Potential Kultureller Bildung für die Bildung für nachhaltige Entwicklung und transformative Prozesse
Abstract
Dieser Beitrag zeigt anhand von drei Praxisbeispielen, welches Potential Kulturelle Bildung für die Bildung für nachhaltige Entwicklung haben kann. Vertiefend beschäftigt er sich mit der Frage, inwieweit Kulturelle Bildung nachhaltige Transformationsprozesse des „Verlernens“ und „Neu Lernens“ anstoßen kann. Das vorherrschende „gestörte“ Mensch-Natur-Verhältnis begreift den Menschen nicht als Teil der Natur, sondern steht dieser distanziert und kontrollierend gegenüber. Dem gegenüber steht das „Gaia“-Prinzip als neues Konzept, das von Kultureller Bildung „gefüllt“ und neu gelernt werden kann. Durch Schaffung neuer Bilder und Visionen sowie Perspektiv- und Rollenwechsel ist die Kulturelle Bildung in der Lage, tiefgreifende Transformationsprozesse schrittweise hin zu einem „gesunden“ Mensch-Natur-Verhältnis zu unterstützen. Als Inspirationsquellen dienen dabei Kunst, Natur und indigenes Wissen.
Die Konzepte unterscheiden
In der Praxis sind die Grenzen der Konzepte Kultureller Bildung und der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) oft fließend. Dennoch spricht viel dafür, die beiden Konzepte in der Theorie zu unterscheiden, um deren spezielle Potentiale und Wirkweisen differenzieren zu können (siehe: Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss „Kulturelle Bildung als Bildung für nachhaltige Entwicklung? Impulse für die Verbindung zweiter normativer Ansätze und Praxen“). Laut der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung ist Kulturelle Bildung eine Bildung in, durch und mit den Künsten sowie allen kulturellen Phänomenen (BKJ 2017:o.S.). Sie ist somit eine bedeutsame Grundlage für Selbstreflexions-, Selbstwirksamkeits- und Teilhabeprozesse, deren Ziele und Normen sich auf den Prozess und nicht primär auf das Ergebnis beziehen.
Der Begriff „Bildung für nachhaltige Entwicklung" (BNE) wurde auf der UN-Umweltkonferenz von Rio de Janeiro 1992 geprägt und meint eine Bildung, die Menschen befähigt, die Zukunft in einer globalisierten Welt aktiv, eigenverantwortlich und verantwortungsbewusst zu gestalten (BMBF 2019:o.S). Die Begriffsdefinition zeigt deutlich, dass BNE handlungsorientiert, werteorientiert und teilweise appellativ geprägt ist (Braun-Wanke/Ebel 2020:76). Die Zielvorgaben der Kulturellen Bildung beziehen sich dagegen auf offene Prozesse, Partizipation, Inklusion und den Respekt vor kultureller Vielfalt (Keuchel 2020:40). Widersprüche und Zielkonflikte zwischen beiden Konzepten sind vorprogrammiert, ermöglichen gleichzeitig aber in ihrer Verbindung die Chance der Kompensation der jeweiligen normativen Begrenztheit. BNE, so wie es die UNESCO versteht, stützt sich auf die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft. Ernst Wagner sieht hierin ein verkürztes Nachhaltigkeitsverständnis, da hierbei die Dimension der Kultur fehlt (siehe: Ernst Wagner „Zum spannungsreichen Verhältnis von BNE und Kultureller Bildung. Oder: Wie Bildnarrative unsere Einstellungen formen“).
Das Auslösen transformativer Prozesse ist ein zentrales, wichtiges Anliegen von BNE. Damit wird BNE zu transformativer Bildung.
„An transformative Bildung wird der Anspruch gestellt, breiten gesellschaftlichen Wandel im Sinne der sozial-ökologischen Transformation zu befördern, in dem sie Menschen einerseits Optionen zur Änderung ihrer Lebensweise aufzeigt und sie andererseits ermächtigt, als kritische Bürger*innen politische Veränderungen einzufordern und mitzugestalten.“ (Engagement global 2023:o.S.)
Aufgrund der besonderen Wichtigkeit transformativer Prozesse wird auf diesen Punkt in den letzten beiden Kapiteln eingegangen.
Das Potential der Kulturellen Bildung für BNE
Bei einem erfolgreichen kulturellen Bildungsprozess wird die eigene Gestaltungslust und Gestaltungskraft unmittelbar sinnlich erfahren und kann wiedererweckt werden, wenn sie im Laufe des Lebens bereits verschüttet wurde. Diese Kraft und Macht der Gestaltung ist eine Grundvoraussetzung, um das Leben „in die eigene Hand“ zu nehmen und Haltungen bzw. Verhalten zu verändern. Unterstützt von kraftvollen Bildern und Erzählungen, die zunächst jenseits von Realitätsansprüchen stehen, können fantasievolle Zukunftsentwürfe entstehen (siehe: Marc Haug „Inspiriert durch KunstWerkZukunft: Kulturelle Bildung für nachhaltige Entwicklung“). Motiviert und geleitet durch positive Bilder und Visionen können Veränderungsenergien frei werden. Dieses ist besonders wichtig in einer Medienlandschaft, in der ein katastrophales Krisenbild auf das nächste folgt.
Ein Ansatz der Degrowth-Bewegung, die versucht, ein alternatives Wirtschaftssystem dem derzeitigen, auf Wachstum basierenden Kapitalismus gegenüberstellen, ist die Subsistenzwirtschaft (Paech 2015:41). Die Überlegung ist, dass die derzeit fremdversorgten Konsumenten auf immer mehr Gebieten zu Selbstversorger*innen werden, indem sie z.B. ihre Möbel und Kleidungsstücke selbst herstellen. Das hierfür nötige handwerkliche Können kann Teil der Kulturellen Bildung sein. Eine Holzbildhauerin lernt mit Maschinen umzugehen, um Holz zu bearbeiten, daraus kann Kunst entstehen oder auch ein Möbelstück. Ein Textilkünstler beherrscht den Umgang mit Nadel und Faden und kann dieses nutzen, um Kleidungsstücke selbst zu nähen.
So unterschiedlich die Konzepte von BNE und Kultureller Bildung sind, so unterschiedlich sind häufig auch die Orte ihrer Umsetzung im städtischen Raum. Während Institutionen der Kulturellen Bildung eher im innerstädtischen oder in stark besiedelten Stadtteilen anzutreffen sind, findet BNE klassischer Weise am Stadtrand nahe der Natur statt: im Wald, im Naturpark, im Lernbauernhof. Kulturelle Bildungsinstitutionen sind hingegen oftmals seit Jahrzehnten mit Kultureller Teilhabe und dem Erreichen eines diversen Publikums vertraut, insbesondere wenn diese in unmittelbarer Nachbarschaft leben. In Kooperation mit BNE-Institutionen können sie dieses Potential eines diversen Publikums einbringen und so der wichtigen sozialen Dimension von BNE gemeinsam gerecht werden. Reinwand-Weiss bezeichnet dieses als Aufbrechen von Milieublasen. Unterschiedliche Teilnehmendenmilieus werden gemischt, was zu neuen Erfahrungen und Impulsen unter den Teilnehmenden führen kann (siehe: Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss „Kulturelle Bildung als Bildung für nachhaltige Entwicklung? Impulse für die Verbindung zweiter normativer Ansätze und Praxen“).
Die fortschreitende ökologische Zerstörung unseres Planeten ist für den Menschen nicht in allen Bereichen direkt sichtbar bzw. meist erst nach Jahrzehnten als Folge spürbar. So sind zu hohe CO2-Emissionen und der mangelnde Sauerstoffgehalt von Flüssen zwar wissenschaftlich nachweisbar, für das menschliche Auge aber unsichtbar. Die Kulturelle Bildung kann „das scheinbar Fernliegende gerade im Nahbereich ausfindig und sichtbar machen“ (Haan 2002:13). Sie kann auf die Bildende Kunst zurückgreifen, die Beispiele liefert, in denen komplexe wissenschaftliche Sachverhalte visualisiert und erfahrbar gemacht werden. Bespiele hierfür sind:
- Bei Emscherkunst 2016, einer internationalen Kunstausstellung im öffentlichen Raum, hörte man eine männliche Stimme aus einem Lautsprecher, die monoton chemische Substanzen aufzählte, die Wissenschaftler*innen in der Emscher analysiert haben: „‚Chlorid, Sulfat, Sauerstoff, gelöst, Ammonium-Stickstoff, Nitrat-Stickstoff, Cyanide, Anionische Tenside, Phosphor, Silber, Arsen,Bor, Barium [...], Trichlorethen, etrachlorethen, Adsorbierbare organisch-gebundene halogene Kohlenwasserstoffe, Phenole‘. Die Soundinstallation von Roman Signer war in der Nähe der Brücke über die Emscher installiert.“ (Sawer 2022:468).
- Auch bei der Vermeidung von Emissionen fehlt die Sichtbarkeit. Keine gute Voraussetzung, um Menschen zu verändertem Verhalten zu motivieren. Aus diesem Grund haben die Künstler Samuel Fleiner und Michael Thomas eine kinetische Murmelmaschine zur Initiative „100 000 Tage ohne Auto“ entworfen, in der für jede eingesparten 100 Kilometer mit dem Auto eine Murmel hinzugefügt wurde. Diese Skulptur war auf einem öffentlichen Platz für alle sichtbar und der gemeinsame Kraftakt der Vermeidung von klimaschädlichem Autofahren wurde visualisiert (Fleiner 2002:141-143).
Sichtbarkeit und das Herstellen von Öffentlichkeit für ökologische Themen sind Potentiale von Kunst und Kultureller Bildung. Am Ende eines kulturellen Bildungsprojektes steht in der Regel ein öffentlich zugängliches Produkt wie eine Ausstellung, eine Aufführung oder ein digitales Werk z.B. ein Actionbound oder ein Podcast.
Das KlimaKunstLabor
Das KlimaKunstLabor der Wiesbadener Kinder- und Jugendgalerie erforscht die Themen Klimawandel, Müll und Biodiversität mit vorwiegend künstlerischen Mitteln. Dabei kommen die Methoden des offenen Labors oder des ästhetischen Forschens zum Einsatz, bei der Kinder und Jugendliche selbstbestimmte Forschungsfragen im oben genannten Themenspektrum erkunden, die sie mit verschiedensten künstlerischen Techniken bearbeiten und Ergebnisse sichtbar nach außen in einem „Kunstwerk“ darstellen.
Die Kinder- und Jugendgalerie ist eine außerschulische Einrichtung der Abteilung Jugendarbeit des Sozialdezernates der Stadt Wiesbaden. Sie erreicht ein diverses Publikum und sieht sich der kulturellen Teilhabe verpflichtet. An die 4000 Kinder und Jugendliche werden pro Jahr erreicht. Als Einrichtung der Kulturellen Bildung hat sie einen Ausstellungs- und Werkstattbereich, der offene Kreativwerkstätten am Nachmittag und längerfristige Projekte mit schulischen und außerschulischen Kooperationspartnern umfasst. 2022 nahmen an den offenen, wöchentlich stattfindenden Kreativwerkstätten ca. 70% Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, 15% ukrainische Geflüchtete und ca. 10% Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen teil. Die Kinder- und Jugendgalerie befindet sich im Wiesbadener Stadtteil Hollerborn, einem Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf. Der Stadtteil ist geprägt von Armut und wenig bis keinen Naturerfahrungsräumen, viele Familien mit Migrationsgeschichte wohnen hier.
Das KlimaKunstLabor stellt die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit in den Vordergrund. Durch die Stadtteilorientierung bei der Auswahl der Kooperationspartner*innen wird sie der sozialen Dimension gerecht. Alle Projekte verbinden Kulturelle Bildung mit dem Konzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Unterschiedlich ist der jeweilige Anteil von BNE Elementen (Abb. 1).
Folgend werden exemplarisch drei Praxisprojekte vorgestellt.
Praxisbeispiel: FutureKunstLabor
Das FutureKunstLabor hat über vier Wochen draußen im wilden „Garten“ der Walkmühle mit 40 Kindern und Jugendlichen im Alter von 9 bis 13 Jahren stattgefunden. In Zusammenarbeit mit acht Künstler*innen wurde ein Experimentier- und Zukunftslabor geschaffen. Bewusst wurde ein Perspektivwechsel mit folgender einführender Erzählung angestrebt: Wir befinden uns im Jahr 2050. Die Welt hat sich nach bewegten Zeiten positiv entwickelt. Allerorts haben die Menschen große futuristische Figuren errichtet, die mithilfe außergewöhnlicher Kräfte in der Lage sind, ihre Umwelt zu schützen. Die sogenannten „Wächter“ bewahren das Gleichgewicht von Himmel, Erde, Menschen, Tieren und Pflanzen.
Entstanden sind künstlerisch bearbeitete Visionen für die Bereiche Wohnen, Leben, Arbeiten und Transport in der Stadt der Zukunft. Das Experimentierlabor ermöglicht als Raum kultureller Demokratie einen prozessorientierten, nach vorne hin offenen, vom Probieren, Suchen, Forschen geprägten methodischen Zugang. Vielfältige Materialien standen den Teilnehmenden zur Verfügung: vorgefundene Natur, Upcycling Materialien wie Pappen und Plastik, Farben, Klebepistolen, Solarzellen und Kabel, Ton, Stroh, Holz, Draht, Kleister, 3x3 m Stadtplan von Wiesbaden. Unzählige konkrete Ideen sind entstanden wie das Insektenhotel mit Wasserspender (Abb. 2), die Superheldin mit CO2-Staubsauger (Abb. 3) oder das Umwelthaus (Abb. 4) ( Ausstellung | Landeshauptstadt Wiesbaden).
Praxisbeispiel: Bienen und Schmetterlinge
Ein anderes Projekt des KlimaKunstLabores widmete sich dem Thema Bienen und Schmetterlinge und wurde ein Schulhalbjahr mit der benachbarten Schulsozialarbeit der Ursula-Wölfel-Schule mit Kindern der 3. und 4. Jahrgangstufe im Nachmittagsbereich umgesetzt. Als Methode wurde das ästhetische Forschen angewandt. Zunächst entwickelten die Kinder ihre eigenen Forschungsfragen: Warum sind Bienen wichtig? Gibt es Männer und Frauen unter den Bienen? Wie erkennt man die Königin? Wie reden Bienen miteinander? Wie viele Bienen gibt es noch? Was können wir tun, um den Bienen zu helfen? Danach wurden durch Prozesse des Sammelns, Experimentierens, Ordnens und Präsentierens die Erkenntnisse in ästhetische Objekte verwandelt. Am Ende wurde alles in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert. Die Ausstellung bekam von den Kindern den Titel „Bienenretter“.
Die Fragen der Kinder wurden als Gruppe mit einer begleitenden Künstlerin und einer Imkerin bearbeitet. So wurde z.B. über die deutliche Abnahme der Bienen- und Schmetterlingspopulationen gesprochen und dann ein ästhetischer Ausdruck dafür gesucht (Abb. 5 und 6).
Das Bild (Abb. 6) ist zweigeteilt und zeigt das Bienensterben. Über der linken Bildhälfte steht 1970 und über der rechten 2022 (hier leider abgeschnitten). In der rechten oberen Bildhälfte steht folgender Text: „1970 gab es mehr Bienen in der Natur zu sehen aber jetzt 2022 gibt es weniger zu sehen in der Natur aber nicht nur in Natur aber auch draussen.“ Durch ihren Text macht die Verfasserin nicht nur das Bienensterben in diesem Bild deutlich, sondern auch den Mangel an Naturerfahrungsräumen in ihrem Stadtteil. Ihr „draussen“ hat scheinbar nichts mit Natur zu tun hat, weil sie es klar voneinander abgrenzt.
Während es bei der oben gezeigten Vorgehensweise um gezielte ästhetische Umsetzung eines Forschungsergebnisses ging (Abnahme der Bienenpopulation), gab es auch freies, ergebnisoffenes Gestalten, wie es der Kulturellen Bildung eigen ist, d.h. ohne thematische Vorgabe. Beim Erarbeiten von Collagen aus Naturmaterial ging es rein um die Inspiration durch das Material selbst. So konnte ein Friedensbild entstehen, das dem teilnehmenden Kind in diesem Moment am Herzen lag (Abb. 7).
Die teilnehmenden Kinder haben eine Imkerin besucht und sich zweimal auf der Suche nach Bienen in der Stadt in einen fußläufig erreichbaren kleinen Stadtpark begeben. Von Woche zu Woche sind sie mehr und mehr den Bienen emotional nähergekommen. Um den Bienen etwas Futter zu geben, wurden Pflanzengestelle gebaut und Tetrapacks als Blumentöpfe für den Balkon erstellt. Als sie erfuhren, dass Bienen über spezielle Tänze kommunizieren, haben sie für die Vernissage eigenständig einen Bienentanz eingeübt.
Zwei Schwierigkeiten wurden jedoch deutlich:
Die mangelnde Erfahrung von Stadtkindern mit „wilder“ Natur aufgrund fehlender Naturerfahrungsräume: BNE-Themen umsetzen ohne reale, körperliche Naturerfahrung, ohne „das Erspüren“ von Natur mit allen Sinnen ist zu begrenzt. Hierfür muss mit den Stadtkindern „raus“ gefahren werden, was zeitlich im Schulrhythmus häufig nicht möglich ist.
Eine gelungene Balance zwischen klarer Anleitung bzw. Zielverfolgung und ergebnisoffenen Prozessen finden. Für Haug stellt dieses einen Gelingensfaktor von Kultureller Bildung im BNE Kontext dar (siehe: Marc Haug „Inspiriert durch KunstWerkZukunft: Kulturelle Bildung für nachhaltige Entwicklung“). Auch wenn bei das BNE Ziel war, die Kinder für den Schutz von Bienen zu sensibilisieren, waren ergebnisoffene Prozesse zwischendurch ganz wichtig. Denn das Projekt fiel in die Phase des beginnenden Ukrainekrieges, was die Kinder sehr beschäftigt hat und auch seinen Platz und Raum benötigte.
Praxisbeispiel: Ausstellung „Klimaschützer gesucht“ im Stadt- und Industriekulturmuseum Rüsselsheim
Für die Ausstellung „Klimaschützer gesucht“ wurde in Zusammenarbeit mit der Sophie Opel Schule eine Station der Ausstellung erarbeitet. Teilgenommen haben acht Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren aus Gymnasien sowie Real- und Hauptschulen. Das Projekt ging über ein halbes Jahr. Nach der Methode des ästhetischen Forschens hat die Gruppe zu Beginn ihre Ausgangsfragen formuliert, die sich in vier Kategorien einteilen ließen: Müll, Lebensmittel, Erderwärmung, Ernährung. Die Fragen spiegeln die Lebenswelt der Jugendlichen wider. Ihr erstes Anliegen war das Thema Müll, da sie von diesem Thema unmittelbar betroffen sind. Klimawandelfragen wie Mobilität oder Heizen standen für sie nicht im Vordergrund. Entgegen der Methode des ästhetischen Forschens hat nicht jede/r einzelne Jugendliche sich für die Recherche einer Frage verantwortlich gezeigt, sondern die ganze Gruppe hat zu allen Fragen recherchiert. Zusammengearbeitet wurde mit einer bildenden Künstlerin, verschiedenen Expert*innen wie dem Rüsselsheimer Klimamanager und einem Lehrer aus dem Bereich Theater. Während der Recherchephase suchten die Jugendlichen verschiedene Orte für ihre Recherchen auf.
- Erste Anlaufstation war das Mainufer. Hier würde Müll gezählt, aufgesammelt und fachgerecht getrennt.
- Im Supermarkt wurden die Fragen recherchiert, von wo die Lebensmittel kommen und wieviel CO2 sie für den Transport benötigen.
- Beim Thema Erderwärmung haben sich die Jugendlichen mit einer Expertin aus dem Grünflächenamt getroffen. Antworten wurden dabei auf die Fragen gesucht, wie stark sich das Klima in Rüsselsheim in den letzten 30 Jahren verändert hat und was jede/r einzelne dagegen tun kann.
- Beim Thema Ernährung war den Jugendlichen sehr schnell klar, dass Fleischkonsum äußerst schlecht für den ökologischen Fußabdruck ist. Sie stellten sich den Fragen, ob Fleisch wichtig für die Gesundheit ist und wie man Fleisch ersetzen kann. Informationen hierzu bekamen sie von einer Ernährungsberaterin. Aber auch praktische Erfahrungen konnten sie sammeln, indem sie im Burggraben um das Museum herum Kräuter gesammelt haben, die zu einem Kräuterquark verarbeitet wurden.
In den Recherchephasen wurde Wissen in Form von Zeichnungen, Fotos und durch Sammeln von Objekten zusammengetragen. Mit Unterstützung einer Künstlerin wurde an einer geeigneten Präsentationsform für die Ausstellung gearbeitet. Die Jugendlichen haben sich entschieden, aus selbst gesammelten Plastikmüll die Stadt Rüsselsheim mit realen Elementen nachzubauen und auch utopischen Momenten Raum zu geben. Das auf einer Erdscholle stehende Modell zeigt viele begrünte Häuserfassaden und phantasievolle Gebäude, in denen die Menschen gerne wohnen (Abb. 8). Gleichzeitig ist der Main mit Müll verschmutzt, genauso wie die Jugendlichen es am Müllsammeltag aufgefunden haben.
Neben dem Verarbeiten der Rechercheergebnisse im Plastikmodell wurden Zeichnungen und Fotos angefertigt, die auf einer begleitenden Ausstellungswand zu sehen waren. Beim Thema Müll ging es z.B. um den Weg des Mülls ins Meer und die Wiederverwendung von Müll (Abb. 9).
Im Projektverlauf wurden Kunstwerke professioneller Künstler*innen rezipiert, um Anregungen für die Umsetzung der eigenen Themenstellungen zu bekommen. Das Kunstwerk von Julian Charrière „Future Fossil Spaces“ hat sie zu der Zeichnung inspiriert, den Weg des Futtermittels Soja von Brasilien nach Deutschland aufzuzeigen (Abb. 10). Mithilfe dieser Zeichnung wollen sie wie Charrière zeigen, wie sich der Ort „wo wir leben“ von den Orten „von denen wir leben“ unterscheidet.
Zusätzlich haben die Jugendlichen für die Ausstellung einen Film mit Botschaften an die Ausstellungsbesucher*innen produziert: eine direkte Ansprache, um Handlungsveränderungen zu bewirken.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass in den ersten beiden Projekten bei den Kindern und Jugendlichen transformative Prozesse angestoßen wurden, aber in deutlich geringerem Ausmaß als beim dritten Projekt. Hier wurden nicht „nur“ auf der individuellen Verhaltensebene der Teilnehmenden Veränderungen beobachtet, sondern auch auf einer gesellschaftlichen, politischen Ebene. So setzen sich die beteiligten Jugendlichen seit dem Projekt verstärkt für Klimaschutz in der Schule ein. Der partizipative Projektaufbau innerhalb der Ausstellung ermöglichte eine Einflussnahme, die in die Breite stattfinden konnte.
Voraussetzung für die Entstehung nachhaltiger, transformativer Prozesse: Verlernen
Damit kulturelle Bildungsprozesse zu nachhaltigen transformativen Prozessen führen können, ist es notwendig, eigene Haltungen und Bilder zu reflektieren und naturschädliches Denken zu identifizieren. „Als transformativ wird Bildung verstanden, wenn es nicht nur um eine Erweiterung von Wissen und Fähigkeiten geht, sondern um eine grundlegende qualitative Veränderung von Selbst- und Weltbildern“ (Konzeptwerk Neue Ökonomie:o.S.). Das menschenzentrierte Denken und Handeln, das die Natur als auszubeutendes Objekt ohne Eigenwert sieht, muss verlernt werden. Aber vor dem Verlernen muss Lernen überhaupt erst als Ergebnis von hegemonialen Verhältnissen in den Blick genommen werden, muss das gelernte Wissen und Können reflektierbar werden, um sich „mitten in der Struktur der Wissensproduktion mit dem Apparat der Wertekodierung anlegen zu können“ (Sternfeld 2014:10-11).
Wo haben das heutige Denken und Verhalten historisch gesehen seine Ursprünge? Die Epoche der Aufklärung mit seiner „cartesianischen Wende“ hat wesentlich zu einer Subjekt-Objekt Trennung des Denkens beigetragen (siehe: Ernst Wagner „Zum spannungsreichen Verhältnis von BNE und Kultureller Bildung. Oder: Wie Bildnarrative unsere Einstellungen formen“). Der Dualismus von Leib/Körper und Seele/Geist wurde zentral im cartesianischen Weltbild (Abb. 11).
Seit der Aufklärung gilt Verstand/Geist als vorherrschend über die Sinne, den Körper und das Gefühl. Der Mensch wird nicht mehr als Teil der Natur begriffen, sondern erhöht sich mittels seiner Kultur, um die „wilde“ Natur zu bändigen und zu kontrollieren. Georges Louis Le Clerc war in seiner „Histoire Naturelle“ von 1764 überzeugt, dass die Natur scheußlich, gefährlich und stinkend sei. Sie müsse vom Menschen verbessert, kultiviert werden, indem Sümpfe trockengelegt, Disteln und Dornen ausgerottet und verjährte Wälder verbrannt werden, „…zwingt die lebenden Geschöpfe zu Ordnung, Unterwürfigkeit und Eintracht“ (Bätschmann 1989:8). Viele Beispiele in der Kunst zeigen sehr plastisch dieses kritische menschliche Verhalten. Das Werk „Buchsbaumanalyse“ von Oliver Gather aus dem Jahr 2017 besteht aus mehreren Aquarellen von zugestutzten, geometrischen Buchsbäumen, die er in Gärten gefunden hat (vgl. Günzel 2022:81). Das Video von Lukas Marxt „imperial valley“ ist mit einer Drohne aufgenommen und zeigt die rücksichtslose Ausbeutung der Erde durch industrielle Landwirtschaft im Anthropozän. „Das Bild der Landschaft wird dabei zu einem dystopischen Szenarium aus abstrakten geometrischen Mustern, das in der distanzierten Uniformität gleichzeitig auch die Distanz des Menschen zum Boden als einen lebendigen Organismus ausdrückt.“ (Günzel 2022:82-83). Wie aussichtslos das menschliche Verhalten auf lange Sicht ist, zeigt eindrücklich das Werk „Punishment“ von Julius von Bismarck. Ein Mensch mit einer Peitsche versucht vergeblich das Meer zu bestrafen (siehe: Ernst Wagner „Zum spannungsreichen Verhältnis von BNE und Kultureller Bildung. Oder: Wie Bildnarrative unsere Einstellungen formen“). Und er wird vermutlich selbst dabei untergehen. Rezipierte Kunstwerke können in der Kulturellen Bildung wie ein Spiegel benutzt werden, um zu zeigen, was der Mensch dringend verlernen muss.
Ökofeministinnen wie Vandana Shiva ist es zu verdanken, dass sie die kritischen Auswirkungen des aufklärerischen Gedankengutes auch in Kontexten Mann/Frau und Norden/Süden aufzeigen:
„Zuerst steht die Kolonialisierung der Natur, die zur ökologischen Krise geführt hat, zweitens die Kolonialisierung der Frauen, die das weibliche Geschlecht als minderwertig ansieht und zum Kampf der Geschlechter und zu Gewalt gegen Frauen geführt hat. Und drittens die Kolonialisierung der nicht-westlichen Kulturen, die zum »Dritte-Welt-Problem« geführt hat und sich in den Debatten im Nord-Süd-Konflikt ausdrückt.“ (Shiva 2022:o.S.)
Neu Lernen mit Hilfe Kultureller Bildung
Im vorherigen Kapitel wurde dargestellt, was der Mensch Verlernen muss, aber ist es überhaupt möglich, mächtiges Wissen einfach so hinter sich zu lassen? Sternfeld verneint das in ihrem Aufsatz „Verlernen Vermitteln“:
„Dies kann gleich zu Beginn dieses Textes aus mindestens zwei Gründen verneint werden: Erstens gibt es keinen Weg zurück, keinen Pfad hinter die Geschichte der Macht- und Gewaltverhältnisse, die für das, was wir wissen, verantwortlich sind. Und zweitens ist das mit dem Verlernen sicher nicht einfach.“ (Sternfeld 2014:10)
Dennoch erhofft sie sich eine Veränderung in kleinen Schritten.
„Verlernen löst also Gewaltgeschichten nicht auf und es kann sicherlich langwierig und mühsam aber vielversprechend werden, denn möglicherweise lassen sich mächtige Wissensformen und Handlungsmuster nicht nur analysieren, sondern eben auch in kleinen Schritten verändern.“ (Sternfeld 2014:21)
Die Kulturelle Bildung ermöglicht die Dekonstruktion von Machtverhältnissen durch die Beschäftigung und Analyse von wirkmächtigen Bildern. Auch Perspektivenwechsel, ästhetische Verfremdung und Regelbrüche sind Teil Kultureller Bildung. Wichtige Hebel, um zu einem neuen Verhältnis von Mensch und Natur zu kommen. Durch spielerische Rollenwechsel im Theater, wie der Identifikation mit dem Wesen des Baumes, können emotionale Bindungen und neue Sichtweisen entstehen. Für Wagner ist Kulturelle Bildung ein wichtiges Korrektiv von BNE und transformativer Bildung, indem dort Prozesse irritieren und Aushandlungsprozesse eingefordert werden, statt zu „richtigem“ Verhalten zu erziehen (siehe: Ernst Wagner „Zum spannungsreichen Verhältnis von BNE und Kultureller Bildung. Oder: Wie Bildnarrative unsere Einstellungen formen“). Die in Aushandlungsprozessen erlangten Erfahrungen dürften tiefgehender und nachhaltiger das Verhalten der Teilnehmenden prägen.
Damit Kulturelle Bildung transformative Prozesse auslösen kann, bedarf es auch in der Kulturellen Bildung eines „ecological turns“ (siehe: Cynthia Gavranic/ Maren Ziese „Kunstvermittlung in der ökologischen Krise“). Zum Neu Lernen kann die Kulturelle Bildung auf drei Inspirationsquellen zurückgreifen:
- Die Kunst,
- die Natur selbst und
- das Wissen bzw. das Mensch-Natur Verhältnis indigener Völker.
Gavranic und Ziese beschreiben ein Vermittlungsprojekt, in dem neue Methoden der kritischen Kunstvermittlung zum Zweck des Verlernens und Neu Lernens erprobt wurden, wie die kartierende Methode des „sich Verzeichnens“ von Miki Muhr oder die Spaziergangswissenschaft von Lucius Burkhardt (siehe: Cynthia Gavranic/Ziese „Kunstvermittlung in der ökologischen Krise). Bewusst wurde mit intergenerativen Teams aus Studierenden und Senior*innen gearbeitet, die zu diesem Zeitpunkt nicht Teil der Leistungsgesellschaft sind und somit die Machtverhältnisse von den Rändern her hinterfragen können.
In der Kunst gibt es eine lange Tradition, sich mit der Natur und ökologischen Fragen künstlerisch auseinanderzusetzen. Als Ökopioniere kann man Friedrich Hundertwasser und Joseph Beuys bezeichnen, aber auch LandArt-Künstler*innen gehören dazu. Der Philosoph Bruno Latour zeigt auf, für wie wichtig er die Kunst hält:
„Es sind die Künste, die in der Lage sind, die „Intrusion of Gaia“ begreiflich zu machen, da die Wissenschaften trotz ihrer Sammlung von Daten und Berechnung von Szenarien ökologische Veränderungen nur unzureichend vermitteln können.“ (Trummer 2022:191)
In der zeitgenössischen Kunst sind fruchtbare, beeindruckende und eindrückliche Ansätze in der Environmental Art zu finden.
- Die Künstlerin Agnes Denes mit „ Tree Mountain - A Living Time Capsule-11,000 Trees, 11,000 People, 400 Years“ von 1992 bis 1996 ist hier zu nennen. Der spitz zulaufende Berg besteht aus hunderten winzigen Dreiecken, die eine dreidimensionale Spirale bilden und als Modell eines in Finnland umgesetzten Pflanzungsprojektes fungieren. Den langen Prozess des Zeichnens vergleicht sie mit dem langen Wachstumsprozess von Bäumen (vgl. Weiss 2022:183). Diese empfundene Langsamkeit eines detaillierten Zeichenaktes bietet die Möglichkeit, einerseits der Entschleunigung und andererseits eine emotionale Bindung mit dem gezeichneten Objekt aufzubauen. Ein aktuelles Beispiel stellt die begehbare Erdinstallation auf der 2022er Biennale in Venedig von Delcy Morelos „Earthly Paradise“ dar. Die Rauminstallation ist durch schmale Gänge, die rechts und links mit Erde aufgefüllt sind, begehbar (vgl. Günzel 2022:67). Die Installation wird quasi aus der Wurmperspektive betrachtet. So fühlt es sich an, wenn der Mensch wie ein Erdwesen in die Natur eingebettet ist.
- Eine Kunstausstellung zu ökologischen Fragen der Zeit wurde 2020/2021 im Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) mit dem Titel „Critical Zones“ in Karlsruhe gezeigt. Die kritische Zone ist ein Begriff, der von Geowissenschaftler*innen geprägt wurde und verschiedene naturwissenschaftliche Disziplinen verbindet. Es handelt sich dabei um die dünne Schicht im Vergleich zum Ausmaß der gesamten Erde, die sich einmal rund um den Globus spannt und in der alles Leben stattfindet. Kunstwerke der Ausstellung zeigten, wie der Mensch seine zerstörerische Kraft einsetzt, so dass der Gesundheitszustand der „critical zone“ mittlerweile dem Stadium der „Intensivbehandlung“ gleichkommt. Gleichzeitig wurden Wege zu einem neuen Mensch-Natur Verhältnis aufgezeigt. Im begleitenden „fieldbooks“ formulierte die Biologin und Symbioseforscherin Lynn Margulis: „Stell dir vor, dass wir alle Teil eines Riesen-Großen, uralten Ganzen sind.“ (ZKM 2020:o.S.)
Dieses mit dem Begriff „Gaia“ bezeichnete Konzept impliziert ein neues Verständnis des Mensch-Natur-Verhältnisses. Der Mensch befindet sich als Teil des Ökosystems mitten drinnen in einem System von Abhängigkeiten und engen Vernetzung mit anderen Lebewesen und der Umwelt. Margulis stellt das darwinistische Evolutionsprinzip in Frage: „… evolutionärer Erfolg nicht primär über den Konkurrenzkampf von Individuen einstellt, sondern durch die Kooperationsstrategie symbiotischer Gemeinschaften“ (Margulis 2017:18).
- Eine weitere Möglichkeit des Neu Lernens neben der Rezeption von Kunst, besteht für die Kulturelle Bildung in der direkten ästhetischen Erkundung der Natur. Das hat z.B. die Autorin und Künstlerin Miek Zwamborn Algen untersucht und dazu Aquarelle und einen Text geschaffen (Ausstellung „anmut ist eine frage der strömung“ im Neuen Kunsthaus Ahrenshoop 2022). Es wird sehr deutlich, dass es die Alge nur im Wir, in der Gemeinschaft gibt, wie es der folgende Textauszug aus dem Text „untermeerisch“ verdeutlicht: „Wir sind üppig und überall, schwingen lose, wir kennen kein Ich, wir sind immer Wir, nicht Schwarm, Rudel oder Schar, aber stets viele, zahlreich und zahllos, unzählig verstreut, wir verbünden uns, innig verstrickt oder einzeln wogend in Wäldern voller vliesiger Finger…“ (Zwamborn 2022)
Mehr von diesem Wir-Gefühl benötigen Menschen, um die komplexen, großen Probleme gemeinsam anzugehen. Von Natur lernen – heißt auch einen Perspektivenwechsel zu vollziehen und sich in Bäume, Gestein, Erde, Bakterien, Pilze und Flechten hineinzuversetzen, die alle in der Lage sind, Nährstoffe auszutauschen, um ihr Überleben zu garantieren.
Von der Natur lernen heißt auch, sich an ihren Wiederverwendungskreisläufen zu orientieren. Die Natur kennt keinen zu entsorgenden Müll. Der Abfall des einen ist Nahrung des Anderen. Cradle to Cradle Konzepte nehmen diese Idee auf. In der Kulturellen Bildung wird diese Idee in zahlreichen upcycling-Angeboten ausprobiert: Aus Tetrapacktüten werden Taschen, aus Fahrradschläuchen Schlüsselanhänger, aus bemaltem Papier Blumentöpfe.
Eine dritte Inspirationsquelle für die Kulturelle Bildung könnte die Bezugnahme auf indigenes Wissen und indigene Bilder sein. „Becoming indigenous“ hat der Ethnologe James Clifford dieses Konzept genannt (Kopp-Oberstebrink 2022:126). So hatten z.B. die Mayas eine „Cosmovision“ des Zusammenlebens, die die Verwobenheit aller Lebewesen in Zeichnungen zeigt. Der kolumbianische Künstler Abel Rodriguez stammt aus einer indigenen Gemeinschaft des Amazonas. Er befasst sich mit dem Regenwald und versucht, das ursprünglich mündlich tradierte Wissen seiner Gemeinschaft im Medium Bild festzuhalten (Kopp-Oberstebrink 2022:133).
Zukunft
Die Beispiele zeigen, welches Potential Kulturelle Bildung für BNE und transformative Prozesse haben kann. Dabei muss jedoch eine gelungene Balance zwischen beiden Konzepten jedes Mal neu gefunden werden. Ergebnisoffene Momente sollten immer wieder hergestellt werden, um Aushandlungs- und Entwicklungsprozesse zuzulassen. So kann sich Kulturelle Bildung der Aufgabe annehmen, durch eine dynamische Suchbewegung „neue“ Bilder und andere Narrative zu kreieren, die ein verändertes Mensch-Natur-Verhältnis im Sinne des Gaia-Konzeptes ausdrücken. Dabei kann Kulturelle Bildung auf viele berührende, sensibilisierende Werke u.a. der Bildenden Kunst zurückgreifen. Zeitgenössische Künstler*innen arbeiten verstärkt interdisziplinär mit Wissenschaft zusammen und können anschauliche Brücken zu den vielen, komplexen ökologischen Themen bauen. Kulturelle Bildung bietet die Möglichkeit altes, für die Erde schädliches Verhalten zu verlernen, durch die Möglichkeit wirkmächtige Bilder zu dekonstruieren und Perspektiven für ein neues, gesünderes Mensch-Natur-Verhältnis zu entwickeln. Dadurch können transformative Prozesse ausgelöst werden, die weit über die individuelle Ebene hinaus in gesellschaftliche Transformationen führen können.