Theater mit den Jüngsten – zwischen Kunst und Frühpädagogik
Von September 2013 bis September 2014 arbeitete das Theater o.N. Berlin mit zwei Kitas in Berlin Marzahn-Hellersdorf zusammen. Ziel des Projektes war unter anderem, Kindern aus so genannten bildungsfernen Schichten mit theatralen Mitteln einen Zugang zu kulturellen Angeboten zu ermöglichen. Einmal pro Woche besuchte je ein Team, bestehend aus einem Künstler und einer Theaterpädagogin, zwei- bis dreijährige Kinder, um mit ihnen Theater zu machen. Das Projekt war von Anfang an wissenschaftlich begleitet. Zwei Researcherinnen waren regelmäßig bei den Theaterstunden dabei. Die intensive Zusammenarbeit mit den Kindern, KünstlerInnen und ErzieherInnen erlaubte es, unter der Fragestellung „Wie kann Theater mit den Jüngsten aussehen?“ künstlerische Prozesse und Potentiale intensiv beobachten zu können (vgl. Domkowsky 2014:10).
Beobachtung
Wichtigste Forschungsmethode war die Beobachtung, die von Anfang an offen, teilweise teilnehmend eingesetzt wurde. Innerhalb der ersten Wochen der Projektlaufzeit wurden sämtliche Prozesse im Zusammenhang mit der Theaterarbeit mit den zwei- bis dreijährigen Kindern mit Hilfe von dichten Beschreibungen (vgl. Geertz 1987) und Fotos dokumentiert. Die ersten Eindrücke der KünstlerInnen und Theaterpädagoginnen wurden gesammelt. (vgl. Domkowsky 2014:10). Nach vierwöchiger Projektlaufzeit wurde mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2000) und einer Themenmatrix die zentrale Fragestellung der weiteren Forschung herausgearbeitet.
Neben den künstlerischen Erfahrungen der Kinder war hier die Gestaltung der (Zusammen)Arbeit der Erwachsenen mit den Jüngsten bedeutsam. Wie gehen die Theaterleute auf die Kinder zu? Wie gehen sie in Kontakt? Wie gestalten sie künstlerische Prozesse? Wie geben sie Impulse in die Gruppe? Wie greifen sie die Entdeckungen und Ideen der Jüngsten auf? Wie verhalten sie sich in der Interaktion? In welchen Momenten entsteht ein Austausch zwischen den Kindern und den Erwachsenen? Was passiert daraufhin bei den Kindern? (vgl. Domkowsky 2014:28). Diesen Fragen folgend wurden die Theaterstunden weiterhin kontinuierlich begleitet. Dokumentiert wurden sie in Beobachtungsprotokollen, mit Fotos und Videos. Diese Form der Dokumentation bot die Möglichkeit, Situationen, die im Forschungsinteresse lagen, detailliert und dicht zu beschreiben (vgl. ebd.:11).
Blog
Außerdem wurde ein interner Blog eingerichtet, in dem KünstlerInnen, Theaterpädagoginnen und Researcherinnen ihre Erfahrungen, Beobachtungen und Erkenntnisse austauschen bzw. ihre Erlebnisse und ihr Handeln reflektieren sowie möglicherweise neue Ideen und Impulse entwickeln konnten (vgl. ebd.:10). Hier war es den Forscherinnen möglich, Akzente für die Reflexion zu setzen, die im Zusammenhang mit unserem Forschungsinteresse standen.
Interviews
Darüber hinaus wurden sowohl mit den beiden Teams als auch mit den beteiligten ErzieherInnen Leitfaden-Interviews geführt, um ihre Sicht auf das Projekt bestmöglich erfassen zu können (vgl. ebd.:11).
Analyse
Analysiert wurden insgesamt: 23 Beobachtungsprotokolle auf 90 Seiten, 103 Videos mit einer Gesamtlänge von 263 Minuten, 871 Fotos, 42 Blogeinträge, 4 Interviews mit einer Gesamtlänge von 178 Minuten (vgl. Domkowsky 2014:11).
Ausgewertet wurden die Beobachtungsprotokolle, dichten Beschreibungen, Fotos und Videos induktiv inhaltsanalytisch, das bedeutet, dass ohne einschränkende Vorgaben in ihnen nach Antworten auf die Forschungsfrage gesucht wurde. Die Interviews wurden ergänzend hinzugezogen (vgl. ebd.). Potentiale und Herausforderungen dieses Forschungsdesigns sind in der prozessbegleitenden Qualität, dem Einbezug möglichst aller beteiligter AkteurInnen und dem Umgang mit der Fülle des erhobenen Materials zu sehen.
Im Folgenden werden einige ausgewählte Forschungsergebnisse vorgestellt. Zum einen werden dabei die Suchbewegungen der KünstlerInnen nach geeigneten Vermittlungswegen beschrieben, zum anderen auf die Momente eingegangen, die als besonders anregend und schöpferisch wahrgenommen wurden, die starke ästhetische bzw. künstlerische Erfahrungen innehatten und in denen meines Erachtens Theater erfahren werden konnte.
Suchbewegungen
Bereits nach der ersten offenen Erhebungsphase wurden die unterschiedlichen Herangehensweisen der KünstlerInnen deutlich. Unterschiedliche Formen der Anleitung bzw. Instruktion waren zu beobachten, die unter anderem an die Leitfragen der KünstlerInnen gekoppelt waren (z.B. Wie bekomme ich die Aufmerksamkeit der Kinder? versus: Wie involviere ich die Kinder in ästhetische bzw. künstlerische Prozesse?) (vgl. ebd.:10). Unmittelbar damit verbunden war die Suche nach der eigenen Rolle in diesem spezifischen Setting in der Kita.
Die Theaterleute hatten einerseits ihre künstlerischen Ansprüche und andererseits den Wunsch, den Interessen der Kinder gerecht zu werden sowie früher oder später die Erkenntnis, an deren Entwicklungsstand ansetzen zu müssen (vgl. ebd.). So waren die KünstlerInnen auf der Suche danach, wie sie Theater mit den Jüngsten gestalten könnten. Ein zentrales Thema war, den Kindern einerseits Raum zu geben, um sich auszuprobieren und andererseits anzuleiten, aber dabei nicht zu viel vorzugeben. Die Suche nach der Balance zwischen Instruktion und der Gewährung von Freiräumen für kreative Prozesse und die dafür notwendige Zurück-Haltung erschütterte das Theater(pädagogische)-Verständnis der MacherInnen, die sich unweigerlich die Frage stellten: „Ist das überhaupt Theater, was wir hier machen, wenn wir unsere Anleitung auf wenige Impulse beschränken?“ (vgl. ebd.:10f.).
Zum besseren Verständnis dieser Suchbewegung soll kurz die Spannbreite der Kunst vermittelnden Herangehensweisen skizziert werden.
Instruktion Impulse geben Ausprobieren lassen
In der Anfangsphase war es besonders wichtig, den Kindern Sicherheit und Vertrauen zu geben. Dies geschah durch eine warmherzige, offene Haltung der KünstlerInnen und angeleitete Rituale (vgl. ebd.:28). Überwiegend wurde instruierend / stark vorgebend gearbeitet. Resultierend aus der Frage, inwiefern den Kindern Grenzen gesetzt werden müssten, wo gerade das Brechen der Erwartungen und Regeln in der Theaterarbeit produktiv sein kann, verbanden die Theaterleute in ihren Anleitungen mehr und mehr feste Vorgaben mit Möglichkeiten zur freien Gestaltung. Das Stopptanz-Spiel wurde beispielsweise zu einem Darstellungsspiel weiterentwickelt (vgl. ebd.:29).
Impulse geben
Ein weiterer Ansatz, künstlerische Prozesse zu initiieren, ist es, Impulse zu setzen, bei denen es nicht um die Erfüllung einer vorgegebenen Form geht. Die Theaterleute gaben zum Beispiel Impulse in die Gruppe, indem sie Materialien mitbrachten oder kleine Performances zeigten (vgl. ebd.).
Dennoch stellten sie sich immer wieder die Frage, ob es genüge, was sie den Kindern mit ihren Anleitungen und Impulsen anboten. Dabei fühlten sie sich selbst manchmal hin- und hergerissen im Spannungsfeld zwischen Kompetenzvermittlung und kreativem Theaterprozess. Die Herausforderung bestand für sie darin, das Gefühl, den Kindern theatrale Formen vermitteln zu müssen, loszulassen und ihnen dadurch den Freiraum für kreative Prozesse zu geben (vgl. ebd.:30).
Mit Kompetenzvermittlung meine ich nicht das Theaterspielen, um bestimmte pädagogische Ziele zu erreichen – damit die Kinder besser sprechen lernen oder damit sie besser in der Gruppe agieren. Ich denke eher daran, dass beim Theaterspielen bestimmte theatrale Elemente oder Mittel eingesetzt werden sollen. Ein Objekt soll zum Beispiel verwandelt werden und dann machen wir das in einer bestimmten Form. Aber ich merke immer mehr, dass ich das ja nicht unbedingt so machen muss, sondern dass ich die Form ja auch öffnen kann., die Theaterpädagogin Kathleen Rappolt (vgl. ebd.:30)
Der Theaterpädagoge Stephan Hoffmann setzt für die Theaterarbeit mit Kindern ein bestimmtes Bild vom Kind voraus und „betont im Umkehrschluss zu Jean Piagets These von der 'Egozentrik des Kindes', dass es beim Theaterspielen darum geht, die Egozentrik des Erwachsenen aufzugeben und die Kinder als tatsächliche Akteure zu sehen, denen es einen Freiraum für ihre eigenen ästhetischen Erfahrungen und Gestaltungsprozesse zu eröffnen gilt“ (Marquardt 2010:30 mit Bezug auf Hoffmann 2009:61-63).
Ausprobieren lassen
Die Anleitungen und Impulse der Theaterleute regten die Kinder dazu an zu experimentieren und auszuprobieren. Gleichzeitig bekamen sie auch die notwendigen Freiräume dafür (vgl. Domkowsky 2014:30).
Im gesamten Theaterprozess spielte das Prinzip der Freiwilligkeit eine bedeutende Rolle. Die Freiwilligkeit, sich zu entscheiden (mit) zu spielen oder zuzuschauen, in die Position des Theatermachers oder des Zuschauers zu gehen, sich mit etwas rezeptiv oder produktiv auseinander zu setzen, ist im Theater mit den Jüngsten unbedingt notwendig (vgl. ebd.:31).
Die Gratwanderung zwischen Anleitung und Zurückhaltung, das Finden der Balance zwischen Vorgaben und Ausprobieren lassen war für die Theaterleute ein Lernprozess. Sie entdeckten, dass vor allem dann interessante Momente entstanden, wenn sie sich mit ihren eigenen Aktivitäten zurücknahmen und offen dafür waren, die Aktionen der Kinder als Impulse zu verstehen und aufzunehmen (vgl. ebd.:30).
In der Suchbewegung der Theaterleute spiegelt sich die aktuelle Entwicklung unseres Bildungsverständnisses von der Vermittlung zur Aneignung wider. Dabei wird davon ausgegangen, dass Heranwachsende neugierige und kompetente Persönlichkeiten sind, die sich selbstbestimmt und Interesse geleitet Wissen und Fähigkeiten aneignen. Insofern müssen wir unser Verständnis von „Kunst-Vermittlung“ ebenfalls überdenken.
Theater erfahren
Eine der wichtigsten Fragestellungen der Begleitforschung war, wie es den KünstlerInnen gelingt, Theatralität erfahrbar zu machen.
Das Spiel miteinander – die Entstehung kreativer Momente
Künstlerische Prozesse sind eng an soziale gebunden und bedürfen wiederum des Rückbezugs auf „die das Kind bestimmenden sozialen Zusammenhänge“ (Pankau 2007:16). Der Psychiater und Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz weist darauf hin, „dass ästhetische Bildung in dieser Altersgruppe zu einem wesentlichen Anteil aus Beziehungsarbeit besteht“ (Domrös 2014:5).
In Bezug auf die im Projekt „Große Sprünge“ gemachten Beobachtungen können solche Momente als besonders anregend, schöpferisch, erfahrungsreich, emotional und beglückend beschrieben werden, in denen die Interaktion zwischen Erwachsenen und Kindern als ein gemeinsames Spiel erlebt wurde, in dem beide gleichberechtigt Impulse geben und empfangen konnten, wenn die Kinder eine unmittelbare positive Resonanz auf ihr selbst gestaltetes Tun, ihre Fragen, ihre Experimente, ihre Erfahrungen oder ihre Ideen von den Erwachsenen erhalten haben. In solchen Situationen entwickelten die Beteiligten zusammen etwas Neues, nicht Vorgedachtes und machten eine gemeinsame (neue) Erfahrung (vgl. Domkowsky 2014:31).
Die Theaterpädagogin Kathleen Rappolt beschreibt:
Ich möchte, einen Spielraum der Begegnung, des Kontaktes eröffnen, um zu gucken, was sich in dem Moment ereignet zwischen allen Beteiligten, was sich für das Kind ereignet, bei den Kindern untereinander, dann mit den Erwachsenen, auch mit ihren Erziehern, die sie bestenfalls auch mal anders erleben können. Ich glaube, das ist so ein Ereignisraum eigentlich. Eine Theaterstunde war richtig gut, wenn es ein Zusammenspiel zwischen allen Beteiligten gab, dass wir Impulse reingegeben haben, Impulse von den Kindern zurückbekommen haben, im Austausch waren, das gemeinsame Gestalten des ganzen Beisammenseins., Kathleen Rappolt (ebd.:32)
Claudia Fröhlich weist in ihren Ausführungen über Theaterarbeit mit den Jüngsten darauf hin, dass es hier „im besten Fall [...] eine Art gegenseitiges Führen und Folgen [gibt, R. D.], das heißt, die Kinder nehmen Anregungen auf, transformieren das dargebotene Material und die Impulse, doch auch [die Künstlerin, R. D.] fängt Situationen und Ideen auf, die ihr von den Kindern zugespielt werden“ (Weidemann/Weidemann/Fröhlich 2010:29). Sehr anschaulich schilderte die Regisseurin Cindy Ehrlichmann in ihrem Blogeintrag, als sie ihre Formen der Kontaktaufnahme zu den Kindern reflektierte, wie sie die Impulse der Kinder „mal über die Nachahmung von Bewegungen, mal über Geräusche oder Wiederholungen und Steigerungen“ aufgriff (vgl. Domkowsky 2014:29). Das Beobachten und Wahrnehmen der Kinder wurde für die Theaterleute also immer wichtiger. Häufig waren ihre Beobachtungen Anknüpfungspunkte für neue Impulse (vgl. ebd.:30).
Kleinkinder sind in besonderer Weise „auf einen wechselseitigen Austausch von Lebensäußerungen mit ihren Bezugspersonen angewiesen“ (Marquardt 2010:21). Für sie ist es enorm wichtig, auf bestimmte Aktionen eine Reaktion zu erhalten. Im positiven Fall kann diese Reaktion ein Nachahmen oder ein Anknüpfen an ihren Handlungen sein (vgl. Domkowsky 2014:32). Nachahmen und nachgeahmt werden steht für Kleinkinder „für sehen und gesehen werden, für eine unmittelbare Resonanz auf das Gegenüber und für zwischenmenschliche Beziehungsaufnahme. In diesem Sinne ist es den Kindern auch wichtig, dass die [KünstlerInnen, R.D.] ihre Impulse nachahmend aufgreift“ (Marquardt 2010:22f.).
„In der wissenschaftlichen Begleitung des Projektes 'Große Sprünge' wurde das entwicklungspsychologische Phänomen 'Nachahmung' aus dem Blickwinkel des künstlerischen Prinzips der Wiederholung betrachtet. Während Nachahmen durchaus in Momenten der Kontaktaufnahme eine Rolle spielte, ging es in der Entstehung eines gemeinsamen Spiels eher um Wiederholungen, die bewusst gesetzt und zum Teil auch eingefordert wurden ('Nochmal!')“ (ebd.:32).
Die Regisseurin Cindy Ehrlichmann beschrieb im Blog: "Ich bemerke, dass meine Zusammenkünfte mit den Kindern nac ähnlicher Struktur verlaufen: Kontaktaufnahme, gemeinsames Spiel (Entwicklung von Regeln, Wiederholungen, Steigerungen), Spielen und Freuen, Hinwendung zu etwas Neuem.“ Das gemeinsame Spiel ist also eng an eine emotionale Beteiligung gebunden („Spielen und Freuen“, hier waren auch in der Analyse der Beobachtungen deutliche Koppelungen erkennbar) (vgl. Domkowsky 2014:32).
Immer wieder war zu beobachten, dass die Impulse, aus denen sich ein gemeinsames Spiel entwickelte von Kindern ausgingen. Offenbar war es für sie wichtig, eigene Impulse setzen zu können (vgl. ebd.:33). Durchgängig war zu erkennen, dass ein Spiel miteinander immer auf einer positiven Resonanzerfahrung beruhte: ein Spielvorschlag wurde vom Spielpartner angenommen, das Spielprinzip erkannt oder gemeinsam eines entwickelt. Wechselseitig gab es einen Austausch von Aktion und Reaktion. Das rief bei allen Beteiligten Kreativität und große Freude hervor. Sie erfuhren also durch die Resonanz in der Interaktion auch eine innere emotionale Resonanz. Die Theaterpädagogin Kathleen beschrieb mehrmals, dass sie im Spiel mit einzelnen Kindern interessante und intensive Momente von großer Nähe erlebte. Resonanz scheint damit nicht nur ein Schlüssel in der ästhetischen Bildung allgemein, sondern insbesondere im Theater mit den Jüngsten zu sein (vgl. ebd.).
Das ist für mich auch irgendwie Theater, diese flüchtigen Momente im gemeinsamen Spiel, die kann man nicht wiederholen. Was da zwischen dem Kind und mir passiert, ein Spiel, was man auch nicht so beschreiben kann. Das macht mit mir was, es berührt mich total tief und vielleicht auch das Kind und wir feuern uns gegenseitig an, wir treiben das Spiel gemeinsam voran und improvisieren ja dann auch. Das Aufnehmen von Impulsen der Kinder, dieses Kopieren und Spiegeln, das sind Momente, die gegenseitig sehr bereichernd sind., Kathleen Rappolt (ebd.:13)
Zuschauen, Zeigen, Präsentieren – die Entstehung theatraler Momente
Im Projekt „Große Sprünge“ wurden die Kinder zu TheatermacherInnen und ZuschauerInnen. Nicht selten verlief der Wechsel zwischen beidem fließend (vgl. ebd:35). Petra Paula Marquardt hat sich ebenfalls mit dem Theater mit den Jüngsten beschäftigt. Ihr zufolge greift „der Wechsel zwischen Spieler- und Zuschauerrolle im Theaterspiel mit Kindern ab zwei Jahren Aspekte auf [...], die das zweijährige Kind gerade in seiner Ich-Entwicklung als Individuum in Unterscheidung zu anderen und in seiner Sozialentwicklung als Teil einer Gemeinschaft mit anderen durchlebt. In einer sehr frühen Form der wechselseitigen Selbst- und Fremdreflexion geht es Kindern im Theaterspiel erst einmal um gegenseitige Resonanz, um ein einfaches Sehen und Gesehenwerden. Es geht darum, diese positive Form von Aufmerksamkeit auf die eigene Person zu erfahren“ (Marquardt 2010:33f.).
In zahlreichen Beobachtungen waren theatrale Momente erkennbar: es entstand ein Spiel und es fanden sich ZuschauerInnen dafür. Darüber hinaus konnten Spielsequenzen beobachtet werden, die Theatraliät bereits in sich trugen, die durch ZuschauerInnen manifestiert wurde, beispielsweise als einige Kinder in einer Theaterstunde am Mattenstapel waren und Sara auf den Matten stand und sang. Aus dem bewusst gezeigten Spiel entstand Theater (vgl. ebd.).
Wie in anderen Theaterprojekten mit Kleinkindern ergaben sich auch im Projekt „Große Sprünge“ beispielsweise aus Explorationsspielen performative Situationen zwischen den Kindern und erwachsenen SpielerInnen (vgl. Marquardt 2010:24). In der wissenschaftlichen Analyse wird erläutert, wie die von den Kindern altersabhängig jeweils bevorzugten Spielformen (zwischen zwei und drei Jahren sind dies Explorations- und Symbolspiele) als Ausgangspunkt für die Theaterarbeit mit den Jüngsten genutzt werden können (vgl. Domkowsky 2014:12f.).
Die Übergänge zwischen Kinderspielen, verschiedenen Spielformen und performativen Momenten waren fließend. Aus dem Spiel der Kinder entstanden theatrale Situationen, die all das verdichtet beinhalteten (vgl. Domkowsky 2014:23). Impulse der KünstlerInnen und der Kinder wurden aufgenommen und weiterentwickelt. In einem durch Rituale und gemeinsames Spiel theatral geprägten Setting entstand so ein theatraler Moment.