Kulturelle Erwachsenenbildung im Zeichen digitaler Transformation: Theoretische Perspektiven und forschungsleitende Zugänge
Abstract
In dem Beitrag wird Digitalisierung als kultureller Transformationsprozess beschrieben, der technologische Umwelten hervorbringt, die die gesellschaftliche Produktion von Werten, Normen und Bedeutung grundlegend verändern. Die Kulturelle Erwachsenenbildung erhält hierbei besondere Aufmerksamkeit, weil diese seit jeher eng mit kulturellen Wandlungsprozessen verwoben ist, diese reflektiert und mitgestaltet. Da es für diesen Bildungsbereich keine festen Curricula gibt, die Teilnahme freiwillig ist und Kulturelle Bildung im Sinne lebensbegleitenden Lernens für (fast) alle Altersgruppen angeboten wird, orientiert sich die Planung der Bildungsangebote an den individuellen und gesellschaftlichen Bedarfen. Die Programme werden damit zu wertvollen kulturellen Artefakten, in denen sich Strukturen und Pfade der Gesellschafts- und Kulturentwicklung sedimentieren. Da die pädagogische Angebots- und Programmplanung die notwendige Bedingung für die Entwicklung von Bildungsangeboten ist, erscheint sie als produktive Transformationsinstanz. Der Beitrag beleuchtet die theoretischen Hintergründe für diese Argumentation und legt damit leitende Zugänge für Forschungen zur Digitalisierung in der Kulturellen Erwachsenenbildung.
Ausgangslage und Grundannahmen
Ausgangspunkt des Beitrags ist die Frage danach, wie kulturelle Transformationsprozesse, insbesondere die Digitalisierung, die Kulturelle Bildung mit ihren Angeboten und Programmen und damit auch das zugrundeliegende Planungshandeln verändern. Die Behandlung dieser und weiterer Fragen sind eingebettet in das vom BMBF geförderte Grundlagenforschungsprojekt „Funktionen und Bildungsziele der Digitalisierung in der Kulturellen Bildung: Systematisierung und Analyse aktueller VHS-Angebote“, an dem die Autor*innen arbeiten. Dabei wird, anknüpfend an bereits vorliegende bildungswissenschaftliche Befunde zur Kulturellen Bildung (Fleige/Gieseke/Robak 2015) und unter Einbezug kulturwissenschaftlicher und -soziologischer Erkenntnisse, eine theoretische Erweiterung des Verständnisses Kultureller Erwachsenenbildung in einer Kultur der Digitalität (Stalder 2017) verfolgt. Diesbezüglich rahmen den nachfolgenden Beitrag drei wesentliche Grundannahmen zum Zusammenhang kultureller Transformationsprozesse und Programmplanung (von Kultureller Bildung) sowie deren Folgen für einen analytischen Blick auf die Kulturelle Erwachsenenbildung:
- Die kulturellen Transformationsprozesse führen zu einer Ausweitung der Prozesse der Kulturformung. Dies lässt sich bereits mit den Ansätzen zur Transkulturalität und Hybridisierung (Bhabha 2000; Reckwitz 2006; Welsch 2011) beschreiben und kann mit der „Gesellschaft der Singularitäten“ (Reckwitz 2017) und der „Kultur der Digitalität“ (Stalder 2016) für den digitalen Transformationsprozess weiterentwickelt werden;
- Gerade die Kulturelle Erwachsenenbildung reagiert aktiv auf diese kulturellen Transformationen, indem sie veränderte Bedürfnisse und Interessen der Lernenden antizipiert sowie bildungspolitisch gesetzte Bedarfe im Prozess der Programmplanung aufnimmt und neuartige Zugangsweisen zur Deutung von Partizipation an und (De-)Konstruktion von Kultur offeriert. Die Programmplanung wird zur Transformationsinstanz (Kühn/Robak/Fleige 2018), da sie über die fortlaufende Planung die gesellschaftlichen Entwicklungen in Bildungsmöglichkeiten überführt, die mit verschiedenen Zugängen zu Lernen und Bildung unterlegt sind;
- Infolgedessen differenzieren sich die thematischen sowie didaktischen Programm- und Angebotsstrukturen der jeweiligen Einrichtungen der Erwachsenen-/Weiterbildung weiter aus.
Theoretische Zugänge zur Kulturellen Erwachsenenbildung
Allein die Vielfalt des Kulturbegriffes verdeutlicht, dass es kein allgemeingültiges Konzept Kultureller Bildung geben kann. Die verschiedenen Ansätze, „Kultur“ zu definieren, sind Ausdruck divergierender Interessen unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteure, die um die Auslegung des Kulturbegriffes ringen (Überblick: Fuchs 2012; Reckwitz 2000, 2017). In Bezug auf die Erforschung Kultureller Bildung kann es also nicht darum gehen, sich einer spezifischen Auslegung des Kulturbegriffs zu verschreiben. Vielmehr muss erkannt werden, dass das Verhältnis von Kultur und Bildung auslegungsbedürftig ist. Diese Auslegungen lassen sich zeit- und institutionsspezifisch über die Angebote und Programme Kultureller Bildung zeigen (Überblick zu Befunden: Fleige et al. 2018; Fleige et al. 2015). Für die bildungswissenschaftliche Erforschung zur Kulturellen Erwachsenenbildung bieten vor allem die Kulturwissenschaft und -soziologie theoretische Anschlussmöglichkeiten, da diese für sich wandelnde Interessen an Kultur und Bildung offen sind (Gieseke 2003a:208f.) und eine Auseinandersetzung mit kulturellen Transformationsprozessen vorantreiben.
Transkulturalität und Hybridisierung
Spätmoderne Gesellschaften sind von einer zunehmenden Heterogenisierung geprägt, die sich etwa in der Ausdifferenzierung verschiedener Migrationsformen bis hin zur Migrationsgesellschaft, aber vor allem auch millieuspezifischer („singularisierter“) Lebensstile (Reckwitz 2017:273ff.) zeigt. Darin eingebunden sind neue und veränderte Erfahrungen von Fremdheit, die durch die global-vernetzte Kommunikation, die weltweite Zirkulation von Kultur- und Wirtschaftsgütern und Migrationsbewegungen getragen und somit alltäglich für die Subjekte erfahrbar werden. Wolfgang Welsch (2011; 2012) verweist hier mit dem Konzept der Transkulturalität darauf, dass sich Kulturen wechselseitig durchdringen und die Idee in sich abgeschlossener und nach außer abgegrenzter „kultureller Kugeln“ nicht mehr aufrechterhalten werden kann. In einem dritten Raum (Bhabha 2000), der sich mit der Wahrnehmung kultureller Differenz ausbildet, kommt es seit Langem zu Vermischungen (Hybriden). Der Idee einer Reinheit von Kulturen kann damit eine klare Absage erteilt werden. Andreas Reckwitz (2006) beschreibt dies übergreifend als Hybridisierung, die als Prozess der kulturellen Neuformung die Strukturen der Modernisierung durchzieht. Das führt nicht nur zu einer permanenten Veränderung von Kultur, die in der Spätmoderne als Subjektkultur konzeptualisiert wird, sondern auch zu einer oft in sich widerstreitenden Vielfalt kultureller Praktiken, Deutungs- und Sichtweisen. In diesem kulturellen Raum des Dazwischen können sich gegenkulturelle Bewegungen ausformen, die Anlass für Protest geben (ebd.). In den Zwischenräumen kommt es zu kulturellen Neuformungen, die eine wesentliche Grundlage für die Singularisierung schaffen. Die sich bildenden Subjekte wirken hierbei zentral über ihre Praktiken, Interaktionen, wirklichkeitskonstruierenden Erfahrungen, Deutungen, aber auch Lern- und Bildungsaktivitäten, die sie als Ressourcen einbringen, an der Neuformung von Kultur mit (Robak 2017, 2018) Bedeutung, Zugehörigkeit und auch Identität werden damit verhandelt und können neu ausgeformt werden. Die Planung von entsprechenden Programmen und Angeboten Kultureller Bildung wirkt aus Perspektive der Transkultur als Transformationsinstanz, indem die Planenden die beschriebenen Phänomene als gesellschaftliche Entwicklungen wahrnehmen und deuten, darauf bezogene Bedarfe ableiten sowie individuelle Bedürfnisse und Interessen antizipieren und im Hinblick auf passfähige Bildungsangebote aufeinander beziehen.
Digitalisierung als kultureller Transformationsprozess
Im Rückgriff auf die Hybridisierung als Modernisierungsmerkmal lässt sich Digitalisierung als kultureller Transformationsprozess konzipieren, der im Kern kein von Technik evozierter oder vorangetriebener Prozess ist (technokratische Sichtweise) (Allert/Asmussen 2017:29), sondern sich in schon länger stattfindende gesellschaftliche Veränderungen einordnet. Wenngleich ein komplexes Zusammenspiel von Technik- und Medienwandel sowie Veränderungen der Art und Weise der Lebensführung und der Ökonomie in der Spätmoderne zu verzeichnen sind, so muss doch festgehalten werden, dass gerade diejenigen Formen der Techniknutzung und -hervorbringung auf kulturelle Praktiken zurückgehen, die lange vor dem Internet oder dem Smartphone existierten (Stalder 2016). Nach Reckwitz (2017) muss hierbei unterschieden werden zwischen einer technischen Entwicklung, die auf die Produktion standardisierter Massengüter ausgerichtet ist, und einer digitalen Technologie, die zur Umwelt der Kulturalisierung wird.
„Technik ist immer weniger Werkzeug, sondern wird immer mehr zu einer technologischen Umwelt, in der sich die Subjekte bewegen. Bei dieser Umwelt handelt es sich im Kern um eine kulturelle Umwelt, welche die Subjekte immerfort affiziert.“ (Reckwitz 2017:237, Hervorhebung i.O.)
Dies stellt für Reckwitz einen Strukturbruch in der Moderne dar, welcher die Logik des Allgemeinen ablöst, die auf die Standardisierung, Massenproduktion und Angleichung ausgerichtet ist. Stattdessen stützen für ihn die digitalen Technologien eine Logik des Besonderen, die veränderte soziale Einheiten (Subjekte, Objekte, Zeitlichkeit, Örtlichkeit, Kollektive) hervorbringt. Kennzeichnendes Merkmal ist, dass diesen Einheiten nicht nur gesellschaftlicher Nutzen, sondern auch ein Wert zugeschrieben oder aberkannt wird. Mit dieser In-Wert-Setzung (Valorisierung) ist verbunden, dass die singulären Subjekte von diesen kulturalisierten sozialen Einheiten angezogen, also affiziert werden (ebd.:27ff.). Die Subjekte binden an diese Einheiten Emotionen und bauen Beziehungen zu ihnen auf, was ein konstituierendes Merkmal von Lern- und Bildungsprozessen darstellt (Gieseke 2007). Digitalisierung erzeugt damit also keine digitale Welt neben der analogen oder eine digitalisierte Gesellschaft, sondern sie bringt eine technologische Umwelt hervor, in der sich bestimmte Formen der Bedeutungsproduktion und -verwaltung, also kulturelle Prozesse, ausformen.
Eng damit verbunden ist, dass sich die soziale Basis der Kultur erweitert – ein kultureller Wandlungsprozess, der etwa in den 1950er Jahren beginnt. Der Weg dahin wurde entscheidend geebnet durch das Wachstum der Wissensökonomie, die Erosion der Heteronormativität und die Auflösung der Asymmetrie zwischen einem kulturellen Zentrum und der Peripherie (Stalder 2016:21ff.). Felix Stalder (2016:10) spricht hier von der „Kultur der Digitalität“, in der sich die kulturellen Möglichkeiten eben jener Bedeutungsproduktion und -aushandlung enorm vervielfältigt haben. Soziales Handeln ist zunehmend in komplexe Technologien eingebettet, aktive partizipative und kreative Gestaltung von kulturellen Prozessen findet vermehrt über sowie durch digitale Medien statt und weitet sich dadurch aus (ebd.:58). Damit schafft die Digitalisierung, anknüpfend an Homi K. Bhabhas Theorem eines „Dritten Raumes“ (2000), neue Zwischenräume, die in einer technologischen Umwelt hervorgebracht werden und auf diese angewiesen sind. Hier finden Aushandlungen und Neuformungen kultureller Praktiken, Deutungs- und Sichtweisen statt, die als Gegenstandsbereich Kultureller Bildung einzubeziehen sind. In dieser Breite beschäftigt sich Kulturelle Bildung also nicht nur mit Fragen der künstlerisch-ästhetischen Produktion und Wahrnehmung, sondern eben auch mit dem Verhältnis von „fremd“ und „eigen“ sowie mit kulturformenden Prozessen innerhalb technologischer Umwelten.
Dabei ist Kulturelle Erwachsenenbildung immer auch in ihrer gesellschaftlichen Verwobenheit und in Bezug auf ihr „gesellschafts-, kultur- und geschichtskritisches Potenzial“ (Fleige/Gieseke/Robak 2015:17) zu befragen und in ihren offerierten Zugangsweisen wie strukturellen Platzierungen näher zu beschreiben. Forschungen zur Kulturellen Bildung zeigen in diesem Zusammenhang, wie sich der Bildungsbereich zunehmend mit anderen Bereichen (z.B. Gesundheitsbildung, Berufliche Bildung) verschränkt. Mit Blick auf die Digitalisierung diffundiert Kulturelle Bildung hier nun stärker in technische (z.B. EDV, Programmieren, Industrie 4.0), vor allem aber auch politische und ganz grundlegend in ethisch-normative Themenbereiche.
Programm(-planungs-)forschungen zur Kulturellen Erwachsenenbildung
Über die empirischen Programmforschungen im Feld der Kulturellen Erwachsenenbildung (z.B. Gieseke et al. 2005; Robak et al. 2015a; Robak/Petter 2014; Forschungsbericht WB-Kultur 2018) kann nachvollzogen werden, welche Auslegungen des Verhältnisses von Kultur, Bildung und Kunst sowohl institutionen- als auch themenbereichs- und zielgruppenbezogen in den Angeboten sedimentiert sind. Beim Blick auf die zugrundeliegenden Angebots- und Programmplanungsprozesse zeigt sich, dass der Kulturellen Bildung dabei unterschiedliche Funktionen und Bildungsziele (Robak/Fleige 2017; Hippel/Röbel 2016) zugewiesen werden. Dies verweist auf die Autonomie des Planungshandelns als Kern pädagogischen Handelns in den Einrichtungen der Erwachsenen-/Weiterbildung. Dabei werden die verschiedenen Perspektiven beteiligter Akteurinnen und Akteure auf die entwickelten und zu entwickelnden Bildungsangebote im Modus der Angleichung kommunikativ abgestimmt (Gieseke 2003b, 2008) bzw. die vielfältigen Erwartungshaltungen vor dem Hintergrund trägerspezifischer und institutioneller Rahmungen balanciert (Hippel 2013) und so aushandelnd eigenständige Entscheidungen getroffen (Fleige et al. 2018:59). Die Planenden sind demnach trotz der komplexen einrichtungsbezogenen Einflüsse relativ autonom, um die einzelnen Planungsschritte kreativ auszugestalten (Robak et al. 2015b). Neben bewährten Angebotsformen und einer nachfrageorientierten Programmplanung entstehen dabei innovative Angebote, die die aufgespürten gesellschaftlichen Trends und feldspezifischen Entwicklungen prospektiv aufgreifen (können). Programmplanung ist somit notwendige Bedingung und Transformationsinstanz, da sie maßgeblich mitentscheidet, welche Themen und Inhalte in den Bildungsangeboten behandelt werden, wie diese im Lehr-/Lernarrangement didaktisch umgesetzt und welche Möglichkeiten der Erweiterung von Wissen und Können damit geschaffen werden.
Portale als pädagogisch gestaltete Zugänge zur Kulturellen Bildung
Das Spektrum Kultureller Bildung kann mit dem Theorem der „Portale Kultureller Bildung“ beschrieben werden. Sie sind das empirische Ergebnis einer trägerübergreifenden Programmanalyse zur Kulturellen Erwachsenenbildung in Berlin und Brandenburg in den Jahren 1996 und 2001 (Gieseke et al. 2005) und dienen vor allem der Programmforschung als Kategorien zur Analyse von Zugängen zur Kulturellen Bildung. In ihrer konzeptionellen Anlage verbinden die Portale Kultureller Bildung offerierte Themenstrukturen und Lern- und Wissensformen mit angebotenen Vermittlungs- sowie Aneignungs- und Rezeptionswegen in den unterschiedlichen Sparten und Feldern von Kunst und Kultur (grundlegend: Gieseke et al. 2005; Gieseke 2003a; weiterentwickelt z.B.: Robak/Petter 2014). Dadurch werden akzentuierte Inhalte und Themen der Kulturellen Bildung in ihrer jeweiligen Verschränkung mit spezifischen didaktisch-methodischen Ausformungen kategoriengeleitet erfass- und erschließbar sowie Innovationen, Veränderungen und Entwicklungen empirisch sicht- und erkennbar. Grundlegend zeigen sich aus den bisherigen Studien für die Kulturelle Bildung drei Portale:
- Das systematisch-rezeptive Portal ist auf die Deutung(-smöglichkeiten) von Kunst und Kultur ausgerichtet. Über die Ausbildung und Aktivierung von Deutungs-, Interpretations- und Urteilsfähigkeit (i.d.R. über die Vermittlung kunst-/kulturtheoretischen Wissens, das systematisch aufbereitet ist) und eines entsprechenden kritischen Bewusstseins „erweitern sich die eigenen Spielräume zur Betrachtung von Welt und für das eigene Handeln“ (Fleige/Gieseke/Robak 2015:85).
- Das selbsttätig-kreative Portal ist auf das Erwerben und Erlernen von Methoden, Techniken und Arbeitsweisen sowie auf das Suchen und Ausprobieren verschiedener Darstellungs- und Ausdrucksformen ausgerichtet, die rückgekoppelt werden an eigene und alternative Wahrnehmungsweisen. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, sowohl zu sich selbst (neu) in Beziehung zu treten als auch sich der Welt mitzuteilen und damit zu einer eigenständigen Wirklichkeits- und Selbsterkenntnis zu gelangen (ebd.:130).
- Dem verstehend-kommunikativen Portal geht es um das Begreifen und Verständigen, Erkennen und Diskutieren differenter kultureller Praxis und kulturellen Wissens im Hinblick auf die Gestaltung und Formung von Kultur (Gieseke/Opelt 2005:43; Robak 2017:334). Indem man sich kommunikativ über das Eigene und das Fremde (interkulturelle Bildung) und deren kulturelle Verflechtungen (transkulturelle Bildung) verständigt, wird in entsprechenden Angeboten Welt über gemeinsame Erfahrungen gedeutet und (de-)konstruiert (Robak/Fleige 2017; Robak 2017:333f.). Gerade in diesem Portal zeigt sich, dass die Ausformungen von Transkulturalität und Hybridisierung zu veränderten Zugängen zu Kultureller Bildung führen, die sich – auch mit Bezug auf den kulturwissenschaftlichen Diskurs (z.B. Keuchel/Wagner 2012) – auf eine breite Auslegung von Kultur beziehen und sich nicht nur auf die künstlerisch-ästhetischen Themen beschränken.
Das analytisch-reflexive Portal als neuer Zugang zur Kulturellen Bildung
Vor dem Hintergrund der theoretischen Ausführungen zu Digitalisierung als kultureller Transformation ist in aktuellen VHS-Programmen ein weiteres Portal erkennbar, in dem sich die gestiegenen Partizipationsinteressen der Individuen ausdrücken, die über digitale Kommunikations- und Gestaltungsmöglichkeiten ihre Lebenswelten mitgestalten und an der Bedeutungsproduktion teilhaben wollen: das analytisch-reflexive Portal. Das Portal deckt auf, wie neue und veränderte Formen der Kulturgestaltung in Bildungsinstitutionen unter Einbindung verschiedenster Wissensressourcen im Prozess der Programmplanung in Angebote transformiert werden. In diesem Prozess kommt – ähnlich dem systematisch-rezeptiven Portal – der Vermittlung strukturiert aufbereiteten Wissens eine wichtige Rolle zu. Im Zentrum stehen allerdings nicht die Wahrnehmung und Bearbeitung der Differenz verschiedener Kulturen sowie deren Deutung aus inter- und transkultureller Perspektive (verstehend-kommunikativ) oder die Interpretationsbedürftigkeit und -möglichkeiten der Artefakte künstlerisch-ästhetischen Handelns (systematisch-rezeptiv). Vielmehr geht es um das Verstehen von und die Teilhabe an Kulturformungsprozessen, die auf eine digitale, technologiebasierte Umwelt angewiesen sind bzw. in ihr hervorgebracht werden. Das Selbst bekommt damit Möglichkeiten alternativer Umgangs-, Zugangs- und Gestaltungsformen aufgezeigt, erarbeitet sich diese und wird dazu angeregt, alltägliche Routinen des Technikumgangs und -einsatzes zu hinterfragen. In diesem Sinne ermöglichen die entsprechenden Angebote Kultureller Bildung über den Aufbau von Wissen und Können einerseits die Partizipation an jenen Zwischenräumen, die von einer technologischen Umwelt abhängig sind. Hier sind die Forderungen nach Erweiterung von Medien- bzw. Digitalkompetenzen (Carretero/Vuorikari/Punie 2017) zu verorten – mitsamt den verschiedenen Aspekten von Mündigkeit wie Urteilsfähigkeit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Es ist aber auch kritisch zu fragen, ob diese Angebote selbst neue Zwischenräume sein können, in denen, gerade mit Blick auf die Entwicklung mediengestützter Bildungsformate, die Kulturen des Lernens und Lehrens (Fleige/Robak 2018) neu ausgeformt werden und gar von einer digitalen Bildungsrevolution (Dräger/Müller-Eiselt 2015) gesprochen werden kann. In jedem Fall schafft die Digitalisierung veränderte Möglichkeiten der Umsetzung und Steuerung von Lernprozessen, in denen sich verschiedene Szenarien mediengestützten Lernens (Kerres 2018) verwirklichen. Die technologische Umwelt ist dann die kulturelle Bedingung dafür, dass sich bestimmte lernkulturelle Regime, die zunehmend auf den Konzepten von Eigenverantwortung, Selbststeuerung und Output-Orientierung beruhen, umsetzen lassen.
Schlussbemerkung: Digitalisierung der Kulturellen Bildung als Anforderung an professionelles Handeln
Mit der digitalen Transformation bildet sich eine technologische Umwelt heraus, in der sich die gesellschaftsformenden Praktiken der Verhandlung und Realisierung von Bedeutung wandeln. Daraus resultieren aufseiten der Individuen veränderte Bildungsbedürfnisse/-bedarfe und Interessen. Programm- und Angebotsplanung im Handlungsmodus der Angleichung avanciert hier zu einer zentralen Transformationsinstanz. Sie gestaltet über die Erweiterung von Wissen und Können in Bildungsangeboten Partizipationswege an kulturellen Formungsprozessen, die in den sich in technologischen Umwelten entwickelnden Zwischenräumen stattfinden. Gerade Kulturelle Bildung ist hierbei der zentrale Ort für eine kritisch-reflexive Auseinandersetzung mit diversen Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, den sich immer weiter ausdifferenzierenden kulturellen Gemeinschaften und veränderten Praktiken in einer technologischen Umwelt. Ein Verständnis Kultureller Bildung, das die Verwobenheit mit gesellschaftlichen Entwicklungen erkennt und reflektiert, befindet sich stets selbst im Wandel und bleibt auslegungsbedürftig. Die Ausformung des analytisch-reflexiven Portals als pädagogisch gestalteter Zugang zur Kulturellen Bildung liefert eine erste wichtige Erkenntnis, wohin sich die Angebots- und Programmstrukturen für die Kulturelle Bildung mit der Digitalisierung entwickeln. Darüber hinaus wird es darauf bezogener Programmforschung darum gehen, weitere Strukturen in den (VHS-)Programmen offenzulegen, die mit Blick auf die technologischen Umwelten sich verändernde Inhalte und Formen offerierten Lehrens und Lernens erfassen. Die Herausforderung besteht hier darin, die unterschiedlichen Auslegungen Kultureller Bildung, die zum einen eng auf künstlerisch-ästhetische Bildung (Fuchs 2012) und zum anderen eher weit auf den Menschen als Gestalter seiner Welt (Liebau 2012) gefasst sind, zu berücksichtigen. Ebenso gilt es, die verschiedenen Szenarien mediengestützten Lernens (Kerres 2018) – gerade im Hinblick auf die Entwicklung von Lehr-Lernkulturen (Fleige/Robak 2018) – mit einzubeziehen. Die tiefreichenden und neuartigen Anforderungen an die Angebots- und Programmplanenden (Albrecht/Revermann 2016:18f.; Schmidt-Hertha et al. 2017:35) und das Bildungsmanagement (Robak 2018) sind unter Rückgriff auf empirisch gesichertes Wissen zu bearbeiten, damit die Bildungseinrichtungen die Prozesse der digitalen und auch transkulturellen Transformation in professionelle erwachsenenpädagogische und profilbildende lernkulturelle Entwicklungen münden lassen können.