Von Bigband bis Urban Gardening. Motivationale Gründe Studierender für ein kulturelles Engagement an Hochschulen

Artikel-Metadaten

von Ulrike Gerdiken, Barbara Lämmlein

Erscheinungsjahr: 2022

Abstract

Kulturelle Angebote an Hochschulen haben eine lange Tradition. Fast jede Hochschule in Deutschland bietet ihren Studierenden vielfältige Möglichkeiten, sich kulturell und kreativ zu engagieren. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, warum Studierende an diesen Angeboten teilnehmen. Die Ergebnisse zeigen, dass das Bedürfnis nach Gemeinschaftserfahrung eine sehr große Rolle spielt. Gleichzeitig erleichtert das kulturelle Engagement den Studierenden den Übergang in die Hochschule. Die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen Neues ausprobieren zu können, die Erfahrung von Selbstwirksamkeit sowie der Ausgleich zum Studium sind ebenfalls wichtige Faktoren. Es wird deutlich, dass kulturelle Angebote an Hochschulen kein reines Freizeitvergnügen sind, sondern einen wichtigen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden leisten. Aus diesem Grund schlagen die Autorinnen vor, an Hochschulen ein begleitendes Format für die reflektierte Teilnahme an diesen Angeboten zu etablieren.

Einleitung

In diesem Bericht werden die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Eigen-ART. Persönlichkeitsentwicklung durch Kulturelle Bildung“ vorgestellt, das von Januar 2021 bis März 2022 an der Frankfurt University of Applied Sciences durchgeführt und von der LUCCA Foundation mitfinanziert wurde. Die Forscherinnen Ulrike Gerdiken und Barbara Lämmlein interessierte es, warum Studierende an ihren Hochschulen (gemeint sind sowohl Hochschulen für angewandte Wissenschaften als auch Universitäten ) an kulturellen Angeboten teilnehmen und ob sich daraus Auswirkungen auf deren persönliche Entwicklung herleiten lassen. Zu den kulturellen Angeboten zählen dabei sowohl die klassischen Künste (Musik, Kunst, Theater) als auch digitale und A/V-Medien sowie soziokulturelle Projekte. Ein Auslöser für dieses Forschungsprojekt war eine Studie, die die Autorinnen zu den Auswirkungen der Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur auf die Entwicklung angehender Führungskräfte durchgeführt hatten (Gerdiken/Lämmlein/ Lutz-Vock 2021). Im Rahmen dieser Studie hatten sie Interviews mit Studierenden durchgeführt, die sich auf eine Führungsaufgabe vorbereiteten und während ihres Studiums am Bronnbacher Stipendium (Kulturkreis der deutschen Wirtschaft: Bronnbacher Stipendium) teilnahmen. Die Ergebnisse zeigen, dass für die Studierenden weniger die Bedeutung des kreativen Handelns für ihre spätere Führungstätigkeit als vielmehr dessen Auswirkungen auf ihre aktuellen Entwicklungen in der Lebensphase als Student*in relevant sind. Ein zweiter Auslöser war die Erfahrung einer der Autorinnen mit einer Lehrveranstaltung an der Hochschule Neu-Ulm. Dort können Studierende im Wahlpflichtmodul „Kultur-Projekt“ (Hochschule Neu-Ulm: Kultur-Projekt) im Laufe eines Semesters an einem kulturellen Angebot der Hochschule teilnehmen oder ein eigenes Kulturprojekt entwickeln. Parallel zur kreativen Arbeit reflektieren sie in einem Begleitseminar die Entwicklungsschritte und Kompetenzen, die sie währenddessen gehen, erwerben und ausbauen. In ihren Rückmeldungen zu diesem Modul betonen die Studierenden, wie wertvoll für sie die Möglichkeit ist, sich jenseits der Fachinhalte ihres Studiengangs mit ihrer persönlichen Entwicklung beschäftigen zu können. Sowohl die Studie zu „Good Leadership“ als auch die Seminarreflexion im „Kultur-Projekt“ weisen darauf hin, dass kulturelles Engagement an der Hochschule für die Studierenden eine besondere Bedeutung haben könnte. Mit der vorliegenden Studie haben die Autorinnen diese Hypothese genauer untersucht.

Methodik

Die Datenerhebung erfolgte in Form von zwei schriftlichen Umfragen über die Plattform Soscisurvey. Sie richtete sich an Studierende, die im Wintersemester 2017/18 oder später an einer staatlichen Hochschule für angewandte Wissenschaften oder Universität in Deutschland immatrikuliert waren. Ursprünglich sollte sich die Recherche auf die Hochschulen für angewandte Wissenschaften beschränken. Aufgrund der geringen Datendatenmenge wurde sie später auf Universitäten ausgeweitet. Die Eingrenzung auf die staatliche Trägerschaft sollte die Vergleichbarkeit der Rahmenbedingungen gewährleisten, da private Einrichtungen teilweise andere finanzielle Mittel zur Verfügung oder weltanschauliche Ausrichtungen haben, die das kulturelle Angebot in besonderer Weise fördern.    

Die erste Umfrage fand vom 24.01.-15.03.2021 statt. Im Vorfeld wurden zunächst die kulturellen Angebote aller staatlichen Hochschulen für angewandte Wissenschaften recherchiert. Als Recherchegrundlage dienten die Homepages der Hochschulen. Bei 101 Angeboten konnten die Ansprechpersonen per Mail angeschrieben und gebeten werden, die Einladung zur Teilnahme an der Umfrage an ihre Mitglieder weiterzuleiten. Eine Rückfrage nach Ende der Umfrage ergab, dass die Einladung in 31 Fällen weitergeleitet und bei 38 Angeboten nicht weitergeleitet wurde. Letzteres wurde überwiegend mit der SARS-COV-2-Pandemie begründet. Während der digitalen Lehre im Sommersemester 2020 und Wintersemester 2020/21 konnten die kulturellen Angebote größtenteils nicht stattfinden, sodass es keine Aktiven gab, an die die Einladung weitergeleitet werden konnte. Der Hinweis, dass auch Aktive aus der Zeit davor an der Umfrage teilnehmen konnten, wurde in vielen Fällen nicht wahrgenommen. Bei 32 Angeboten konnte nicht nachvollzogen werden, ob die Anfrage weitergeleitet wurde.

Aus der ersten Umfrage konnten 57 Antworten für die Auswertung verwendet werden. Da diese Auswertung aufgrund der geringen Datenmenge keine belastbaren Rückschlüsse auf die Forschungsfrage zuließ, wurde vom 13.10.-28.11.2021 eine zweite Umfrage durchgeführt. Diesmal wurden im Vorfeld die kulturellen Angebote aller staatlichen Universitäten sowie die Kulturreferate aller studentischen Selbstverwaltungen der Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften recherchiert, angeschrieben und um Weiterleitung der Einladung zur Umfrage an ihre Mitglieder gebeten. Außerdem konnte das Forschungsprojekt bei einem Treffen des Deutschen Studentenwerks vorgestellt werden, an dem die Leitungen der Kulturbüros verschiedener Studierendenwerke teilnahmen. Einzelne Kulturbüros leiteten die Einladung ebenfalls weiter. Aus der zweiten Umfrage konnten 225 Antworten für die Auswertung verwendet werden. Insgesamt standen damit 282 Datensätze zur Auswertung zur Verfügung.

Die Umfrage enthielt sowohl quantitative als auch qualitative Elemente (Fragebogen siehe pdf-Datei). Zu den quantitativen Elementen gehörten Fragen nach Art, Beginn und Dauer der kulturellen Aktivität, Studiengang, Studienform, Hochschulart, Alter und Geschlecht. Das qualitative Element war ein Freitextfeld, in dem die Teilnehmenden ihre Gründe für ihr kulturelles Engagement beschreiben sollten. Als Anregungen für die Formulierung wurden die Stichworte „Motivation, Teilnahme, Kreativität, Gruppe, Ausprobieren, Erfahrungen, Mehrwert, Engagement, Kompetenzen, Kulturinteresse, Hochschule, Kommiliton*innen“ genannt. Verwertbar waren alle Antworten, bei denen dieses Feld ausgefüllt worden war. Die Auswertung konzentrierte sich auf diese Texte, sie wurden mit einer qualitativen Inhaltsanalyse angelehnt an Jochen Gläser und Grit Laudel (2010) ausgewertet. Dazu wurden aus den Texten abduktiv Codes abgeleitet und zu Kategorien zusammengefasst. Ergebnisse der quantitativen Fragen wurden in die Auswertung aufgenommen, wenn sie erkenntniserweiternd waren.

Auswertung

Im Zuge der qualitativen Inhaltsanalyse wurden aus den Freitexten der Studierenden 149 Codes abgeleitet. Diese Vielzahl weist darauf hin, dass das kulturelle Engagement an der Hochschule eine vielfältige und nicht zu unterschätzende Bedeutung für Studierende hat. Die Codes wurden zu sechs Kategorien zusammengefasst, die im folgenden „Motivationsfelder“ genannt werden:

  • Sozialkontakte/Sozialerfahrungen betreffend
  • Die Kunstform betreffend
  • Persönliche Aspekte betreffend
  • Die Hochschule/das Studium betreffend
  • Themenübergreifend
  • Auf Corona bezogen

Sozialkontakte/Sozialerfahrungen betreffend

Sehr deutlich wird in den Texten die soziale Bedeutung, die die Studierenden ihrem außercurricularen kulturellen Engagement zuschreiben. Fast alle nannten als Gründe für die Teilnahme Aspekte wie „Kontakte knüpfen“, „Freundschaften aufbauen“ oder „Gleichgesinnte treffen“. Darüber hinaus spielten die Möglichkeit zum ehrenamtlichen Engagement, der Austausch mit anderen und der emotionale Halt, der in der Gruppe erfahren wird, eine wichtige Rolle.

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Die Kunstform betreffend

Im Motivationsfeld „die Kunstform betreffend“ wird neben der allgemeinen sozialen Bedeutung vor allem die künstlerische Gemeinschaft betont. Insbesondere bei den musikalischen Angeboten freuen sich die Studierenden über die Möglichkeit, mit künstlerisch Gleichgesinnten Projekte zu entwickeln. In diesem Zusammenhang werden immer wieder die bereichernden Erfahrungen durch die gemeinsamen Konzerterlebnisse und die Vorbereitung darauf erwähnt.

„Außerdem gibt es nichts Geileres als nach langer Zeit, nach viel harter Arbeit und manchmal auch Tränen nach dem Ende der Aufführung den Applaus und die Wertschätzung des Publikums, welche ja in großen Teilen komplett fremd sind, entgegen zu nehmen.“ (721)

Darüber hinaus nutzen die Studierenden die Möglichkeit, an vorherige künstlerische Tätigkeiten anknüpfen und sie fortsetzen zu können sowie die eigenen künstlerischen Kompetenzen zu erweitern. 

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Persönliche Aspekte betreffend

Das dritte Motivationsfeld, zu dem die Studierenden Aspekte benannten, war die Bedeutung des kulturellen Engagements für die persönliche Entwicklung. Auch hier spielte das Anknüpfen an vorherige künstlerische Aktivitäten eine wichtige Rolle, weil dadurch bereits Vertrautes in einem neuen Umfeld fortgeführt werden kann. Dies erleichterte einigen Teilnehmenden den Einstieg und das Durchhalten im Studium.

„In meiner Heimat spiele ich seit meiner Kindheit in einem Musikverein. Und das Musikmachen in einer Gruppe, das Gemeinschaftsgefühl erleben, gerade in einem größeren Orchester ein besonderes Gefühl wollte ich, nur weil ich umgezogen bin, nicht vermissen. Darüber hinaus wollte ich ankommen und integriert sein in der neuen Stadt (über das Orchester). Mittlerweile bin ich seit ein paar Jahren Teil des Orchesters und habe darüber neue Leute kennen gelernt, und Freundschaften gebildet, die ich nicht missen möchte.“ (801)  

Benannt wurden darüber hinaus persönliche Entwicklungen, die sowohl durch die Gemeinschaftserfahrung als auch die künstlerischen Herausforderungen angestoßen wurden. Dazu zählten die Förderung von Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, Selbstreflexion und Selbstwertgefühl ebenso wie Schulung der Selbstdisziplin, die Möglichkeit, über den Tellerrand zu schauen, die Komfortzone verlassen zu müssen und in einem geschützten Raum neue Dinge ausprobieren zu können. Als weitere Gründe für das Engagement wurde außerdem genannt, durch Leitungsaufgaben oder Vorstandsarbeit die Übernahme von Verantwortung erfahren zu können.

„[…] verantwortungsvolle Aufgaben zu übernehmen (Mitglied der Vorstandschaft, musikalische Leiterin, Dirigenten) und so auch meine persönlichen Skills weiterzuentwickeln, die ich auch im beruflichen Leben als Ingenieurin später anwenden kann […]“ (808)

Auf der anderen Seite hilft das kulturelle Engagement den Studierenden bei der Herstellung einer Work-Life-Balance. In diesem Kontext wurden Aspekte wie Entspannung, Stressabbau, Erholung, Abstand vom Alltag, „den Kopf freibekommen“ und das Zulassen von Fehlern erwähnt.

„Es ist eine wunderbare Plattform sich selbst zuzutrauen Sachen auszuprobieren auch Fehler zu machen und einfach zu sein wer und wie man ist.“ (669)

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Die Hochschule/das Studium betreffend

Die Studierenden reflektierten ihr kulturelles Engagement nicht nur mit dem Blick auf ihre persönliche Entwicklung, sondern setzten es auch in Bezug zu ihrem Studium und ihrer Zugehörigkeit zur Hochschule. Dies zeigen die Codes im Motivationsfeld „die Hochschule/das Studium betreffend“. Dort spielte das kulturelle Engagement als Ausgleich zum Studienalltag eine wichtige Rolle, sei es, weil es einen kreativen Gegenpol zu einem technisch dominierten Studium setzt, sei es, weil bei diesen Angeboten im Gegensatz zum Studium kein Leistungsdruck erlebt wird. Ein zweiter wichtiger Aspekt wurde darin gesehen, bei den Angeboten Studierende aus anderen Fachbereichen und Semestern kennenlernen und so „aus der eigenen Blase herauskommen zu können“.

„Zudem habe ich mir erhofft, durch die Treffen neue gleichaltrige Studierende kennenzulernen und so meinen Kreis zu erweitern, auch außerhalb meines Studienganges - was sich letztendlich auch so ergeben hat.“ (839)

Positiv erwähnt wurde von den Studierenden darüber hinaus, dass die Angebote kostenfrei sind, die Hochschule die Infrastruktur zur Verfügung stellt und das kulturelle Engagement ihnen die Möglichkeit gibt, die Hochschule mitzugestalten. Darüber hinaus erleichtere es ihnen den Einstieg an der Hochschule.

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Themenübergreifend

Über die bereits beschriebenen Motivationsfelder hinaus benannten die Studierenden Aspekte, die bei der Auswertung als themenübergreifendes Motivationsfeld zusammengefasst wurden. Hierzu zählen u.a. die Möglichkeit, in den kulturellen Angeboten die eigene Kreativität ausleben zu können, das Sammeln von fachlichen Erfahrungen bei der Organisation von Veranstaltungen oder bei Präsentationen, die Chance, durch das Engagement berufliche Bewerbungen aufwerten zu können, und das Netzwerken. Hingewiesen wurde in diesem Motivationsfeld außerdem auf die Werteorientierung, die mit dem kulturellen Engagement einhergeht, die besondere Form der Allgemeinbildung und die Nachhaltigkeit des Lernens in diesem Kontext.

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Auf Corona bezogen

Schließlich erwähnten einige Studierende im Freitext die Auswirkungen der SARS-COV-2-Pandemie, die während des Befragungszeitraums zu einer Schließung der Hochschulen und damit einer Unterbrechung fast aller außercurricularen kulturellen Angebote geführt hatte. Übereinstimmend bedauerten die Studierenden diese Schließung und hofften auf eine baldige Wiederaufnahme der Angebote. Zum Teil war dies zum Zeitpunkt der zweiten Umfrage (Wintersemester 2021/22) eingeschränkt wieder geschehen. Einige Studierende haben es nach der Unterbrechung nicht geschafft, das Engagement wieder neu aufzunehmen.

„Erst durch Corona und die damit einhergehende Isolation und das Ausfallen jeglichen kulturellen Angebots ist mir die Bedeutung der Kultur bewusst geworden.“ (919)

„Als der Chor dann wegen Corona nicht mehr stattfinden konnte war ich wirklich sehr traurig und ich hoffe sehr, dass es jetzt weiter gehen kann.“ (1013)

„Unter anderem weil diese Motivationsquelle durch Corona weggefallen ist, habe ich nicht mehr geübt und mich dazu entschlossen aufzuhören.“ (179)

Ergebnisdiskussion

Die notwendige Kategorisierung bei der Auswertung von Umfragen hat immer etwas Statisches und Vereinzelndes. Darum ist es wichtig, Ergebnisse nicht nur vertikal und kategorial, sondern auch horizontal und Kategorie übergreifend zu lesen.  Bei der vorliegenden Umfrage zeigt sich dann, dass in fast allen Motivationsfeldern Aussagen zur Bedeutung des sozialen Umfeldes gemacht werden. Das Knüpfen von Kontakten und das Erleben von Gemeinschaft haben sowohl für das Sozialleben der Studierenden allgemein als auch für ihren Umgang mit dem Studium und ihrer Hochschule sowie für ihr künstlerisches Handeln eine große Bedeutung. Darüber hinaus haben 67 % der an der Umfrage Beteiligten angegeben, das kulturelle Engagement im ersten oder zweiten Studiensemester aufgenommen zu haben. Die Relevanz dieser Ergebnisse zeigt sich, wenn man sie ins Verhältnis zu Studien setzt, die sich mit den Themen „Übergang in die Hochschule“, „Resilienz“ und „Studienerfolg“ beschäftigen:

Der Übergang in die Hochschule ist für junge Erwachsene ein kritisches Lebensereignis, das mit großen Veränderungen verbunden ist: Ihr Status ändert sich, aus Schüler*innen oder Berufstätigen werden Student*innen. Viele wechseln den Wohnort und führen zum ersten Mal eigenständig einen Haushalt. Schließlich findet auch ein biografischer Wechsel von der Phase der Adoleszenz in die Postadoleszenz statt. Dazu kommt der Einstieg in die Hochschule als neue Sozialkultur und in die jeweils spezifische Fachkultur. Diese Veränderungen, die Barbara Friebertshäuser als „Formen sozialer Mobilität“ bezeichnet (Friebertshäuser 1992:57), sind mit Unsicherheiten und psychischen Belastungen verbunden (Friebertshäuser 1992:69f; Berndt/Felix 2020:42). Freundschaften mit Peers, also mit Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden oder vor kurzem befunden haben, kommt in dieser Lebensphase eine besondere Bedeutung zu: Sie erleichtern die soziale Integration in das neue Lebensumfeld, helfen, sich im Studienfach zurechtzufinden und ermöglichen Erholung und Stressabbau (Krinninger 2016:432). Dominik Krinninger nennt drei Funktionen, die eine Freundschaft im Studium kennzeichnen:

  • Freundschaft als „Medium der Erfahrung, in denen sich Subjekte Bedingungen und Ereignisse aneignen können“ (ebd.)
  • Freund*innen als „wichtige Begleiter[*innen] im Übergang“ (ebd.)
  • Freundschaft als Raum „der biografischen Selbstvergewisserung“ (ebd.)

Darüber hinaus stellen studentische Freundschaften einen Gegenpol zu studentischen Fachbeziehungen dar, weil sie von Autonomie und Gemeinschaftlichkeit geprägt sind. Im Gegensatz dazu sind die fachlichen Beziehungen in einem Studiengang von Abhängigkeiten geprägt und es werden bestimmte Rollenkonformitäten erwartet (ebd.).

Auf die Bedeutung von sozialen Beziehungen und Freundschaften für die Resilienz und Zufriedenheit von Studierenden weisen Ines Niemeyer und Yvette Hofmann in ihren Studien zu gesundheitsförderlichen Ressourcen im Studium (Niemeyer 2020) und zu Belastungserfahrungen im Studium (Hofmann et al. 2021) hin. Niemeyer hat in ihrer Arbeit herausgefunden, dass die soziale Unterstützung durch Mitstudierende einen positiven Einfluss auf die Lebenszufriedenheit und damit auf den Studienerfolg hat (Niemeyer 2020: 90,96). In Hofmanns Studie zeigt sich, dass fehlende Möglichkeiten für soziale Kontakte als Belastung empfunden werden und im Gegenzug die Resilienz von Studierenden zunimmt, wenn psychologische Grundbedürfnisse, zu denen sie Autonomie, soziale Verbundenheit und Kompetenz zählt, befriedigt werden (Hofmann et al. 2021:79,81). Die Bedeutung der sozialen Integration können auch Sarah Berndt und Annika Felix (2020) sowie Katrin Lattner und Nele Haddou (2013) nachweisen. Soziale Beziehung, Freundschaften und Persönlichkeitsentwicklung sind diesen Untersuchungen zufolge wichtige Faktoren für die Resilienz, die Zufriedenheit und den Studienerfolg. Diese Ergebnisse decken sich mit den Erkenntnissen der hier vorgestellten Studie. Die Faktoren „soziale Beziehungen“ und „Freundschaften“ werden von den Teilnehmenden explizit als Gründe genannt, warum sie an kulturellen Angeboten teilnehmen. Sie bieten die notwendigen Räume, um Kontaktaufnahmen und Gemeinschaftserfahrung zu ermöglichen. Damit leisten kulturelle Angebote einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität, zur Zufriedenheit und zum Studienerfolg der Studierenden.

Neben der Bedeutung für den Aufbau eines sozialen Umfelds ziehen sich Aussagen, wie sich das kulturelle Engagement auf die persönliche Entwicklung auswirkt, durch alle Motivationsfelder. Am häufigsten wird die Möglichkeit genannt, mit dem kulturellen Engagement an künstlerische Vorerfahrungen aus der Zeit vor dem Studium anknüpfen zu können. Hier scheint das Vertraute in der neuen Lebenssituation Sicherheit und Stabilität zu geben. Gleichzeitig gibt es Studierende, die sich bewusst neuen Herausforderungen stellen oder neue Dinge ausprobieren wollten. Sie sehen in dieser Horizonterweiterung einen Mehrwert.  Darüber hinaus schätzen die Teilnehmenden, dass sie durch das kulturelle Engagement zur Selbstreflexion angeregt werden, sich im geschützten Raum ausprobieren und neue Seiten an sich kennenlernen können, ihre mentale Stabilität gestärkt wird und sie Selbstwirksamkeit erfahren. Einige Studierende nennen auch gesundheitsfördernde Aspekte wie Erholung und Stressabbau. Explizit erwähnen sie in diesem Kontext, dass das kulturelle Engagement eine Abwechslung und in Teilen Ablenkung vom kopflastigen und leistungsbezogenen Studium bietet. Trotzdem sehen sie auch Möglichkeiten, ihre fachlichen und methodischen Kompetenzen weiterentwickeln zu können, z.B. durch Leitungserfahrung, Übernahme von Verantwortung, Entwicklung von Ausdrucksformen und die Bereitschaft, Fehler zuzulassen.

Die Lebensphase Studium ist geprägt durch die bereits erwähnten Statuswechsel und Mobilitätsformen, durch die Weiterentwicklung persönlichkeitsbezogener Aspekte wie Ich-Identität und Selbstwahrnehmung sowie durch ein zunehmendes Bewusstsein für Entwicklungen auf gesellschaftlicher und globaler Ebene (Stauber/Walther 2013; Hurrelmann 2012; Faltermaier/Mayring/Saup 2002). Die Autorinnen konnten in ihrem Forschungsprojekt „Durch Kulturelle Bildung zu Good Leadership?“ bereits nachweisen, dass sich ästhetische Erfahrungen, wie sie in den kulturellen Angeboten gemacht werden, bei Studierenden insbesondere auf deren persönliche Entwicklung und die Reflexion des Lebensalltags als Teil einer Gemeinschaft auswirken (Gerdiken/Lämmlein/Lutz-Vock 2021). Die Vielzahl der genannten Aspekte zur persönlichen Entwicklung, die für die an der vorliegenden Umfrage beteiligten Studierenden mit dem kulturellen Engagement zusammenhängen, bestätigen dieses Ergebnis.

Allerdings unterstützt das Engagement in kulturellen Angeboten nicht nur den Aufbau sozialer Beziehungen und die persönliche Entwicklung von Studierenden, es trägt auch zu einer erhöhten Identifikation mit der Hochschule bei und bietet den von Krinninger angeführten Gegenpol zu studentischen Fachbeziehungen. Darauf lassen die Gründe schließen, die die Studierenden bezüglich ihrer Hochschule und ihres Studiums für ihr kulturelles Engagement nennen. Sie schätzen, dass die Angebote kostenlos zur Verfügung gestellt werden und die Infrastruktur der Hochschule auch außerhalb ECTS-bewährter Lehrveranstaltungen genutzt werden kann. Außerdem bieten sie ihnen eine Möglichkeit, das Hochschulleben mitzugestalten. In diesem Zusammenhang wird besonders wertschätzend hervorgehoben, dass die Angebote fachbereichsübergreifende Kontakte ermöglichen, die zur bereits erwähnte Horizonterweiterung beitragen. Darüber hinaus sind die Studierenden froh, mit den kulturellen Angeboten einen Ausgleich zum Studienalltag zu haben, insbesondere wenn dieser sehr technisch oder zahlenlastig ist.

Mit Blick auf das System Hochschule sind der Mehrwert, den die Studierenden den fachbereichs- und semesterübergreifenden Kontakten zusprechen, und die Beziehung, die durch das Engagement zur Hochschule aufgebaut wird, besonders beachtenswert. Der erste Punkt spricht die Studiumsorganisation an. Er ist ein Hinweis darauf, die Fachbereichsversäulung durchlässiger zu machen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern. Der zweite Punkt zeigt den Nutzen, den die Einrichtung Hochschule durch kulturelle Angebote hat: Je mehr sich die Studierenden mit ihrer Hochschule identifizieren, umso positiver sprechen sie von ihr und werben für sie. Dadurch kann nicht nur die für die Refinanzierung wichtige Zahl der Studieneinsteiger*innen und Absolvent*innen erhöht werden. Die Hochschule kann sich außerdem als Bildungseinrichtung profilieren, die sowohl die persönliche als auch die fachliche Entwicklung junger Menschen unterstützt und damit einen ganzheitlichen Beitrag zur Gestaltung von Politik und Gesellschaft leistet.

Wie bereits erwähnt, knüpfen einige Studierende mit dem kulturellen Engagement an Vorerfahrungen an. Neben den sozialen und persönlichen Gründen geht es ihnen dabei auch darum, ihre künstlerische Kompetenz auszubauen, sich mit neuem künstlerischem Repertoire auseinanderzusetzen, Kunst auf hohem Niveau zu praktizieren und sich gemeinsam auf einen künstlerischen Auftritt vorzubereiten. Hier muss kritisch hinterfragt werden, inwiefern die kulturellen Angebote nicht nur gemeinschaftsfördernd inkludierend wirken, wie es von den meisten Studierenden beschrieben wird, sondern auch dazu beitragen, exklusive Gruppen aufzubauen. Dies betrifft vor allem solche Angebote, bei denen eine Teilnahme nur mit Vorerfahrung möglich ist: In einem Orchester oder einer Band kann nur mitspielen, wer ein Instrument sicher beherrscht und in Chöre wird in der Regel nur aufgenommen, wer tonsicher ist. Die Teilnahmemöglichkeit an diesen Angeboten wird jede Hochschule individuell regeln und es spricht nichts dagegen, künstlerisch anspruchsvolle Angebote zu machen. Der von den Studierenden positiv erwähnte Aspekt, dass man auch als ohne Vorkenntnisse teilnehmen könne und dadurch motiviert werde, etwas Neues auszuprobieren, sollte jedoch nicht unbeachtet bleiben.

Schlussfolgerungen

Der Orientierungsrahmen für die Hochschullehre in Deutschland ist der Hochschulqualifikationsrahmen der Hochschulrektoren- und Kulturministerkonferenz (Kultusministerkonferenz 2017). Er sieht vor, dass Studierenden im Laufe des Studiums Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenzen vermittelt werden. Unter Fachkompetenz wird  „Wissen und Verstehen“, unter Methodenkompetenz „Einsatz, Anwendung und Erzeugung von Wissen“, unter Sozialkompetenzen „Kommunikation und Kooperation“ und unter Selbstkompetenz „Wissenschaftliches Selbstverständnis/ Professionalität“ (Kultusministerkonferenz 2017:4) verstanden.

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Abb. 1: Schematische Darstellung des Hochschulqualifikationsrahmens. Eigene Darstellung in Anlehnung an Kultusministerkonferenz 2017:4

Hier fällt auf, dass weder die soziale noch die persönliche Entwicklung von Studierenden genannt werden. Sozial- und Selbstkompetenzen werden ausschließlich auf die fachliche Bildung bezogen. In der detaillierten Darstellung des Kompetenzmodells wird dieses Verständnis zugespitzt, indem dort nur noch auf die Fach- und Methodenkompetenzen eingegangen wird.

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Abb. 2: Schematische Darstellung der im Kompetenzdimensionen, die den Kompetenzbereichen des Hochschulqualifikationsrahmens zugeordnet werden. Eigene Darstellung in Anlehnung an Kultusministerkonferenz 2017:5

Dem Hochschulqualifikationsrahmen liegt ein enges, von der pädagogischen Psychologie geprägtes Kompetenzverständnis zugrunde, wonach Kompetenzen kognitiv, leistungsbezogen und messbar sein müssen (Klieme/Hartig 2007; Weinert 2001). Gleichzeitig sehen sich die Hochschulen laut Hochschulrektorenkonferenz als „zentrale Akteure in Wissenschaft und Gesellschaft“ (Hochschulrektorenkonferenz 2018:1), zu deren Handlungsfeldern neben herausragender Lehre, exzellenter Forschung und Förderung der beruflichen Entwicklung auch der Bildungsauftrag und die Stärkung des Dialogs gehören. Sie sehen es als ihren Auftrag, die Persönlichkeit zu fördern und zu entwickeln und „als Zentren demokratischer Kultur […] zur produktiven Diskussion um die Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen“ beizutragen (Hochschulrektorenkonferenz 2018:2). Mit einem engen Kompetenzverständnis kann diesen Ansprüchen allerdings nicht Genüge getan werden, da es zu sehr auf messbare Leistungen fokussiert.  Stattdessen braucht es einen weiten Bildungs- und Kompetenzbegriff, der Bildung als einen umfassenden Entwicklungsprozess versteht, zu dem auch die Vermittlung von Kompetenzen gehört. Diese allerdings erschöpfen sich nicht im Kognitiven und Messbaren, sondern umfassen darüber hinaus Normen, Werte und Rituale. Das Kompetenzverständnis von John Erpenbeck et al. (2017) kann dabei hilfreich sein. Sie unterscheiden zwischen Kompetenzen und Qualifikationen. Qualifikationen sind für sie annähernd das, was Franz Weinert und Eckart Klieme/Johannes Hartig als Kompetenzen beschreiben: abprüfbare Wissensinhalte, die auf einen bestimmten Sachverhalt festgelegt sind. Diese bezeichnen sie als Wissens- und Fertigkeitsdispositionen. Unter Kompetenzen verstehen sie die Fähigkeiten einer Person, selbstorganisiert und kreativ zu handeln. Sie sind subjektbezogen und nicht mess- oder normiert abprüfbar. Erpenbeck et al. verstehen Kompetenzen als Selbstorganisationsdispositionen, die vor allem nichtexplizites Wissen enthalten (Erpenbeck et al. 2017:XIff).

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Abb. 3: Grafische Darstellung der Differenzierung zwischen Wissen, Qualifikation und Kompetenz. Eigene Darstellung in Anlehnung an Erpenbeck et al. 2017

Mit diesem Kompetenzverständnis korrespondiert ein weiter Bildungsbegriff, der unter Bildung nicht nur die Aneignung messbarer Kompetenzen, sondern einen aktiv gestalteten Prozess versteht, der alle Lebensbereich umfasst. Ein solcher Bildungsbegriff wird z.B. im Bildungskonzept „Kulturelle Bildung“ vertreten und dort als „Projekt guten Lebens“ oder „Lebenskunst“ bezeichnet. Der Mensch wird als aktiv handelndes Wesen bezeichnet, das in einem bewussten Verhältnis zu seinem Leben, seiner Geschichte, seiner Umwelt und der Gesellschaft steht und diese selbstbestimmt und kreativ mitgestalten will. Die Aufgabe der Bildung ist es, ihn zu dieser Mitbestimmung zu befähigen (Gerdiken 2017:25).

Um dem Bildungsanspruch, der von der Hochschulrektorenkonferenz formuliert wurde, gerecht zu werden, braucht es mehr als exzellente fachbezogene Lehre. Hochschulen müssen Angebote bereitstellen und bewerben, die die soziale und persönliche Entwicklung sowie Reflexionsfähigkeit der Studierenden fördern. Viele Hochschulen haben aus diesem Grund bereits das Konzept „Service Learning“ in ihre Curricula (z.B. Frankfurt University of Applied Sciences: Service Learning). Beim Service Learning arbeiten Studierende in Projekten gemeinnütziger Organisationen mit und bringen dort ihr im Studium erworbenes Wissen ein. Dieser Einsatz wird in begleitenden Seminaren  auf seinen Mehrwert für die persönliche und fachliche Entwicklung hin reflektiert (Rosenkranz/Roderus/Oberbeck 2020:5). Dabei sollen sich die Studierenden bewusstwerden, wie sie mit ihren im fachbezogenen Studium erworbenen Kompetenzen verantwortungsvoll zur Gestaltung einer humanen Gesellschaft beitragen können.

Die ideale Ergänzung zum Service Learning ist die Kulturelle Bildung. Sie versteht sich als pädagogische Haltung und Bildungskonzept, das mit den Mitteln der Kulturpädagogik zur Allgemeinbildung beitragen will (siehe: Vanessa-Isabell Reinwand-Weiß (2013/2012): Künstlerische Bildung – Ästhetische Bildung – Kulturelle Bildung; Fuchs 2005:26). Sie will den Menschen zur Selbst- und Weltgestaltung befähigen und ihm damit gesellschaftliche, politische und kulturelle Teilhabe ermöglichen. Das Konzept basiert auf einem weiten Kultur- und Bildungsbegriff und geht davon aus, dass der Mensch sich durch die Auseinandersetzung mit künstlerischen und kulturellen Feldern und Themen persönlich, gesellschaftlich und politisch weiterentwickeln kann. Das Ziel der Kulturellen Bildung ist es, Menschen durch die aktive und passive Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur zu erfolgreichen Lebenskünstler*innen zu machen, die in der Lage sind, das eigene Leben und die Gesellschaft mitzugestalten. Hildegard Bockhorst hat neun „Lebens-Kompetenzen und Persönlichkeitsressourcen“ (Bockhorst 2001:461) beschrieben, die es dazu braucht und die durch Kulturelle Bildung vermittelt werden können:

  1. Das Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten
  2. Die Fähigkeit zur Toleranz und die Wertschätzung der Würde eines jeden Menschen
  3. Ein erweitertes sozial-kommunikatives Handlungsrepertoire
  4. Die Kompetenz, mit allen Sinnen agieren zu können und mit Lust zu lernen
  5. Die Fähigkeit zu spielen, zu lachen, Spaß zu haben und Lebenslust zu tanken
  6. Gesellschaftskritische Sensibilität, politisches Denken und wertbezogenes Urteilen
  7. Die Erfahrung der Veränderbarkeit eigener und gesellschaftlicher Situationen und Grenzen
  8. Die Erfahrung und individuelle Sicherheit, offene Prozesse und Situationen aushalten zu können
  9. Die Sinnhaftigkeit von Eigeninitiative und Engagement

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass kulturelle Angebote an Hochschulen diese Lebens-Kompetenzen unterstützen und von den Studierenden als wichtig erachtet werden. Darum ist es Hochschulen dringend zu empfehlen, kulturelle Angebote zu erhalten und auszubauen. Um den Studierenden die Kompetenzentwicklung durch das kulturelle Engagement bewusst zu machen und es auf andere Lebensbereiche übertragen zu können, sollte ein begleitendes Reflexionsseminar angeboten werden. Dies kann beispielsweise in einen fachbereichsübergreifenden Wahlpflichtbereich eingebunden und mit dem Erwerb von ECTS verbunden werden, wodurch der Anreiz zur Teilnahme gesteigert wird. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die Teilnahme an den kulturellen Angeboten überwiegend voraussetzungsfrei ist. Alternativ könnte das Seminar neben der Teilnahme an einem bestehenden Angebot mit der Entwicklung eines individuellen Kulturprojekts verbunden werden. Den Mehrwert, den ein solches Angebot für die Studierenden bringt, lässt sich am besten mit der Aussage eines Studierenden verdeutlichen. Er hat am Wahlpflichtmodul „Kultur-Projekt“ (damals „Kulturprogramm“) an der Hochschule Neu-Ulm teilgenommen und schrieb in seinem schriftlichen Fazit:

„Woran ich mich noch lange erinnern werde

Dieses ‚Einfach mal sein dürfen‘, ohne Anspruch an Leistung. Im Kontext Studium zwar voran zu kommen, ohne einer Vorgabe oder einer Aufgabenstellung gerecht werden zu müssen. Einfach mal etwas tun, worauf man wirklich Lust hat, das in der persönlichen Weiterentwicklung hilft und das einfach Spaß macht: Das war eine tolle Erfahrung. Das WPF Kulturprogramm hat dabei geholfen, indem es Druck rausgenommen hat. Normalerweise steckt man sich selbst ein Ziel (z.B. 30 ECTS im kommenden Semester) und verfolgt das Ziel. Alles, was diesem Ziel nicht direkt dienlich ist, wird als Freizeit verbucht und fördert so ein bisschen das schlechte Gewissen. Beim Kulturprogramm war das anders: etwas tolles, sinnstiftendes machen, aber eben ohne dieses schlechte Gewissen. Daher allen, die dieses Erlebnis möglich gemacht haben: Danke für die Erfahrung und für ein Fach, das gerade wegen eines fehlenden, starr definierten Ziels, so viel zum größeren Kontext beitragen konnte. Das hat gut getan!“

Titelbild - Studie von Gerdiken und Lämmlein

PDF der Studie (3,7 MB)

mit Informationen im Anhang (Kap. 7) zum Fragebogen der Datenerhebung im Rahmen der Studien „Eigen-ART. Persönlichkeitsentwicklung durch Kulturelle Bildung.“

Verwendete Literatur

  • Berndt, Sarah/Felix, Annika (2020): Resilienz und der Übergang in die Hochschule. Eine empirische Untersuchung der Bedeutung von Resilienz für den Studienerfolg und ­abbruch in der Studieneingangsphase. In: Beiträge zur Hochschulforschung (1–2), 36–55.
  • Bockhorst, Hildegard (2001): Kulturelle Jugendbildung als Lebenskunst und gesellschaftliche Perspektive. In: Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung e.V. (Hg.): Kultur.Jugend.Bildung. Kulturpädagogische Schlüsseltexte 1970-2000 (461-466). Remscheid: BKJ.
  • Erpenbeck, John/Rosenstiel, Lutz von/Grote, Sven/Sauter, Werner (Hg.) (2017): Handbuch Kompetenzmessung. 3. Aufl. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
  • Faltermaier, Toni/Mayring, Philipp/Saup, Winfried (2002): Entwicklungspsychologie des Erwachsenenalters. 2., überarb. u. erw. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer.
  • Friebertshäuser, Barbara (1992): Übergangsphase Studienbeginn. Eine Feldstudie über Riten der Initiation in eine studentische Fachkultur. Weinheim und München: Juventa.
  • Fuchs, Max (2005): Kulturelle Bildung und Bildungsreform. Beiträge zu Grundlagen und Einsatzfeldern der Kulturpädagogik. https://www.bkj.de/fileadmin/BKJ/10_Publikationen/Fremdpublikationen/08d_Fuchs_Aufbaukurs_Kulturpaedagogik_Band_III.pdf (letzter Zugriff am 17.06.2021).
  • Gerdiken, Ulrike (2017): Zwischen Emanzipation und Optimierung. Kulturelle Bildung in der Personalentwicklung. München: kopaed.
  • Gerdiken, Ulrike/Lämmlein, Barbara/Lutz-Vock, Hannah (Hg.) (2021): Durch Kulturelle Bildung zu Good Leadership? Über die Auswirkungen von Kunst und Kultur auf die Entwicklung angehender Führungskräfte. München: kopaed.
  • Gläser, Jochen/Laudel, Grit (2010): Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruierender Untersuchungen. 4. Aufl. Wiesbaden: VS  Verl. für Sozialwiss.
  • Hochschulrektorenkonferenz (2018): Die Hochschulen als zentrale Akteure in Wissenschaft und Gesellschaft. Eckpunkte zur Rolle und zu den Herausforderungen des Hochschulsystems. https://www.hrk.de/fileadmin/redaktion/hrk/02-Dokumente/02-01-Beschluesse/HRK_-_Eckpunkte_HS-System_2018.pdf (letzter Zugriff am 17.06.2021).
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  • Hurrelmann, Klaus (2012): Sozialisation: das Modell der produktiven Realitätsverarbeitung. 10., vollst. überarb. Aufl. Weinheim Basel: Beltz.
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Ulrike Gerdiken, Barbara Lämmlein (2022): Von Bigband bis Urban Gardening. Motivationale Gründe Studierender für ein kulturelles Engagement an Hochschulen. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/index.php/artikel/bigband-bis-urban-gardening-motivationale-gruende-studierender-kulturelles-engagement (letzter Zugriff am 16.07.2024).

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