Politische Bildung in der Kulturellen Jugendbildung
Abstract
Songtexte schreiben über aktuelle Themen, die eigene Meinung auf die Bühne bringen, einem Konflikt im Stadtteil filmend auf den Grund gehen – Praxisbeispiele dafür, dass es eine Schnittmenge zwischen Kultureller und Politischer Jugendbildung gibt, lassen sich viele finden. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern Kulturelle Jugendbildung auch politisch bildend wirkt – oder wirken kann. Beinhaltet das fachliche Selbstverständnis des Handlungsfeldes auch die Verantwortung für politische Bildungsprozesse junger Menschen? Und wenn ja – worin liegt der spezifische Beitrag der Kulturellen Jugendbildung? Welche Herausforderungen und Entwicklungsbedarfe können identifiziert werden. Und schließlich: Worin unterscheidet sich die Kulturelle von der Politischen Bildung?
Junge Menschen beschäftigen sich täglich mit kulturellen und künstlerischen Produkten und Aktivitäten. Kunst und Kultur gehören zu unserem Alltag. Wir bringen mit kulturellen Ausdrucksformen uns selbst und unser Lebensgefühl zum Ausdruck. Das Praxisfeld der Kulturellen Jugendbildung hält Angebote für alle Altersgruppen bereit: Workshops, Kurse und zeitlich befristete Projekte oder auch internationale Begegnungen, bei denen gemeinsam etwas künstlerisch erarbeitet oder untersucht wird. Genutzt werden dabei verschiedenste künstlerische Sparten und kulturelle Ausdrucksformen: Musik und Rhythmik, Theater und Tanz, Spiel und Zirkus, bildende Kunst, Design und Architektur, Kunst mit digitalen Medien, Computerspiele, Fotografie, Film, Erzählkunst, kreatives Schreiben und Literatur.
Wo findet die Praxis statt?
Dementsprechend vielfältig sind die Orte und die Trägerstrukturen der Kulturellen Jugendbildung. Da gibt es Institutionen mit eigenen Räumen, wie zum Beispiel Musikschulen, Jugendkunstschulen, Medienwerkstätten, Kinder- und Jugendzirkusse, und natürlich die Angebote von Museen, Theatern, Bibliotheken, Opern- und Konzerthäusern. Ein großer Teil des Angebots wird jedoch organisiert durch Vereine und Initiativen, oft auch im öffentlichen Raum, in Einrichtungen der Jugendarbeit, gemeinsam mit sozialräumlichen Partnern und in Schulen.
Kulturelle Jugendbildung – was ist das eigentlich?
Wenn Bildung die Fähigkeit der einzelnen Person ausmacht, sich in der Welt zurechtzufinden, das eigene Leben zu gestalten und soziales Leben mit anderen zu verantworten, dann ist Kulturelle Bildung die Art und Weise, dieses mittels der unterschiedlichen Künste und kulturellen Ausdrucksmöglichkeiten bzw. mithilfe des Spiels zu tun. Kulturelle Bildung bezeichnet den ästhetisch-künstlerischen Prozess, sich lernend, handelnd und verändernd mit dieser Welt auseinanderzusetzen. Die oben genannten Ausdrucksformen sind dabei Kommunikations- und Gestaltungsmittel, die Welt als Ausdruck menschlicher Kultur wahrzunehmen, sie mit kreativer und sozialer Fantasie neu zu deuten, sie sinnlich-konkret zu begreifen und zu verändern (siehe: Tom Braun/ Brigitte Schorn „Ästhetisch-kulturelles Lernen und kulturpädagogische Bildungspraxis" und Vanessa-Isabell Reinwand-Weiss „Künstlerische Bildung – Ästhetische Bildung – Kulturelle Bildung).
Gesellschaftspolitische Verantwortung und Subjektorientierung
Eine Qualität Kultureller Jugendbildung in Hinsicht auf politische Bildungsprozesse liegt darin, dass die Praxis die Auseinandersetzung sucht: mit der individuellen und der globalen Lebensumwelt und mit Themen, die junge Menschen beschäftigen. Eines ihrer wichtigsten Ziele ist die Befähigung junger Menschen, sich in unterschiedlichen Lebenswelten zu behaupten, mit der Komplexität globaler Zusammenhänge und mit Widersprüchen konstruktiv umgehen zu lernen und ein individuelles Lebenskonzept zu entwickeln. Der Praxis liegt ein kritisch-emanzipatorisches Bildungsverständnis zugrunde, das auf die Entwicklung eines „starken Subjekts“ gerichtet ist. Eng damit verbunden ist das Verständnis kultureller Bildung als Selbst-Bildung auch im Sinne von Selbstaneignung. Dabei geht es darum, sich zunächst der Tatsache bewusst zu werden, dass und in welchem Maße die eigene Identität von sozialen und kulturellen Einflüssen geprägt ist. In einem Kulturellen Bildungsprozess verharrt das Subjekt jedoch nicht bei dieser Erkenntnis. Die spezifische Dynamik, die mittels künstlerischer und kultureller Prozesse ermöglicht wird, besteht darin, sich zu dieser Prägung aktiv zu verhalten. Und dies beinhaltet eben auch Widerständigkeit, abweichende Identitätsentwürfe jenseits des Gewohnten zu ermöglichen und zu unterstützen (vgl. Braun 2015: 292–293).
Gesellschaftspolitische Verantwortung und Subjektorientierung bilden also zentrale Grundlagen des Selbstverständnisses der Akteure im Handlungsfeld. Kulturelle Jugendbildung versteht sich als gesellschaftspolitische Bildung. Damit wird deutlich, dass Kulturelle Jugendbildung von ihren Zielen und ihrem Selbstverständnis her an ein weites Verständnis Politischer Bildung anschlussfähig ist. Damit ist ein Verständnis gemeint, das auf die Entwicklung von politischer Urteilskraft und Handlungsfähigkeit abzielt, das Zusammenhänge von Individuum und Gesellschaft sowie Mechanismen von Entscheidungsprozessen und Macht verdeutlicht (vgl. Becker 2009), um Mitgestaltung zu ermöglichen. Politische Bildung in der Kulturellen Jugendbildung ist damit weit mehr als Demokratieerziehung oder die Vermittlung von Kenntnissen über politische Strukturen und Prozesse. Sie verortet sich im Kontext von Mitbestimmung, Mitgestaltung, Partizipation und politischem Handeln.
Persönlichkeitsentwicklung im Fokus
Als Handlungsfeld der Jugendarbeit zielt die Kulturelle Jugendbildung auf die Unterstützung junger Menschen bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung, d. h. bei der Entwicklung zu eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten. Konkret heißt das für die Träger, dass ihre Angebote und Praxisformate dazu beitragen sollen, Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale junger Menschen zu stärken, die Voraussetzungen dafür sind, an gesellschaftlichen und politischen Diskursen und Entscheidungsprozessen teilzunehmen und diese wirkungsvoll mitzugestalten. Auf der Grundlage der Prinzipien der Jugendarbeit, wie etwa Freiwilligkeit, Stärken- und Interessenorientierung, Fehlerfreundlichkeit und Partizipation, stehen die Ziele Mündigkeit, Empowerment und Selbstermächtigung zentral auf der Agenda. Mit künstlerischen Auseinandersetzungen, anknüpfend an Interessen, Erfahrungen und Lebenswelten von Jugendlichen, liegt die Chance darin, dass diese die Zusammenhänge zwischen der eigenen Lebenssituation und den gesellschaftlichen Bedingungen ganz praktisch erfahren und begreifen. Das ist die Grundlage von Handlungsfähigkeit und Mitgestaltung. Worin jedoch liegen die spezifischen Potenziale einer kulturellen Auseinandersetzung mit diesen Zusammenhängen? Um sich selbst in seiner Lebenswelt verorten zu können, um Positionen oder Prozesse verstehen, beurteilen und in einen bedeutsamen Kontext einordnen zu können, nutzt das Subjekt die kulturelle Praxis der es umgebenden Lebensgemeinschaft. Dazu gilt es, die Codes und Bedeutungen dieser Praxen „lesen“ und anwenden zu können – sie sich anzueignen.
Spezifische Formen der Selbst-und Weltaneignung in der Kulturellen Bildung
Kulturelle Bildung ist Persönlichkeitsbildung mit und in den Künsten, mit kulturellen Ausdrucksformen und im Spiel. Sie ist zugleich eine Voraussetzung für kulturelle Teilhabe und Bestandteil von Allgemeinbildung. Die Angebote der Kulturellen Jugendbildung sind insofern bedeutsam für die politische Bildung Jugendlicher, als sie eine spezifische Form der Selbst- und Weltaneignung ermöglichen. Selbst- und Weltaneignung ist Voraussetzung für politische Urteils- und Handlungsfähigkeit. Künstlerische Prozesse und Ausdrucksformen können Wege eröffnen, sich die Welt auf eine besondere Weise zu erschließen und anzueignen, sich mit widersprüchlichen Fragen und Erlebnissen individuell und gemeinsam mit anderen auseinanderzusetzen. Dabei geht es um eine spielerische, lustvolle und von Neugier geprägte – oft auch ironische – Auseinandersetzung mit dem Unbekannten, aber auch mit dem subjektiv Erlebten, mit eigenen Gedanken und Gefühlen. Auf künstlerischem Wege können junge Menschen sich auf einer anderen Ebene mit ihrer Lebenswelt oder auch mit für sie bedeutsamen Fragen auseinandersetzen und zum Ausdruck bringen, wofür vielleicht sonst die Worte fehlen. Sie beziehen Position und lernen, diese mit anderen zu verhandeln.
Wie bereits betont, ist dafür aus Sicht der Akteure Kultureller Jugendbildung die Qualität selbst gesteuerter Bildungsprozesse zentral. Sie gestalten Settings, Räume und Rahmen, die zugleich Freiräume sind, in denen junge Menschen aktiv und selbstbestimmt Aneignungsprozesse vollziehen. Daher liegt die Verantwortung der Träger Kultureller Bildung darin, Möglichkeiten zu schaffen, die subjektive und institutionelle Verhandlungs- und Veränderungsperspektiven erschließen. Der erste Schritt zur Veränderung (im Sinne sozialer und politischer Mitgestaltung und Teilhabe) bildet die Reflexion des Wahrgenommenen. Im Falle Kultureller Bildung also die bewusste Reflexion einer ästhetisch-sinnlichen Erfahrung im Sinne einer Beurteilung und Einordnung. Eine eigentümliche Qualität, dies im Medium der Künste bzw. im Spiel zu tun, besteht darin, dass die Auseinandersetzung der wahrnehmenden Bezüge sowohl intensiviert wird und zugleich eine Distanzierung von ihnen stattfindet (vgl. Braun 2015: 294). Dies widerspricht übrigens der oft geäußerten Vermutung, Kulturelle Bildung sei im Vergleich zur der dem Neutralitätsgebot folgenden Politischen Bildung einseitig „emotional-sinnlich“.
In der Auseinandersetzung im Medium der Künste oder im Spiel geht es darum, sich ein Bild von sich und der Welt zu machen, zum Beobachter oder zur Beobachterin seiner bzw. ihrer selbst zu werden. Dieser Abstand kann es ermöglichen, die eigene Lebenssituation als zu bewältigende und gestaltbare zu erkennen. Die ästhetische Erfahrung umfasst, dass das WIE des eigenen Wahrnehmens und Handelns reflektiert wird.
Charakteristisch für künstlerische Prozesse ist zudem das Prinzip des Perspektivwechsels, die Betrachtung von Dingen aus einer neuen Perspektive. Erfahren werden kann ein produktiver Umgang mit Widersprüchen, eine konstruktive Auseinandersetzung mit verschiedenen Sichtweisen. In einer künstlerischen Auseinandersetzung sowie im Spiel lässt sich Dissens verdeutlichen und darstellen, ohne dass es zum destruktiven Machtkampf kommen muss. In den ergebnisoffenen Handlungsräumen der Kulturellen Bildung wird ein Umgang mit Spannungsfeldern erprobt in einer Form, die nicht Ohnmacht auslöst, sondern einen Umgang damit ermöglicht. Dies kann auch eine Voraussetzung sein, um Fremdbestimmung überhaupt erst wahrzunehmen, ihre Funktionsweise zu durchschauen und schließlich einen Weg zur Selbst- und Mitbestimmung zu finden. „Politische kulturelle Bildung nimmt die vielfältigen Arten und Weisen, sich mit kulturellen Mitteln als Subjekt zu entwerfen, ernst“, sagt Thomas Krüger über den Zusammenhang von Politischer und Kultureller Bildung (Krüger 2011: 6).
Irritationen und Ereignishaftigkeit
Konstitutiv und auch spezifisch sind für diesen Prozess Kontrast- und Grenzerfahrungen sowie auch Irritationen. In der Praxis wird das Potenzial ungewöhnlicher Orte und Settings bzw. Zusammenstellungen von Themen, Materialien und Menschen genutzt. Ereignishaftigkeit bildet ein weiteres charakteristisches Merkmal. Gemeint ist die Inszenierung eines Ereignisses im Sinne einer Ausnahme vom Alltag. Ein Erlebnis, das berührt, das spielerische und auch polarisierende Elemente enthält. Kulturelle Bildung will Raum schaffen für Ungeplantes, Überraschendes.
Politisch bildend wirken diese Erfahrungen freilich nur dann, wenn – wie oben beschrieben – ein Abstandnehmen und Einordnen im Sinne einer Reflexion erfolgt. Ist diese Voraussetzung gegeben, dann kann die Praxis Kultureller Bildung Jugendlichen verdeutlichen, dass vermeintlich individuelle Herausforderungen eine politische Dimension haben. In der künstlerischen Auseinandersetzung bzw. mit kulturellen Ausdrucksformen gelingt es, eine Brücke zu schlagen und persönliche Themen und Problematiken in einen gesellschaftlichen und politischen Kontext einzubetten.
Erfahrungen von Selbstwirksamkeit ermöglichen Handlungsfähigkeit
Auch wenn im Feld der Kulturellen Jugendbildung künstlerische Produkte bzw. Produktionen entstehen, die öffentlich gezeigt werden, liegt ein wesentlicher Fokus auf Prozessen. In Verbindung mit einem Selbstverständnis, das Partizipation zur Grundlage macht, bietet die Praxis Erfahrungsmöglichkeiten, die Jugendliche in ihrer Handlungsfähigkeit und ihrer Selbstpositionierung stärken können. Zentral dafür ist die Erfahrung von Selbstwirksamkeit. Die eigene Idee gemeinsam mit vielen anderen in einem anstrengenden Prozess am Ende doch noch auf die Bühne zu bringen, allen Krisen zum Trotz – dies kann eine prägende Erfahrung sein.
In Bezug auf politische Bildungsprozesse geht es in der Kulturellen Bildung darum, Räume zu schaffen und Erfahrungen zu ermöglichen, sich Politik als gesellschaftliches Handlungsfeld anzueignen. In diesen „Räumen“ haben Jugendliche die Gelegenheit, ihren persönlichen Standpunkt und Ausdruck zu finden, zu verändern und zu artikulieren, auch damit zu spielen und Verschiedenes zu erproben. Projekte und Angebote Kultureller Bildung sind wie Labore mit Ernstfallcharakter – oder auch ernsthafte Situationen, die einen spielerisch-experimentellen Grundton beinhalten. Zugleich bieten sie öffentliche Foren und Bühnen. Jugendlichen wird die Erfahrung ermöglicht, dass ihre Meinung und Perspektive ernst genommen wird, dass sie gefragt, wertvoll und wichtig ist. Auch dies bildet eine Voraussetzung für politische Handlungsfähigkeit. Dies wird möglich, wenn sich die Angebote an den Stärken (und nicht den Defiziten) der jungen Menschen ausrichten. Diese sollen sich als Akteur*innen, nicht als Teilnehmer*innen erfahren, so der Anspruch. Alternativen gesellschaftlicher Zukunftsentwicklung können entworfen werden, spielerisch und zugleich ernsthaft erprobt und zur Diskussion gestellt werden.
Politische Bildungsprozesse junger Menschen werden in der Praxis Kultureller Jugendbildung insbesondere dann gestärkt, wenn sie gesellschaftspolitische Fragen aufgreift, die Kinder und Jugendliche beschäftigen, wenn persönliche Themen in einem Kulturprojekt in einen erkennbaren Zusammenhang zum politischen Gemeinwesen gestellt und öffentlich zum Ausdruck gebracht werden. Dafür muss die Praxis Relevanz herstellen: indem sie von einem konkreten Anlass, Konflikt oder einer konkreten Frage ausgeht, die für die Beteiligten zentral bedeutsam ist.
Ausblick: Was zukünftig (stärker) gebraucht wird
Kulturelle Bildungspraxis leistet einen spezifischen Beitrag zur politischen Bildung junger Menschen. Denn politische Bildung in der Praxis Kultureller Jugendbildung hat spezifische Potenziale und Wirkungen, die im Kern mit den Charakteristika ihres Gegenstandes (Kunst, Kultur, kulturelle Ausdrucksformen, Spiel) und ihren (vielfältigen und ergebnisoffenen) Umgangsweisen damit zusammenhängen. Dies bedeutet, dass sie nicht einfach durch einen anderen Bildungsbereich in gleicher Weise adaptiert werden können. Wenn im Rahmen Politischer Bildung Methoden Kultureller Bildung angewandt werden, wird daraus nicht automatisch Kulturelle Bildung – und umgekehrt.
Ich würde die These wagen, dass es den Akteuren im Feld der Kulturellen Bildung stärker um die politische Dimension Kultureller Bildung geht, als darum, gezielt Politische Bildung betreiben zu wollen. Sie haben den Anspruch, gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Institutionen, in denen sich Jugendliche über sich selbst und die Welt verständigen, kritisch zu hinterfragen und auch zu prüfen, inwiefern Kulturelle Bildung zur Veränderung des Vorhandenen beitragen kann, sofern es den Bedürfnissen und Rechten junger Menschen nicht gerecht wird (vgl. Braun 2015: 293). Dahinter steht ein Selbstverständnis als politischer Akteur, der anwaltschaftlich für Beteiligungs- und Mitgestaltungsrechte junger Menschen eintritt.
Alle Akteure der Gesellschaft und so auch die der Kulturellen Bildung sind gefordert, „Handlungen Jugendlicher, mit denen sie sich in kritischer, verändernder, gestaltender Absicht auf das Gemeinwesen beziehen, stärker als politisches Handeln anzuerkennen und zu unterstützen“ – wie es im 15. Kinder- und Jugendbericht heißt (BMFSFJ 2017: 230). Insbesondere die Kulturelle Jugendbildung hat durch ihren Gegenstand das Potenzial, innovative und kreative Formen des Politischen zu stärken und jungen Menschen positive Engagement- und Mitwirkungserfahrungen zu ermöglichen.
Zugleich müssen sowohl die Kulturelle Jugendbildung als auch die anderen Handlungsfelder der Jugendarbeit kritisch reflektieren, wie die eigene Praxis politisch diskutiert und auch instrumentalisiert wird (vgl. Fuchs 2017: 10). Wir befinden uns nicht jenseits sozialer und politischer Diskurse, sondern sind Teil davon. Dies betrifft etwa Stichworte wie Bildungsdruck, Kreativitätsdispositiv und Selbstoptimierung (vgl. hierzu Witt 2012). Das Handlungsfeld der Kulturellen Bildung stellt sich zudem derzeit einem Weiterentwicklungsprozess in Hinsicht auf Inklusion, Teilhabe und Zugänge, der dringend nötig ist (vgl. Hübner et al. 2017). Denn nicht nur Selbstermächtigung und Partizipation werden durch Kulturelle Bildung gefördert, sondern auch gesellschaftliche Distinktionsprozesse (siehe: Kirsten Witt „Mein Haus, mein Auto, mein Geigenunterricht“ – Distinktionspotenziale Kultureller Bildung. Ein Tabuthema und wie wir trotzdem gute Bildungsarbeit machen können). Deshalb gehört es zur Aufgabe auch der Kulturellen Jugendbildung, Normsetzungen und Konstruktionen sichtbar zu machen, sie kritisch infrage zu stellen und das Recht auf den Eigensinn junger Menschen anzuerkennen. Dem Konzept Kultureller Bildung als Allgemeinbildung ist der Anspruch immanent, kulturelle Bildung für alle zu wollen. Das bedeutet in der Umsetzung, sowohl auf die Chancengleichheit im Zugang zu achten als auch die chancengleiche Entfaltung je eigener kultureller Bedürfnisse zu respektieren. Dazu gehört auch eine kritische Selbstreflexion der eigenen Privilegien und Machtposition sowie die Frage, wie (vielleicht ungewollt) Menschen ausgeschlossen und unsichtbar gemacht werden. Kulturelle Bildung als Selbst-Bildung stellt zudem immer auch die Frage nach der Pädagogisierung von Räumen bzw. nach der Durchdringung von jugendlichen Freiräumen durch Erwachsene.
Eine eigene Definition politischer Bildung in der Kulturellen Bildung scheint aus den genannten Gründen schwierig bzw. wenig zielführend. Daher hat dieser Beitrag gefragt: Wo wirkt ihre Praxis auch politisch bildend und worin besteht das Selbstverständnis der Träger als gesellschaftspolitische Akteure? Dieses zeigt sich nicht zuletzt darin, dass die Fachstrukturen ebenso wie die Träger Kultureller Bildung ihre Praxis an gesellschaftspolitischen Herausforderungen ausrichten und Position beziehen für Kinder- und Jugendrechte und Menschenrechte, für Bildungsgerechtigkeit, Diversität und Inklusion.