Der Mixed Abled Dance (MAD) im Spiegel der aktuellen wissenschaftlichen Forschung
Abstract
„Der Mixed Abled Dance (MAD) hat sich als „neue Avantgarde“ (Evans 2016) in der aktuellen zeitgenössischen Tanzszene fest etabliert und bereichert diese durch bewegungsästhetische Innovationen und kreative Kooperations- und Kommunikationsformen. Dadurch leistet der MAD nicht nur für die Künste, sondern auch für die Tanzvermittlung und insbesondere für die Umsetzung von Inklusion in der Gesellschaft insgesamt einen wichtigen Beitrag. Inzwischen hat sich eine breite Forschungslandschaft rund um den MAD entwickelt. Der vorliegende Beitrag möchte eine Orientierung über die recht heterogene Forschungslandschaft auf dem Gebiet des MAD geben und weitere Forschung anregen. Mittels eines Scoping Reviews und inhaltsanalytischer Auswertung werden elf abgrenzbare Themenfelder identifiziert und im Beitrag näher beschrieben. Abschließend werden Anregungen sowohl für weitere Forschungsbedarfe als auch für das forschungsmethodische Vorgehen bei systematischen Literaturreviews auf dem Gebiet des MAD formuliert.
Einleitung
Der Mixed Abled Dance (MAD) hat sich als „neue Avantgarde“ (Evans 2016) in der aktuellen zeitgenössischen Tanzszene fest etabliert und bereichert diese durch bewegungsästhetische Innovationen und kreative Kooperations- und Kommunikationsformen. Dadurch leistet der MAD nicht nur für die Künste, sondern auch für die Tanzvermittlung und insbesondere für die Umsetzung von Inklusion in der Gesellschaft insgesamt einen wichtigen Beitrag. Inzwischen hat sich eine breite Forschungslandschaft entwickelt, die sich mit dem MAD als Forschungsgegenstand auseinandersetzt. Der vorliegende Beitrag möchte eine Orientierung über die recht heterogene Forschungslandschaft auf dem Gebiet des MAD geben, abgrenzbare Themenfelder herausarbeiten und weitere Forschung anregen. Das hierzu gewählte methodische Vorgehen entspricht dem Scoping Review, welches sich besonders bei Forschungsgebieten mit einer stark heterogenen bzw. komplexen Problematik eignet, wie es auch beim MAD der Fall ist (Arksey/O’Malley 2005; von Elm/Schreiber/Haupt 2019; Mayer/Raphaelis/Kobleder 2021).
Das hier dargestellte Literaturreview basiert auf drei Vorarbeiten: Quinten/Schwiertz publizierten ein narratives Review zum empirischen Forschungsstand auf dem Gebiet des MAD in der Zeitschrift Inklusion-online.net (2014), in welchem neun empirische Studien besprochen wurden. Im Jahr 2017 führte das Fachgebiet Musik und Bewegung in Rehabilitation und Pädagogik bei Behinderung an der TU Dortmund in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Tanzforschung gtf das Symposium Tanz-Diversität-Inklusion durch. Ziel war es, die Publikation von Forschungsbeiträgen zum Themenkreis Tanz, Diversität und Inklusion zu fördern. Es wurden zahlreiche Beiträge gesammelt, die Tanz aus der Perspektive von Behinderung, Gender oder Migrationshintergrund betrachten (Quinten/Rosenberg 2018). Schließlich wurden im Rahmen des von ERASMUS+ geförderten inklusiven künstlerischen Projektes CREABILITY (Quinten/Reuter/Almpanis 2021) zahlreiche aktuellere Studien (Recherchezeitraum 2019) zum MAD gefunden und teilweise die Volltexte organisiert.
Ausschnitte und erste Ergebnisse des hier vorliegenden systematischen Reviews wurden im Februar 2022 auf der Online-Tagung Forschungslabor Mixed Abled Dance 22 an der TU Dortmund einem breiteren Fachpublikum vorgestellt und diskutiert (TU Dortmund 2023).
Methodisches Vorgehen bei der Literaturrecherche
Primäres Ziel dieses Reviews ist es, einen Überblick über die wissenschaftliche Forschungslandschaft auf dem Gebiet des MAD zu geben und konzeptionell abgrenzbare Themenfelder zu identifizieren. Das ermöglicht in einem weiteren Schritt, Forschungstrends und Forschungslücken zu identifizieren und weitere Forschungsaktivitäten anzuregen. Aus diesem Grund wurde die Methode des Scoping Reviews ausgewählt. Im Unterschied zu klassischen systematischen Übersichtsarbeiten wird die methodische Qualität der eingeschlossenen Forschungsarbeiten nicht bewertet, da es vor allem auf die Erfassung der überhaupt vorhandenen Forschungsliteratur ankommt (Mayer et al. 2021; von Elm et al. 2019).
Die vorliegende Untersuchung orientiert sich an den für Scoping Reviews adaptierten PRISMA-Statements (PRISMA-ScR) (Mayer et al. 2021). Diese sehen u.a. vor, dass zuerst der Gegenstand definiert und leitende Fragestellungen formuliert werden. Entsprechend wurde im vorliegenden Review der Forschungsgegenstand Mixed Abled Dance definiert, und zwar als das gemeinsame Tanzen von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung sowie das gemeinsame Tanzen von Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungsformen. Die leitende Fragestellung lautet: Welche Forschungsthemen mit Bezug zum Mixed Abled Dance lassen sich identifizieren und wie können diese kategorisiert werden? Sie wurde absichtlich eher offengehalten, um einen möglichst breiten Einblick in die Forschungslandschaft zu erhalten.
Die Qualität eines Scoping Reviews wird vor allem über große Sorgfalt bei der Recherche sowie beim Ein- und Ausschließen von Literatur gewährleistet (Mayer et al. 2021). In dem vorliegenden Review erfolgte die Beurteilung über Ein- oder Ausschluss über das Vier-Augen-Prinzip. Konnte die Entscheidung darüber nicht zweifelsfrei getroffen werden, dann wurden die jeweiligen Fälle im Team diskutiert und eine Entscheidung gemeinsam getroffen. Die Vorgehensweise bei der Literaturrecherche erfolgte in vier Schritten:
- Formulierung der Suchwörter und Auswahl der Suchhilfen
Es wurde festgelegt, dass alle Suchbegriffe deutsch- und englischsprachig formuliert werden. Zur Entwicklung geeigneter Suchwörter wurde die Fragestellung in die beiden Komponenten Tanz bzw. Dance sowie Behinderung und Beeinträchtigung bzw. Disability und Impairment zerlegt. Weiterhin wurde mit einem Synonym von Mixed Abled Dance (inklusiver Tanz bzw. inclusive dance) sowie mit der deutschen Übersetzung fähigkeitsgemischter Tanz gesucht. Im weiteren Verlauf der Recherchearbeiten erwies es sich als sinnvoll, mit zwei unterschiedlichen Schreibweisen – Mixed Abled Dance und Mixed-abled Dance – zu recherchieren. Gesucht wurde in den elektronischen Fachdatenbanken APA PsycArticles, APA PsycInfo, ERIC, Educational Sources, FIS Bildung, Psyndex, Web of Science Core Collection sowie in der Internetsuchmaschine Google scholar. Ergänzend wurde in sämtlichen Jahrbüchern der Gesellschaft für Tanzforschung gtf (bis 2021) per Hand gesucht und die Ergebnisse der oben geschilderten Vorarbeiten mit einbezogen.
- Suchstrategie
Für die Recherche wurden die Suchwörter teilweise mit Booleschen Operatoren kombiniert. Beispielsweise wurden die Operatoren AND und NOT bei Dance AND Disability NOT Therapy NOT Physical Education verwendet, um Treffer aus den Feldern Therapie oder Sport auszuschließen. Um sicherzustellen, dass bei den Suchwörtern Mixed Abled Dance, Inclusive Dance, Fähigkeitsgemischter Tanz die Komponenten nicht einzeln, sondern als jeweils feststehende Phrase gesucht werden, wurden diese in Anführungszeichen gesetzt (Phrasensuche, vgl. Mayer et al. 2021). Treffer aus den Vorarbeiten sowie ausgewählte Titel aus Netzwerk-Informationen (z.B. durch den Besuch von Tagungen oder eigene Herausgeberschaften) wurden mit aufgenommen. Aus ökonomischen Gründen wurde – bis auf eine Ausnahme (Dinold 2001, aufgeführt im Literaturverzeichnis von Dinold 2012) – kein systematisches citation tracking durchgeführt.
- Formulierung von Ein- und Ausschlusskriterien
Wie üblich wurden Ein- und Ausschlusskriterien festgelegt, die im Verlauf der Recherche ggf. erweitert bzw. spezifiziert wurden. Eingeschlossen wurden Treffer, die einen Themenbezug zu Menschen mit und ohne Beeinträchtigung bzw. unterschiedlichen Beeinträchtigungen aufweisen. Zudem wurden nur Treffer eingeschlossen die zwischen 2000 und 2021 publiziert wurden, um eine gewisse Aktualität der Forschung zu gewährleisten. Einzig der Artikel von Gregory (1998), der aus Vorarbeiten stammt, wurde aufgrund seines interessanten und wegweisenden Forschungsdesigns mit aufgenommen. Sofern eine Suche mehr als 1000 Treffer ergab, erfolgte eine Eingrenzung der Treffer auf Artikel, die ein Peer-Review-Verfahren durchliefen. Ausgeschlossen wurden Artikel, die nicht deutsch- und/oder englischsprachig waren, die sich eindeutig einem (tanz-)therapeutischen Setting zuordnen ließen oder in denen es explizit um sportliche bzw. körperliche Bewegung ging. Alle Treffer wurden dann mittels Title Screening auf Ein- und Ausschlusskriterien geprüft, Dubletten wurden entfernt (s. Abb. 1).
- Beschaffung, Dokumentation und Sicherung der Literatur
Sofern bei den gefundenen Treffern die Volltexte nicht online verfügbar waren oder aufgrund der Vorarbeiten (s.o.) bereits vorlagen, wurden sie über das Bibliothekswesen der TU Dortmund beschafft. Alle gefundenen Literaturquellen wurden in dem Literaturverwaltungsprogramm CITAVI, Version 6.10, gespeichert. Zusätzlich wurden die Daten sämtlicher eingeschlossener Fachtexte (z.B. Autor*innen, Publikationsjahr, Titel, Zielgruppenmerkmale wie Alter, Beeinträchtigungsformen, Forschungsmethodischer Zugang, ggf. Tanzrichtung und Setting) in einer Excel-Tabelle dokumentiert. Schließlich wurde für jeden Treffer das Abstract mit aufgenommen. Lag dieses nicht vor, wurde eine Kurzzusammenfassung durch die Autorinnen angefertigt und eingefügt. Die vorhandenen Volltexte wurden als PDF-Dateien hinterlegt. Die Abstracts und weitgehend die Volltexte der bis hierhin eingeschlossenen Forschungsarbeiten wurden erneut auf Ein- und Ausschlusskriterien geprüft (s. Abb. 1).
Die folgende Abbildung 1 dokumentiert die Vorgehensweise bei der Erstellung des systematischen Reviews mittels eines Flussdiagramms (Mayer et al. 2021; Page et al. 2021). Von ursprünglich 758 recherchierten Titeln durch Datenbankrecherche und 39 in anderen Quellen recherchierten Titeln wurden schließlich 61 Treffer in die abschließende Auswertung aufgenommen.
Auswertung der inkludierten Forschungsarbeiten
Zur Identifikation von Forschungsthemen wurden sämtliche inkludierte Forschungstexte in Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) thematisch analysiert. Konkret wurden hierzu in der ersten Textreduktion die Inhalte der Abstracts so abstrahiert, dass die wichtigsten Aussagen über die Forschungsthemen erhalten blieben. Wenn notwendig, wurde der Volltext zur Verifizierung der forschungsthematischen Inhalte hinzugezogen. In einer zweiten Textreduktion wurden die wichtigsten forschungsthematischen Inhalte in einfache und abgrenzbare Aussagen notiert. Diese zweite Textreduktion stellte die Grundlage für die Kategorienbildung dar, wobei in einer Hauptkategorie (z.B. Tanzvermittlung) auch Subkategorien (hier z.B. Modifikation oder Co-Teaching) gebildet werden konnten.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 61 Forschungsarbeiten inkludiert. Nach der inhaltsanalytischen Auswertung konnten elf Hauptkategorien als Themenfelder herausgearbeitet werden (s. Abb. 2). Einige Forschungsarbeiten wurden aufgrund thematischer Überschneidungen zwei Themenfeldern zugeordnet. Daher beträgt die Gesamtsumme aller Forschungsarbeiten, die in die elf Kategorien eingeordnet wurden, 71.
Die Ergebnisse lassen erkennen, dass die Themen Tanzvermittlung (n=21), Einstellung und Wahrnehmung (n=12), Wirkung (n=11) sowie Professionalisierung und Talentförderung (n=9) tendenziell am häufigsten Gegenstand der Forschung sind. Vier Studien stellen Teilhabe ins Zentrum ihrer Untersuchungen und jeweils vier Studien befassen sich mit den Themen Merkmale von Tanzvermittler*innen bzw. Körperästhetik. Wenig thematisiert werden in den Forschungsarbeiten technische Aspekte (n=2) und ethische Aspekte (n=1). Außerdem mangelt es an systematischen Übersichtsarbeiten (n=2). Eine theoretische Arbeit setzt sich mit Merkmalen des MAD als Forschungsgegenstand auseinander. Im Folgenden werden die Themenfelder kurz skizziert.
Tanzvermittlung
Der Kategorie Tanzvermittlung sind insgesamt 21 Forschungsarbeiten zugeordnet, die sich mit Unterrichts- und Handlungsstrategien einer inklusiven Tanzpädagogik bzw. Tanzvermittlung beschäftigen(Anders 2018; Anderson 2015; Block/Johnson 2011; Cheesman 2011; Dinold 2008; Dinold 2012; Dinold/Zitomer 2015; Migliarini 2020; Morris/Baldeon/Scheuneman 2015; Neira 2018; Nelson 2015; Østern/Øyen 2014; Quinten 2014a; Quinten/Bilitza 2022; Quinten 2020b; Reinders/Fletcher /Bryden 2015b; Reinders/Bryden/Fletcher 2019; Roznos 2018; Seham/Yeo 2015; Whatley 2007; Zitomer 2013). Einige Studien beschäftigen sich dabei mit einem einzelnen methodisch-didaktischen Aspekt wie Co-Teaching (Østern/Øyen 2014), Modifikationsprinzipien (Quinten/Bilitza 2022; Quinten 2020b) oder Entwicklung einer inklusiven Unterrichtssprache (Zitomer 2013). Andere untersuchen das inklusive Potenzial von Tanzrichtungenwie Hip-Hop/Krip-Hop/Discrit als inklusiven Zugang für Migrant*innen mit Beeinträchtigung (Migliarini 2020) sowie von Gaga Movement Language (Anders 2018). Die Frage, wie Vermittlungsmethoden eine Ästhetik der Behinderung unterstützen können, ist Thema der Forschungsarbeit von Anderson (2015). Vier Forschungsstudien thematisieren die inklusive Tanzvermittlung zielgruppenspezifisch wie Autismus-Spektrum (Reinders et al. 2019), Mehrfachbeeinträchtigung (Roznos 2018), Sehbeeinträchtigung/Blindheit (Seham/Yeo 2015) sowie – aus einer intersektionalen Perspektive – Migrant*innen mit Beeinträchtigungen (Migliarini 2020).
Merkmale von Tanzvermittler*innen
Tanzvermittler*innen bzw. Tanzlehrkräfte sind Schlüsselpersonen, wenn es um die Gestaltung von gelingenden Lehr-Lern-Umgebungen (auch) im inklusiven Tanz geht. Vier Forschungsarbeiten tragen dem Rechnung und untersuchen, welche Merkmale von Tanzvermittler*innen zum Gelingen inklusiver Tanzvermittlung beitragen. Dabei werden Persönlichkeitseigenschaften und Werte (Urmston/Auijla 2018; 2021), Motivation (Bilitza 2021) sowie Kompetenzen (Quinten 2014b) näher in den Blick genommen.
Einstellung und Wahrnehmung
Die Literaturrecherche hat zwölf Forschungsarbeiten gefunden, in denen es um die Einstellung und Wahrnehmung verschiedener Akteur*innen im Kontext von MAD geht. Mit Einstellungen und Wahrnehmungen von Tanzvermittler*innen befassen sich die beiden Forschungsarbeiten von Zitomer (2015; 2017). In der Studie von 2015 geht es u.a. um die Wahrnehmung von Inklusion durch Tanzlehrkräfte in privaten Studios, in der Studie von 2017 steht die Wahrnehmung von Inklusion und Tanz durch Tanzlehrkräfte in Grundschulen im ländlichen Raum im Fokus. Mehrere Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit Einstellungen und Wahrnehmungen von aktiv an einem inklusiven Tanzangebot Teilnehmenden mit und ohne Beeinträchtigung (z.B. McGarry/Aubeeluck 2013; Swartz/Bantjes/Bissett 2018; Traver/Duran 2014; Zitomer 2016a; Zitomer/Reid 2011). Zwei empirische Studien thematisieren schließlich Einstellungen und Wahrnehmungen von Zuschauer*innen. Gregory (1998) untersucht die Einstellungen von insgesamt 96 Personen unterschiedlichen Alters beim Betrachten von zwei Tanzvideos (Klassische Ballettaufführung und mixed abled Tanzaufführung). Whatley (2007) untersucht im Rahmen einer qualitativen Studie über Gelingensbedingungen inklusiver professioneller Tanzausbildung an einer Hochschule, wie Studierende Tanzaufführungen wahrnehmen und beschreibt fünf verschiedene Strategien des Anschauens von inklusivem Tanz. Wie generell Einstellungsänderungen im Kontext von inklusivem Tanz theoretisch begründet werden kann, wird in drei Forschungsarbeiten (Kuppers 2000; 2003; Quinten 2014a) thematisiert. Kuppers (2000; 2003) beschäftigt sich in ihren Forschungsarbeiten mit der ästhetischen Wahrnehmung von Körperbildern und deren Veränderung im inklusiven Tanz. Quinten (2014a) arbeitet zwei Strategien zur Förderung einer Einstellungsänderung im MAD heraus, und zwar das Anschauen von Tanzaufführungen, an denen Tänzer*innen mit Behinderung teilnehmen sowie die eigene aktive Teilnahme an fähigkeitsgemischten Tanzensembles.
Wirkung
In der Kategorie Wirkung sind elf Forschungsarbeiten zusammengefasst, die die Wirkungen des MAD auf verschiedene Personengruppen wie Teilnehmende eines inklusiven Tanzangebotes, Mitglieder eines inklusiven Tanzensembles oder Tanzvermittelnde bzw. Tanzpädagog*innen untersuchen. Im Detail geht es um Verbesserung von Lebensqualität (Becker/Dusing 2010; Lamond 2010), Verbesserung körperlich-motorischer Fähigkeiten (Becker/Dusing 2010; DiPasquale/Kelberman 2020; Nelson 2015; Reinders/Bryden/Fletcher 2015a), Verbesserung der sozialen Interaktion (sowohl zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung als auch zwischen Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen) (Becker/Dusing 2010; Dinold 2001; Dinold 2018; Komalasari/Khairunisa/Sabaria/Yetty 2019; Nelson 2015; Reinders et al. 2015a), Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten (Dinold 2018), Verbesserung der künstlerischen Fähigkeiten (Nelson 2015; Reinders et al. 2015a), um gesteigerte Akzeptanz durch Gleichaltrige (Zitomer 2016b), um neue Körpererfahrungen (Zitomer 2016b) sowie um einen positiven Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung (Dinold 2001; Dinold 2018; Nelson 2015; Reinders et al. 2015a). Zudem gibt es zwei Artikel, in denen der Einsatz kreativer Tanz- und Bewegungsformen im schulischen Lernen thematisiert wird. Hier berichtet die Autorin neben einer Verbesserung der sozialen Interaktion auch über positive Effekte auf das akademische Lernen (Skoning 2008; 2010). Es wird deutlich, dass in den meisten Arbeiten sogenannte Wirkungsbündel beschrieben werden, das heißt der Fokus nicht auf der Betrachtung eines einzelnen isolierten Wirkungsbereichs liegt. Eine Ausnahme bilden hier die beiden Artikel von DiPasquale und Kelberman (2020) und Komalasari et al. (2019), die sich ausschließlich mit der Wirkung auf die körperlich-motorischen Fähigkeiten beziehungsweise auf die soziale Interaktion befassen.
Professionalisierung und Talentförderung
Neun Arbeiten beschäftigen sich mit dem Thema Professionalisierung und Talentförderung im MAD. Dabei bezieht sich Professionalisierung hier einerseits auf die Institutionalisierung und Akademisierung des Arbeits- oder Handlungsfeldes MAD. Zu diesem Thema finden sich drei Forschungsarbeiten in der Literaturrecherche. Hermann/Chatfield (2010) nehmen die strukturelle Verbreitung des MAD (hier: DanceAbility) in der Bildungslandschaft in den Blick; Kostoulo (2008) thematisiert Inklusionsdiskurse in der Tanzausbildung. Panagiotara (2019) beschäftigt sich u.a. auch mit den kulturellen und bildungspolitischen Bedingungen zur Etablierung des MAD in drei europäischen Ländern und entwickelt auf der Basis theoretischer und empirischer Untersuchungen einen Leitfaden für bewährte Praktiken bei der Etablierung von inklusivem Tanz in die Bildungslandschaft und trägt damit auch zur Professionalisierung des MAD bei.
Andererseits umfasst Professionalisierung auch die Ausbildung talentierter Tänzer*innen. Entsprechend sind dieser Hauptkategorie solche Arbeiten zugeordnet, in denen die Talentförderung im Mittelpunktsteht (Aujla 2020; Aujla/Redding 2014; Band/Lindsay/Neeland/Freakle 2011; Morris et al. 2015; Urmston/Aujla 2018; 2021). In zweien dieser Studien (Aujla 2020 und Band et al. 2011) geht es um die Evaluation eines Talentförderungs- und Ausbildungsprogrammes im Bereich des MAD. Bei Aujla/Redding (2014) wird die Entwicklung diagnostischer Kriterien für die Talentauswahl von Tänzer*innen mit Behinderung in inklusiven Settings thematisiert. Morris et al. (2015) beschreiben ein Ausbildungsprogramm für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen für alle Altersgruppen und beschreiben dann differenzierter das Ausbildungskonzept der Kinderklasse.
Teilhabe
Vier Forschungsarbeiten widmen sich explizit dem Themenfeld Teilhabe. Mit den Teilhabemöglichkeiten von Vermittlungsmethoden (hier: nachahmen und mittanzen, Tanz selbst erfinden und choreografieren) beschäftigt sich Howahl (2018). Seham/Yeo (2015) nehmen Teilhabebarrieren für Zielgruppe Menschen mit Blindheit/ Sehbeeinträchtigung in den Blick. Quinten (2018) entwickelt ein mehrperspektivisches Modell zur Systematisierung der Teilhabeforschung im Tanz, und skizziert in diesem Zusammenhang mit dem Konstrukt Verkörperte Teilhabe eine für die (inklusive) tanzkünstlerische Praxis bedeutsame Facette von Teilhabe. Diese Facette umfasst vorrangig nichtsprachliche, auch präreflexive Weisen des Anteilnehmens, Teilnehmens, Mitgestaltens und Mitbestimmens. Ausführlich wird das Konzept der Verkörperten Teilhabe von Quinten (2021) einschließlich dessen systematische Entwicklung mittels der Dimensionsanalyse dargestellt.
Körperästhetik
Dem Themenfeld Körperästhetik werden vier Forschungsarbeiten zugeordnet. Während Anderson (2015) Methoden zur Unterstützung einer Ästhetik der Behinderung thematisiert, beschäftigen sich die Arbeiten von Kuppers (2000; 2003) und Walser-Wohlfahrter/Richarz (2018) mit den Möglichkeiten, die der MAD bietet, um den zeitgenössischen Tanz durch die Vielfalt an Körperlichkeiten künstlerisch-ästhetisch zu bereichern. Dass sich die ästhetische Wahrnehmung von Körperbildern durch das Aufeinandertreffen von neuen Körpern und etablierter Tanzsprache verändern kann, ist Thema der Forschungsarbeiten von Kuppers (2000; 2003).
Weitere Forschungsthemen
Zwei Forschungsarbeiten setzen sich mit technischen Aspekten in inklusiven Tanzsettings auseinander und legen jeweils ihr Hauptaugenmerk auf den Rollstuhl (Morris 2015; Quinlan/Bates 2015). Morris (2015) erforscht technische Modifikationen eines Rollstuhls, um ihn als Teil der tanzkünstlerischen Inszenierung einbinden zu können. Quinlan/Bates (2015) setzen sich mit der Schnittstelle Mensch-Maschine auseinander und erörtern am Beispiel des Rollstuhls, welche Bedeutungen einem technischen Gerät im inklusiven Tanz zugesprochen werden können. Im Sinne einer Gegenstandsanalyse schlägt Quinten (2020a) vor, den MAD als ein Forschungslabor zu verstehen, bei dem künstlerisch-leibliche Forschungszugänge, eine kooperativ-partizipative Forschungssituation sowie das transformatorische Potenzial als Merkmale des MAD herausgearbeitet werden. Harmon (2015) befasst sich mit ethischen Aspekten. Sie fordert die Bioethik mit Blick auf die Entwicklung einer moralischen und gerechten Gesellschaft auf, eine Vielfalt an Körperlichkeiten gleichwertig zu berücksichtigen. Schließlich finden sich unter den 61 Forschungsarbeiten zwei systematische Literaturübersichtsarbeiten. Albert (2018) befasst sich in ihrem Literaturreview mit Gelingensbedingungen im Bewegungsfeld Gestalten, Tanzen, Darstellen im inklusiven Sportunterricht und kategorisiert diese in fünf Kategorien (Haltung/Einstellungsänderung, Arbeitsweisen im inklusiven Tanzunterricht, Rahmenbedingungen für einen funktionierenden inklusiven Tanzunterricht, Anforderungen an die Lehrenden sowie Kommunikation). Quinten/Schwiertz (2014) widmen ihr narratives Review dem empirischen Forschungsstand auf dem Gebiet des MAD und arbeiten drei abgrenzbare Forschungsschwerpunkte - Wahrnehmungs- und Einstellungsänderung, Talentförderung und Professionalisierung sowie Konstruktion gelingender inklusiver Lehr-Lern-Settings – heraus.
Diskussion und Limitationen
Das Scoping Review hat einige wichtige Erkenntnisse zutage gefördert. Es lassen sich sowohl Anregungen für weitere Forschungsbedarfe als auch für das forschungsmethodische Vorgehen bei systematischen Literaturreviews auf dem Gebiet des MAD formulieren. Im Folgenden werden diese diskutiert und abschließend Limitationen dieser Arbeit dargestellt.
Forschungsbedarfe
Seitdem Steve Paxton 1992 dem MAD den Status eines eigenen Tanzgenres zugesprochen hat (Paxton 1992), entwickelte sich eine breite wissenschaftliche Forschungslandschaft. Wie das vorliegende Review zeigt, weist diese Forschungslandschaft zwar ein breites Themenspektrum auf (s. Abb. 2). Allerdings macht das Review deutlich, dass besonders Forschungsbedarf zu den Themen technische und ethische Aspekte, sowie im Bereich der Gegenstandsanalyse besteht. Auch finden sich nur wenige Studien, welche sich explizit mit den Themen Körperästhetik und Teilhabe befassen, und es mangelt an systematischen Übersichtsarbeiten.
Aber auch in den Themenfeldern, zu denen bereits zahlreiche Forschungsarbeiten vorliegen, können durchaus weitere Forschungsanregungen formuliert werden.
Die im Themenfeld Tanzvermittlung gefundenen Forschungsarbeiten thematisieren überwiegend Unterrichts- und Handlungsstrategien für heterogene Gruppen, ohne dabei differenzierter auf einzelnen Beeinträchtigungsformen einzugehen. Lediglich die Forschungsarbeiten von Reinders et al. (2019), Roznos (2018) und Seham/Yeo (2015) befassen sich mit Menschen mit einzelnen Beeinträchtigungsformen. Dem steht die Erfahrung gegenüber, dass Tanzvermittler*innen häufig von großen Herausforderungen und Unsicherheiten beim Unterrichten in stark heterogenen Gruppen berichten und sich hier insbesondere zielgruppenspezifisches Wissen über verschiedene Beeinträchtigungsformen wünschen. Hierauf verweist auch der Dachverband Tanz, der von Tanzpädagog*innen fordert, sich zusätzliche Fachkompetenzen durch Vertiefung oder Weiterbildung anzueignen, um zielgruppenspezifischer Angebotsformate umsetzen zu können (Fleischle-Braun/Kessel 2019).
Angeregt wird außerdem weitere Forschung zum Thema Co-Teaching, welches ein wichtiges Vermittlungsprinzip in stark heterogenen Gruppen darstellt. Immer öfter werden von inklusiven Tanzcompanien Weiterbildungsprogramme ins Leben gerufen, in denen Vermittelnde mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam unterrichten, wie beispielsweise in der Dance-Assist-Ausbildung der Wiener Ich bin O.K. Dance Company (Neira 2018). Die Vielfalt in einem mixed-abled Co-Teaching-Team wird als besonders kreativ anregend eingeschätzt (Østern/Øyen 2014) und die Lehrkräfte mit Beeinträchtigungen können hier als Rollenvorbilder dienen und so die Identität von Menschen mit Beeinträchtigungen stärken (Panagiotara 2019).
In dem Forschungsthemenfeld Wirkung fällt auf, dass weitgehend über positive Effekte berichtet wird. Für die Weiterentwicklung von Unterrichts- und Handlungsstrategien sowie von teilhabeförderlichen Maßnahmen insgesamt ist es jedoch auch notwendig negative Effekte zu untersuchen und Gründe für Drop-Outs zu analysieren, um entsprechende präventive Maßnahmen zu ergreifen.
Zum Forschungsthema Einstellung und Wahrnehmung liegen ebenfalls zahlreiche v.a. empirische Forschungsarbeiten vor. Diese thematisieren Einstellung und Wahrnehmung der wichtigsten Akteur*innen wie Tanzvermittler*innen, Teilnehmende mit und ohne Beeinträchtigung sowie Zuschauer*innen von Video- oder Live-Tanzaufführungen. Forschungsbedarf besteht hier vor allem in Untersuchungen zu Wirkmechanismen bzw. theoretischen Erklärungen von Einstellungs- und Wahrnehmungsänderung durch bzw. im MAD.
Des Weiteren zeigen die Ergebnisse des Reviews, dass sich bereits vereinzelt mit den Merkmalen von Tanzvermittler*innen auseinandergesetzt wurde, die für eine gelingende Gestaltung von inklusiven Tanzsettings nötig sind. Es liegen jedoch nur wenige Forschungsarbeiten zu diesem Themenfeld vor, sodass es weiterer Forschung zu der Motivation von Tanzvermittler*innen, ihren Persönlichkeitseigenschaften und Werten sowie ihren Kompetenzen, beispielsweise zur Förderung des sozialen Miteinanders, bedarf.
Bei dem Forschungsfeld Professionalisierung und Talentförderung fällt auf, dass keine der identifizierten Forschungsarbeiten aus dem deutschsprachigen Raum stammt. Somit kann angenommen werden, dass die Professionalisierung und Talentförderung von Menschen mit Beeinträchtigungen im Tanz in der deutschen Forschungslandschaft kaum Berücksichtigung finden. Ausgehend von einem Recht auf Teilhabe in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen ergibt sich somit die Forderung, diesen Forschungsbereich zukünftig auch in die deutsche Forschungslandschaft zu integrieren.
Forschungsmethodisches Vorgehen
Festzustellen ist, dass in der Forschungsliteratur zum MAD eine Vielzahl an Termini verwendet wird, eine einheitliche Begrifflichkeit jedoch fehlt (Panagiotara 2019; Quinten/Schwiertz 2014). Begriffe verweisen in der Regel immer auch auf einen politischen oder fachlichen Diskurs. So wirft die Verwendung der Begriffe Mixed-abled dance und Mixed Abled Dance ebenso wie DanceAbility oder mixed-abilities dance (Alessi/Zolbrod 2003), fähigkeitsgemischter Tanz (Quinten/Schwiertz 2014) vor dem Hintergrund ableismuskritischer Diskurse Fragen auf. Beispielsweise wird das Adjektiv able (fähig, talentiert) in den Disability Studies als behindertenspezifische Diskriminierung verstanden (Waldschmidt 2015). Die Hauptkritik bezieht sich dabei auf den zentralen Stellenwert, der von unserer Gesellschaft der Leistungs- und Funktionsfähigkeit zugesprochen wird, was in der Folge zur Abwertung und Ausgrenzung all jener führt, „deren Körper nicht wie erwartet und vorgegeben funktioniert, deren Fähigkeiten als gesellschaftlich nicht relevant eingestuft werden, kurz, die als ‚behindert‘ gelten“ (Waldschmidt 2015:336). Welche Konsequenz eine solche Perspektive für die Verwendung von Begriffen wie beispielsweise mixed abled dance oder DanceAbility hat, wird in der Regel in den Publikationen nicht reflektiert. Aber auch die Verwendung andere Begriffe mit ihren jeweils dahinter stehenden Diskursen sind einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. So beziehen sich andere Termini auf das Merkmal Differenz/Diversität/Verschiedenheit wie bei Diverse Dance (Nelson 1995). Hier geht es um die „oftmals sehr unterschiedlichen körperlich-motorischen, perzeptiven, kognitiven, sprachlichen, selbstregulativen und kommunikativen Voraussetzungen der Gruppenmitglieder“ (Quinten 2020a:163f.) als charakteristische Merkmale des MAD. Andere Bezeichnungen rekurrieren auf die Idee von Inklusion wie in den Termini inklusiver Tanz/inclusive dance, (z.B. Benjamin 2002; Dinold/Zitomer 2015; Kaufmann 2006). Auch wenn bis heute eine eindeutige Begriffsbestimmung von Inklusion fehlt (Wansing 2015), besteht Konsens darin, dass mit der Verwendung des Inklusionsbegriffes betont wird, dass sich nicht der Mensch an die gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen hat, sondern dass diese so umzugestalten sind, dass die Heterogenität von Menschen anerkannt und als Bereicherung wertgeschätzt wird (a.a.O.). Im Gegensatz dazu geht der Integrationsbegriff davon aus, dass in eine bestehende Gesellschaft integriert werden soll. Der Begriff Integration bzw. integrativ findet sich beispielsweise bei integrated dance (Cheesman 2011; Zitomer/Read 2011; Zitomer 2010) bzw. integrativer Tanz (Begle 2003). Ob diese begriffliche Unterscheidung von Inklusion und Integration tatsächlich auch in den Begriffsverwendungen so angedacht ist, bleibt weitgehend offen. Fest steht aber: All diesen Definitionsansätzen ist gemeinsam, dass sie im Kern Vielfalt anerkennen und eine positive Sichtweise auf Unterschiede zwischen Menschen vorhalten (Quinten/Rosenberg 2016).
Die Verwendung dieser vielfältigen Begrifflichkeiten spiegelt sich auch bei der Verschlagwortung der Forschungsarbeiten wider. Häufig verwendete Schlagwörter sind u.a. (in absteigender Reihenfolge) Inclusion/Inklusion, Dance/Tanz, Diversity/Diversität und Mixed-abled Dance/Fähigkeitsgemischter Tanz. Zudem finden sich zahlreiche Wortkombinationen rund um den Begriff Inklusion: inclusive class, inclusive creative methods, inclusive dance, inclusive education oder inklusive Settings. Zusätzlich finden sich bei den Artikeln teilweise Schlagwörter, die auf die jeweils betrachteten Beeinträchtigungsformen hinweisen: Intellectual Disability, Autism Spectrum Disorder oder Down Syndrome. Diese uneinheitliche Begriffsverwendung bei der Verschlagwortung erschwert bei einer systematischen Literaturrecherche das Auffinden von Forschungsarbeiten.
Als eine Konsequenz regen die Autorinnen an, Begriffskolloquien durchzuführen, in denen theoretische Hintergründe verwendeter Begrifflichkeiten untersucht und kritische Diskussionen über die Konsequenzen von gewählten Begriffen in den fachlichen und politischen Diskursen durchgeführt werden.
Des Weiteren zeigte die systematische Literaturrecherche, dass es kein eigenes Publikationsorgan für Forschung auf dem Gebiet des MAD gibt. Artikel, die sich mit Themen rund um den MAD beschäftigen, werden überwiegend in den bereits etablierten englischsprachigen Tanzjournals wie z.B. Journal of Dance Education oder Research in Dance Education veröffentlicht. Für den deutschsprachigen Raum waren nur vereinzelt Zeitschriften vertreten, deren Fokus jedoch nicht unmittelbar auf dem Tanz liegt. Dazu gehören die Zeitschriften Sportunterricht, Spectrum der Sportwissenschaften oder Zeitschrift für Inklusion. Ein Publikationsorgan ebenso wie der Aufbau einer Datenbank könnte die Forschung auf dem Gebiet des MAD weiterbringen.
Limitationen
Grundsätzlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass eigentlich relevante Informationsquellen in diesem sehr breit angelegten Review übersehen wurden. Auch wurden nach der letzten Recherche bis zur Publikation des Beitrags weitere Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des MAD publiziert, die hier nicht mehr einflossen. Insgesamt kritisch zu bewerten ist die recht breit gestellte Fragestellung und hohe Anzahl an Treffern, was die inhaltsanalytische Auswertung aus forschungsökonomischen Gründen vor Herausforderungen stellte.
Schlusswort
Kunst und Kulturelle Bildung stellen wirksame Ressourcen dar, um die Herausforderungen einer zunehmend heterogenen Gesellschaft bewältigen und Inklusion im Sinne der UN-BRK umsetzen zu können. Der MAD erweist sich dabei als ein spannendes Handlungsfeld, in dem bereits seit Jahrzehnten kontinuierlich künstlerische und pädagogische Strategien zur Umsetzung von Inklusion in der Praxis erforscht und entwickelt worden sind. Systematische wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet des MAD hat eine fast ebenso lange Tradition. Sie treibt Innovationen voran, liefert wichtige Informationen zur Qualitätssicherung und bietet Entscheidungsträgern aus Politik, Bildung und anderen Lebensbereichen Orientierung über eine inzwischen breit aufgestellte Forschungslandschaft.
Im vorliegenden Beitrag wurde der MAD im Spiegel der aktuellen wissenschaftlichen Forschung betrachtet. Aus diesem Grund wurde eine systematische Literaturrecherche in Form eines Scoping Reviews durchgeführt, um einen Überblick über die bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiet des MAD zu bekommen. Das Ziel war es, abgrenzbare Themenfelder herauszuarbeiten und weitere Forschungsfelder zu identifizieren.
Anhand der Ergebnisse des Scoping Reviews konnten elf Hauptkategorien herausgearbeitet werden, die die Vielfalt der wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiet des MAD widerspiegeln. Während einige dieser identifizierten Themenfelder wie Tanzvermittlung, Einstellung und Wahrnehmung sowie Wirkung des MAD bereits intensiv erforscht wurden, sind Gegenstandsanalysen oder ethische Aspekte kaum Gegenstand der Forschung. Aufgrund dieser unterschiedlichen Gewichtung der Themenfelder ergeben sich bereits erste Anhaltspunkte für zukünftige Forschungsbereiche. Zudem sprechen die Herausforderungen beim forschungsmethodischen Vorgehen dafür, Begriffskolloquien durchzuführen und die verschiedenen Begrifflichkeiten in Bezug zum MAD kritisch zu diskutieren. Abschließend wird angeregt, ein eigenes Publikationsorgan für Forschung auf dem Gebiet des MAD zu etablieren, insbesondere für den deutschsprachigen Raum.
Anhang
Tabelle 1: Zuordnung der recherchierten Forschungsarbeiten (n= 61) zu den entwickelten Hauptkategorien, Mehrfachnennungen möglich
Kategorie |
Forschungsarbeiten |
Tanzvermittlung (21) |
Anders 2018; Anderson 2015; Block/Johnson 2011; Cheesman 2011; Dinold 2008; Dinold 2012; Dinold/Zitomer 2015; Morris/Baldeon/Scheuneman 2015; Migliarini 2020; Neira 2018; Nelson 2015; Østern/Øyen 2014; Quinten 2014a; Quinten 2020b; Quinten/Bilitza 2022; Reinders/Fletcher/Bryden 2015a; Reinders/Bryden/Fletcher 2019; Roznos 2018; Seham/Yeo 2015; Whatley 2007; Zitomer 2013 |
Merkmale von Tanzvermittler*innen (4) |
Bilitza 2021; Quinten 2014b; Urmston/Aujla 2018; Urmston/Aujla 2021 |
Wirkung (11) |
Becker/Dusing 2010; Dinold 2001; Dinold 2018; DiPasquale/Kelbermann 2020; Komalasari/Khairunisa/Sabaria/Yetty 2019; Lamond 2010; Nelson 2015; Reinders/Bryden/Fletcher 2015a; Skoning 2008; Skoning 2010; Zitomer 2016b |
Professionalisierung und Talentförderung (9) |
Aujla/Redding 2014; Aujla 2020; Band/Lindsay/Neelands/Freakley 2011; Herman/Chatfield 2010; Kostoula 2008; Morris/Baldeon/Scheuneman 2015; Panagiotara 2019; Urmston/Aujla 2018; Urmston/Aujla 2021 |
Einstellung und Wahrnehmung (12) |
Gregory 1998; Kuppers 2000; Kuppers 2003; McGarry/Aubeeluck 2013; Quinten 2014a; Swartz/Bantjes/Bissett 2018; Traver/Duran 2014; Whatley 2007; Zitomer/Reid 2011; Zitomer 2015; Zitomer 2016a; Zitomer 2017 |
Teilhabe (3) |
Howahl 2018; Quinten 2018; Seham/Yeo 2015 |
Körperästhetik (4) |
Anderson 2015; Kuppers 2000; Kuppers 2003; Walser-Wohlfarter/Richarz 2018 |
Einzelne Themen (4) Mensch-Maschinen-Schnittstelle, Bestimmungsmerkmale des MAD, Technische Weiterentwicklung Rollstuhl, Ethisch-rechtlicher Aspekt |
Harmon 2015; Morris 2015; Quinlan/Bates 2015; Quinten 2020a |
Literaturübersichtsarbeiten (2) |
Albert 2018; Quinten/Schwiertz 2014 |