Förderung für kulturelle Aktivitäten und Infrastrukturen in ländlichen Räumen: Programme, Akteure und mögliche Synergien

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von Christine Wingert

Erscheinungsjahr: 2018

Abstract

Es gibt eine Vielzahl von Förderprogrammen für die Entwicklung ländlicher Räume, verortet in den unterschiedlichsten Politikfeldern von Landwirtschafts-, Bildungs-, Sozial- und Verkehrspolitik, Wirtschaftsförderung u.v.m. Die nachfolgende Analyse untersucht die Rolle der Kultur in diesen hinsichtlich Funktionsweisen, Zielsetzungen und Umsetzungsmodalitäten sehr verschiedenen Förderprogrammen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene. Sie fragt aus der Sicht der Kulturpolitik nach Entwicklungslinien und Handlungsbedarfen sowie förderpolitischen Verbesserungen für Kultur und Kulturarbeit in ländlichen Räumen. Die Betrachtung stützt sich auf die Ergebnisse einer explorativen Studie des Instituts für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft von 2015. Sie greift neuere Entwicklungen in der Förderlandschaft auf und macht Perspektiven und Synergien zugunsten ländlicher Räume und der Förderung kultureller Aktivitäten und Infrastrukturen deutlich.

Im Koalitionsvertrag bekräftigt die neue Bundesregierung mehrfach ihr Ziel, „gleichwertige Lebensverhältnisse“ im urbanen und ländlichen Raum in ganz Deutschland zu schaffen. Entgegen kritischer Stimmen, die dieses Postulat angesichts der sozioökonomischen Entwicklungen in peripheren ländlichen Gebieten für uneinlösbar erklären (vgl. beispielsweise Berlin-Institut / IASS 2013), unterfüttert sie damit die im Raumordnungsgesetz (Paragraf 1 Absatz 2 ROG) verankerte Verpflichtung mit aktuellen Handlungsansätzen. Gestützt wird diese – das sei nur am Rande angemerkt – durch mehrere Artikel im Grundgesetz, wie das Sozialstaatsprinzip gemäß Artikel 20 GG, Benachteiligungsverbot gemäß Artikel 3 GG und Artikel 72 Absatz 2 GG, der das Gesetzgebungsrecht des Bundes explizit für die „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ gegenüber den Ländern stärkt. Von Szenarien der Aufgabe einzelner Landstriche, weil die Versorgung der Menschen mit Leistungen in den Bereichen Gesundheit, Pflege, Mobilität oder Bildung nicht mehr zu gewährleisten wäre, ist im aktuellen Regierungsprogramm keine Spur. Im Gegenteil: Die Zielsetzung, die Folgen des Strukturwandels in ländlichen Gebieten aufzufangen, um dem Auseinanderdriften wohlhabender und strukturschwacher Regionen entgegenzuwirken, durchzieht den gesamten Text – so auch hinsichtlich der kulturellen Daseinsvorsorge: „Indem wir Kultur und (Kulturelle) Bildung für alle zugänglich machen, im urbanen und ländlichen Gebiet, unabhängig von Einkommen und Herkunft, ermöglichen wir echte Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben“ (Bundesregierung 2018:162). Das ist ein hoch gestecktes Ziel.

Denn neben wirtschaftlich und demografisch stabilen Kommunen und gar prosperierenden Städten und Gemeinden, die von Zuzügen und Wohlstand geprägt sind, sieht es in einigen Regionen Deutschlands tatsächlich düster aus. Unternehmen wandern ab oder rationalisieren, um konkurrenzfähig zu bleiben, und die öffentliche Infrastruktur wird zunehmend eingeschränkt. Aufgrund mangelnder beruflicher Perspektiven und sinkender Lebensqualität wandern junge Menschen, verstärkt junge, gut ausgebildete Frauen, aus den strukturschwachen Gebieten ab. So warnt die Soziologin Claudia Neu in ihrem Essay über die „Neue Ländlichkeit“ vor der gleichzeitig zunehmenden Romantisierung des Landlebens und prognostiziert soziales Konfliktpotenzial: „Diese ›Entdichtung‹ wird von einer stärkeren sozialen Ausdifferenzierung und Polarisierung der Arbeits- und Lebensbedingungen begleitet werden“ (Neu 2016:8).

Die negativen Wandlungsprozesse treffen auch die Kultur: In den öffentlichen Verwaltungen fehlen Ansprechpartner*innen für Kultur, Kultureinrichtungen reduzieren ihr Personal und ihr Angebot, sanieren nicht oder müssen gar schließen. Viele Vereine leiden unter Überalterung und die Kultureinrichtungen und -angebote unter schwindenden Besucher*innenzahlen. Zudem verändert sich die Sozialstruktur und wird – verstärkt durch Zuwanderung und die Aufnahme von Geflüchteten – vielfältiger, wie auch das Freizeitverhalten, die Kommunikation und die Kulturinteressen. Auch darauf müssen Einrichtungen, Kommunen und Regionen kulturpolitisch reagieren (siehe: Norbert Sievers „Kulturpolitik für ländliche Räume“).

Förderpolitisch kommen auf allen Ebenen die schrumpfenden Regionen zunehmend in den Blick. Die steigende Anzahl an Förderprogrammen von Bund, Ländern, Kommunen und Stiftungen zugunsten ländlicher Räume kann als Indiz gewertet werden, dass – angesichts der Kosten, die durch eine anhaltende Landflucht und weiterhin zunehmende sozioökonomische Ungleichheit zwischen den Regionen auf die Gesellschaft zukämen – steigende Ausgaben für die öffentliche Daseinsvorsorge politisch akzeptabel werden. Zugleich ist eine weitere politische Entwicklung zu beobachten, nämlich die zunehmende Verschränkung der Akteursebenen, sowohl vertikal als auch horizontal: Kooperationen zwischen Bund, Ländern und Kommunen, zwischen öffentlichen, privat-wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren sowie zwischen verschiedenen Politikfeldern. „Politik im und für den ländlichen Raum“, so die Raumwissenschaftlerin Ulrike Grabski-Kieron, „ist weniger Sektorpolitik als vielmehr ein politisches Handlungsfeld, in dem verschiedene raumwirksame Politiken zusammenwirken. (…) Sie ist in das Mehrebenensystem von EU-, Bund und Bundesländern eingebunden. Als raumwirksame Politik unterliegt sie dabei den Regelungsprinzipien von Subsidiarität und Gegenstrom.“ (Grabski-Kieron 2016:24-25).

Exemplarische Analyse von Förderprogrammen

Vor dem Hintergrund der geschilderten gesellschaftlichen und förderpolitischen Entwicklungen erstellte das Institut für Kulturpolitik (IfK) der Kulturpolitischen Gesellschaft, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), eine Studie über Fördermöglichkeiten für Kultur in ländlichen Räumen, die unter den negativen Folgen des demografischen Wandels leiden (Institut für Kulturpolitik 2015). Diese ergab: Es gibt eine schier unüberschaubare Fülle an Projektförderungen, Wettbewerben und Investitionshilfen von verschiedenen Trägern auf Bundes-, Länder- und EU-Ebene, die Vorhaben fördern, die den Auswirkungen des demografischen Wandels in ländlichen Räumen begegnen wollen. Der Fokus der Recherche lag auf Bundes- und Länderprogrammen aus anderen Politikfeldern als Kultur. In die Synopse wurden gut 50 Förderprogramme aufgenommen; es ist jedoch anzunehmen, dass es doppelt oder gar dreimal so viele Förderprogramme gibt, die in unterschiedlicher Weise geeignet sind, die Folgen des demografischen Wandels im ländlichen Raum abzufedern bzw. den Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren zu diesem Thema zu unterstützen. Die Synopse umfasst 14 Programme des Bundes bzw. anderer Träger mit bundesweiter Gültigkeit und 25 Landesprogramme bzw. anderer Träger mit landesweiter Gültigkeit. Unter den Landesprogrammen sind solche, die Mittel der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds, kurz: ESI-Fonds, enthalten. Vorgestellt werden zudem exemplarisch drei INTERREG-Programme sowie zentral verwaltete EU-Programme. Diese Förderinstrumente wurden unter anderem im Hinblick auf die Trägerstrukturen, die Förderziele und -inhalte (und die Rolle von Kultur), die Formen der Förderung sowie die Adressaten untersucht. Die folgende Betrachtung von Fördermöglichkeiten für Kulturarbeit und Kulturpolitik in ländlichen Räumen stützt sich auf Ergebnisse dieser Studie von 2015 und bezieht neuere Entwicklungen in der Förderlandschaft zugunsten ländlicher Räume ein.

Ein solches Unterfangen ist aus zweierlei Perspektiven lohnenswert: erstens aus der Sicht potenzieller Antragsteller im Hinblick darauf, ob diese Programme zugunsten ländlicher Räume auch kulturelle Aktivitäten und Infrastruktur unterstützen, und zweitens aus der Sicht der Kulturpolitik im Hinblick auf mögliche Synergien, um Abstimmung, Konzertierung oder gar Kooperation mit anderen Ressorts anzugehen. Für die Entwicklung ländlicher Räume liegen integrierte politikfeldübergreifende Ansätze auf der Hand – und werden bereits seit Jahren erprobt, allerdings nicht immer unter Einbeziehung der Kultur. Kulturpolitik, die auf den gesellschaftlichen Wandel in ländlichen Regionen reagieren will, muss sich mit der Landwirtschafts-, Bildungs-, Sozial-, und Verkehrspolitik, mit der Wirtschaftsförderung und anderen Ressorts abstimmen und ihr seit Jahrzehnten währendes Bestreben verstärken, sich in integrierte Ansätze der Regionalpolitik einzubringen. Eine aktuelle Suchbewegung in diese Richtung unternimmt die Kulturstiftung des Bundes im Rahmen ihres Programms „TRAFO -- Modelle für Kultur im Wandel“ (siehe: Kristin Bäßler auf kubi-online) mit ihrem Ideenkongress im September 2018, indem sie den Austausch zwischen Kultur und der Politik für ländliche Entwicklung organisiert.

Dabei ist ein weiter Kulturbegriff vonnöten, der nicht auf Institutionen oder Sparten fokussiert. Denn besonders in kleineren Städten und Gemeinden treten neben Kultureinrichtungen wie Bibliotheken, Musik- und Kunstschulen sowie Museen (u.a. in ehemaligen landwirtschaftlichen, handwerklichen oder dem Handel dienenden Gebäuden, in Klöstern, Burgen und Schlössern), neben Kulturzentren, Gemeinde- bzw. Bürgerhäusern auch Volkshochschulen, Tourismusbüros, Vereine, Nachbarschaften, Privatiers und Unternehmen als Kulturakteure auf. Daher ist bei der Betrachtung bestehender Förderprogramme interessant, welche Akteure angesprochen werden, wie weit die Förderung auf die lokale oder gar individuelle Ebene ausgerichtet ist oder – beispielsweise seitens des Bundes oder der EU – an größere Einheiten wie Bundesländer, zivilgesellschaftliche Verbände oder kommunale Verbünde vergeben wird. Tatsächlich sind die Funktionsweise, die Zielsetzungen und die Umsetzungsmodalitäten der Förderprogramme zugunsten ländlicher Räume sehr verschieden. Einige zentrale Ergebnisse der IfK-Studie von 2015 im Hinblick auf die Ziele und Inhalte – insbesondere mit Blick auf die Rolle der Kultur – sowie die Adressaten der betrachteten Förderprogramme werden im folgenden Abschnitt zusammengefasst.

Ziele, Inhalte und Adressaten der Förderprogramme

Gut zwei Drittel der in der Studie des IfK vorgestellten Programme sind in erster Linie der Entwicklung von Städten, Gemeinden und Regionen gewidmet. Da die Förderung meistens aufgrund integrierter Entwicklungsstrategien vergeben wird, die per se mehrere Politikfelder einbeziehen, decken diese ein breites thematisches Spektrum ab und verfolgen weitgesteckte Ziele, wie die Förderung von Wirtschaft und Beschäftigung, die Sicherung der Daseinsvorsorge und die Verbesserung der Lebensqualität.

Andere Förderprogramme wenden sich konkreten Handlungsfeldern zu wie Tourismus, Berufsperspektiven von Frauen, soziale Infrastruktur, Teilhabegerechtigkeit, Generationendialog, Demokratiebewusstsein, Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung sowie Armutsbekämpfung. Darunter benennen einige Programme Kultur explizit als Fördergegenstand. Viele tun dies nicht, sind aber dennoch für den Kulturbereich relevant: Beispielsweise ist in die Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen die Kreativbranche eingeschlossen, selbst wenn sie nicht explizit genannt wird. Die Förderung der touristischen Infrastruktur schließt in der Regel Museen, Kulturrouten o.ä. kulturtouristische Aktivitäten ein. Und – um ein weiteres Beispiel zu nennen – die Förderung von Engagement für eine offene Gesellschaft ohne Rassismus und Diskriminierung könnte einem Jugendtheater- oder Filmprojekt zugutekommen, ohne dass dies in den Förderrichtlinien vorgesehen sein muss.

Gerade im Hinblick auf ländliche Räume, die zuweilen durch großflächige Verwaltungseinheiten und eine ausgedünnte öffentliche Infrastruktur gekennzeichnet sind, stellt sich die interessante Frage, welche Akteure von den Mittelgebern im Hinblick auf die Förderziele als so relevant angesehen werden, dass diese von den Mitteln profitieren sollen – Akteure, die zugleich motiviert und in der Lage sind, Entwicklung und Innovation voranzubringen. Die Analyse der Förderinstrumente ergibt, dass vorrangig zwei Ansätze verfolgt werden: die Förderung engagierter, kreativer Köpfe einerseits und die Förderung von Kooperation und Vernetzung von Gebietskörperschaften andererseits.

Kulturarbeit ist in ländlichen Regionen mehr noch als diejenige in Großstädten geprägt und abhängig von einzelnen Menschen. Selbstredend prägen auch im urbanen Kulturbetrieb einzelne Persönlichkeiten Ausrichtung und Qualität des Angebots. Aufgrund der geringeren Dichte hängen Einrichtungen, Vereine oder Initiativen in ländlichen Räumen jedoch durchaus existentiell von Engagierten ab – ob diese nun ehrenamtlich oder beruflich engagiert sind. Für den Erhalt der Lebensqualität einer Region ist die Identifikation des Einzelnen mit seinem Lebensraum von besonderer Bedeutung, sie ist gleichsam die Voraussetzung für sein persönliches Engagement. Umgekehrt tragen Möglichkeiten der Mitgestaltung zu einer höheren Identifikation der Bürger*innen mit dem Gemeinwesen bei.

Daher sind Partizipation und Engagementförderung lohnende Politikfelder hinsichtlich des Strukturwandels in ländlichen Räumen (siehe: Jens Maedler auf kubi-online.de). Auch wenn an dieser Stelle die Debatte über ein neues Aufgabenverständnis von Staat und Zivilgesellschaft nicht geführt werden kann, sei mit einem kritischen Zitat von Claudia Neu auf die Ambivalenz dieses Ansatzes hingewiesen: „Gerade in ländlichen Räumen wird gerne an die ›ureigenen Kräfte‹ wie Nachbarschaftshilfe und bürgerschaftliches Engagement appelliert, um die Bürger auf ihre neuen ›Aufgaben‹, wie etwa die Unterstützung von pflegebedürftigen Nachbarn, vorzubereiten. Die heimeligen Begriffe ›Nachbarschaftshilfe‹, ›Solidarität‹ und ›Gemeinschaft‹ verschleiern aber letztlich nur, dass die Kosten für die wegbrechenden sozialen und kulturellen Daseinsvorsorgeleistungen mehr und mehr privatisiert werden, während die Anforderungen an die individuellen Bewältigungskompetenzen steigen“ (Neu 2016:8). Demgegenüber macht sich Philipp Oswalt für eine Stärkung privaten Engagements für öffentliche Aufgaben stark. Da die Kostensteigerung für den Erhalt der Lebensqualität in ländlichen Räumen bzw. für deren Revitalisierung nicht allein aus staatlichen Mitteln bestritten werden könne, sei ein neues „Zusammenspiel von Staat, Zivilgesellschaft und privater Wirtschaft“ notwendig (Oswalt 2013:11). Dem Defizitdiskurs über schrumpfende ländliche Räume hält er seine Forderung nach einem Umdenken entgegen: „Weniger-werden erfordert vielmehr Erneuerung und Modernisierung. Weniger ist anders“ (ebd.:6). In bereits aktiven Mikronetzen von Engagierten, den „Raumpionieren“, die in Eigeninitiative Versorgungslücken füllen, beobachtet er neue Formen der Daseinsvorsorge, die es zu unterstützen und auszubauen gelte, ohne dass sich der Staat aus der Verantwortung zurückzieht.

Ein Blick in die aktuelle Förderlandschaft zeigt, dass tatsächlich viele Fördermittelgeber auf das individuelle Engagement setzen: Die Hälfte der in die Studie aufgenommenen Förderinstrumente nennt die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements ausdrücklich als Ziel. Den meisten Programmen liegt ein weiter, eher unspezifischer Begriff von Engagement zugrunde, der jede Form bürgerschaftlichen Engagements – Ehrenamt, Freiwilligentätigkeit, Zeit- und Geldspenden in Politik, Vereinen etc. – und auch unternehmerisches Engagement einschließt. Eine formalisierte Form von Bürger*innen-Engagement haben einige Fördermittelgeber im Blick, indem sie Bürger*innen-Beteiligung bei der Erarbeitung der einzureichenden Entwicklungskonzepte erwarten. Dies ist insbesondere bei Programmen zu finden, die sich an Gebietskörperschaften oder kommunale Netzwerke richten.

Bundesprogramme – eine Auswahl

Wenn aus der großen Fülle an Förderungen für ländliche Räume wichtige Programme ausgewählt werden müssen, stehen diejenigen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) – nicht nur zuständigkeitshalber – an erster Stelle. Es hat seit vielen Jahren mehrere Programme zu bieten, die für den Kultursektor interessant sind. Im Rahmen der „Bundesinitiative ländliche Entwicklung“ wurde 2015 das zentrale Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ (BULE) eingerichtet, unter dessen Dach viele ältere, bewährte Förderinstrumente zusammengefasst und immer wieder neue entwickelt werden. Im Fokus stehen nichtlandwirtschaftliche Aktivitäten. Aktuell besteht es aus vier Modulen: Modell- und Demonstrationsvorhaben, Förderung von Modellregionen, Wettbewerben sowie Forschungsförderung und Wissenstransfer.

Das Modul „Modell- und Demonstrationsvorhaben in zentralen Zukunftsfeldern ländlicher Entwicklung“ beinhaltet mehrere Programme, so auch eines mit dem Titel „Regionalität und Mehrfunktionshäuser“. Zur Erläuterung heißt es in der Broschüre des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft: „Mehrfunktionshäuser vereinen beispielsweise Dorfladen, Behandlungszimmer, Vereinsraum, Bücherei, Gemeindeamt, Café, Post oder Bank unter einem Dach. Sie dienen der Nahversorgung und nicht selten der Vermarktung regionaler Produkte und bilden einen Ort der Begegnung“ (BMEL 2018:11). 2015 wurden innovative Lösungsansätze für die künftige Gestaltung ländlicher Räume gesucht, in die ausdrücklich „neue Formen der Landkultur für ein lebendiges Kulturangebot in ländlichen Regionen“ eingeschlossen waren. So wird beispielsweise – neben zahlreichen Projekten ohne kulturelle Elemente – von 2017 bis 2020 der Um- und Ausbau des Generationenbahnhofs Erlau gefördert, ein denkmalgeschützter ehemaliger Bahnhof mit einem Dienstleistungsbereich (medizinisch, Pflege) und einem Bürgerbereich, der Räumlichkeiten für Veranstaltungen wie Seminare, Märkte, Freizeitangebote und Kulturveranstaltungen vorhalten soll. Ein anderes Beispiel: Der Kreis Lüchow-Dannenberg wird bei der Einrichtung eines Kreativlabors mit Co-Working-Space in einem alten Postamt unterstützt, das Unternehmerberatung, Kurse/Qualifizierung (z.B. Drucktechnik), ein Café, Werkstätten, Kinderbetreuung und Veranstaltungen umfassen soll.

Mehrfunktionshäuser dürften dem Konzept der „Dritten Orte“ des US-amerikanischen Stadtsoziologen Ray Oldenburg sehr nahe kommen (siehe: Oldenburg 1989), das gegenwärtig in der politischen Debatte hoch im Kurs steht. Exemplarisch sei hier auf den Koalitionsvertrag der Landesregierung Nordrhein-Westfalen (2017–2022) verwiesen, in dem es heißt: „Wir werden die Kommunen – vor allem im ländlichen Raum – bei der Entwicklung von Konzepten ›dritter Orte‹, die zur Verbesserung der kulturellen Infrastruktur dienen, unterstützen“ (NRW-Koalition 2017:91). Dabei ist der Gedanke, offene und niederschwellige Orte der Begegnung zu schaffen, in der Bundesförderpolitik nicht neu: Mit dem Aktionsprogramm „Mehrgenerationenhäuser“ verfolgt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) diesen Ansatz bereits seit 2006: „Mehrgenerationenhäuser sind Begegnungsorte, an denen das Miteinander der Generationen aktiv gelebt wird. Sie bieten Raum für gemeinsame Aktivitäten und schaffen ein nachbarschaftliches Miteinander in der Kommune. Mehrgenerationenhäuser stehen allen Menschen offen – unabhängig von Alter oder Herkunft“ (BMFSFJ o.J.). In der nunmehr dritten Phase (2017–2020) nehmen 540 Häuser daran teil, von denen viele ihren Aufgaben auch mit soziokulturellen, künstlerischen und kreativen Angeboten nachkommen. Während das BMEL mit dem Programm „Regionalität und Mehrfunktionshäuser“ dezidiert auf periphere ländliche Räume zielt und örtliche Initiativen zur Nutzung leerstehender Gebäude unterstützt, finden sich Mehrgenerationenhäuser sowohl in urbanen Zentren als auch in ländlichen Kommunen. Über die vielen Jahre ist mit den Mehrgenerationenhäusern eine soziale Infrastruktur über das gesamte Bundesgebiet entstanden, und fast schon ist das Ziel erreicht, dass es in jedem Landkreis und in jeder Stadt mindestens ein Mehrgenerationenhaus gibt. Im Unterschied zu diesem Anspruch, die Entstehung einer flächendeckenden Infrastruktur zu fördern, ist ein erklärtes Ziel des BULE-Programms „Regionalität und Mehrfunktionshäuser“, herausragende Beispiele zu unterstützen und „als Impulse und Lösungsansätze“ in anderen Regionen bekannt zu machen (BMEL 2018:7).

Seit 2017 gibt es unter dem BULE-Dach im Modul „Modell- und Demonstrationsvorhaben“ ein weiteres interessantes Programm, das dezidiert auf Kultur ausgerichtet ist: Das Programm „LandKULTUR“ anerkennt die besondere Rolle der Kultur für die Lebensqualität eines Ortes, sie trage „zum Selbstwert des ländlichen Raums bei, kann große verbindende Kraft entwickeln und prägt den Charakter einer Gemeinde maßgeblich mit“ (BLE 2017:2). Thema der ersten Ausschreibung im April 2017 waren „kulturelle Aktivitäten und Teilhabe in ländlichen Räumen“ und die Resonanz übertraf alle Erwartungen: Über 900 Projektskizzen wurden eingereicht, auf andere Ausschreibungen reagieren 250 bis 300 Träger. Die ersten Projekte laufen Mitte 2018 an. Wiederum geht es dem BMEL um die Förderung von übertragbaren Lösungen, die als Vorbild dienen können. Zudem sollen die geförderten Projekte Erkenntnisse für die künftige Politikgestaltung des BMEL zugunsten ländlicher Räume liefern. Offen ist, inwiefern bei der Umsetzung und Auswertung dieses Programms Expertise seitens der Kulturbehörden beteiligt wird.

Das BULE-Modul „Modellregionen“ wird seit 2014 mit dem Programm „Land(auf)Schwung“ umgesetzt. Zunächst bis 2018 geplant, wurde es kürzlich bis Ende 2019 verlängert. Gefördert werden – mit wissenschaftlicher Begleitung – Landkreise in strukturschwachen ländlichen Gebieten, die in besonderem Maße vom demografischen Wandel betroffen sind. „Es wird insgesamt ein integrierter Ansatz verfolgt, und zwar sowohl bezüglich der förderfähigen Maßnahmen als auch im Hinblick auf die zu beteiligenden Akteure und die Gebietskulisse“, heißt es zwar im Leitfaden (BMEL 2014:9), Kultur wird jedoch nicht dezidiert genannt. (Zu beachten ist dabei, dass im Rahmen dieser Studie die geförderten Aktivitäten in den Kreisen nicht untersucht wurden. Daran würde sich zeigen, inwiefern dennoch kulturelle Akteure und Vorhaben einbezogen waren.) Inhaltlich geht es um die Stärkung regionaler Wertschöpfungsnetzwerke, die Sicherung der Daseinsvorsorge, den Ausbau der sozialen und technischen Infrastruktur sowie der sozialen Dorfentwicklung. Von großer Bedeutung sind Qualifizierungsangebote sowie die Aktivierung des bürgerschaftlichen Engagements. Menschen mit „Unternehmergeist“ – der Begriff steht unter anderem für Innovationspotenzial, Verantwortungsbereitschaft und die Fähigkeit zur praktischen Umsetzung – sollen sich einbringen in interkommunale und interregionale Kooperationen für die Entwicklung und Umsetzung von „integrierten Zukunftskonzepten“. Damit wächst den ausgewählten Landkreisen die Aufgabe zu, diese Schlüsselpersonen zu finden und für die Mitwirkung zu gewinnen.

Demgegenüber richten sich die beiden Wettbewerbe „Kerniges Dorf!“ und „Unser Dorf hat Zukunft“ des BMEL an einzelne Kommunen. Der Wettbewerb „Kerniges Dorf!“ prämiert Dörfer (mit weniger als 5.000 Einwohnern) mit zukunftsweisenden Ideen für die Belebung und bauliche Gestaltung ihrer Ortskerne, die diese an die Veränderungen in der Bevölkerung anpassen. „Unser Dorf hat Zukunft“ hat eine sehr lange Tradition (Nachfolger des Wettbewerbs „Unser Dorf soll schöner werden“), die immer schon beim Engagement für und der Identifikation des Einzelnen mit „seinem“ Dorf ansetzte. Heute stehen gesellschaftliche Fragestellungen wie die Verbesserung der Lebensqualität und der Umgang mit dem demografischen Wandel im Fokus. Die teilnehmenden Dörfer müssen sich zunächst mit ihren Entwicklungskonzepten, die auch soziale und kulturelle Aktivitäten beinhalten sollen, in einem Landeswettbewerb behaupten.

Förderprogramme in ressortübergreifenden Kooperationen

Für lokal wirksame Förderungen, die Einrichtungen, Organisationen und kleine Kommunen sowie kommunale Netzwerke erreichen sollen, werden zunehmend Trägerkooperationen gewählt. Die folgenden Beispiele repräsentieren Bund-Länder-Programme sowie Kooperationen des Staates mit Stiftungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Sie schließen kulturelle Vorhaben mehr oder weniger ausdrücklich mit ein.

Das Programm „Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“ des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) wurde 2010 als Baustein der Bund-Länder-“Initiative ländliche Infrastruktur“ eingerichtet und wird bis heute weitergeführt (BMI o.J.). Ziel ist es, vor allem kleinere Städte und Gemeinden in dünn besiedelten, von Abwanderung bedrohten oder vom demografischen Wandel betroffenen Räumen darin zu unterstützen, die zentralörtlichen Versorgungsfunktionen für die Bevölkerung vor Ort sowie in den Umlandgemeinden zu sichern. Dazu erarbeiten Kommunen gemeinsam integrierte Entwicklungskonzepte und reichen sie bei den für Städtebau zuständigen Landesministerien ein. Diese bewerten die Anträge und geben den Finanzierungsbedarf an den Bund weiter. Neben der Förderung sozialer und kultureller Infrastruktureinrichtungen und strategischer Netzwerke ist für den Kulturbereich die Einrichtung so genannter Verfügungsfonds interessant, mit denen unternehmerisches und bürgerschaftliches Engagement gefördert werden soll.

Das Programm „Engagierte Stadt“ unterstützt gemeinnützige Organisationen, die lokales Engagement und Engagementstrukturen in Klein- und Mittelstädten (10.000 bis 100.000 Einwohner) stärken. Gefördert wird bürgerschaftliches Engagement, das sich den Herausforderungen des demografischen Wandels, der Energiewende sowie dem sozialen Zusammenhalt und der Chancengleichheit widmet; auch Kultureinrichtungen profitieren davon. Dieses Programm ist eine gemeinsame Initiative des BMFSFJ und sechs namhafter Stiftungen: Bertelsmann Stiftung, BMW Stiftung Herbert Quandt, Generali Zukunftsfonds, Herbert Quandt-Stiftung, Körber-Stiftung und Robert Bosch Stiftung.

Auslober des Wettbewerbs „Menschen und Erfolge. Aktiv für ländliche Infrastruktur“ war das BMUB gemeinsam mit zahlreichen Partner*innen wie den kommunalen Spitzenverbänden und weiteren Bundesverbänden verschiedener Bereiche: Deutscher Landkreistag, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Deutscher Bauernverband, Zentralverband des Deutschen Handwerks, Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau, Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie Bund Deutscher Landschaftsarchitekten und Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften. 2016 wurde der letzte Wettbewerb ausgelobt. Wechselnde Themen der Daseinsvorsorge standen im Fokus, 2014 war das Motto „Ort der Kultur und Begegnung“ mit den drei Themenfeldern „Neue Kulturangebote im Ort“, „Neue Organisationsformen und Partnerschaften“ sowie „Kultur und Begegnung in neuen Räumen“. Die bis dato letzte Wettbewerbsrunde 2016 stand unter dem Motto „Ländliche Räume: produktiv und innovativ“, bei der ländliche Räume als wichtige Wirtschaftsstandorte im Fokus standen. Prämiert wurden auch einige Kulturprojekte, in der Dokumentation des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zusammengefasst im Handlungsfeld „Mit Kreativen wirtschaften“, darunter die „Künstlerstadt Kalbe“ und der „Kunsthof Dahrenstedt“. Sie zeigten, so die Autor*innen der Dokumentation, „wie Kreativschaffende Potenziale ländlicher Räume entdecken und in Wert setzen. Sie machen auf diese Räume neugierig und wecken das Interesse insbesondere junger Leute. Wesentliche Ressourcen, die sie für die Entwicklung der Region mobilisieren, entstehen aus dem Austausch und der Vernetzung unterschiedlicher Akteure“ (BBSR 2017:24ff.).

Strukturförderung auf Landesebene

Da der demografische Wandel in Europa eine besondere Herausforderung für raumbezogene Politiken darstellt, wurde er für die Struktur- und Kohäsionspolitik der EU zur Priorität erklärt. Diese wird in Deutschland zu großen Teilen auf Länderebene umgesetzt, so dass die Bundesländer in unterschiedlichen Ministerien eine Vielzahl an Förderprogrammen anbieten. Zwei der Landesprogramme, die mit EU-Mitteln gespeist werden, seien exemplarisch vorgestellt, da sie unterschiedliche Ansätze verfolgen.

Das „Programm zur Förderung der Entwicklung im ländlichen Raum 2014–2020 – Gezielt ins Land (PFEIL 2014–2020)“ ist das umfangreiche gemeinsame Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum der Länder Niedersachsen und Bremen. Im Rahmen der Priorität „Förderung der sozialen Inklusion, der Armutsbekämpfung und der wirtschaftlichen Entwicklung in ländlichen Gebieten“ sind dezidiert die Förderung von kulturellem Erbe, Tourismus, Daseinsvorsorge und Dorfentwicklung vorgesehen.

Inhaltlich wählt das Programm „Dorfentwicklung“ des hessischen Landwirtschaftsministeriums einen ähnlichen Ansatz. Es richtet sich jedoch ausdrücklich an kleine Dörfer, die – sobald sie als so genannte Schwerpunktgemeinde in das Förderprogramm aufgenommen wurden – über viele Jahre (bis zu 10 Jahre) von einer Förderung profitieren können. Maßstab für „kleine Dörfer“ ist eine Einwohnerzahl bis zu 2.000 Einwohnern sowie Orte über 2.000 bis zu 6.000 Einwohnern, die nicht dem Anwendungsbereich der Städtebauförderung zugeordnet sind. Mehrfach finden sich ausdrücklich kulturelle Anknüpfungspunkte in den Zielformulierungen des Programms, unter anderem die Gestaltung der Dörfer im ländlichen Raum als attraktive und lebendige Lebensräume, die Mobilisierung der sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Potenziale vor Ort sowie die Sicherung des baulichen und kulturgeschichtlichen Erbes.

Die Rolle der Kultur in den Struktur- und Regionalentwicklungsprogrammen auf Landesebene ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Einige schließen sie ausdrücklich als Fördergegenstand ein, dann meistens die Bereiche Kulturerbe (Museen, Erhalt historischer Bausubstanz, Brauchtum etc.) sowie Tourismus, der den Kulturtourismus und damit wiederum insbesondere die historischen Angebote umfasst. Viele beziehen sich jedoch nicht explizit auf Kultur. Damit stehen Kulturakteure vor der Herausforderung, sich von den – in der Regel kulturfern formulierten – Förderzielen wie Daseinsvorsorge, Erhalt der Lebensqualität oder Ausbau der sozialen Infrastruktur angesprochen zu fühlen. Denn in die Daseinsvorsorge beispielsweise können sich Kulturakteure der kulturellen Bildung sowie der Stadtteil- und Soziokultur mit ihren Angeboten und Aktivitäten z.B. mit mobilen Kulturangeboten wie Bücherbus einbringen.

Entwicklungslinien und Handlungsbedarf

Die explorative Studie des IfK über Förderpotenziale für Kultur in ländlichen Räumen von 2015 exemplifiziert die Diversität und Komplexität des gegenwärtig existierenden Förderinstrumentariums zugunsten ländlicher Räume in Ressorts wie Städtebau-, Umwelt-, Landwirtschafts- und Regionalpolitik auf Bundes- und Landesebene, die weit über die oben genannten Programme hinausgehen. Gefragt wurde jeweils nach der Rolle der Kultur in diesen Programmen, aber auch nach Potenzialen für die Verbesserung der Fördermöglichkeiten für Kultur in ländlichen Räumen. Potenziale zeichnen sich insbesondere durch eine zunehmende gegenseitige Wahrnehmung und Offenheit der an der Entwicklungspolitik für ländliche Räume beteiligten Akteurskreise ab.

So stellt Ulrike Grabski-Kieron einen Wandel im Rahmen der Raumordnungs- und Strukturpolitik für den ländlichen Raum fest: „Die Ausarbeitung und Umsetzung politischer Ziele vollzieht sich dabei in einer Planungskultur, die im Zeichen eines veränderten Verantwortungs- und Steuerungsverständnisses steht und in deren Mittelpunkt der ›Governance‹-Begriff zu finden ist“ (Grabski-Kieron 2016:24f.). Diese Planungskultur sei „Ausdruck eines gewandelten Verständnisses staatlicher Aufgaben im Umfeld von Demokratisierung und Bürgermitwirkung, öffentlich-privaten Kooperationen und Partnerschaften, von akteursgetragenen Entscheidungsprozessen in regionalen oder lokalen Raumkontexten. Sie ist (…) durch Elemente strategischer Planung charakterisiert, etwa wenn es darum geht, in einer Region zusammen mit den regionalen Akteuren gemeinsame Visionen für die räumliche Entwicklung zu erarbeiten oder Handlungsprioritäten festzulegen“ (ebd.).

Ein Beispiel dafür ist der Mehrebenendialog „mit Vertreterinnen und Vertretern aller staatlichen Ebenen, der Wirtschaft, der Sozialpartner, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft“, den die Bundesregierung 2012 mit der ersten Demografiestrategie einführte und mit deren Weiterentwicklung seit 2015 fortsetzt (BMI 2015:5). Gemeinsam mit diesen „Gestaltungspartnern“ werden seitdem in thematischen Arbeitsgruppen Maßnahmen zum Umgang mit dem demografischen Wandel in Deutschland diskutiert. Eine der zehn Arbeitsgruppen widmet sich dem Thema „Regionen im demografischen Wandel stärken – Lebensqualität in Stadt und Land fördern“. Daran ist unter den Vertreter*innen auf Bundesebene auch die BKM beteiligt. Dennoch – das sei an dieser Stelle nur angemerkt – ist der Kultursektor nur marginal berücksichtigt (vgl. BMI 2017:38ff.).

Des Weiteren stellt Grabski-Kieron einen Wandel in der Umsetzung politischer Zielsetzungen fest: „Sie (die Planungskultur, d. A.) ist (…) durch eine umsetzungsbezogene Planung charakterisiert, denn dem projektbezogenen Arbeiten, in dem gesteckte Ziele realisiert werden, wird ein großer Stellenwert beigemessen“ (Grabski-Kieron 2016:25). Diese Entwicklung ist auch im Rahmen der Kulturpolitik aller politischen Ebenen zu konstatieren: Hin zu einer stärkeren konzept- und programmbasierten Förderung, die Kultur in den Kontext aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen stellt und ganzheitliche Ansätze verfolgt. In den ressortübergreifenden und Mehrebenen-Prozessen für regionale Entwicklung führt Kultur zumeist ein Schattendasein, obwohl sich in den vergangenen Jahren bereits Einiges getan hat: So konstatiert Grabski-Kieron, dass „im Zeichen des demografischen Wandels, der Integration und der Daseinsvorsorge (…) der Stellenwert der Sozial-, Bildungs- und Kulturpolitik gestiegen“ sei (Grabski-Kieron 2016:24). Dies bestätigt auch die exemplarische Nachrecherche (ergänzend zu der IfK-Studie) zu Förderinstrumenten für diesen Beitrag: Kultur scheint als Faktor der Entwicklung ländlicher Räume zunehmend in den Blick genommen zu werden, wenngleich es noch viel zu tun gibt.

Groß ist der Bedarf, Programme für die Entwicklung ländlicher Räume für Kulturakteure zugänglich zu machen, zum einen indem die Information über existierende Förderungen für Kulturakteure verbessert wird und zum anderen indem Kultur in integrierte Strategien der Stadt- und Regionalentwicklung und auch in die Demografiestrategie des Bundes stärker einbezogen wird. Dafür bedarf es evidenzbasierten Wissens über Kulturarbeit und Kulturpolitik zugunsten ländlicher Räume, um mögliche Synergien erkennen und bedarfsgerecht sowie nachhaltig fördern zu können.

Information verbessern

Ein erster wichtiger Schritt wäre, den Informationsfluss über Förderinstrumente zu verbessern, die für Kultur in ländlichen Regionen geeignet sind, um eine größere Transparenz über das Förderangebot herzustellen und potenziellen Fördermittelempfängern die Zugänge zu Fördertöpfen anderer Träger zu erleichtern. Es gibt zahlreiche Förderdatenbanken, die unterschiedliche Zugänge zu Förderinstrumenten wählen: Mal ist der gemeinsame Nenner allgemein Kultur oder speziell die Kreativwirtschaft, mal liegt der Fokus auf ländliche Räume, mal werden Instrumente für Kommunen vorgestellt, mal Förderungen von Stiftungen oder die Programme der EU, die für Kultur nutzbar sind. Beispiel für eine Datenbank für Kulturförderung generell, die Instrumente des Bundes, der Länder, der EU und anderer Akteure wie Stiftungen bündelt, ist die Kulturförderdatenbank des Deutschen Informationszentrums Kulturförderung in Kooperation mit dem Bundesverband Deutscher Stiftungen, der Kulturstiftung der Länder und dem Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI. Beispiele für Datenbanken mit anderen Zugängen sind beispielsweise auf Bundesebene die Förderdatenbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Informationen der BKM im Rahmen der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft, das Portal Europa fördert Kultur oder die Informationen der DVS Netzwerk Ländliche Räume. Daneben erstellen Fach- sowie kommunale Verbände im Hinblick auf ihren Wirkungskreis Förderwegweiser von bundesweiter z.B. die Datenbank des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen oder regionaler Relevanz.

Da all diese Zugänge für das komplexe Thema „Kultur in ländlichen Räumen, die vom demografischen Wandel betroffen sind“ relevant sein können, wäre eine Bündelung der Informationen unter diesem Aspekt „Kultur in ländlichen Räumen“ hilfreich. Zudem wären Beratungsbüros sinnvoll, die eine Schnittstelle zwischen der Struktur- und Regionalförderung und dem Kultursektor darstellen.

Kultur stärker integrieren

Die Betrachtung von Förderinstrumenten anderer Ressorts und Trägerebenen aus der Perspektive der Kulturförderung in Deutschland, wie dies die IfK-Studie unternimmt, offenbart eine ganze Reihe von beachtenswerten Ansätzen und Modellen. Schon die wenigen oben genannten Beispiele von Förderprogrammen lassen erahnen, dass eine stärkere Abstimmung und Kooperation zwischen den Fördermittelgebern verschiedener Ressorts und Ebenen auch für die Kulturförderung Vorteile bringen kann. Potenziale für gemeinsames Handeln von Fördermittelgebern liegen auf allen Ebenen der Programmentwicklung und -umsetzung – zum Beispiel die Abstimmung von Förderzielen, Adressaten und Laufzeiten von Programmen, um Synergien zu erzeugen bzw. Folgefinanzierungen bewährter Projekte zu ermöglichen, oder gemeinsame Programme von verschiedenen Trägern, um die jeweiligen Kompetenzen und fördertechnischen Möglichkeiten zu nutzen.

Schließlich müssten – um den ganzheitlichen Ansatz umsetzen zu können – Programme anderer Ressorts stärker für Kultur geöffnet werden, indem kulturelle Aktivitäten und Infrastrukturen explizit als Fördergegenstände in die Richtlinien aufgenommen werden. Soll Kultur – auch über den Bereich des Kulturerbes hinaus – stärker in die Strukturförderung für ländliche Räume einbezogen werden, müsste in dem oben angesprochenen Mehrebenendialog auch eine Verständigung über kulturpolitische Ziele und Implikationen eingeschlossen werden. Neben der Wahrnehmung des Kultursektors als relevantem Akteurskreis in der Regionalentwicklung müssten dafür Kenntnisse über das zu fördernde kulturelle Feld und seine Interdependenzen mit anderen gesellschaftlichen Bereichen stärker berücksichtigt werden.

Austausch und Wissenstransfer initiieren

Daneben wäre ein regelmäßiger Austausch und Wissenstransfer zwischen Fördermittelgeber*innen und Programmträger*innen nützlich, da mit der stärkeren Integration der Politikfelder zugunsten der Entwicklung ländlicher Räume auch die Instrumentarien komplexer werden. Dies betrifft sowohl die Konzeption als auch die Umsetzung von Förderinstrumenten. Im Bereich der Regionalentwicklung gibt es beispielsweise interessante akteursbezogene Ansätze sowie langjährige Erfahrungen damit, wie den Bottom-up-Ansatz LEADER im Rahmen der EU-Politik für die Entwicklung des ländlichen Raumes. So variieren die Förderverfahren erheblich – neben den höchst unterschiedlichen Formen der Projektförderung, von Zuwendungen bzw. Zuschüssen bis zur Vergabe von Darlehen, gibt es zahlreiche Variationen für die Anerkennung durch Preise und Aufmerksamkeit. Auch die begleitenden Maßnahmen haben sich ausdifferenziert: Neben Qualifizierungsmaßnahmen für die Antragsteller*innen werden zahlreiche Förderungen von regelmäßigen Veranstaltungen für den Erfahrungsaustausch zwischen geförderten Projektträgern begleitet. Alumni-Angebote, Ergebnistransfer, wissenschaftliche Begleitung und Evaluation spielen eine zunehmend große Rolle bei der Programmumsetzung, um die Nachhaltigkeit von Förderungen zu verbessern.

Daher gibt es zu vielen Themen Bedarf und Möglichkeiten der Fördermittelgeber voneinander zu lernen, zum Beispiel hinsichtlich

  • der Zugänge zu den in den betreffenden Regionen relevanten Akteuren: über Mittler,*innen wie Kommunen oder Verbände oder direkte Förderung von Aktiven, Initiativen, Vereinen und Unternehmen auf lokaler Ebene,
  • der Umsetzung der Förderprogramme mit Beratung und Qualifizierung der Antragsteller, Evaluation und Ergebnistransfer,
  • der Förderart und ihrer Kombination: Projektförderung, Auszeichnung, Investitionsförderung.

Wissen vertiefen

Adäquate Kulturförderung im Rahmen der Entwicklung ländlicher Räume muss sich auf evidenzbasiertes Wissen stützen können. In den vergangenen 20 Jahren wurden umfangreiche Erfahrungen mit verschiedenen Förderinstrumenten gesammelt, es wurde vieles ausprobiert, dokumentiert und evaluiert. Für eine stärkere Integration von Kulturförderung in die Förderung ländlicher Räume zeichnet sich Forschungsbedarf zu verschiedenen kulturpolitisch relevanten Themen auf unterschiedlichen Konkretionsebenen ab; drei relevante Forschungsfelder seien im Folgenden angedeutet.

  • Kulturpolitische Strukturen in ländlichen Regionen

Die Abstimmung zwischen Fördermittelgeber*innen unterschiedlicher Ebenen bis hin zur Entwicklung gemeinsamer Politikstrategien und Förderinstrumente, von denen auch Kulturarbeit in ländlichen Räumen profitieren kann, braucht differenzierteres Wissen über die raumspezifische kulturelle und kulturpolitische Praxis. Um den segmentierten und in Bereichen wie der Breitenkultur kaum verbandlich gefassten Kultursektor in Regionalentwicklungsprozesse oder auch übergeordnete Prozesse wie bundesweite Mehrebenendialoge, einbeziehen zu können, brauchen Bund und Länder tiefergehende Kenntnisse über die Strukturen und Interdependenzen lokaler und regionaler Kulturpolitik. Eine systematische Untersuchung zu den kulturpolitischen Strukturen in ländlichen Räumen, an die angeknüpft werden kann, hat Doreen Götzki mit ihrer Dissertation 2012 am Beispiel Niedersachsens hat vorgelegt (siehe: Götzki 2012). Vor dem Hintergrund der These, dass die ländlichen Räume in Deutschland aufgrund historischer, geografischer, sozioökonomischer und anderer Faktoren sehr unterschiedlich sind und sich daher auch im Hinblick auf Kulturarbeit und Kulturpolitik unterscheiden, wäre die Erforschung der kulturpolitischen Strukturen auf regionaler Ebene interessant. Das Ziel wäre, damit zur Integration lokaler kulturpolitischer Anliegen in regionale und gar bundesweite Governance-Strukturen zur Entwicklung ländlicher Räume beizutragen.

  • Kulturprojekte in der Regional- und Strukturförderung

In den vergangenen Jahrzehnten wurde eine unübersehbare Zahl an Projekten zugunsten der Entwicklung ländlicher Räume mit EU- und Bundesmitteln, mit Landesprogrammen und Stiftungsgeldern umgesetzt. Lohnenswert wäre eine Bestandsaufnahme von Kulturprojekten bzw. von solchen, bei denen kulturelle Aspekte eine nennenswerte Rolle spielen, die im Rahmen der Städtebau-, Regional- und Strukturpolitik gefördert wurden. Umfangreich wäre schon eine Untersuchung der Kultur- und Kreativwirtschaftsprojekte, die in der vergangenen Förderperiode der EU (2007–2013) im Rahmen der Struktur- und Kohäsionspolitik sowie der Landwirtschaftspolitik für die Entwicklung des ländlichen Raumes (EU-Fonds: EFRE, ESF und ELER) gefördert wurden. Eine solche Erhebung und Analyse von EU-kofinanzierten Kunst-, Kultur- und Kreativwirtschaftsprojekten gibt es für die Regionalförderung Österreichs von 2007 bis 2010 (siehe: Österreichische kulturdokumentation 2011). Die Regionalentwicklung mit EU-Strukturfondsmitteln hat langjährige Erfahrungen in der Umsetzung von Förderprogrammen und Projekten sowie gut ausgebaute Strukturen und Netzwerke. Somit liegt ein großes Feld für eine Analyse der kulturellen Aktivitäten in der ländlichen Regionalförderung vor. Diese bringt Erkenntnisse darüber, welche Themen und Formate ländlicher Kulturarbeit für die Entwicklung ländlicher Räume als relevant angesehen werden, welchen Beitrag Kultur zur Entwicklung ländlicher Räume leistet und umgekehrt inwiefern diese Fonds zur Kulturentwicklung in ländlichen Räumen beitragen. Sowohl gelungene Beispiele als auch Desiderate werden damit offengelegt. Ein Erkenntnisgewinn ist zudem hinsichtlich der regionalen Governance-Strukturen zu erwarten, da viele Programme bzw. Projekte in Netzwerken und interkommunalen Kooperationen umgesetzt wurden. Zu diesen, aber auch zu vielen anderen für Kultur in ländlichen Räumen relevanten Programmen gibt es Dokumentationen und Evaluationen, deren Analyse Aufschluss über erfolgreiche und nachhaltige Förderstrategien bieten würde. Eine solche Studie kann evidenzbasierte Argumente für die stärkere Integration kultureller Aspekte in die Regionalförderung liefern.

  • Funktion und Wirkung von verschiedenen Förderarten

Ein konkretes Thema, das Grundlagen für den oben angesprochenen Austausch zwischen Fördermittelgebern legt, ist die Untersuchung der spezifischen Förderlogiken und Funktionsweisen von Fördermechanismen. Sinnvoll wären Studien zu Funktion und Wirkung von verschiedenen Förderarten, insbesondere Projektförderung, Wettbewerbe sowie Auszeichnungen – mit und ohne Preisgeld – in ländlichen Regionen. Denn die zahlreichen Förderungen in Form von Modellvorhaben sind auch zu verstehen als eine Suche nach dem „Wie“; sie gilt es auszuwerten und Bewährtes in Regeförderung zu übernehmen. Auch unter dem Aspekt der Funktionsweise wären die EU-Programme für die Entwicklung ländlicher Räume interessant, insbesondere von der LEADER-Methode ist aufgrund des interdisziplinären Vorgehens in der Logik integrierter Handlungsansätze im ländlichen Raum einiges zu lernen. Das Erkenntnisinteresse besteht darin, die Wirkungsweise von Fördermechanismen im Hinblick auf die Bedarfe von Kulturarbeit in ländlichen Regionen besser zu verstehen, um dem Potenzial der Kultur, den demografischen Wandel positiv mitzugestalten, zu größtmöglicher Entfaltung zu verhelfen. In diesem Zusammenhang wäre auch das Prinzip der Projektförderung zu hinterfragen, die neben der positiven Intention, für die geförderten Kulturakteure – unter anderem aufgrund ihrer Endlichkeit – eine Reihe von Gefahren birgt (siehe: Norbert Sievers „Kulturpolitik für ländliche Räume“).