Das fachliche Profil des Kulturpädagogen/der Kulturpädagogin als Ergebnis des spezifischen Zusammenwirkens von innerpersonalen Rollen // Annäherung an ein komplexes Berufsbild aus Sicht der Aus- und Weiterbildung
Abstract
Die Fachlichkeit von KulturpädagInnen zeichnet sich dadurch aus, dass diese ihre innerpersonalen Rollen und damit Anteile ihrer professionellen Persönlichkeit durch ein spezifisches Zusammenwirken wirkungsvoll vereinen. Sie fassbar zu machen, setzt die Transparenz diese Rollen als KünstlerIn, Kunst- und KulturvermittlerIn, PädagogIn und KulturermöglicherIn voraus. Der Beitrag will anhand von Beispielen aus der Praxis, gewonnen aus Interviews, Filmausschnitten und Artikeln, diese Rollen sichtbar machen.
Einleitung
Kulturpädagogik als professionelles Handlungsfeld zeichnet sich durch hohe Heterogenität aus. Unterschiedliche Zielgruppen, Orte, Formate, Handlungsansätze, Inhalte, zeitliche Dimensionen und nicht zuletzt professionelle Kooperationen zeigen eine Vielfalt an praktischer Umsetzung und Anwendungsmöglichkeiten auf. Dementsprechend vielschichtig sind die Anforderungen an die Fachlichkeit von KulturpädagogInnen.
Seit Ende der 70er Jahre wurde „Kulturpädagogik als Berufsfeld mit der Suche nach ihrer besonderen Fachlichkeit Thema im Diskursfeld Jugend-, Kultur- und Schulpolitik“. (Zacharias 2012:846). „Die Kulturpädagogik versuchte zwischen Jugend- und Sozialarbeit, einem „entfesselten Kulturbegriff“ und Kunstpädagogik als Schulfach sowie Kunstvermittlung aller Art etwa im Museum und Theater ihren Platz zu finden“ (Behr/Knaus (1989) nach: Zacharias 2012:846). Seitdem sind kulturpädagogische Ausbildungen und eine Vielzahl von Praxisfeldern mit Arbeitsplätzen für KulturpädagogInnen entstanden. Aber trotz - zweifelsohne - erfolgreicher Bemühungen um die Entwicklung von Standards, besteht auch heute noch angesichts der Vielschichtigkeit des Berufsfeldes der Bedarf an fachlicher Diskussion: über die Profilierung bis hin zur Professionswerdung von KulturpädagogInnen. So wirbt Michael M. Roth für die „handlungs- und wirkungsorientierte Perspektive“ im Gegensatz zur „berufsstrukturellen Perspektive“, aus der heraus sich soziale und pädagogische Berufe – somit auch der des Kulturpädagogen – als Profession darstellen lassen (Roth 2012:840f.). Sein „Holistisches Modell professioneller pädagogischer Handlungskompetenz“, in dem das „Professionelle Selbst“ (ebd.:843) im Mittelpunkt steht, berücksichtigt, dass nicht nur Qualifikation, sondern auch Berufsethos, Intuition und die jeweils einmalige komplexe Situation das Handeln und Wirken bestimmen.
Der folgende Beitrag untersucht ebenfalls das Zusammenwirken von Kompetenzen in der professionellen Person des Kulturpädagogen. In der Analyse wird jedoch – anders als bei Roth – die differenzierte Betrachtung der personalen innerer Haltung und das spezifische Zusammenwirken von allgemeinem und fachlichem Know How von KulturpädagogInnen in den Focus genommen, um im Interesse der Professionalisierung von KulturpädagogInnen fassbare Kriterien, gleichsam Standards, für die Einschätzung des fachlichen Profils eines Kulturpädagogen/einer Kulturpädagogin zur Verfügung zu stellen.
Dies geschieht vor dem Hintergrund der fortlaufenden Weiterentwicklung des Konzepts der Zusatzausbildung „Kulturpädagogik für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“ und meiner praktischen Erfahrung in der Leitung dieser. Zur näheren Erläuterung sei hier erwähnt, dass 1998 das Institut für Jugendarbeit Gauting als landeszentrales Fortbildungsinstitut des Bayerischen Jugendrings diese zweijährige Zusatzausbildung startete und mittlerweile den neunten Ausbildungsgang durchführt. Ca. 230 Personen haben bislang die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Zugelassen werden sowohl Profis mit pädagogischem Studium an Universität oder Fachhochschule oder in der Ausbildung als ErzieherIn an einer Fachakademie sowie KünstlerInnen und VertreterInnen anderer Berufe mit umfassender ehrenamtlicher oder freiberuflicher Erfahrung im Feld der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bzw. der Kulturellen Bildung. Die Zusatzausbildung öffnet den Blick für die Vielfalt Kultureller Bildung, diskutiert gesellschaftlich-strukturelle Rahmungen und Bedingungen des kulturpädagogischen Arbeitsfeldes und bietet Theorieanschlüsse an Kulturanthropologie, Kunstgeschichte, Sozialwissenschaften und Erziehungswissenschaften. Praktisches Lernen findet in den 3-4 Module umfassenden Schwerpunktseminaren, in einer von 8 angebotenen künstlerischen Ausdrucksformen, und in den zwei supervidierten Praktika statt. Darüber hinaus bietet eine Kunst- und Kulturwerkstatt ein intensives Erfahrungsfeld für die eigene künstlerische Praxis. In einer Facharbeit über den Entwurf eines kulturpädagogischen Konzepts, dessen Präsentation und dem abschließenden Kolloquium findet die Ausbildung ihren Abschluss.
„Was bitte ist ein Kulturpädagoge?“- die große Frage!
Zu Beginn der Ausbildung wird stets wiederkehrend eine Orientierungslosigkeit unter den Teilnehmenden der Zusatzausbildung sichtbar, was das kulturpädagogische Selbstverständnis und die Definition der eigenen Fachlichkeit anbelangt. Deshalb liegt dem Ausbildungsdurchlauf eines jeden ein Ausbildungsplan zugrunde, der eine Standortbestimmung und eine Vision bzw. Zielbestimmung, was die eigenen Kompetenzen und persönliche Ausrichtung anbelangt, aufweist. Darüber hinaus sieht der Ausbildungsplan die individuelle Begleitung des Einzelnen in der Praxisphase vor. Die Erfahrungen aus 16 Jahren Zusatzausbildung und Nachbefragungen der AbsolventInnen trugen zur Präzisierung folgender These bei:
- Das fachliche Profil der Kulturpädagogin/des Kulturpädagogen zeichnet sich dadurch aus, dass diese/r innerpersonale Rollen gleichsam als professionelle Perspektiven durch ein individuelles, spezifisches Zusammenwirken wirkungsvoll vereint.
Um dieses präzise zu erfassen, ist es von Bedeutung, die Rollen transparent zu machen. Die Ausführungen hierzu nehmen das Persönlichkeitsmodell des Inneren Teams als Bezugspunkt für eine hilfreiche Erläuterungsgrundlage. Was Friedemann Schulz von Thun (Schulz von Thun 1998) als Modell für ein gelingendes Zusammenwirken von inneren Perspektiven in der Kommunikation entwickelt hat, erweist sich als Analogie hinsichtlich des Zusammenwirkens von inneren Perspektiven eines Kulturpädagogen als sehr anschaulich und hilfreich. Gerade in der Ausbildung von KulturpädagogInnen ist diese Sichtweise eine klärende Voraussetzung zur Entwicklung eines Ausbildungsplans, der das vorhandene Wissen und Können, die individuelle Persönlichkeit und ihre Stärken und den anvisierten praktischen Handlungsansatz im kulturpädagogischen Feld berücksichtigt. „Fachlichkeit und Professionalität“ wird einerseits als das je spezifische allgemeine und detaillierte Wissen und Können und andererseits als die personale innere Haltung, der `Habitus` inkorporierter und angemessener Umgangs- und Verhaltenskompetenzen“ (Zacharias 2012:844) betrachtet. Beidem wird hier entsprochen und dieses in ein differenzierteres Modell – wie folgt – überführt.
Die einzelnen Rollenanteile werden vorgestellt und ihr Zusammenwirken erläutert. Dabei wird entsprechend der kulturpädagogischen Grundhaltung und Didaktik auf eine beispielhafte, bildhafte Vermittlung der Inhalte abgehoben, die Zitate aus Interviews und Filmszenen zur Verdeutlichung des Anliegens heranzieht.
Das Zusammenwirken der innerpersonalen Rollen eines Kulturpädagogen/einer Kulturpädagogin
Der Künstler/die Künstlerin
Wenn hier vom Künstler die Rede ist, dann geht es um den Beruf, wie wir ihn gesellschaftlich einordnen und ihm begegnen, z.B. in der Person des Bildhauers, Tänzers, Fotografen, Regisseurs etc. In Bezug auf die Verfasstheit eines Kulturpädagogen sind dabei charakteristische Wesenszüge und eine Haltung des Künstlers von Interesse, aus welcher sich die Fachlichkeit des Kulturpädagogen speist. Um den Rollenanteil „KünstlerIn“ zu skizzieren, nehme ich folgende verdeutlichende Blickwinkel ein, die in der Entwicklung und im Erleben vieler KünstlerInnen eine prägende und entscheidende Rolle spielen.
Wahrnehmung und Erfahrung
Die Kunst beginnt mit dem „Ernstnehmen der eigenen sinnlichen und leiblichen Aufmerksamkeit, …“ (Sabisch 2013:270). Wahrnehmen, sich berühren lassen, sind Ferment (Triebmittel) für Denken und Handeln, geben den Impuls für künstlerischen Ausdruck als Antwort auf Eindrücke. Ein Ausschnitt aus dem Film „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ von Peter Webber macht solch einen Schlüsselmoment im Prozess des sich Öffnens für den „künstlerischen Blick“ deutlich. In dieser filmischen Szene führt Johannes Vermeer (niederländischer Maler aus dem 17. Jhdt.) seine Magd Gret ans offene Fenster seines Ateliers und stellt ihr die Frage, welche Farben die Wolken hätten. Sie antwortet: „Weiß, (Pause) nein, … (sie schaut genau hin), die Wolken sind gelb, rot, grau …“ Es ist ein Moment, da in der Magd Gret die Wahrnehmung der Künstlerin erwacht. Die Griechen des Altertums schrieben Kindern, Narren, Poeten und Philosophen die Fähigkeit des „Thaumázein“ zu, die Fähigkeit, angesichts der unverhofften Schönheit des alltäglich banalen Objektes oder Ereignisses sich ausgiebig zu wundern. Hier sind die Anfänge der Ästhetischen Bildung zu erkennen. Sie ist als eine „Form der Auseinandersetzung mit ästhetischen Gegenständen und Formen“ und darüber hinaus mit Alltagsgegenständen zu verstehen, „bei denen die Betrachtungsweise sich auf ästhetische Kriterien richtet als Eigenaktivität und Selbstbestimmung des Subjekts in einem lebenslangen, nie endenden Reflexionsprozess“ (siehe: Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss „Künstlerische Bildung – Ästhetische Bildung – Kulturelle Bildung“). Das Hören, Lauschen, Schauen, Wahrnehmen, sich Bewegen und Beeindrucken lassen, Aufnehmen mit allen Sinnen und in sich Wirken lassen, diese stark rezeptive Haltung ist der Boden für das Wirken des Künstlers und Voraussetzung für künstlerische Ausdruckskraft. Kunst als Erfahrung und der Künstler, der sich in den Erfahrungsraum begibt, stehen hier im Focus.
Ein starker Impuls oder die subjektive Empfindung “gerufen” zu sein
Erfahrungen ästhetischer Natur, wie oben beispielhaft genannt, werden aus der Perspektive des Künstlers als „Ruf“ erlebt. Sir Simon Rattle erzählt davon im Film „Rhythm is it“ (Grube/Lansch 2004), der Dokumentation eines kulturpädagogischen Projekts. Als Chef der Berliner Philharmoniker brachte er zusammen mit dem Choreographen und Tanzpädagogen Royston Maldoom und ca. 250 Schülern aus Berlin `Le sacre du printemps` von Igor Strawinsky zu Aufführung. „Meine Eltern nahmen mich mit zum Jugendorchester. Das Stück `Le sacre du printemps` stieg förmlich aus dem Erdboden auf und haute mich um. Für mich war das mit zehn oder elf mitunter das Aufregendste, was ich jemals gehört hatte. Nachdem ich diese Musik gehört hatte, sah alles zehnmal so groß aus wie normal. Alle Farben waren bunter, alle Gefühle unmittelbarer, Freundschaften schienen außergewöhnlicher. Es war, als hätte eine Art Feuer mein Innerstes durchdrungen. Diese Art von Hitze ist eine weiße Hitze, keine wärmende rote Hitze. Eine fast gefährliche Hitze, eine Freude, die durch Mark und Bein geht. Ich weiß noch, wie ich damals dachte: Mein Gott, werde ich womöglich verrückt? Fühlt sich Wahnsinn so an? Und die Antwort ist: Wahrscheinlich ja. Und in diesem Moment wusste ich, dass ich Dirigent werden wollte. Ich hatte das Gefühl, dass die Musik und die Elektrizität durch den Dirigenten fließen (Sir Simon Rattle).“
In eben diesem Film erzählt auch Royston Maldoom aus seinem Leben: „…Eines Tages entschieden meine Freunde, sich eine Film über das Royal Ballet anzuschauen. Sie wollten, dass ich mitkomme, aber ich hatte keine Lust. Ich bin dann mitgegangen, weil ich nicht allein sein wollte, ich wollte was mit ihnen machen. Dann habe ich den Film gesehen. Und dieser Film zeigte eine unserer wahrscheinlich größten Tänzerinnen, Margot Fonteyn, zusammen mit Rudolf Nurejew, der aus der UdSSR übergelaufen war. Und ich habe diesen zweistündigen Film gesehen. Und als das Licht anging, wusste ich, das ist meine Leidenschaft. Innerhalb von 48 Stunden war ich in einer Tanzschule angemeldet (Royston Maldoom).“
Beide Interviews machen deutlich, dass hier jemand einem Impuls von großer Heftigkeit folgt. Die Begeisterung, das Feuer, die Leidenschaft und damit auch die Kraft, über eigene Grenzen hinauszugehen und neues Terrain zu betreten, jenseits von Bequemlichkeit, kommen hier zum Ausdruck.
Subjektive Radikalität
Der unbedingte Wille, sich in einen Gegenstand zu vertiefen und diesen zu durchdringen, sich nach eigenem Willen kompromisslos auszudrücken, zeichnet die künstlerische Leidenschaft aus. In übersteigerter und damit sehr deutlicher Art und Weise kommt diese Radikalität zum Ausdruck in der Abschlussszene des Films „Vier Minuten“ von Chris Kraus. Die Protagonistin – ein delinquentes Mädchen mit ausgezeichnetem Talent als Pianistin- gibt trotz ihrer bevorstehenden Festnahme und Wiedereinlieferung ins Gefängnis in einem ungebremsten Ausdruck ihre vier-minütige Improvisation auf das Klavierkonzert in a-Moll von Schubert in nahezu rauschhaftem Ausdruck mit vollem körperlichen Einsatz bei der Endauswahl von „Jugend musiziert“ zum Besten.
Handwerkliche Perfektion
Dieser Aspekt greift das Sprichwort „Kunst kommt von Können“ auf. Die Fantasie und Inspiration des Künstlers braucht den Willen, sich handwerklich zu üben, um fortdauernd ein Mehr an Möglichkeiten der Ausdruckskraft zu entwickeln. Das Sprichwort „Übung macht den Meister“ gibt diese Haltung wieder. In obigem Interview äußert Royston Maldoom, er habe sich innerhalb von 48 Stunden in einer Tanzschule angemeldet. Er war entschlossen zu lernen. Dabei kommt eine Ernsthaftigkeit und ein notwendiger Ehrgeiz bei KünstlerInnen zum Tragen, wie sie Royston Maldoom auch in einen andern Ausschnitt aus dem Film „Rhythm is it“ mit einer Gruppe seiner Schüler zum Ausdruck bringt: „… Wisst ihr, warum ich 40 Jahre getanzt habe? Weil mir der Ernst am Tanz so viel Spaß macht. Wenn ich mit einem Choreographen arbeite, denke ich dauernd, erzähl mir mehr, erzähl mir mehr, ich möchte mehr wissen!“ Hier kommt der Wesenszug zum Ausdruck, demnach der Künstler oder die Künstlerin lernen, üben und sich perfektionieren will. Die Identifikation mit handwerklichem Können wird besonders deutlich in der Aussage von z-rok, einem namhaften Graffiti-Künstler aus München, der mir in einem Interview auf die nach seinem Selbstverständnis antwortete: „Ich bin kein Künstler, ich bin writer!“ (Interview, Januar 2013)
flow
Wenn Paul Klee meint: „Beim Malen vergesse ich alles“, dann spricht er vom Erleben des sogenannten ‚flow‛ (Csikszentmihalyi 2007). Wo Kreativität unmittelbar erlebbar und spürbar wird, haben wir es mit einem speziellen Seins-Zustand zu tun. Er stellt sich als ein Empfinden von Zeitlosigkeit, ein Zustand des Aufgehens in einem Prozess der Wahrnehmung, der Exploration und der Gestaltung, der von einer hohen Dichte gekennzeichnet ist, dar. In allen Berufen sind flow-Erlebnisse möglich, doch für einen kreativen Prozess eines Künstlers ist die „Gabe des Vergessens“ von Alltäglichkeit und sekundären Reizen implizites Kennzeichen. Wahrnehmung und Ausdruck werden zur Erfahrung und zentrieren sich um ein unbedingtes Interesse.
Antwort und Ausdruck
Kunst ist Antworten auf innere und äußere Vorgänge: vor sich hinträumen, hinausschreien, verkünden, zeigen, erschaffen! Der Wille, dies, was im Inneren – durch Eindruck und Erfahrung angestoßen – sich bewegt, in symbolischer Form zu verdichten und zum Ausdruck zu bringen, kennzeichnet den künstlerischen Impetus: Höhlenmalereien aus einer Welt von vor ca. 30.000 Jahren ebenso wie zeitgenössische Kunst, wie Musik, Schauspiel, Literatur und viele Ausdruckweisen mehr geben Zeugnis von dieser künstlerischen Antwort auf innere und äußere Vorgänge.
Fazit: Folgt man den Ausführungen, wird deutlich, dass diese Perspektive in der Person eines Kulturpädagogen ganz auf Erleben und Ausdruck der eigenen Person hin ausgerichtet ist. Hier zeigt sich keinerlei originär pädagogisches Interesse, das sich dem „Du“ zuwendet. Eine Zielgruppe spielt einzig eine Rolle, wo es um Adressaten geht, sprich z.B. um ZuschauerInnen einer Theateraufführung, ZuhörerInnen bei einer Lesung o.ä. Das Produkt braucht lediglich rezeptive KonsumentInnen. Auch wenn das Handeln in Professionen nicht nur von Qualifikation, sondern u.a. auch von Intuition abhängig ist, so ist es doch gerade dieser Gestaltungswille und diese Leidenschaft in der Person des Künstlers, welche bei der Entwicklung der Professionalität von KulturpädagogInnen eine bedeutende Rolle spielen, worauf ich an späterer Stelle zurückkomme.
Der Kunst- und Kulturvermittler/die Kunst- und Kulturvermittlerin
Wenn wir von Kunst- und KulturvermittlerInnen sprechen, sind hier KünstlerInnen, z.B. SchauspielerInnen, MusikerInnen u.a. gemeint, die Ihre Kunst unterrichten bzw. weitergeben, (vgl. Lehrerrolle), zum anderen aber auch Fachkräfte, die damit betraut sind, Wissens- und Erlebenswertes in Bezug auf Kunst und Kultur einer bestimmten Zielgruppe näher zu bringen (vgl. Vermittlerposition). Das pädagogische Anliegen und die didaktische Kompetenz bekommen hierbei für die erfolgreiche Vermittlung von Kunst und Kultur entscheidende Bedeutung.
Lehrerrolle in der aktiven Ausübung der Kunst(-fertigkeit)
Kunst- und Kulturvermittlung bedeutet in diesem Zusammenhang die Weitergabe der Kunst(-fertigkeit). Hier bedarf es einer Didaktik und eines Repertoires an Methoden, an einer „Kunst“ der Vermittlung. Dazu ein Ausschnitt aus dem Film „Rhythm is it“: „Tief einatmen, Arme strecken, … ganz leicht die Knie beugen, nur ein bisschen, um die Kniekehlen zu entlasten, Schultern tief, … (und die Tanzpädagogin zählt) sieben acht ….“. Eva Seidl, Kultur- und Tanzpädagogin beschreibt ihre Erfahrung in diesem Zusammenhang folgendermaßen. „In der Förderklasse habe ich immer mal wieder Punkte, an denen ich das Gefühl habe, jetzt wissen sie, was es heißt, zu stehen, eine Körperspannung aufzubauen, still und aufmerksam zu sein. …“ (Seidl 2009: 29) An einer anderen Stelle des Filmes „Rhythm is it“ appelliert der von der Leidenschaft und Willensstärke geprägte Royston Maldoom an die Ernsthaftigkeit der SchülerInnen. Er will, dass sie sich entscheiden, mit ihm zu arbeiten. Das zeichnet seine Unbedingtheit von künstlerischem Wollen, auch im Unterrichten aus. Es geht um nicht weniger, als zu vermitteln, wie man einen Fotoapparat bedient, wie man eine Trommel zum Klingen bringt, welche Stilmittel es gibt, mit Sprache zu arbeiten, wie ein Pinsel geführt und wie Farbe verwendet werden kann und vieles mehr. Das heißt: Auch der Kulturpädagoge bildet als künstlerisch-handwerkliches Vorbild und als Lehrer in seiner Kunst aus. Hier sind handwerkliche und didaktische Fähigkeiten gefragt.
Sonja Poland, Kulturpädagogin, macht in einem Interview vom April 2014 ihre Entwicklung von der reinen Kunst- und Kulturvermittlerin hin zur Kulturpädagogin, die andere Rollenaspekte mit hinzu nimmt deutlich: „Anfangs habe ich rein auf Trommelunterricht gesetzt. Als Kulturpädagogin habe ich mehr und mehr künstlerische Projekte mit unterschiedlichen Zielgruppen auch in Jugendarbeit und Schule entwickelt, die in Aufführungen mündeten.“
Vermittlerposition zwischen Mensch und Kunst/Kultur
Die Vermittlerposition besteht darin, aktive und rezeptive Zugänge zu Kunst und Kultur herzustellen. Sie kommt dem gleich, was als zentrales Selbstverständnis der Kulturellen Bildung umschrieben wird, welche zur „Auseinandersetzung des Menschen mit sich, seiner Umwelt und der vorgefundenen Kultur“(Fußmann 2014) anregen soll. Neben der Unterstützung einer aktiven Gestaltungskompetenz und einer ästhetischen Praxis bekommen hier die Förderung des Strukturwissens über Kunst, Kultur, Gesellschaft und Märkte, die rezeptive Kompetenz (Entschlüsselung von Botschaften) und die reflexive Kompetenz im Umgang mit eigner und fremder ästhetischer Praxis (vgl. Fußmann 2014) Bedeutung. Dieses Wissen um Historie, Entwicklung, Ausdrucks- und Rezeptionsarten einer künstlerischen Disziplin“ bezeichnet Mollenhauer als ästhetische Alphabetisierung (Mollenhauer 1990).
Der Arbeitsansatz eines Museumspädagogen macht beispielhaft deutlich, was mit dieser Vermittler- oder Brückenfunktion eines Kulturpädagogen gemeint ist. So wird Kindern im Münsteraner Kunstmuseum Picasso das Werk Picassos nahe gebracht, um nach seinem Vorbild eigene kubistische Werke zu schaffen (vgl. Film: Picasso Museum Münster).
Fazit: Sowohl das Handwerk eines Künstlers zu vermitteln, als auch Zugänge zu Kunst und Kultur zu schaffen, kulturgeschichtliches Wissen und Feldkompetenz zu erweitern, was Kunst, einzelne Kunstsparten und Kultur im Allgemeinen und Jugendkultur im Speziellen anbelangt, stellen eine bedeutende Perspektive und Professionsanforderung für KulturpädagogInnen dar.
Der Pädagoge/die Pädagogin
In der Pädagogik steht die Entwicklung und Entfaltung des Menschen im Zentrum. „Die Menschen stärken, die Sachen klären", betitelt entsprechend von Hentig eine seiner Veröffentlichungen (1986); „Hilf mir, es allein zu tun" (Montessori 2014:201). In diesen Aussagen kommen zentrale Anliegen pädagogischer Denk- und Handlungsansätze zum Ausdruck. Identität entwickeln, Selbstwirksamkeit erleben, soziale Kompetenzen stärken, zählen zu pädagogischen Zielen. Der Pädagoge begleitet den (Selbst-)Bildungsprozess – ob in der Gruppe oder in der Einzelbetreuung, und er moderiert und motiviert zu Entwicklung. Kinder- und Jugendarbeit verfügt über eine spezielle pädagogische Expertise (vgl. Josties 2015). Grundprinzipien wie Freiwilligkeit, Gruppe und diskursive Leitung zeichnen sie aus (vgl. Fußmann 2014). Als Bildungsbegleiter in der Kinder- und Jugendarbeit handelt der Pädagoge entsprechend dem Wissen über die Zielgruppe, über Lernprozesse und Ziele. Er weiß um die Bedeutung von emotionaler Nähe und reflexiver Distanz als förderliche Haltung im Bildungsprozess. Er gestaltet handelnd den Prozess und reflektiert seine Haltung als Professioneller. Partizipation muss in diesem Zusammenhang ständig ausgehandelt werden. Offene Settings und Heterogenität der Zielgruppen stellen eine Herausforderung für die PädagogInnen dar. Ihr Wissen umfasst Kenntnisse über Lebenslagen, Bedürfnisse und Entwicklungsprozesse von Kindern und Jugendlichen.
Im Folgenden werden pädagogische Anliegen und für die Kinder- und Jugendarbeit bedeutsame Dimensionen differenzierter veranschaulicht.
Schlüsselkompetenzen entwickeln
Der zentrale berufliche Auftrag eines Lehrers ist es, Fachwissen zu unterrichten, als Kulturvermittler (s.o.) zu handeln und im Rahmen des schulischen Unterrichts ein Curriculum zu erfüllen. In folgendem Interview spricht Winnie Steinl, Lehrer am Gymnasium Sulzbach-Rosenberg und Leiter eines Freizeitangebots am Gymnasium, nämlich der Theatergruppe, aus der Haltung eines Pädagogen heraus. Mit seinem Anliegen, die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen zu unterstützen, dient es als anschauliches Beispiel für ein pädagogisch motiviertes Handeln. In einem Interview (vgl. Film „Ästhetische Erziehung 2000) spricht er vom Gewinn der Arbeit in der Theatergruppe für die Schüler: „Ich finde, dass gerade über dieses Theaterspielen an der Schule Leute motiviert werden, die vorher im ganzen schulischen Bereich relativ schwach sind oder einfach lernunwillig sind, denen die Schule halt stinkt, aus irgendwelchen Gründen, die ich jetzt nicht erörtern möchte, dass die dann ein Medium haben, wo sie sagen können, hier kann ich mich einbringen, hier kann ich Lust einbringen und hier kann ich lernen, ohne dass es dieser Lernprozess ist, den ich bisher kenne. Und ich habe Erfolg damit, und dieser Erfolg ist dann etwas, das ich auf etwas anderes projizieren kann, z.B., dass ich hier mit Konzentration arbeiten muss, dass ich hier diszipliniert arbeiten muss, eben auch im Team arbeiten muss, also etwas, was im normalen Unterrichtsbetrieb äußerst selten zum Tragen kommt…“. Es zeigt sich, dass Schlüsselkompetenzen im künstlerischen Prozess ganz im Nebenbei gefördert werden, wie z.B. Konzentrationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Durchhaltevermögen und Selbstwirksamkeit. Herr Steinl ist an der Entwicklung von (Handlungs-) Kompetenzen, die über die Aufführung des Theaterstücks hinaus wirksam bleiben, interessiert.
Gruppenprozesse gestalten
Die sogenannten performativen Künste wie z.B. Tanz, Theater, etc. sind auf die Gruppe als Handlungsort angewiesen. Alle anderen Künste erfahren durch die Arbeit in Gruppen ebenfalls eine Dynamik: sowohl bzgl. der Kreativität als auch der gegenseitigen Inspiration, der Kommunikation und Entwicklung sozialer Kompetenzen. Die pädagogische Rolle des Kulturpädagogen verlangt es, Gruppenprozesse steuern zu können. Gruppenmodelle, wie das der „Themenzentrierten Interaktion“ nach Ruth Cohn geben die Wertehaltung von Bildung als Selbstbildung und in der Gruppe zu verhandelnden Bildungsprozessen wieder. Bildung ist hierbei keine absolute, sondern eine lebensweltliche Größe (Fußmann 2014). Das TZI-Modell auf das kulturpädagogische Feld übertragen, stellt sich folgendermaßen dar. Die Gruppe steuert sich durch das künstlerische Schaffen unter Moderation des Leiters, der die Bedürfnisse der Gruppe, das Interesse des Einzelnen und die Orientierung am Thema des künstlerischen Prozesses bzw. Produkts in Balance bringt.
Selbstbewusstsein stärken
Royston Maldoom zeigt immer wieder die Seite des Pädagogen, dem die Arbeit an den Stärken der Jugendlichen und damit die Entwicklung von Identität und Selbstwirksamkeit am Herzen liegt. Aus dem Film „Rhythm is it“ dazu eine Äußerung: „Vor allem mit (jungen) Männern, die keine Tanzerfahrungen haben, muss man etwas machen, was ihnen auf Anhieb zusagt, das ihnen machbar erscheint und sie gleichzeitig fordert. Deshalb ist die Choreographie sehr einfach. Aber in die Choreographie sind Bewegungen eingebaut, die sie stark aussehen lassen (Maldoom).“ In der Leitung bzw. Moderation des - kulturpädagogischen - Prozesses steckt somit die „Kunst“ des Pädagogen.
Motivieren und individuell Begleiten
Eine angehende Kulturpädagogin schreibt in ihrer Facharbeit über ihre Sicht der pädagogischen Rolle: „Als Spielleiterin werde ich mich gegenüber den Teilnehmern flexibel und kompetent zeigen und das Gespür entwickeln, im passenden Moment das Richtige anzubieten oder abzuwandeln. Um die Begeisterung zu wecken, werde ich in dieser Altersgruppe gegebenenfalls vor- und mitspielen. Dabei ist es wichtig, die SchülerInnen individuell zu begleiten und eigene Möglichkeiten zu zeigen. Das Spiel steht für die TeilnehmerInnen im Vordergrund, pädagogische Lerninhalte wirken im Nebenbei“ (Fieger 2010:19). Der Brief einer Tanzschülerin an ihre Tanzpädagogin kommentiert implizit die pädagogische Haltung derer. Die Schülerin schreibt zum Abschied, als sie den Unterricht wegen Beendigung der Schullaufbahn und Umzug verlässt: „Liebste Eva, zu Beginn möchte ich erst einmal Danke sagen! Danke für die Möglichkeit tanzen zu lernen, etwas was mich glücklicher macht, als ich sagen kann! Danke für die Lektionen in Sachen Selbstbewusstsein! Du wusstest, was du tust, als du mich nach vorne gestellt hast! Danke, dass du seit ich klein war, jemand warst und bist, dem man seine Sorgen und Nöte anvertrauen kann und von dem man immer Trost bekommt! Du hast uns zu dem gemacht, was wir heute sind und vor allem dafür möchte ich dir ganz herzlich danken! Klara“ (Name erfunden). In diesem Brief werden sowohl die Kunstvermittlerin (Tanzvermittlerin) als auch die Pädagogin angesprochen.
Der Vermittler hat das Handwerk und die Kunst(-fertigkeit), der Pädagoge hat den Menschen und den Prozess im Blick. Paradoxerweise braucht der Pädagoge für sein professionelles Handeln - gerade angesichts der Komplexität der Situationen und pädagogischen Settings und in den „Momenten der prinzipiellen Unsicherheit des Handelns“(Roth 2012:843) – die Fähigkeiten der Künstler: nämlich Intuitionsfähigkeit, künstlerische Radikalität und kreative Gestaltungskraft.
Fazit: Die aufgezeigten Aspekte möchten verdeutlichen, welches professionelle Interesse die Perspektive eines Pädagogen vom Standpunkt eines Kulturpädagogen aus verfolgt. Das Interesse ist auf den pädagogischen Prozess und die Selbstbildung des Menschen gerichtet. In reflexiver Distanz versteht es der Pädagoge, Bildungskonzepte zu verfassen, zu begründen und als Handlungsleitfaden zu verwenden. Motivieren, individuell begleiten, Voraussetzungen schaffen für die Entfaltung von Identität, die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen wie soziale Kompetenzen, Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit, Empathie zeigen und Ermöglichen von guten Erfahrungen - förderlich für den Aufbau von Vertrauen ins Leben - sind im zentralen Interesse einer pädagogischen Professionalität. Aus der Rollenperspektive des Künstlers hat dies – um vergleichende Betrachtungen anzustellen - absolut keine Bedeutung.
Der Kulturermöglicher/die Kulturermöglicherin
Angefangen mit den Rollen des KünstlerIn, über der des Kulturvermittlers und des Pädagogen kommen wir nun zur Rolle des Kulturermöglichers und der Kulturermöglicherin, die in der Rollenvielfalt der KulturpädagogInnen einen unverzichtbaren Stellenwert im Zuge der „Demokratisierung der Kultur“ einnimmt (Hoffmann/Kramer 2012:301). Eine entscheidende Bedeutung erfuhr diese Rolle Anfang der 70er Jahre. „Kultur für alle“ war der von Hilmar Hoffmann - nach seinem gleichnamigen Buch - geprägte Slogan, der die Entwicklung von Kulturpolitik Anfang der 70er Jahre beschreibt. Hilmar Hoffman wurde damals Kulturdezernent der Stadt Frankfurt und stellte neue Weichen für eine Kulturpolitik, die über die Förderung von Hochkultur hinaus wies und Kultur als Kommunikation in der Stadt und als das Schaffen von neuen Zugängen und Spielräumen verstand. „Das neue Kulturverständnis war statt am „Schönen, Wahren, Guten“ am alltäglichen kulturellen Leben insgesamt orientiert und verzichtete weitgehend auf die Unterscheidung zwischen den verschiedenen sozialen und ästhetischen Sphären der kulturellen Teilhabe“ (Kramer 2011:109ff., Kramer 2012:179ff). „Demokratisierung der Kultur“ – verstanden als Abbau von Barrieren beim Zugang zum kulturellen Leben, verbunden mit Kultureller Bildung als konstitutivem Element der Sozialisation, war die Essenz von „Kultur für alle“. Näher betrachtet geht es dabei um die Bereicherung des kulturellen Lebens im Stadtteil, die Identifikation der BewohnerInnen über den eigenen aktiven Beitrag zur Stadtteilentwicklung und die Förderung über Vereins- und Gruppenmitglieder hinaus. Es sollte verhindert werden, dass relevante Teile der Bevölkerung von dem Kontakt mit dem kulturellen Leben und dem Erbe ausgeschlossen blieben. (Hoffmann 2006) Heute haben wir es mit einer Gesellschaft der Lebensstile und Parallelwelten zu tun, mit der Erlebnisgesellschaft und exklusiven Kunstereignissen. „Zukunft ist ein kulturelles Programm“ (Hoffmann/Kramer 2012:304), gilt als Impuls, trotzdem oder gerade deshalb, immer wieder alle Bevölkerungsteile in Prozesse der kulturellen Öffentlichkeit einzubeziehen, in denen Regeln des Miteinanders ausgehandelt werden (vgl. Hoffmann 2006). Diese Aussage scheint aktueller denn je angesichts von Migration und den Anforderungen, die an die Aufnahme von geflüchteten Menschen geknüpft sind.
Ein Kulturermöglicher ist nun derjenige, der sich um Teilhabe unterschiedlicher, insbesondere auch benachteiligter Zielgruppen bemüht und – jenseits von Hochkultur – andere und neue Zugänge zu kultureller Teilhabe ermöglicht. Der Rolle des Kulturermöglichers entspricht es, strukturelle Lösungen zu schaffen. Sein Interesse an Kunst und (Jugend-)Kultur und sein Wissen darüber, idealerweise auch seine künstlerisch aktive Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur sind Motor für seine Rolle als OrganisatorIn, KonzeptentwicklerIn und im weiten Sinne ManagerIn in Sachen Kunst und Kultur. Er verfügt über die Fähigkeit, Projekte zu initiieren, zu organisieren bzw. zu leiten, Öffentlichkeitsarbeit für Kunst und (Jugend-)Kultur zu machen, Gelder zu beschaffen und Förderer zu gewinnen. Marion Böhm, Mitarbeiterin bei einem Spielmobil, beschreibt in einem Interview ihre Ausrichtung als - angehende - Kulturpädagogin folgendermaßen: „Meine Stärke ist es, konzeptionell zu arbeiten. Ich getraue mich an Großprojekte ran. Aufgrund meiner Fähigkeit strukturell zu arbeiten, bin ich es, die die Leitung großer Projekte übernimmt.“ Die Münchner Sozialpädagogin Astrid Weindl – Kulturbüro München - verhalf in den 80er Jahren der Graffiti-Szene in München, aus der Illegalität in gesellschaftlich anerkannte Räume zu finden. Sie arbeitete seit vielen Jahren in diesem Milieu und sprach von ihrer Arbeit in einem Interview in der Pasinger Kulturfabrik während der Ausstellung von Graffitis: „Ich schaffe praktisch den Rahmen dazu und halte es zusammen, bin Moderator, bin Katalysator, bin Finanzbeschaffer, Öffentlichkeitsarbeiter, also ich mache das Drumherum. Das andere machen die Leute. Ich muss denen nicht erzählen, was sie zu tun haben“ (vgl. Film „Kulturpädagogik2000). In diesen Stellungnahmen wird eine eindeutige Haltung als Kulturpädagogin deutlich, die die Rolle des Kulturermöglichers oder der Kulturermöglicherin in den Mittelpunkt stellt. Und um noch ein weiteres Beispiel anzuführen: Das Team im Jugendtreff am Biederstein, KJR München-Stadt, ermöglicht mit der „Graffiti-Area“ Anfängern wie Könnern im legalen Raum zu sprühen und verfolgt damit das Ziel, diese Talente und Künste vor einem breiten Publikum zu veröffentlichen. Diese Kompetenz als KulturermöglicherIn erfährt eine vertiefte Qualifizierung in der Ausbildung zum Kulturmanager bzw. zur Kulturmanagerin.
Fazit: In der Rolle des Kulturermöglichers nimmt sich der Kulturpädagoge künstlerisch vollends zurück. Er agiert vor dem Hintergrund eines Wissens über Kunst, Kultur, Szene, Gesellschaft, Jugend und Politik auf einer Handlungsplattform, die von den Handelnden organisatorische Fähigkeiten, Managementfähigkeiten und Anforderungen an Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und nicht zuletzt eine emotionale Nähe zu Thema Kunst fordert.
Was ist also ein Kulturpädagoge/eine Kulturpädagogin? - eine klärende Perspektive!
In den Ausführungen kommen sich anscheinend widersprechende, zumindest sehr unterschiedliche Impulse für das Handeln eines Kulturpädagogen zum Vorschein und werfen Fragen auf. Zum Beispiel: Wie lässt sich der unabdingbare, quasi egozentrische Gestaltungswunsch des Künstlers mit dem Berufsethos des Pädagogen vereinbaren? Wie können Organisationkompetenz, Managementhandeln einerseits und das sich Einlassen auf künstlerische und menschliche Entwicklungsprozesse andererseits in einer Person zusammenwirken? Wie kann ein Kulturpädagoge dem originären kulturellen Ausdruck von Jugendszenen und gleichzeitig seinem Gestaltungsimpuls von Bildungsprozessen gerecht werden?
Was zeichnet die Professionalität des Kulturpädagogen wirklich aus, die Orientierung an der Kunst, an der Pädagogik, am Kulturmanagement? Diese Fragen lassen in der kulturpädagogischen Landschaft den Streit um den „richtig qualifizierten“ Kulturpädagogen entbrennen.
Zusammenfassend sei hier nochmals die Charakterisierung der innerpersonalen Perspektiven und ihr Beitrag zu einem unverwechselbaren Berufsbild aufgezeigt.
Der Künstler (wie die Künstlerin) braucht und fordert immer wieder persönliche Gestaltungsräume, um darin seine Inspiration zu bekommen. Er ist Quelle der Begeisterungsfähigkeit und steckt zu Kunst an, er ist Vorbild in Engagement, Leidenschaft und Eigenwilligkeit. In der Arbeit mit der Zielgruppe ist er am Produkt, am Ausdruck, an der Kunst interessiert. Er handelt in hohem Maße intuitiv. Dabei setzt er künstlerische Maßstäbe.
Der Kulturvermittler (wie die Kulturvermittlerin) unterrichtet in der Kunst(-fertigkeit). Er besitzt methodisch-didaktisches Know-How, um Kunstfertigkeit und Technik zu vermitteln. In einer anderen Ausprägung ist er Bildungsbegleiter und führt an Kunst und Kultur heran. Er verfügt über Wissenskompetenz und eröffnet seiner Zielgruppe ein rezeptives und reflexives Erleben von Kunst und Kultur.
Als Pädagoge (wie auch Pädagogin) nimmt er – in Abgrenzung zum Künstler - seinen subjektiven Gestaltungswillen zurück – zugunsten der Unterstützung und Förderung des Ausdruckswillens und der Ausdruckskraft der TeilnehmerInnen seines Projektes. Er ist Experte für Gruppendynamik und das Lernen in der Gruppe und trägt der Verfasstheit und den Ideen der TeilnehmerInnen Rechnung. Seine „Kunst“ drückt sich in der Gestaltung von Beziehungen zwischen Menschen und zwischen Mensch und Werk aus.
Als Kulturermöglicher (wie auch Kulturermöglicherin) verfügt er über Projekt- und Management-Fähigkeiten. Als solcher verfolgt er Ideen im Rahmen gesellschaftlicher Bedingungen, nach Interessen der Zielgruppe und entsprechend seinem fachlichen Wissen und seiner Inspiration durch Kunst und Kultur.
Erst über diese Rollendifferenzierung lassen sich Standards für den Kulturpädagogen und die Kulturpädagogin definieren, die aus einer handlungs- und wirkungsorientierten Perspektive die Professionalität erfassen. Professionelle Kulturpädagogik lebt von dieser Spannung zwischen unterschiedlichen Rollenperspektiven. Sie verhandelt im Kern zwischen Prozess (Pädagogik) und Produkt (Kunst). Eine biografisch-individuelle Haltung spielt in der Ausrichtung des Handelns eine grundsätzliche Rolle. Fehlt eine der Rollenperspektiven, verliert die handlungstheoretische Perspektive des Kulturpädagogen an Profil. Scheinbar widersprüchliche Impulse bezüglich Interesse und Handeln schaffen im Zusammenwirken Synergieeffekte, und genau dies zeichnet das fachliche Profil eines Kulturpädagogen aus.
Einschätzungen von KulturpädgogInnen zur Positionierung ihrer inneren Rollen
In der Praxis, d.h. in Prozessen kulturpädagogischen Handelns, zeigt sich, dass die Positionierung innerer Rollen immer wieder neu ausgehandelt werden muss, um als KulturpädagogIn wirkungsvoll sein zu können. Dabei ist ein bereicherndes Zusammenspiel in viele Richtungen denkbar. So wird auch klar, dass die Fachlichkeit des Kulturpädagogen gemessen am tatsächlichen Handeln und Wirken nicht einheitlich starr definiert werden kann – was immer wieder Verwirrung stiftet. In unserer Ausbildung zum Kulturpädagogen am Institut für Jugendarbeit Gauting wird das Bewusstsein für das Zusammenwirken dieser Rollen geschärft und somit ein Instrumentarium für die Reflexion der kulturpädagogischen Fachlichkeit geschaffen.
In folgenden Interviews beschreiben MitarbeiterInnen und AbsolventInnen der „Zusatzausbildung Kulturpädagogik in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“ das Zusammenwirken der inneren Rollenanteile aus ihrer Sicht und machen darüber die Entwicklung ihrer eigenen Professionalität als KulturpädagogInnen deutlich.
So trifft Ralf Bräutigam, professioneller Dokumentarfilmer und Kulturpädagoge, folgende Aussage: „Früher war ich Filmer, heute bin ich auch Pädagoge. Heute kann ich sagen, warum was funktioniert und warum nicht, früher konnte ich nur intuitiv handeln. Ich kann heute Konzepte schreiben. Deshalb bekomme ich Anfragen für Projekte mit Schülern. Früher fühlte ich mich hilflos unmotivierten Hauptschülern gegenüber. Es dauerte lange, bis ich sie kriegte, heute ist das ganz anders.“
Kerstin Hof, Erzieherin und Kulturpädagogin, umschreibt ihr Selbstverständnis als Kulturpädagogin: „Künstlerin und Pädagogin greifen ineinander; ich trenne nicht. Die Rolle der Pädagogin ist mir sehr wichtig. Ich kenne viele Künstler, die als solche gut sind, aber nicht gut mit Kindern arbeiten können. Es ist mir als Kulturpädagogin auch immer wieder wichtig, die Künstlerin zur Wirkung kommen zu lassen. Als solche trete ich selbst auf im Musical, mit Gesang und Tanz. Ich hatte 3 Jahre lang ein Engagement mit dem Musical „Chicago“. Als Künstlerin zu arbeiten heißt für mich, die Quelle der eigenen Kreativität zu pflegen.“
Sonja Poland, Diplom-Pädagogin, Kulturpädagogin und Ausbildende im Schwerpunkt Musik, berichtet: „Aufgrund meiner pädagogischen Fähigkeiten, was Didaktik und Gruppenpädagogik anbelangt; erreiche ich ein Alleinstellungsmerkmal. Denn gute Trommler gibt es viele, aber nicht gute einfühlsame Pädagogen und Vermittler. Ich stärke meine Professionalität durch die Begeisterung und Leidenschaft für das eigene Tun!“, also durch die Rolle des Künstlers (vgl. Poland/youtube 27_1_15).
Eva Seidl, Dipl.-Sozialpädagogin, Kulturpädagogin und Ausbildende im Schwerpunkt Tanz, sieht das Zusammenwirken so: „Alle Rollenteile greifen ineinander; die Kulturermöglicherin, die Vermittlerin, die Gruppenpädagogin und die Künstlerin.“
Marion Böhm, Diplom-Pädagogin und Kulturpädagogin, vermittelt folgende Haltung: „Am meisten kommt bei mir die KulturermöglicherIn zum Zuge. Ich treibe die Großprojekte voran. Kunst mache ich für mich zu Hause. Ohne die Qualität der Künstlerin habe ich keine Ideen für das Konzipieren von Großprojekten.“
Oliver Spalt, Sozialpädagoge, Kulturpädagoge und Ausbildender im Schwerpunkt Fotografie: „Als Fotograf mache ich Bilder, die etwas über mich und meine Umwelt erzählen. Als Kulturpädagoge unterstütze ich andere, sich selbst kreativ auszudrücken, Neues zu erschaffen sowie sich und ihre Umwelt immer wieder neu zu erleben und zu gestalten. Die ganzheitliche kulturpädagogische Sichtweise macht für mich dabei den entscheidenden Qualitätsunterschied aus zur reinen Vermittlung von Fähigkeiten und Wissen.“
Fazit: Kriterien für die Einschätzung des fachlichen Profils von KulturpädagogInnen
Das fachliche Profil eines Kulturpädagogen fußt auf dem förderlichen Zusammenspiel zwischen den unterschiedlichen innerpersonalen Rollen. Dies bedeutet, dass Bewusstsein über diese Rollen bzw. Anteile der professionellen Persönlichkeit hergestellt werden muss, und die Rollen ständig neu mit den Bedürfnissen der Zielgruppe, der jeweils intendierten Wirkung und den gegebenen Rahmenbedingungen abzugleichen sind.
Zweifelsohne verlangt die Professionalisierung der KulturpädagogInnen eine vielschichtige Diskussion von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, zielgruppenspezifischen Konzepten, Anbindung an Theorie zu Kunst und Kultur etc. Im Institut für Jugendarbeit Gautingen haben wir richtungsweisende Erfahrungen in der Ausbildung gemacht, was die Verdeutlichung kulturpädagogischer Fachlichkeit gegenüber den TeilnehmerInnen anbelangt. Mit der Darstellung der innerpersonalen Rollen lenken wir meines Erachtens den Blick auf Kriterien, die zur Analyse und Entwicklung des fachlichen Profils entscheidend beitragen. In Folge dessen sehe ich darin einen wichtigen Baustein in den Bemühungen um die Professionalisierung von Kulturpädagoginnen und Kulturpädagogen.