Menschen mit Migrationshintergrund als Kulturpublikum. Der aktuelle Forschungsstand in Deutschland sowie Anregungen zur weiteren Beschäftigung
Einleitung
Aktuell sind sie in aller Munde, doch es ist noch keine Dekade her, dass Menschen mit Migrationshintergrund als (potentielles) Publikumssegment im wissenschaftlichen Diskurs des Forschungsfelds Kulturmanagement sowie in strategischen Überlegungen von (öffentlichen) Kulturinstitutionen in Deutschland kaum präsent waren. Auch wenn deutlich wird, dass auch heute noch viele Forschungsfragen in diesem Themenfeld zu bearbeiten sind, kann doch festgestellt werden: Insbesondere die empirische Publikumsforschung beschäftigt sich inzwischen mit dieser Thematik und auch die Institutionen selbst sowie ganze Kommunen versuchen sich nun in der Erarbeitung von Konzepten interkultureller Öffnung. Der hier vorliegende Artikel ist um eine Darstellung der Komplexität der Fragestellung sowie um eine Schlaglichtbetrachtung des Forschungsstandes bemüht. Darüber hinaus werden Perspektiven für die weitere Forschung skizziert sowie Anregungen zur weiteren Beschäftigung mit dieser Thematik gegeben. Wenn im Folgenden die Bezeichnung „Menschen mit Migrationshintergrund“ verwendet wird, bezieht sie sich auf die gängige Definition des Statistischen Bundesamts „alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil“ (vgl. Statistisches Bundesamt 2012:6). Der Fokus dieses Artikels liegt auf öffentlich geförderten Hochkulturinstitutionen. Im weiteren Verlauf synonym verwendet werden ebenfalls die Begriffe „Kulturinstitution“, „Institution“, „Kultureinrichtung“ sowie „Häuser“. Dies soll jedoch in keinster Weise bedeuten, dass das behandelte Themenfeld für nicht öffentlich geförderte Institutionen und/oder Kulturangebote, die nicht institutionell sind und/oder für eventuell nicht der Hochkultur zuzuzählende Kulturangebote keine Relevanz hat.
Die Komplexität des Themenbereichs
Die Thematik ist komplex und vielfältig sind die potentiellen Fallen, in die man selbst bei intensiver inhaltlicher Auseinandersetzung geraten kann. In Kürze sei daher zu Beginn auf vier miteinander verbundene Grundproblematiken hingewiesen:
1. Es gibt nicht DEN Menschen mit MH. Es handelt sich bei dieser Bezeichnung zunächst um einen völlig neutralen statistischen Begriff (vgl. Statistisches Bundesamt 2012:5f.), der auf jeglichen MH bezogen werden kann, sei er nun beispielsweise französisch, japanisch, amerikanisch, türkisch oder russisch. Eine Beschäftigung mit dem Themenfeld beinhaltet somit zunächst einmal Menschen aller Herkunftsländer als (potentielle) Kulturnutzer.
2. Es gibt weder DIE Deutschen noch DIE Angehörigen jedweder anderen Herkunftsnation, denn in Zeiten von Pluralisierung und Individualisierung sind – so sie es denn jemals waren – keine homogenen Nationalkulturen vorzufinden (vgl. hierzu zentral Homi Bhabha 1994). Es gilt für Menschen mit sowie ohne MH in Deutschland, dass sie in verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen, Schichten oder Milieus zu verorten sind, wie es beispielsweise in den Migrantenmilieustudien von SINUS deutlich aufgezeigt wird (vgl. Sinus Sociovisions 2008, 2007).
3. Es wird angenommen, Menschen mit MH nutzen die hiesigen Kulturangebote NICHT. Hierfür gibt es kaum empirische Belege, zumindest nicht auf Ebene einzelner Kultureinrichtungen. Fragt man die Häuser selbst, können nur 2,3 % von ihnen deren ungefähren Anteil in ihrem Publikum angeben (vgl. Allmanritter 2009:21). Einzig empirisch belegbar ist die Aussage, dass Menschen mit MH quer über alle Herkunftsländer hinweg bei gleichem Interesse weniger Kulturangebote in Deutschland nutzen als Menschen ohne MH in der deutschen Bevölkerung (vgl. Keuchel 2012:102ff.). An dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass in Deutschland auch bei Menschen ohne MH je nach Sparte von maximal 10% regelmäßigen Nutzern ausgegangen wird (vgl. bspw. Keuchel 2005:53).
4. Eine verbreitete defizitorientierte Auffassung ist, dass Menschen mit MH in großen Teilen kultur- und bildungsfern sind. Diese Bevölkerungs“gruppe“ ist in Deutschland zwar faktisch beispielsweise bezüglich Einkommen oder Bildungsstand durchschnittlich und quer über alle ursprünglichen Herkunftsländer hinweg gegenüber der Bevölkerung ohne MH strukturell benachteiligt (vgl. Statistisches Bundesamt 2012). Ein Umwerben dieser „Gruppe“ überschneidet sich somit in Teilen mit dem Umwerben sozial benachteiligter, oft kulturferner Schichten. (Potentielles) Publikum mit MH ist aber keinesfalls gleichzusetzten mit bildungs- und kulturfernen Schichten, die einer niedrigschwelligen Kulturvermittlung bedürfen.
Der eingeschränkte Blickwinkel durch die Perspektive auf monetäre Argumente
Erste wissenschaftliche Arbeiten und praktische Empfehlungen (bspw. Allmanritter/Siebenhaar 2010, Allmanritter 2009) erwuchsen aus dem Forschungsbereich des Kulturmarketings und argumentierten entsprechend an erster Stelle mit dem finanziellen Nutzen für Kulturinstitutionen, so sie denn neue Publikumsschichten mit MH erreichten. Die bestehenden Einrichtungen wurden in ihrer aktuell bestehenden Form zunächst wenig angezweifelt. Zudem wurde, wie im Bereich des Kulturmarketing üblich (vgl. hierzu bspw. Klein 2011), zunächst die künstlerische Grundausrichtung einer Institution, insbesondere die Angebotspalette an künstlerischen Werken/Produkten, kaum zur Diskussion gestellt. Dennoch deutete sich bereits an, dass ein Infrage stellengenau dieser Punkte unter Umständen zukünftig der Dreh- und Angelpunkt des Themengebiets werden könnte. Dies zeigt sich beispielsweise in einer der Kernerkenntnisse einer Studie des Zentrums für Audience Development aus dem Jahr 2009: „Als besonders erfolgreich eingesetzte Marketinginstrumente wurden von den hier antwortenden Kulturinstitutionen offenbar gesonderte Produkte (28,5 %) […] eingeschätzt“ (Allmanritter 2009:28f.). Zudem wurde bereits in der Anfangsphase des Forschungsbereichs betont, dass dieses Themenfeld – soll es denn erfolgreich in die Arbeit der Institutionen einfließen – ein Teilbereich einer generellen Audience Development Strategie sein muss. Es wurde entsprechend empfohlen, das Thema in eine generelle Besucherorientierung einzubetten, die sich durch die komplette Aufbau- und Ablauforganisation der Institutionen zieht und von anderen Herangehensweisen deutlich abgeraten: „Die Arbeit mit und für migrantische Kulturpublika funktioniert nur als ganzheitliche Aufgabenstellung – Alibi- oder „Added-Value“-Strategien, die dem kulturpolitischen Zeitgeist geschuldet sind, richten mehr Flurschaden an als bewusste Abstinenz oder bloße Ignoranz, denn sie versprechen etwas, das sie auf Dauer nicht einhalten können. Die Institution muss es dauerhaft von oben nach unten und vice versa wollen wie können“ (Allmanritter/Siebenhaar 2010:185).
Als Argumente für den Kulturbereich, sich mit der Thematik tiefer auseinanderzusetzen, wurden zu diesem in der frühen Forschung primär angeführt:
- Eine aktuelle und zukünftig bessere Publikumsauslastung der Häuser und damit
- Mehreinnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten und ein höherer Anteil an der eigenen Finanzierung zur besseren Existenzsicherung in Zeiten knapper öffentlicher Kassen und
- eine gesteigerte Legitimation von Kulturfinanzierung durch eine eventuell wirksame(re) Erfüllung der gesellschaftlichen Funktion der Institutionen (sprich: dem Vermittlungsanspruch) sowie
- die etwaige Aussicht auf abzuschöpfende gesonderte Kulturförderprogramme für Aktivitäten in diesem Themenfeld.
Mit fortschreitender (wissenschaftlicher) Beschäftigung mit dem Themenfeld zeigte sich schnell, dass eine Argumentation mit in erster Linie monetären Anreizen wesentliche Argumente weitgehend ausblendete. Genannt seien hier exemplarisch, als Anregung für eine intensivere Beschäftigung und Diskussion:
1. Die ganz generell zu stellende Frage nach der Erfüllung oder Nicht-Erfüllung des Kultur- und Bildungsauftrags gegenüber möglichst vielen Bevölkerungsgruppen als Basis der Legitimation der öffentlichen Kulturförderung in Deutschland,
2. die Forderung nach Repräsentation verschiedenster Bevölkerungsgruppen im Kulturbereich, beispielsweise im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen oder einer Spiegelung verschiedenster Herkunftskulturen im öffentlich finanzierten Kulturangebot,
3. das Bewusstsein, dass der Bereich Kunst und Kultur generell – wenn auch nicht hierfür zu instrumentalisieren – eine für alle Beteiligten wertvolle und vielversprechende Brücke zwischen Menschen verschiedener Lebenswelten und Herkunftskulturen herstellen könnte,
4. die Erkenntnis, dass es eine für (potentielles) Publikum mit UND ohne MH interessante Erweiterung des Kulturangebots bedeutet, wenn Elemente aus anderen Herkunftskulturen in das bestehende Angebot integriert werden,
5. die Feststellung, dass es eine Produktanpassung an den Publikumsgeschmack einer durch Zuwanderung zunehmend heterogene Gesellschaft recht einfach geben könnte, beispielsweise durch eine Angebotspalette, die bei gleichbleibend hochwertiger künstlerischer Qualität Angebote aus verschiedenen Herkunftskulturen beinhaltet,
6. der Ansatz, neue Angebote (auch) für Menschen mit MH im Rahmen einer so genannten Nachfrageorientierung mit ihnen gemeinsam zu erarbeiten, anstatt nur zu versuchen, sie für bereits bestehende Angebote zu interessieren oder im Sinne einer so genannten Angebotsorientierung evtl. etwas völlig an ihnen vorbei zu entwickeln,
7. das Verständnis, dass Menschen mit MH nicht als spezielle, einzeln zu bedienende „Sonderzielgruppe“ zu behandeln sind, sondern je nach Zielsetzung der Ansprache (nach Generationen, Geschlecht, sozialer Lage etc.) völlig natürlich und selbstverständlich mit eingeschlossen sein können – was jedoch nicht zwangsläufig bedeutet, dass migrationsspezifische Aspekte in deren Kulturnutzungsverhalten (beispielsweise Interessen, Kommunikationswege, spezielle Besuchsbarrieren) nicht berücksichtigt werden können,
8. die Ahnung, dass Kulturinstitutionen zukünftig nicht umhin kommen werden, sich auf bislang nicht dagewesene Art und Weise ändern zu müssen, sprich ihre gesellschaftliche Position und ihren Habitus zu hinterfragen, sich umfassender für bislang nicht erreichte Bevölkerungsgruppen zu öffnen sowie ihr (evtl. nicht ausreichend multikulturelles) Angebotsspektrum zu überdenken, um mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen Schritt zu halten.
Erkenntnisse aus dem aktuellen Forschungsstand
In den letzten Jahren wurden einige wenige Forschungsarbeiten vorgelegt, die sich mit dem Themenbereich mit einer möglichst breiten Perspektive auf die Nachfrageseite beschäftigen. Der aktuelle Forschungsstand lässt sich dabei auf zwei grundsätzliche Herangehensweisen an das Themenfeld zuspitzen, aus denen sich jeweils wichtige Erkenntnisse ziehen lassen, die für ein generelles Verständnis des Themenfelds unabdinglich sind:
Auf der einen Seite gibt es Forschungsarbeiten, die Informationen über Menschen nach verschiedenen Herkunftsregionen beinhalten. Hierbei werden entweder Menschen mit MH in ihrem Kulturnutzungsverhalten Menschen ohne MH gegenübergestellt oder Menschen mit einem bestimmten MH diesbezüglich tiefergehend untersucht (siehe bspw. Keuchel 2012, Keuchel/Larue 2012, Cerci 2008, Keuchel/Wiesand 2006). Aus diesen Studien lassen sich stark verkürzt als Kernaussagen ableiten:
1. Die primären Einflussfaktoren auf einen Kulturbesuch von Menschen mit MH sind die Distanz deren Herkunftslands zum europäischen Kulturraum, deren ästhetische Prägung, deren Sprachkompetenz, die Länge deren Aufenthalts in Deutschland, deren Lebensalter, deren Migrationsgeschichte (1., 2., 3., 4. Generation etc.) und deren aktuelle Wohnregion.
2. Der Bildungshintergrund spielt bei einzelnen Migrantengruppen (außer Türkei) bezüglich deren Kulturinteresses eine weniger entscheidende Rolle wie bei Menschen ohne MH.
3. Es können kaum Unterschiede zwischen dem generellen Kulturinteresse von Menschen mit und ohne MH festgestellt werden. Sowohl bezüglich des Interesse als auch der Nutzung von entsprechenden Angeboten sind jedoch im Detail betrachtet Verschiedenheiten zwischen beiden Gruppen zu erkennen.
4. Menschen mit MH haben einen (noch) breiteren Kulturbegriff als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Anteilig von Menschen mit MH vergleichsweise stärker genannt werden Bereiche wie „Lebensweise“, „kulturelle Diversität“, „Familie“ oder „Religion“ (statt „Kunst“).
5. Menschen ohne MH beschränken ihr Interesse an Kunst und Kultur primär auf Angebote aus dem europäischen Kulturraum, während Menschen mit MH sich sowohl für Angebote aus diesem Herkunftsraum als oftmals zudem für Angebote aus anderen Herkunftskulturen interessieren.
Auf der anderen Seite gibt es Forschungsarbeiten, die Informationen zu verschiedenen Lebenswelten/Milieus von Menschen mit MH liefern, die von deren Herkunftsregionen unabhängig sind (vgl. bspw. Gerhards 2013, Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010, Cerci/Gerhards 2009, Wippermann/Flaig 2009, Sinus Sociovision 2008, 2007). Stark verkürzt lassen sich aus diesen Studien als Kernaussagen ableiten:
1. Die ursprüngliche Herkunft einer Person oder deren Zuwanderungsgeschichte beeinflussen deren Alltagskultur, aber nicht dessen Milieuzugehörigkeit und sind langfristig nicht identitätsstiftend. Von der Herkunftskultur einer Person ist entsprechend nicht auf deren Milieuzugehörigkeit zu schließen.
2. Menschen innerhalb eines Milieus sind sich unabhängig von ihrer Herkunftskultur ähnlicher als Menschen der gleichen Herkunftskultur aus verschiedenen Milieus.
3. Viele Menschen, insbesondere in den soziokulturell modernen Milieus, haben ein bikulturelles Selbstbewusstsein und sehen sich selbst nicht als Menschen mit MH, sondern als selbstverständlichen Teil der hiesigen Gesellschaft und Kultur.
4. Das Kulturnutzungsverhalten von einer Person mit MH ist primär abhängig von dem sozialen Milieu, zu dem die Person gehört – und nicht von deren Herkunftskultur.
5. Menschen mit MH möchten sich im Kulturbereich stärker repräsentiert sehen und zeigen hohes Kulturinteresse, wenn entsprechende Angebote Bezug zu ihrer Lebenswelt aufweisen.
Nicht nur die beständigen Nachfragen aus der Praxis, was man denn nun aus den aktuellen Forschungsergebnissen für die praktische Arbeit herausziehen kann, weisen darauf hin, dass anscheinend noch einige Forschungsfragen offen bleiben:
Forschungsarbeiten, die sich auf Menschen einzelner Herkunftsländer oder gar MH generell beziehen, sehen sich an erster Stelle mit dem Problem konfrontiert, dass es DEN Menschen mit MH oder DIE homogene Nationalkultur nicht gibt. Es ist naheliegend, dass entsprechende Aussagen über Menschen mit MH allgemein oder über Menschen mit gleicher Herkunftskultur und deren Kulturnutzungsverhalten somit kaum in konkrete Handlungsempfehlungen für den Umgang mit dem Themenfeld oder gar konkrete marketingrelevante Maßnahmen für bestimmte „Gruppen“ umgewandelt werden können.
Forschungsarbeiten, die auf gemeinsame lebensweltliche Muster/Milieus von Menschen mit Migrationshintergrund abzielen, sehen sich mit einem anderen Problem konfrontiert. Der MH eines (potentiellen) Publikums kann beispielsweise bedeuten, dass es im Vergleich zu Menschen ohne MH potentielle weitere Möglichkeiten des Anknüpfens an deren Lebenswelt, zusätzliche Kommunikationswege (beispielsweise herkunftskulturelle Medien) oder spezielle Besuchsbarrieren (beispielsweise Sprache) gibt. Aus diesen Studien können zwar konkrete Handlungsempfehlungen für den Umgang mit dem Themenfeld oder gar konkrete marketingrelevante Maßnahmen für bestimmte „Gruppen“ herausgezogen werden, eine zusätzliche Information zum Faktor „Migrationshintergrund“ wäre jedoch sehr wahrscheinlich gewinnbringend.
Forschungsperspektiven
Um eindeutig festzustellen, ob Bezüge zur Herkunftskultur bei der Ansprache verschiedener Milieus gewinnbringend sind, müsste innerhalb einer Studie das Kulturnutzungsverhalten von Menschen mit MH nach Milieu UND nach Herkunftskultur beleuchtet werden. Bislang ist dies in der Forschung allerdings nicht in Kombination umgesetzt worden. Diesem offensichtlich vorhandenen Kenntnisbedarf versucht die Autorin aktuell in ihrem explorativen empirischen Forschungsprojekt „Migranten als Publikum von Kulturinstitutionen“ (Arbeitstitel) zu begegnen. Das Ziel dieser Arbeit liegt darin, herauszufinden, inwieweit für eine erfolgreiche Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund primär Hintergrundinformationen zu deren Milieuangehörigkeit und/oder primär deren Herkunft nutzbringend sind.
Hierfür wurden zunächst in einem ersten Schritt in einem eigens hierfür entwickelten mehrstufigen Screening Angehörige des „Intellektuell-kosmopolitischen Milieus“ von Sinus Sociovision identifiziert, das von allen Migrantenmilieus (Hoch-)Kulturangebote am häufigsten nutzt und ein großes Potential für eine interkulturelle Vermittlerrolle mitbringt (vgl. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2010:94ff.). In einem zweiten Schritt wurden diese exemplarisch im Rahmen von im Durchschnitt ca. 2,5-stündigen Interviews ergebnisoffen nach ihrer Wahrnehmung des Themenfelds, ihrem individuellen Kulturnutzungsverhalten (beispielsweise Interesse vs. Nutzung, Erwartungen, Informationswege, Ticketing-Wünsche) und Hinweisen auf Nutzungsbarrieren aus Sicht anderer Migrantenmilieus befragt. Um eine mögliche Verzerrung der Antworten durch unterschiedliche Kulturangebote in der Nähe zu vermeiden, wurde eine Befragung in mehreren Städten vorgesehen. Aufgrund des großen Kulturangebots und der vergleichsweise hohen Anzahl von Migranten vor Ort fand die Erhebung schließlich in Berlin, Frankfurt am Main und in Stuttgart statt. Laut der wenigen bisherigen Forschungserkenntnisse in dieser Richtung ließen dabei zwei in allen diesen Städten große Migrantengruppen deutliche Unterschiede in ihrem Kulturnutzungsverhalten erwarten: Migranten aus der Türkei und aus Ländern der ehemalige Sowjetunion (siehe bspw. Keuchel 2012, Keuchel/Wiesand 2006). Die insgesamt 54 Befragten (17-19 Befragte pro Stadt) stammten zu Vergleichszwecken entsprechend jeweils hälftig aus diesen zwei Herkunftsregionen.
Mit den Ergebnissen der Studie soll Kulturinstitutionen eine Hilfestellung geboten werden, mittels derer sie Menschen mit Migrationshintergrund erfolgreicher als bislang als Kulturpublikum gewinnen und interkulturelle Audience Development-Strategien entwickeln können. Eine Publikation der vollständigen Forschungsarbeit (und somit auch Erweiterung dieses Artikels um die aktuellsten Ergebnisse) ist Mitte des Jahres 2015 zu erwarten.