Vier Flächenländer im Blick: Strategien und Programme zu Kultur und Bildung
Abstract
Auf den Ebenen von Bund und Ländern existieren eine Vielzahl von Fördermöglichkeiten für Kultur und Bildung mit jeweils spezifischen Zielsetzungen. Dieser Beitrag wirft einen aktuellen Blick auf vier Bundesländer und deren Strategien, geförderte Strukturen, Netzwerke der ehren- und hauptamtlichen Akteure, auf Erfolge und Hürden. Aufgezeigt werden beispielhaft (Modell)Programme der Kulturellen Bildung in ländlichen Räumen aus vier Flächenländern: Brandenburg, Hessen, Niedersachsen und Sachsen. Trotz der spezifischen Zuschnitte eint diese Programme die interdisziplinären und intergenerativen Ansätze ebenso wie gemeinsame Strategien zwischen Bewahren und Erneuern sowie der Stärkung der Akteure vor Ort durch Beratung, Vernetzung und Qualifizierung. Doch reicht dies, um die Unterschiede zwischen Stadt und Land auszugleichen?
Kulturelle Bildung in ländlichen Räumen
Kulturelle Bildung in ländlichen Räumen ist so vielfältig wie die Regionen Deutschlands. Sie ist zugleich Abbild der jeweiligen Landschaft und Geschichte, Brauchtum und Traditionen, Menschen und Persönlichkeiten. Viele zumeist ehrenamtlich geführte Vereine, Organisationen und Einrichtungen sind die Träger der Kulturellen Bildung vor Ort.
In den letzten Jahrzehnten lag der wirtschaftliche, politische wie auch kulturpolitische Fokus auf den städtischen Zentren. In ländlichen Räumen vollzog sich ein stiller Wandel. Perdu sind meist die Dörfer mit landwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit, Bäckerei, Gaststätte, Schule. Die Menschen wurden weniger und älter. Sie müssen weitere Wege auf sich nehmen zur Arbeit, in die Schule, zum Einkaufen und zum Arzt. Im Dorf geblieben sind das Heimatmuseum, der Kulturverein und Posaunenchor sowie die Freiwillige Feuerwehr. Diese Angebote bilden ein Rückgrat im Gemeinwesen.
Boomende Ballungsgebiete erfordern (mit)wachsende Infrastrukturen – den Bau von Wohnungen und Straßen, Kitas, Schulen, Banken, Krankenhäuser und Apotheken sowie Öffentlichen Personennahverkehr, währenddessen diese in schrumpfenden Regionen rückgebaut werden. Die gesellschaftlichen Verschiebungen bewirken, dass die ländlichen Räume wieder in den Blick rücken. Modellprojekte werden sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene gestartet, um neue Wege in den Bereichen Infrastruktur, Mobilität, Bildung, Arbeit, Digitalisierung und Kultur zu erproben. Aufgelegt werden diverse Bundes- und Landesprogramme zur Kulturellen Bildung in ländlichen Räumen. Punktuelle Modellprogramme auf Bundesebene sind beispielsweise
- TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel initiiert von der Kulturstiftung des Bundes,
- Kulturelle Bildung in den ländlichen Regionen der Länder Brandenburg und Hessen sowie dem Freistaat Sachsen der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien
- LandKultur – Kultur und Teilhabe in ländlichen Räumen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
Einblicke in vier Bundesländer
Die Hoheit für Kultur und Bildung liegt in den Händen der Bundesländer. Bedingt durch den Föderalismus geht jedes (Flächen)Land seinen eigenen Weg in puncto Kultur und Bildung in ländlichen Räumen. Doch: Welche stetigen Programme zur Unterstützung der (Breiten)Kultur existieren in den Ländern? Und mit welchen Strategien und Formaten werden die Ziele realisiert? Welche Strukturen, Netzwerke, Förderprogramme existieren – speziell für ländliche Räume? Welche Modellprojekte bezüglich der Kulturellen Bildung und Breitenkultur in ländlichen Räumen zeigen welche (nachhaltigen) Wirkungen vor Ort? Wer engagiert sich wo und wie werden die Akteure konkret unterstützt?
Dieser Beitrag bietet einen aktuellen Blick auf vier Bundesländer und deren Strategien, geförderten Strukturen, Netzwerke sowie ehren- und hauptamtliche Akteure, auf Erfolge und Hürden. Aufgezeigt werden beispielhaft (Modell)Programme der Kulturellen Bildung in ländlichen Räumen aus vier Flächenländern: Brandenburg, Hessen, Niedersachsen und Sachsen.
Der Blick nach Brandenburg von Pia Wehner,
Geschäftsführerin der Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Brandenburg e.V. (LKJ)
RaumPioniereZukunft – ein Projekt der LKJ Brandenburg
Bundesland |
Brandenburg |
Programmtitel |
RaumPioniereZukunft |
Fördermittelgeber*innen |
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Programmumsetzer*innen |
Referent*innen, die durch die LKJ Brandenburg gewonnen werden |
Ziele |
Stärkung sozialer Kompetenz, vor allem in der intergenerativen Kommunikation und Kooperation |
Zielgruppe(n) |
Jugendliche zwischen 10-18 (20) Jahren |
Wer wird gefördert? |
Jugendliche |
Was wird gefördert? |
Honorarkosten, Sachkosten, gedeckelt Investitionen pro Standort |
Förderungsbeginn und |
April bis Dezember eines Kalenderjahres |
max. bereitgestellte |
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Besonderheiten |
Hoher Grad an Vernetzung mit Kultur-/ Wirtschaft, Vereinen, Gremien der Zivilgesellschaft |
Link |
https://lkj-brandenburg.de/raumpioniere-brauchen-teambildung |
Das Land Brandenburg
Einem Spiegelei gleicht das Bundesland Brandenburg: Das Eigelb entspricht Berlin, das Eiweiß das Land Brandenburg. Berlin unterteilt Brandenburg in berlinnahe, prosperierende Regionen, die durch Zuzug wachsen, und berlinferne Regionen, die durch Abwanderung schrumpfen.
In den berlinfernen, peripheren Regionen Brandenburgs vollzieht sich aus der Perspektive von Kindern und Jugendlichen seit Jahrzehnten eine scheinbar endlose Negativ-Spirale: stetig reduzierte (kulturelle) Angebote für Kinder und Jugendliche, berufliche und lebensweltliche Perspektivlosigkeit sowie dürftige Möglichkeiten der Selbstverwirklichung fördern den weiteren Weggang junger Menschen. Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, entwickelte die Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Brandenburg (LKJB) das Projekt RaumPioniereZukunft.
RaumPioniereZukunft in Brandenburgs peripheren Regionen
RaumPioniereZukunft sind Jugendliche ab 12 Jahre, die sich mit anderen Jugendlichen aus ihrer Kommune zusammenschließen, um ihre Anliegen zu finden, zu artikulieren und in Ansätzen zu realisieren. Am Anfang stehen Fragen wie: Was wünschen wir uns in unserer Kommune? Wie entstehen realistische Wünsche und somit konkrete Pläne? Mit wem wollen wir diese realisieren? Die Ideen werden nach ihrer Machbarkeit geprüft und zugleich Unterstützer*innen und Verbündete gesucht. Die RaumPioniereZukunft realisierten 2017 folgende Projekte:
- In Beelitz entwickeln die Jugendlichen ihren in die Jahre gekommenen Klub für eine neue Nutzung, wünschen qualifizierten Kursleiter*innen für ein Filmprojekt oder Ideen für kreative Öffentlichkeitsarbeit. Die Gemeinde hat sich der Wünsche angenommen, lädt die Jugendlichen in den Sozialausschuss ein und erarbeitet mit ihnen ein Konzept: Möbel und Technik warten nun darauf, ausgepackt zu werden.
- In Treuenbrietzen unterstützen die Jugendlichen das Kino bei der Programmgestaltung. Mit einem Tischler bauen sie Upcycling-Möbel und renovieren drei Räume in ihrem neuen Jugendklub.
- In Linthe planen Graffiti-Begeisterte Präsentationen an öffentlichen Standorten und entwickeln ein genial einfaches Ausstellungssystem für ihre Jugendscheune. Ihr Wunsch, bei einem Profi die Graffititechnik zu erlernen, wurde erfüllt. Zur 650-Jahrfeier des Ortes gehören die RaumPioniereZukunft zum Festkomitee und organisieren das Kinder-Kreativprogramm.
Während der Projektarbeit erleben die Jugendlichen: Auch wenn wir wenige sind, können wir unsere Träume und Ideen in unserer Region realisieren. Dieses Gefühl eint die RaumPioniereZukunft und bestärkt jede*n: Die Fähigkeit der Selbstwirksamkeit wird spürbar. Die Formate der Kulturellen Bildung bieten Jugendlichen diverse Varianten der Verwirklichung und Gestaltung ihrer Lebenswelt(en). Sie erlauben Andock-Möglichkeiten an Kunst-, Kultur-, Bildungs- sowie Sozialeinrichtungen und Vereine, an Akteure aller Generationen, an Unternehmen und Berufsgruppen, an Politiker*innen und Mitarbeiter*innen der Gemeinden ebenso wie an überregionale Plattformen.
RaumPioniereZukunft werden zu Expert*innen und Fürsprecher*innen in eigener Sache. Vor Ort sind sie Entdecker*innen und Erfinder*innen, die gemeinsam einen Prozess, ihr Projekt, initiieren, kooperieren und Verantwortung übernehmen. Sie lernen auszuhandeln, Kompromisse einzugehen oder manchmal auch auf dem eigenen Standpunkt zu bestehen. So werden sie zu Brückenbauer*innen in der Gemeinde und zur Welt.
Rahmenbedingungen des Projektes RaumPioniereZukunft
Die LKJB ist Träger des Projektes RaumPioniereZukunft, das seit 2016 vom Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg gefördert wird und das seit 2018 mit dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport einen gemeinsamen Projekthaushalt für Koordinierung, Transfer, Projekt- und Investitionskosten bildet. Die Kommune beteiligt sich mit 20% der Kosten. Mit der jeweiligen Kommune schließt die LKJB einen Kooperationsvertrag. Engagierte Bürger*innen, Jugendkoordinator*innen, Vereine, Jugendklubs, Unternehmen, Fachausschüsse werden von den Jugendlichen angesprochen und unterstützen diese.
Die Zusammenarbeit mit den Kommunen beginnt bereits ein Jahr vor der Projektphase. Während des Projektes begleitet die LKJB die Jugendlichen vor Ort in den vier Phasen von Vorbereitung, Teambildung und Praxis-Check sowie Stabilisierung des Erreichten. Die LKJB organisiert jährlich ein Abschlussfest für alle Teams, Begleiter*innen aus Bildung, Politik, Wirtschaft und Presse, auf dem die Gruppen ihre Ergebnisse vorstellen und diskutieren: Ein Zukunftslabor kann entstehen.
Zukünftiges
Seit 2016 besteht mit dem Landkreis Potsdam-Mittelmark ein Kooperationsvertrag zur Jugend-Kulturarbeit: 2017 waren Beelitz, Linthe/Amt Brück, Treuenbrietzen die ersten Standorte des Projektes RaumPioniereZukunft. 2018 folgen in Saarmund, Wiesenburg und Lychen und zwei weitere Kommunen werden 2019 hinzukommen.
Offen kommunizieren, andere begeistern können, strukturierte Teams bilden und aus Vielfalt ein Ziel, Realität über Kompromisse schaffen: All das soll geübt werden können und bedarf fachkundiger Anleitung. In der Pubertät bleibt häufig der Schritt vom „Wollen zum Machen“ durch eingeübtes Unter-sich-Bleiben und Unsicherheit aus. Das Projekt RaumPioniereZukunft bietet dafür eine Probebühne: Umso lebensnäher, desto besser. Denn Jugendliche brauchen außerhalb von Schule und Elternhaus freie Räume und Netzwerke, über die sie Kontakt zu anderen Gruppierungen und Generationen aufnehmen können. Das Projekt RaumPioniereZukunft als landesweites Podium bietet dafür eine wichtige Plattform.
Der Blick nach Hessen von Ann-Kathrin Schmidt,
Regional-Projektmanagerin LandKulturPerlen der Landesvereinigung Kulturelle Bildung Hessen e.V. (LKB)
LandKulturPerlen – ein Modellprojekt der LKB Hessen
Bundesland |
Hessen |
Programmtitel |
LandKulturPerlen |
Fördermittelgeber*innen |
|
Programmumsetzer*in |
Landesvereinigung Kulturelle Bildung Hessen e.V. |
Ziele |
|
Zielgruppe(n) |
Multiplikator*innen, Politik- und Gemeindevertreter*innen, zivilgesellschaftliche Akteure |
Wer wird gefördert? |
öffentliche und freie Träger, Künstler*innen, Privatpersonen – keine Rechtsform ausgeschlossen |
Was wird gefördert? |
partizipative und/oder integrative und/oder inklusive |
Förderungsbeginn und |
April bis Dezember 2018 |
max. bereitgestellte |
1.000 € Festbetrag |
Besonderheiten |
Antragstellung 2018 nur für im Landkreis Fulda Ansässige möglich |
Link |
Ausgangslage
Ausgangspunkt für das Modellprojekt LandKulturPerlen war eine Studie der Universität Hildesheim. Diese wurde 2016 von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien initiiert, um die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Kulturelle Bildung in den ländlichen Räumen in Brandenburg, Hessen und Sachsen zu untersuchen und regionalspezifische Modellvorhaben zu identifizieren. Die zentrale Erkenntnis für Hessen war: „Der ländliche Raum Hessens ist ein vermeintlich weißer Fleck auf der Landkarte der Kulturellen Bildung“ (Kegler 2016:5). Konsens der befragten hessischen Expert*innen war zudem: „Wir wissen nicht, was es gibt, was gut ist, wo es gut ist, welche Ansätze es gibt (…)“ (Kegler 2016:50).
Sowohl das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) als auch die Beauftragte für Kultur und Medien sahen Handlungsbedarf und übergaben im Frühjahr 2017 der Landesvereinigung Kulturelle Bildung (LKB) Hessen e.V. die Trägerschaft des Modellvorhabens. Die LKB Hessen adaptierte das Vorhaben in die konkrete Praxis und führt es unter dem Titel LandKulturPerlen durch.
Vorgehen
Ausgehend von den erkannten Entwicklungspotenzialen für die ländlichen Räume Hessens und von den Zielen der Sichtbarmachung, Vernetzung sowie Beratung basiert das Konzept des Modellprojektes auf mehreren Säulen, die während der knapp zweijährigen Projektlaufzeit in zwei Landkreisen in den Fokus genommen werden: 2017 der Landkreis Waldeck-Frankenberg und 2018 der Landkreis Fulda.
Zunächst wird anhand einer Bestandsaufnahme erfasst, wer an der Kulturellen Bildung in der Region beteiligt ist. Hierbei rücken neben Akteuren der Kulturellen Bildung auch Multiplikator*innen, politische Vertreter*innen und Gemeindebeauftragte in den Fokus.
Im zweiten Schritt wird eine aufsuchende Bedarfsanalyse durch die Regional-Projektmanagerin vorgenommen, um das Vorhandene zu identifizieren sowie den Belangen des ländlichen Raums und seiner Bewohner*innen Gehör zu schenken. Kernfragen an die Akteure vor Ort sind:
- Auf welche Netzwerke können Sie zurückgreifen?
- Welche Unterstützung erfahren Sie von wem?
- Was benötigen Sie, um erfolgreich Kulturelle Bildung in ihrer Region zu etablieren?
Während der Gespräche findet darüber hinaus Beratungsarbeit statt, die teils in die Konzeption der Mikroprojekte einfließt. Die Mikroprojekte können mittels eines unbürokratischen Förderverfahren in Höhe von 1.000 € je Gemeinde gefördert werden. Kriterien für die Projektkonzeptionen sind u.a.
- Förderung der Teilhabe an der Gestaltung des Kulturlebens im Landkreis
- Anstoß künstlerischer und/oder integrativer Prozesse
- Umsetzung des Projektes durch Kooperationen.
Nach der Bewilligung durch die Leitungsgruppe LandKulturPerlen, die sich aus Expert*innen der Kulturellen Bildung zusammensetzt und sich regelmäßig mit Vertreterinnen des HMWK austauscht, ermöglichen die Projekte Impulse der Kulturellen Bildung und das Erproben neuer Entwicklungsräume seitens der Akteure.
Stärken, Erkenntnisse und Potenziale
Die Bestandsanalyse zu Beginn zeigt in beiden Landkreisen, dass die These der „weißen Flecken auf der Karte der Kulturellen Bildung“ nicht bestätigt werden kann. Da Kulturelle Bildung zumeist durch zivilgesellschaftliches Engagement und einzelne freie Kulturschaffende getragen wird, ist ihr Gravitationsfeld häufig klein und ihre Sichtbarkeit auf die eigene Kommune beschränkt. Signifikant ist des Weiteren, dass viele, die im Bereich Kulturelle Bildung tätig sind, dieses Engagement aufgrund der Traditionen des Zusammenlebens als selbstverständlich erachten. Kulturelle Bildung ist meist wenig institutionalisiert oder konzeptionell verankert. Die Verbundenheit zu Traditionen ist tief in der historisch gewachsenen regionalen Kultur verwurzelt. Dabei sind Offenheit und Freude an neuem genauso präsent wie Brauchtumspflege.
Das Projekt LandKulturPerlen möchte dieser Situation gerecht werden, indem auch natürliche Personen wie Künstler*innen und Musiker*innen, die häufig Schlüsselpersonen der kulturellen Regionalentwicklung sind, Anträge einreichen können. Es zeigt sich, dass große Gestalter*innen der ländlichen Räume häufig kleine Initiativen sind, die mit 1.000 € Förderung bewegende Projekte initiieren. Zudem werden die Akteure durch persönliche Beratung und erfolgreich umgesetzte Projekte in ihrem Engagement für Kulturelle Bildung bestärkt, teilweise mit fortwährendem Effekt: Im Mikroprojekt der Gemeinde Battenberg (Eder) engagierte sich erstmals eine ortsansässige Künstlerin, die daraufhin Motor einer Projektinitiative im Landkreis wurde, die nun durch das Hessische Förderprogramm zur Kulturellen Bildung, den Kulturkoffer, gefördert wird.
Anliegen des Projektes LandKulturPerlen ist es auch, Entscheider*innen in der Region nicht nur über das Modellprojekt zu informieren, sondern sie für das Thema Kulturelle Bildung in persönlichen Gesprächen oder durch Präsentationen zu sensibilisieren und mit ihnen ins Gespräch zu kommen: Welche Bedeutung hat Kulturelle Bildung für die jeweilige Kommune? Das fördert nachhaltig die Wahrnehmung und Anerkennung der Engagierten. Denn eines der Aspekte der LandKulturPerlen ist es, die Akteure sowohl untereinander als auch mit Entscheider*innen der lokalen und regionalen Politik- und Verwaltungsebene zu vernetzen, um Nachhaltigkeit im Landkreis zu stiften und die Kulturschaffenden auf diesem Weg zu stärken. Dies gelang vor allem bei der Abschluss-/Übergabeveranstaltung 2018: Die Gesprächspartner*innen kamen auf Augenhöhe zusammen, Minister und Landrat zollten Anerkennung und Zeit zum Austausch stand zur Verfügung.
Perspektiven
Das Projekt LandKulturPerlen erreicht insbesondere durch das Vor-Ort-Konzept und die Fokussierung auf die Akteure, Vorhandenes sichtbar zu machen sowie den Akteuren größtmögliche Wertschätzung entgegen zu bringen. Den Akteuren soll durch Beratung und Mikroförderung ein Entwicklungsraum ermöglicht werden, in dem sie sich ausprobieren und inhaltlich-künstlerische sowie strukturstärkende Strategien entwickeln können. Das Projekt LandKulturPerlen kann somit auch als erster Vorstoß auf dem Weg zur regionalen Kulturentwicklungsplanung verstanden werden.
Als fachlich versierte „Netzwerkverstärkerin“ übernimmt die LKB Hessen Multiplikatorenfunktion: Durch zahlreiche Gespräche, Beratungs- und Vernetzungsprozesse konnte eine Verantwortungsgemeinschaft von Akteuren Kultureller Bildung auf und mit der lokalpolitischen Ebene initiiert werden. Die verbandliche Plattform erleichtert die übergreifende Zusammenarbeit.
Der im April 2018 vom HMWK veröffentlichte Kulturatlas Hessen legt dar: Die Themenfelder bürgerschaftliches Engagement und ländlicher Raum rücken weiter ins Blickfeld der politischen Ebenen. Deshalb sollte ein erklärtes Ziel von Politik und Zivilgesellschaft sein, die positiven Effekte des Modellvorhabens auszubauen und zu verstetigen. Die Bedarfsanalysen im Rahmen der LandKulturPerlen zeigten: Es ist sinnvoll und aussichtsreich, eine Orientierung an den Akteuren ins Zentrum zu stellen, die den strukturell-demografischen Gegebenheiten Rechnung trägt. So kann das kulturelle Engagement in ländlichen Regionen gestärkt werden.
Die LKB Hessen hat das Ziel, durch weitere LandKulturPerlen-Projekte Schwellen abzubauen und zukunftsgerichtete Dialoge zwischen Akteuren der Kulturellen Bildung und der Politik zu ermöglichen. Durch neue Wege der Beratung und Begleitung können vielfältige und vor allen Dingen flächendeckend beteiligungsgerechte Zugänge zur Kultureller Bildung gefördert werden.
Der Blick nach Niedersachsen von Daniela Koß,
Referentin für Theater und Soziokultur in der Stiftung Niedersachsen
Fit für die Zukunft: sozioK_change – ein Förderprogramm der Stiftung Niedersachsen
Bundesland |
Niedersachsen |
Programmtitel |
sozioK_change |
Fördermittelgeber*in |
Stiftung Niedersachsen |
Programmumsetzer*innen |
Kultureinrichtungen + Berater*innen und Coaches |
Ziele |
Kultureinrichtungen durchlaufen einen Changeprozess, um die Einrichtung zukunftsfähig aufzustellen |
Zielgruppe(n) |
soziokulturelle Einrichtungen in Niedersachsen |
Wer wird gefördert? |
soziokulturelle Einrichtungen in Niedersachsen |
Was wird gefördert? |
dreijähriger Changeprozess mit individuellen Bedarfen: Von Technik über Know-how bis hin zu Projekten |
Förderungsbeginn und |
Beginn: direkt nach Bewilligung |
max. bereitgestellte |
25.000 € |
Besonderheiten |
zusätzliche Förderung:
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Link |
Aktualität: Generationenwechsel
Kleine Kulturzentren, Kulturvereine und Initiativen sind in den ländlichen Räumen häufig alleinige Anbieter*innen für Kulturveranstaltungen und Kulturelle Bildung. Überwiegend getragen durch ehrenamtliches Engagement leisten sie in einem Flächenland wie Niedersachsen wichtige Arbeit und stellen die Grundversorgung mit Kulturangeboten sicher. Viele dieser Institutionen übergeben aktuell oder in Kürze die Verantwortung an die nächste Generation. Veränderte Rahmenbedingungen wie der demografische Wandel und die Digitalisierung, aber auch wachsende Ansprüche und veränderte Verhaltensweisen von Jugendlichen ebenso wie die Entwicklungen im Schulbereich führen zu neuen Herausforderungen. Der Generationenwechsel und die gesellschaftlichen Veränderungen erfordern vielerorts, das Selbstverständnis, das Aufgabenspektrum und die Programmatik den aktuellen Entwicklungen anzupassen.
Förderprogramm sozioK_change
Die Stiftung Niedersachsen unterstützt als Landeskulturstiftung seit 2015 die Kultureinrichtungen bei der Bewältigung dieser Herausforderungen mit ihrem Förderprogramm sozioK_change. Im Rahmen dieses Programms begeben sich die Kultureinrichtungen in einen dreijährigen Veränderungsprozess und entwickeln mit Hilfe von Berater*innen ihre Institution weiter. Die Förderung der Stiftung Niedersachsen umfasst Mittel im Umfang von bis zu 25.000 € sowie Unterstützung durch professionelle Berater*innen sowie Austausch- und Fortbildungsangebote. Ziel ist es, mit Hilfe der Organisationsentwicklung Probleme zu benennen sowie Lösungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Die selbstentwickelten Ziele der Einrichtung werden nach drei Jahren überprüft. Mit diesem ungewöhnlichen Förderansatz betritt die Stiftung Niedersachsen Neuland.
Das Förderprogramm zielt darauf, die Einrichtungen strukturell und programmatisch zukunftsfähig zu gestalten. Doch was bedeutet Zukunftsfähigkeit? Welche Inhalte lassen sich darunter besonders für Kultureinrichtungen in ländlichen Räumen subsumieren? Die Prozesse sind in den beteiligten Institutionen noch nicht abgeschlossen. Im Folgenden können deshalb nur die Themen vorgestellt und noch keine Ergebnisse präsentiert werden.
Herausforderungen
Für folgende Problemfelder sollen in den Changeprozessen individuelle Lösungsstrategien entwickelt werden:
- Generationenwechsel: Leben und Arbeiten in ländlichen Räumen ist für viele gut ausgebildete Menschen nicht attraktiv. Die Konditionen sind schlecht. Die Akteure vor Ort sind überaltert. Die Angebote sind nicht zeitgemäß.
- Ehrenamt: Die jüngere Generation möchte nicht die klar definierten Aufgaben der älteren Generation übernehmen, sondern selber gestalten, entwickeln und mitbestimmen. Die zeitlichen Ressourcen der Jüngeren sind begrenzter, die Fluktuation stärker und die Bindung geringer.
- Organisationsstruktur: Die Aufgabenverteilung ist sehr auf die Kompetenzen und Interessen einzelner Mitarbeiter*innen zugeschnitten. Scheidet ein*e Mitarbeiter*in mit komplexem Aufgabenprofil aus, kann die gesamte Organisation in Schwierigkeiten geraten, wenn die Position nicht entsprechend nachbesetzt werden kann oder die Aufgaben neu verteilt werden müssen.
- Publikumsentwicklung: Das Publikum ist mit den Akteuren gealtert. Die Einrichtungen auch für ein jüngeres Publikum mit neuen Angeboten wieder attraktiv zu machen, ist eine große Herausforderung.
- Corporate Design: Ein aktuelles Corporate Design und eine zeitgemäße Social-Media-Marketing-Strategie zu entwickeln sowie sich das nötige Know-how hierfür anzueignen, steht bei vielen Einrichtungen an.
- Technik: Die technische Ausstattung ist in allen Bereichen an die aktuellen Standards anzugleichen.
- Ganztagsschule: Kindern und Jugendlichen stehen weniger Zeitfenster außerhalb der Schule zur Verfügung. Die Angebote der Kultureinrichtungen müssen angepasst bzw. neue Kooperationen und Netzwerke aufgebaut werden.
- Qualität kultureller Bildungsangebote: Einerseits steigt der Anspruch der Bevölkerung an professionelle Kulturvermittler*innen und andererseits werden günstige Konditionen für die Kurse im Kultur- und Bildungsbereich erwartet. Qualifizierte Expert*innen zu finden, die für wenig Geld professionelle Kurse anbieten und dafür lange Wege in Kauf nehmen, ist eine fast unlösbare Aufgabe.
Diese Aufzählung ist eine bewusste Zuspitzung und Vereinfachung der Problemfelder. Selbstverständlich gibt es florierende ländliche Räume, in denen Kultureinrichtungen auf dem aktuellen technischen, strukturellen und inhaltlichen Stand arbeiten.
Zukunftsfähigkeit sicherstellen
Die Zukunftsfähigkeit einer Kultureinrichtung wird sich u.a. auch daran messen, ob ihr gelingt, sich stärker zu einer diverser und älter werdenden Gesellschaft zu öffnen, attraktive und relevante Angebote zu entwickeln und zeitgemäße Formen der Kunst auf dem Lande zu etablieren.
Zwei Blicke nach Sachsen von Reinhard Riedel,
Koordinator der Netzwerkstelle Kulturelle Bildung des Kulturraumes Erzgebirge-Mittelsachsen
Die Netzwerkstellen Kulturelle Bildung in den Kulturräumen Sachsens sowie das Projekt KulturPASS’T! in den Kulturräumen Erzgebirge-Mittelsachsen und Vogtland-Zwickau
Sächsisches Kulturraumgesetz: Die Netzwerkstellen Kulturelle Bildung aus Sicht des Kulturraums Erzgebirge-Mittelsachsen
Bundesland |
Freistaat Sachsen |
Programmtitel |
Netzwerkstelle für Kulturelle Bildung in den Kulturräumen: Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst zur Förderung der Arbeit an Musikschulen und über die Gewährung von Zuwendungen für Maßnahmen zur Stärkung der Kulturellen Bildung im Freistaat Sachsen (FörderRL Musikschulen/ Kulturelle Bildung) |
Fördermittelgeber*in |
Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst |
Programmumsetzer*innen |
Kulturräume, Landkreise und Gemeinden, gemeinnützige juristische Personen mit Sitz in Sachsen |
Ziele |
Bereich Kulturelle Bildung:
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Zielgruppe(n) |
unterschiedliche Anbietende und Akteure der Kulturellen Bildung |
Wer wird gefördert? |
Theater, Museen, Bibliotheken, Kunst- und Kulturvereine |
Was wird gefördert? |
Zuwendungsfähig sind:
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Förderungsbeginn und |
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max. bereitgestellte |
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Besonderheiten |
Bewertung und Förderempfehlung der eingereichten Projekte erfolgen durch einen Fachbeirat |
Link |
Zur Entwicklung des Sächsischen Kulturraumgesetzes
Seit Mitte der 1990er Jahre gibt es in Sachsen das Kulturraumgesetz. Inmitten der politischen Veränderungen in den jungen Bundesländern stand auch Sachsen vor der großen Herausforderung, für eine reiche Kulturlandschaft und ihre Strukturen (Über-)Lebensbedingungen zu schaffen. Hinzu kamen neue Projekte, Initiativen und Einrichtungen, die dringend einer stabilisierenden Förderung bedurften. Kommunen und Landkreise waren mit der Fülle der Aufgaben ebenso wie mit den finanziellen Notwendigkeiten überfordert. Der Freistaat entwickelte ein neuartiges Förderinstrument – das Gesetz über die Kulturräume in Sachsen (Sächsisches Kulturraumgesetz – SächsKRG).
Sachsen ist heute unterteilt in 3 urbane – Dresden, Leipzig, Chemnitz – und 5 ländliche Kulturräume. Sie treten jeweils als Gebietskörperschaften auf und führen eine Kulturraumkasse. Die Mittel setzen sich aus Anteilen des Landes – derzeit 94,7 Mio. € pro Jahr – und einer Kulturumlage der jeweiligen Landkreise und Kommunen zusammen. Die Kulturräume fördern auf dieser gesetzlichen Grundlage kulturelle Einrichtungen und Projekte von regionaler Bedeutung als Pflichtaufgabe. Damit wird seit über zwei Jahrzehnten ein solidarisches Finanzierungsmodell für kulturelle Einrichtungen unterschiedlichster Sparten praktiziert.
Die Kompetenz über die Verteilung der Mittel in einem transparenten Verfahren liegt jeweils in den Kulturräumen. Facharbeitsgruppen und Beiräte begutachten Anträge und geben Empfehlungen ab. In letzter Instanz entscheidet der Kulturkonvent über eine Förderung.
Trotz der neuen Wege ist natürlich nicht alles ausreichend finanziert. Die Budgets der Kulturräume sind häufig begrenzt und auch die Geldflüsse in die Kulturraumkassen sind nicht schwankungsfrei. Insbesondere neue Akteure haben es schwer, Fuß zu fassen. Häufig stehen für Weiterentwicklungen bzw. für Reaktionen auf veränderte Bedingungen kaum flexible Ressourcen bereit. Die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen bleibt ein stetiger Diskussionsgegenstand.
Netzwerkstelle Kulturelle Bildung des Kulturraums Erzgebirge-Mittelsachsen
Aufbauend auf der regionalen Struktur der Kulturräume und mithilfe zusätzlicher Mittel hat das Land Sachsen die Einrichtung von Netzwerkstellen für Kulturelle Bildung angeregt. Fast alle Kulturräume haben sich dieser Initiative in den letzten Jahren angeschlossen und halten Koordinator*innen für Kulturelle Bildung vor. Während einige Netzwerkstellen in eine Regelfinanzierung aus der Kulturraumkasse übergegangen sind, besteht ebenso noch die Möglichkeit, Personalkosten bis zu 75 % durch das Land Sachsen bezuschussen zu lassen. Dies ermöglicht die Förderrichtlinie (FRL Musikschulen/Kulturelle Bildung), die konkrete Projekte der Kulturellen Bildung fördert.
Der Kulturraum Erzgebirge-Mittelsachsen hat im August 2015 begonnen, die Netzwerkstelle Kulturelle Bildung aufzubauen. Im Rahmen eines Honorarvertrages (26 Stunden pro Woche) wurde ein Koordinator gebunden. Vorrangige Aufgaben bestehen u. a. in der
- Vernetzung unterschiedlicher Akteure aus den Bereichen Kultur, Bildung, Gemeinwesen etc.
- Beförderung von Kommunikationsstrukturen und Informationsflüssen
- Anregung, Durchführung und /oder Begleitung von Modellprojekten
- Beratung und Weiterbildung von Akteuren.
KULTURPASS'T! – Ein Modellprojekt der Kulturräume Erzgebirge-Mittelsachsen und Vogtland-Zwickau
Seit 2017 stehen in Sachsen insbesondere für die Verbesserung der Mobilität in ländlichen Räumen Sondermittel zur Verfügung. Daraus wird im Kulturraum Erzgebirge-Mittelsachsen unter anderem das Projekt KULTURPASS'T! bezuschusst, das gemeinsam mit dem Kulturraum Vogtland-Zwickau durchgeführt wird.
Erprobt wird ein Modell, das die Kooperation und die Mobilität von Schulklassen wie auch von Kulturpartnern verbessert bzw. ermöglicht. Beide Seiten sind aufgrund der sehr ländlichen Verortungen und ausgedünnter öffentlicher Verkehrssysteme darauf angewiesen, dass zusätzliche Aufwendungen zur gegenseitigen Erreichbarkeit bereitstehen. Das Vorhaben ist wechselseitig angelegt und fordert das Engagement sowohl der Kultur als auch der Bildungseinrichtungen gleichermaßen heraus und soll Schüler*innen das Erreichen und Erleben kultureller Vielfalt ermöglichen.
Kern des Projektes KULTURPASS'T! ist ein Katalog mit Angeboten von Kulturpartnern. Die künstlerisch-kreativen Offerten umfassen jeweils etwa vier Stunden. Aus diesem Katalog können Schulklassen drei Wunschangebote wählen und sich bei den Netzwerkstellen bewerben. Nach der Auswahl der teilnehmenden Klassen vereinbaren diese die Durchführung ihrer Wunschangebote mit dem Kulturpartner im aktuellen Schuljahr. Je nach Möglichkeiten und Ressourcen kann der Durchführungsort sowohl die Schule als auch die Kultureinrichtung sein.
Am Schuljahresende erhalten die Schüler*innen einen KULTURPASS, der die Teilnahme und zugleich die Auseinandersetzung mit den geförderten Kompetenzen dokumentiert. Für die Schüler*innen ist der KULTURPASS eine persönliche Wertschätzung und unterstützt sie z.B. bei der Praktikumsbewerbung.
Die Kulturräume ermöglichen diese Kooperationen durch die Erstattung der Kosten: Pro Angebot steht ein Festbetrag für den Kulturpartner und eine Materialkostenpauschale zur Verfügung. Findet das Projekt in der Schule statt, erhält Kulturpartner eine Reisekostenpauschale. Geht die Schulklasse auf Reisen, werden die tatsächlich aufgewendeten Reisekosten erstattet.
Im ersten Projektjahr 2017/2018 nehmen 37 Schulklassen aus beiden Kulturräumen teil. Die Erfahrungen sind sehr positiv. 37 Schulklassen sind im Vergleich zu über 500 schulischen Einrichtungen der beiden Kulturräume ein sehr geringer Teil.
In den nächsten Monaten ist eine umfassende Diskussion aufgrund der gewonnenen Erfahrungen und Potenziale erforderlich. Ob letztlich eine Nachhaltigkeit in Form von Erweiterung und Übertragung erzielt werden kann, hängt in erster Linie vom politischen Willen und der bestenfalls daraus resultierenden Bereitstellung entsprechender Haushaltsmittel ab. Die Akteure aus Kultur und Bildung sind auf dem Weg - beide gilt es zu unterstützen.
Rundumblick: Die vorgestellten Fördermodelle und Projektbeispiele
Die vorgestellten (Modell)Projekte signalisieren: Auf dem Lande tut sich was. Sicher! Gemeinsames Anliegen der (Modell)Projekte ist die Sichtbarmachung und Stärkung der zumeist ehrenamtlichen Akteure Kultureller Bildung vor Ort. Unterschiedlich werden jeweils die Stellschrauben gestellt
- Befähigen junger Menschen zur Verwirklichen ihrer Ideen und Übernahme von Verantwortung
- Initiieren von neuen Kooperationen und Einbeziehen kommunaler Vertreter*innen
- Gestalten des Generationswandels durch Veränderungsprozesse
- Teilhabe durch Beförderung der Mobilität.
Gemein ist den (Modell)Projekten der Fokus auf
- Ermutigung der Akteure vor Ort, ihre Ideen zwischen Bewahren und Erneuern (gemeinsam) zu realisieren
- Unterstützung und Bestärkung der Akteure durch Beratung, Qualifizierung und Vernetzung
- Initiierung von spartenübergreifenden, zumeist auch generationsübergreifenden Ansätzen
- Vermittlung traditioneller Weisen ebenso wie Experimente mit künstlerisch-kulturellen Ausdrucksweisen
- Teilhabe aller durch (zumeist) kostenfreie und niedrigschwellige Angebote
- Erprobung neuer Ausdrucks- und Beteiligungsformate
- Darbietung der Ergebnisse durch öffentlichkeitswirksame Präsentation
- Kooperationen als ein Schlüssel zum Miteinander, zu erlebten Synergien und Vernetzung vor Ort
- Erfahrbarmachung der Bindekräfte des Gemeinwesens
- Modellprojekte, die in den letzten drei Jahren initiiert wurden
- zeitlich befristete Projekte mit befristeten Mitarbeiter*innen
- in landesweiter bzw. überregionaler Trägerschaft als Multipliaktor*innen
- Agieren an den Schnittstellen von Kultur, Bildung und Jugend sowie Politik und Verwaltung.
Der Blick in die Bundesländer offeriert eine Vielzahl weiterer (Modell)Projekte: Kreative RaumPioniereZukunft in Mecklenburg-Vorpommern, KuBi regio in Niedersachsen, Den Wandel gestalten in Rheinland-Pfalz, den Innovationsfonds Kunst oder das Sonderprogramm Gesellschaftlicher Zusammenhalt – Förderung von künstlerischen und kulturellen Projekten in Baden-Württemberg oder die Plattform Kulturelle Bildung in Brandenburg. Die Internationale Bauausstellung (IBA) macht unter dem Motto STADTLAND von 2012 bis 2023 das größtenteils ländlich geprägte Thüringen zum Zukunftslabor.
Die Vielzahl der (Modell)Projekte täuscht darüber hinweg, dass die überwiegende Zahl der (Modell)Projekte in den ländlichen Räumen temporäre Angebote sind, die mit kleinen finanziellen Beträgen größtmöglichstes erreichen wollen. Sie (wieder)beleben Visionen und Strukturen vor Ort und unterstützen die Akteure. Zugleich sind es Tropfen auf den heißen Stein: Sie erreichen einen Bruchteil im Promillebereich der Adressatengruppe.
Hervorzuheben sind hingegen die sächsischen Netzwerkstellen für Kulturelle Bildung. Angedockt an die Struktur des Kulturraumgesetzes fördert das Land kontinuierlich in jedem ländlichen Kulturraum eine Netzwerkstelle, die als Vermittler zwischen Kulturangeboten und Kulturnachfragen fungiert, zu Fördermitteln und Partnern berät und eigene Projekte umsetzt.
Viele Tropfen ... In ländlichen Räumen wäre es jedoch angebracht, die Angebote der Kulturellen Bildung enger mit den Angeboten der Förderung von (Kreativ)Wirtschaft, Kulturtourismus, Aus- und Weiterbildung zu verzahnen und auf die Infrastruktur abzustimmen. Eine Vielzahl von Programmen auf Landes-, Bundes- oder EU-Ebene fördern Initiativen der Kulturellen Bildung. Die Antragsstellung ist jedoch mit einem immensen Beantragungs- und Bürokratieaufwand verbunden. Diese Anforderungen überfordern ehrenamtliche Akteure aus den regionalen Vereinen der Heimat- und Traditionspflege sowie der Musik- und Amateurtheatervereine. Zur Verbesserung und Förderung der Kultur auf dem Lande braucht es ein neues Denken seitens Verwaltung und Politik.
Ausblicke
Heimat-, Männergesangs- und Brieftaubenvereine wurden ebenso wie Geschichts-, Musik- und Kunstvereine zumeist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet. Im 20. Jahrhundert institutionalisierten und professionalisierten sich die Vereine in den städtischen Räumen und wurden öffentlich geförderte Stadtmuseen, Konzerthäuser und Kunsteinrichtungen. In ländlichen Räumen wirken diese Vereine zumeist ehrenamtlich fort. Die Politik vernachlässigt die ländlichen Räume auch in puncto Kultur: Für Großstädte mit 500 000 und mehr Einwohnern standen „2013 für kulturelle Angelegenheiten 150,94 Euro je Einwohner aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung. Bei den Großstädten mit 200 000 bis unter 500 000 Einwohnern lagen die Ausgaben je Einwohner bei 126,12 Euro. Deutlich geringere Pro-Kopf-Ausgaben wurden in den Gemeindegrößenklassen mit 20 000 bis unter 100 000 Einwohnern (44,11 Euro) und in den Kleinstädten mit 10 000 bis unter 20000 Einwohnern (21,68 Euro) aufgebracht.“ (Kulturfinanzbericht 2016:41) In Gemeinden mit bis zu 3 000 Einwohner*innen betragen die Ausgaben für Kultur pro Einwohner*in und Jahr 5,09 € (Kulturfinanzbericht 2016:42). Das sind umgerechnet 3,4 % der Kulturfördermittel, die in der Großstadt pro Einwohner*in aufgewendet werden. Diese Mittel multiplizieren sich mit der Einwohner*innenzahl! Gute Rahmenbedingungen lassen Kunst und Kultur gedeihen. Bei der öffentlichen Förderung fängt dies an!