziell all das aussortiert, was nicht in vorgegebene Muster passe, und „[e]s mangelt auf allen Ebenen an Diskussion […]“ (ebd.). Nicht-mehrheitsfähige künstlerisch-kulturelle Ansätze werden mitunter nicht als demokratiepolitische Notwendigkeit erachtet, sondern als Bedrohung von ohnehin mehrheitsfähigen Positionen oder sogar als Provokation. Das kann Auseinandersetzungen und gar die Einstellung finanzieller Unterstützungen zur Folge haben. Oft treten die Gemeinden auch selbst als Kulturveranstalter auf und bilden dadurch – vor allem in Bezug auf die Finanzierung – eine unmittelbare Konkurrenz zu bestehender und potenzieller freier Kunst- und Kulturarbeit (vgl. TKI 2012:8ff.). In touristisch geprägten Regionen kommt erschwerend hinzu, dass die Förderung kultureller Angebote oft an wirtschaftlichen und touristischen Mehrwert geknüpft ist (vgl. Moser 2013).
In ländlichen Gemeinden leisten Kulturinitiativen, die im zeitgenössischen Bereich arbeiten wollen, oftmals Pionierarbeit, da Strukturen, auf denen aufgebaut werden könnten, weitgehend fehlen. Potenzielle Netzwerkpartner*innen können in solchen Fällen die über relativ gute Strukturen verfügenden Traditionsverbände wie Musikkapellen, Heimatbühnen, Gesangsvereine oder auch Schulen, Pfarreien und kulturinteressierte Wirtschaftsbetriebe sein. Der Aufbau themen-, sparten- und gebietsübergreifender Netzwerke und Allianzen ist in der Regel jedoch schwierige Basisarbeit.
Zwischen regionalen Kulturinitiativen und jenen in urbanen Räumen lassen sich auch Unterschiede in Hinblick auf Personalstrukturen und das Thema Ehrenamt bzw. Gratisarbeit feststellen. Während in Städten staatliche Kulturbetriebe sowie zumindest teilweise auch Organisationen der freien Szene über bezahlte Personalstrukturen verfügen, wird auf dem Land selbst hoch professionelle Kulturarbeit meist weitgehend gratis geleistet, um Inhalte und Programme finanzieren zu können. Die Praxis zeigt zudem, dass Kunst- und Kulturinitiativen in ländlichen Räumen häufiger mit fehlendem Nachwuchs konfrontiert sind als in der Stadt. Die Abwanderung von jungen Menschen spielt dabei eine große Rolle, aber auch deren geändertes Kulturkonsum- und -produktionsverhalten. Oftmals ziehen sie „ästhetische Ad-hoc-Gemeinschaften“ (Großegger 2010:8) starren Strukturen wie Kulturvereinen vor. Dadurch ist nicht nur die Fortführung bestehender Einrichtungen und Projekte gefährdet, sondern auch Vereinsneugründungen von jungen Menschen und damit kontinuierliche Angebote für Gleichgesinnte und Gleichaltrige vor Ort.
Ebenfalls kaum vorhanden sind auf Ebene der Kommunalpolitik und -verwaltung eigene Zuständigkeiten, also Kulturreferate mit geschultem Fachpersonal oder kompetente Ansprechpartner*innen. Ähnlich wie es Doreen Götzky (2012:277) für Deutschland feststellt, lässt sich in Bezug auf Österreich festhalten, dass „[k]ommunale Kulturpolitik im ländlichen Raum […] personenabhängig und damit strukturell nicht gesichert [ist], sondern zufällig. Insgesamt fehlt es an konzeptionellen kulturpolitischen Überlegungen auf kommunaler Ebene.“ Kunst und Kultur laufen meistens in anderen politischen Kontexten und Ressorts nebenbei mit und werden somit von Personen betreut, deren Arbeits- oder Ausbildungsschwerpunkte in anderen Bereichen liegen. Auch Kulturausschüsse sind oft mit Personen besetzt, die sich für Zeitgenössisches weder interessieren noch dementsprechende Qualifikationen mitbringen. Häufig fehlen außerdem adäquate oder gar mutige kulturpolitische Maßnahmen sowie ausreichend dotierte Kulturbudgets.
Bürgerlicher Kunstbegriff als Basis Österreichs Kulturpolitik
Die schwierigen Bedingungen zeitgenössischer Kunst- und Kulturarbeit auf dem Land hängen eng mit dem Faktum zusammen, dass Österreichs Kulturpolitik in erster Linie auf einem bürgerlichen, der Repräsentation und Tradition verhafteten Kulturverständnis (vgl. Wimmer 2011:376) basiert. Bürgerliche Kunst und Kultur waren und sind immer noch in Städten konzentriert, weshalb auch von einer städtischen Kulturpolitik gesprochen werden kann, die weder die besonderen Bedingungen noch die Potenziale ländlicher Kunst- und Kulturarbeit im Fokus hat. Obwohl sich seit den frühen 1970er Jahren in Österreich das künstlerisch-kulturelle Feld auf Basis eines erweiterten Kunstbegriffs stark ausdifferenziert hat, im Zuge der neuen Kulturpolitik die Förderung soziokultureller, zeitgenössischer und spartenübergreifender Formate auch in die Kulturförderungsgesetze Eingang gefunden hat und kontinuierlich neue Förderansätze – unter anderem Anfang der 1990er Jahre für regionale Kulturinitiativen – geschaffen wurden, spiegelt sich das in der Förderungspraxis nur marginal wider.
Die größten Summen des Bundeskulturbudgets fließen in die vor allem in Wien beheimateten bundeseigenen Kultureinrichtungen. Laut Vorschau 2016 werden zum Beispiel allein 162,9 Millionen Euro (von insgesamt rund 441 Millionen Euro) für die Bundestheater aufgewandt (vgl. o. V. 2015). Lediglich etwas über fünf Millionen Euro aus Bundesgeldern gehen verteilt auf ganz Österreich an regionale Kulturinitiativen (vgl. Gerbasits 2015), wobei allerdings für das Jahr 2016 eine Erhöhung in Aussicht gestellt wird. Von den jeweiligen Landeskulturförderungen fließt ebenfalls der größte Teil in landeseigene Einrichtungen – und das sind in den Bundesländern Tirol, Oberösterreich und der Steiermark mehr als 85 % des Gesamtkulturbudgets (vgl. Schachinger/Reindl 2015:8f.). Vom Rest geht nur ein kleiner Teil in zeitgenössisches Kunst- und Kulturschaffen und davon wiederum ein noch kleinerer Teil in die ländlichen Räume. In den kommunalen Haushalten sind die budgetären Mittel generell sehr gering, sodass es sich bei Kulturförderungen – sofern überhaupt welche gewährt werden – meist um Kleinstbeträge handelt.
Die Kulturförderung Österreichs ist zwar föderal strukturiert, allerdings weit weniger als etwa in der Schweiz oder in Deutschland. De facto trägt der Bund in Österreich mit einem Anteil von ca. 35 % einen vergleichsweise hohen Anteil an der gesamten Kulturförderung des Landes, während die Kommunen mit lediglich 30 % (zuzüglich Wien 39 %) der Gesamtausgaben einen relativ niedrigen Anteil aufweisen (vgl. Zembylas 2011:132).
Zusammenfassend können als vorrangige Herausforderungen regionaler zeitgenössischer Kunst- und Kulturarbeit fehlende Akzeptanz, mangelnde Netzwerke, knappe Personalressourcen, auf kommunaler Ebene kaum vorhandene Unterstützungsstrukturen sowie prekäre finanzielle Bedingungen genannt werden. Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen konnten sich in den ländlichen Räumen Österreichs zahlreiche Kunst- und Kultureinrichtungen im zeitgenössischen Bereich etablieren (vgl. Grissemann 2015; Gurschler 2013), die lokal und regional wichtige Funktionen erfüllen.
Potenziale zeitgenössischer Kunst und Kultur auf dem Land
Eine wesentliche Funktion von zeitgenössischer Kunst und Kultur in ländlichen Räumen ist, Alternativen zu volkskulturellen Angeboten und Mainstreamprogrammen anzubieten sowie für kulturelle Diversität zu sorgen. Kulturarbeit kann (kritische) künstlerisch-kulturelle Auseinandersetzungen mit aktuellen gesellschaftlichen und politischen Themen initiieren, zur Reflexion einladen, sich innovativ und forschend auf lokale Gegebenheiten beziehen, jugendkulturelle Versuchsräume zur Verfügung stellen und zum Mittun aktivieren. Auf unterschiedliche Weise können somit Beteiligungs- und Kommunikationsräume für die Bevölkerung vor Ort geschaffen werden – also Räume, die auf dem Land nicht zuletzt aufgrund von Abwanderung und einer zunehmenden Ausdünnung öffentlicher Infrastruktur immer weniger werden.
Im spezifischen „Verhältnis zwischen der Kultur und ihrem Ort“ sieht der Kunsthistoriker und Kurator Günther Moschig die „augenscheinlichste Qualität“ (2008:104) regionaler Kulturarbeit. Ihre Aufgabe sei es, „lokale Besonderheiten“ aufzuspüren und sie „im globalen Zusammenhang auf ihre zeitgenössische gesellschaftliche Relevanz zu prüfen. Damit ist die ländliche Kultur immer auch eine soziale.“ Formen der investigativen und partizipativen Kulturarbeit, die an Gegebenheiten vor Ort anzudocken wissen, an lokale materielle und soziale Räume gebunden sind und sich innerhalb dieser entfalten, können im Kontext ländlicher Kulturarbeit als besonders relevant erachtet werden. Für Gerd Dallmann ist es beispielsweise die ländliche Soziokultur, die in dem Zusammenhang äußerst wichtig ist. Ihr komme eine ähnliche Dringlichkeit und Bedeutung zu wie den kulturellen Initiativen gegen die Unwirtlichkeit der Städte in den 1970er Jahren. Denn es gehe „um Zukunfts- und Dialogfähigkeit und die Vermeidung seelenloser Schlafstädte im Grünen“ (Dallmann 2010:15). Insbesondere im Kontext von Regionalentwicklung sind Kunst und Kultur folglich als elementare Ressourcen zu betrachten (vgl. Müllegger/Schachinger/Pilsl 2014; Dallmann 2010).
Prognosen zufolge hält die bereits erwähnte Abwanderungstendenz aus einzelnen Regionen auch in Zukunft an (vgl. Stix/Peña 2012). Die Bedeutung einer ländlichen Region wird jedoch nicht nur – wie oft angenommen – von guter Kapitalausstattung bestimmt, betont Thomas Dax von der Bundesanstalt für Bergbauernfragen, sondern ganz wesentlich von immateriellen, oft nicht quantifizierbaren Kennzeichen wie der Entwicklung eines vielfältigen institutionellen Netzwerks oder wirksamer Bezüge zu den Einwohner*innen auf lokaler und regionsüberschreitender Ebene (vgl. Dax 2012:18). Im Sinne einer Regionalentwicklung plädiert der Autor für die gezielte Erweiterung und bessere Nutzung „sozialer Spielräume“, die sich über jenes Ausmaß bestimmen lassen, „in dem die unterschiedlichen Akteur*innen und sozialen Gruppen ihre Kreativität, ihre Interessen und ihre Talente entfalten und in die Entwicklung ihrer Lebensumwelt einbringen können“ (ebd.:19). Für eine erfolgreiche Politik auf lokaler und regionaler Ebene sei eine wichtige Voraussetzung, sich intensiv mit den Lebensbedingungen der Bevölkerung vor Ort in all ihrer Vielschichtigkeit zu befassen. Exemplarische Zielsetzungen sind dabei „eine ausgewogene Mitwirkung von Frauen und Männern an […] Entscheidungsprozessen, die Nutzung der Potenziale von Jugendlichen, ‚Querdenker*innen’ und Migrant*innen sowie eine kontinuierliche Forcierung experimenteller Pilotprojekte“ (ebd.).
Diese Überlegungen können auf eine für ländliche Räume adäquate Kulturpolitik übertragen werden, für die eine zentrale Prämisse sein soll, sich mit der Bevölkerung vor Ort in ihrer Diversität auseinanderzusetzen, also sie aktiv einzubinden, gender- und minderheitensensible Prozesse zu initiieren, Experimente zu fördern sowie die Interessen und Potenziale der Jugendlichen, Zuwander*innen und Querdenker*innen ernst zu nehmen. Künstlerische Prozesse und kulturelle Projekte stellen eine gute Basis für die Entfaltung sozialer Spielräume dar, in die sich Akteur*innen mit ihrer Diversität einbringen und dadurch Teil von Kommunikations- und Aushandlungsräumen werden können.
Zentrale Handlungsfelder und Maßnahmen einer Kulturpolitik für ländliche Räume
Bei einer ländlichen Räumen angemessenen Kulturpolitik geht es im Wesentlichen darum, dieses Herstellen von Räumen ebenso wie die besonderen Bedingungen ruraler Räume explizit in den Fokus kulturpolitischen Handelns von Bund, Ländern und Gemeinden zu rücken und entsprechende Maßnahmen zu setzen. Auf Basis der bisherigen Überlegungen lässt sich elementarer kulturpolitischer Handlungsbedarf auf den Ebenen von
- Kulturförderung,
- kommunaler Politik und Verwaltung sowie
- Kommunikation feststellen.
Kulturförderung
Prioritär in Hinblick auf eine für die ländlichen Räume adäquate Kulturpolitik ist eine Umstrukturierung und Umverteilung der Kulturförderungen durch die öffentliche Hand. Dies kann gelingen, indem die Kulturbudgets – etwa als Folge ressortübergreifender Umverteilungen – insgesamt deutlich erhöht werden und die Erhöhungen ausschließlich ins Feld zeitgenössischer Kunst und Kultur fließen. Bei der realistischeren Variante gleichbleibender bzw. kontinuierlich sinkender Kulturbudgets sind die Initiierung und Umsetzung neuer Förderungsstrategien unumgänglich, die das Abziehen von Mitteln aus der Förderung des kulturellen Erbes und kultureller Großevents und die Umschichtung hin zu zeitgenössischer Kunst sowie kritischer regionaler Kulturarbeit ermöglichen. Die Kulturförderung sollte dabei eine gute Basisfinanzierung (durch Jahresförderungen) ermöglichen sowie die finanzielle Sicherstellung von Inhalten und Infrastruktur gleichermaßen ermöglichen. Um Planungssicherheit über längere Zeiträume zu garantieren, sind mehrjährige Fördervereinbarungen unumgänglich. Eine kulturpolitische Notwendigkeit zur Stärkung regionaler Kulturarbeit ist auch die Hinterfragung des Prinzips der Subsidiarität, da es eine zu große Abhängigkeit zwischen Landes- und Bundesförderungen – und teilweise auch Gemeindeförderungen – zur Folge hat.
Kommunaler Politik und Verwaltung
Parallel zur Umstrukturierung der Bundes- und Landeskulturförderungen samt neuer Ausschreibungen und Schwerpunktsetzungen – auf zeitgenössische Kunst, regionale Kulturarbeit, Jugendkultur, experimentelle Ansätze – sind eine Aufwertung der kommunalen Kulturpolitik, Empfehlungen an Gemeinden zur verstärkten Förderung zeitgenössischer Kunst und Kultur und einhergehend damit entsprechende budgetäre Aktualisierungen notwendig. Auch die auf Bundes- und Landesebene seit langem geforderten Transparenz der Förderverfahren, politische Unabhängigkeit der Förderentscheidungen, Subventionsrichtlinien oder gendersensible Kulturförderungsberichte (vgl. Zembylas/Lang 2009) sind auf der kommunalen Ebene als zentrale Grundlagen der Kulturförderungen einzufordern. Nicht zuletzt gilt es, den Zugang der Bürger*innen zu EU-Regionalentwicklungsprojekten zu sichern und auf Bundes- und Länderebene Ko- und Zwischenfinanzierungsmodelle für EU-Förderungen anzubieten (vgl. Müllegger/Schachinger/Pilsl 2014:11). Auf Ebene der kommunalen Verwaltung sind zur Stärkung regionaler zeitgenössischer Kulturarbeit vielfältige Service- und Unterstützungsangebote notwendig. Die Besetzung – kommunaler oder regionenübegreifender – Zuständigkeiten für Kunst und Kultur mit kompetenten Ansprechpersonen und die Minimierung gemeindeeigener Kulturveranstaltungen wären erste wichtige Schritte. Eine bürger*innenfreundliche Bürokratie, die konkrete Hilfestellungen bei Förderanträgen leistet und auf langwierige und komplexe Ansuchen- und Abrechnungsmodalitäten verzichtet, wäre ebenfalls hilfreich, insbesondere für junge oder wenig erfahrene Kulturschaffende. Elementar in dem Zusammenhang ist auch die Bündelung und Zur-Verfügung-Stellung von Informationen, etwa über mögliche Netzwerkpartner*innen für Kulturprojekte in einer Gemeinde oder einer Region, Veranstaltungsräume, Verleihfirmen, Förderstellen und andere relevante Themen.
Kommunikation
Im Kontext regionaler Kulturpolitik und der Stärkung von Kunst- und Kulturarbeit in ländlichen Räumen kommt der Kommunikation eine Schlüsselrolle zu. Verschiedene Auseinandersetzungsangebote – Workshops, Diskussionen, Vorträge – können den Austausch über differente, auch sich widersprechende Perspektiven ermöglichen und maßgeblich zu einem besseren Verständnis und größerer Akzeptanz zeitgenössischer Kunst beitragen. Eine ausgewogene Medienberichterstattung über Kunst und Kultur ist in dem Zusammenhang ebenfalls wesentlich, die durch die Förderung und Verbreitung alternativer Medien gestärkt werden kann. Nachhaltig zu Verbesserungen des kulturellen Klimas einer Gemeinde tragen außerdem Maßnahmen bei, die Dialoge auf Augenhöhe zwischen Kunst- und Kulturschaffenden und Kulturpolitik ermöglichen und die Bevölkerung aktiv in kulturpolitische Agenden einbinden. Kulturentwicklungsprozesse können solche Räume der Kommunikation und Partizipation darstellen, die nicht nur zur Erörterung und Lösung inhaltlicher Fragen bezüglich Kunst und Kultur beitragen, sondern auch zu einem gegenseitigen Kennenlernen der Beteiligten, Verständnis für divergierende Positionen und damit ganz wesentlich zu kommunikativen und ‚atmosphärischen’ Verbesserungen im Dorf. Entscheidend für das Gelingen sind die Rahmenbedingungen dieser Prozesse. Neben der möglichst gut austarierten Gruppenzusammensetzung ist elementar, dass der Ablauf von professionellen Prozessbegleiter*innen geleitet und moderiert wird, die nicht in dörfliche Strukturen involviert sind und eine Außenperspektive einbringen können. Wichtig ist zudem, dass sie Erfahrungen und Wissen in Bezug auf zeitgenössische Kunst und Kultur mitbringen, auf Ausgewogenheit im Prozess und bei den Entscheidungen achten und in einem demokratiepolitischen Sinne Minderheitenpositionen wahrzunehmen und zu stärken wissen.
Heterogene Perspektiven und Ergebnisoffenheit von Prozessen bilden eine gute Grundlage, um lokale Handlungsfelder zu eruieren, unkonventionelle Lösungsansätze zu generieren und wichtige Impulse zu setzen, die im Idealfall in konkrete kulturpolitische Maßnahmen münden. Ganz im Sinne einer erfolgreichen Politik auf lokaler oder regionaler Ebene (vgl. Dax 2012) verdeutlichen Kulturentwicklungsprozesse, dass innovative Kommunikationsformate die Bildung von (dörflichen) Gemeinschaften, deren Auseinandersetzungen und Zusammenarbeiten unterstützen.
Abschließend kann auf Basis der bisherigen Ausführungen das, was die Kunst- und Kulturwissenschaftlerin Kristina Volke (2010:173) in Bezug auf Deutschland feststellt, auch für Österreich als wesentlich erachtet werden: „Kulturpolitik darf nicht länger Verteidigungspolitik sein, sondern muss Offensivpolitik werden. Die kommunikativen Räume dafür zu erobern, gehört zu den zentralen kulturpolitischen Aufgaben der Zukunft.“ Diese Aufgabe ernst zu nehmen und umzusetzen, würde nicht nur grundlegend zur Förderung von Kunst und Kultur sondern auch wesentlich zur Regionalentwicklung beitragen.