Auftrag Schule – Konflikt Kunst? Notizen zur fragilen Position von Künstler*innen im institutionellen Gefüge der Schule

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von Tom Braun

Erscheinungsjahr: 2023/2022

Peer Reviewed

Abstract

Künstler*innen gelten mithin als Expert*innen für Erfindungen. Alternative Sichtweisen und Neu-Interpretationen sozialer Praktiken und Sinnordnungen zeichnen künstlerische Praxis aus. Umso bemerkenswerter ist es, dass Künstler*innen gerade an Schulen gefragt sind. Ist doch der schulische Kontext ordnungstheoretisch durch Prinzipien der Allgemeingültigkeit und Vergleichbarkeit bzw. durch Legitimierung und Reproduktion der bestehenden Sinnordnungen geprägt. Ausgehend von einem historischen Überblick zu Initiativen, die in den letzten Jahrzehnten eine stärkere Involvierung von Künstler*innen in Schulen diskutiert haben, problematisiert der Beitrag künstlerische Handlungsspielräume im Verhältnis zum institutionellen Leistungscharakter von Schule. Im Zuge dessen geht der Beitrag u.a. der Frage nach, inwiefern Schule als ein Ort des Erfindens beschrieben werden kann. In der Gegenüberstellung schulischer und künstlerischer Prinzipien sowie entlang aktueller Kritiklinien an Schule werden Möglichkeitsräume und Konfliktpunkte für das Engagement von Künstler*innen in Schulen problematisiert.

Künstler*innen sind an Schulen in vielfältigen Aufgabenfeldern aktiv: in der Konzeption und Umsetzung außerunterrichtlicher Kunst- und Kulturprojekte für Kinder und Jugendliche, in der Fortbildung von Lehrer*innen zur verstärkten unterrichtlichen Einbeziehung ästhetisch-kultureller Strategien, als Tandem-Partner*innen von Lehrer*innen im Fachunterricht, in der Bereitstellung künstlerischer Angebote am Schulnachmittag, als Kulturagent*innen in der Entwicklung kultureller Schulprofile, als Artist in Residence und vieles mehr. Sie werden ergänzend zum theoretischen Schulunterricht für die praktische künstlerische Qualifizierung von Kindern und Jugendlichen beansprucht wie auch als Expert*innen für die Generierung experimenteller Erfahrungsräume eingeladen (vgl. Jas und Heber 2017: 69ff.). Ihre Rolle bleibt an Schulen dabei stets eine fragile. Unabhängig davon, ob Künstler*innen mit der Bitte angefragt werden, schulische Lehr-/Lernstrategien zeitweise durch andere Zugänge zu ergänzen, oder ob sie als Expert*innen des eigenen, neben Schule bestehenden gesellschaftlichen Sektors des Kunst- und Kulturbetriebs eingeladen werden, zeichnet sich ihre Position gerade dadurch aus, dass sie keine Akteur*innen des schulischen Leistungssystems sind. Die Anfrage und Beanspruchung von Künstler*innen kann vielmehr als Folge und Symptom einer schon länger andauernden Kritik an einer verengten schulischen Perspektive auf Prozesse der Selbst- und Weltaneignung von Kindern und Jugendlichen wie auch an der Wirksamkeit schulischer Lernumgebungen verstanden werden (vgl. Braun 2011; Kelb 2007; Mattenklott 2007; Mollenhauer 1990; Otto 1998).

Bereits vor einigen Jahren forderte Ludwig Duncker eine Rückbesinnung auf den „kulturellen Sinn der Schule“ (1994: 29). Er wandte sich damit gegen etablierte Perspektiven der Schultheorie, beispielsweise bei Helmut Fend (1981; 2008), die Schule vor allem in ihrer soziologischen Funktion begründet hatten. Fend sah diese vor allem in der Reproduktion, Bestätigung und Sicherung der etablierten sozialen, ökonomischen, kulturellen und politischen Strukturen der Gesellschaft. Er differenzierte die soziologische Funktion von Schule entsprechend in Enkulturationsfunktion, Qualifikationsfunktion, Allokationsfunktion und Integrationsfunkt aus (vgl. Fend 2008: 51). Duncker forderte demgegenüber in Reflexion auf Diskussionen zu Kultur und Schule aus der Zeit der Weimarer Republik, Schule als ein Generationenprojekt der dialogischen kulturellen Legitimierung zu verstehen (vgl. 1994: 38f.). In einer explizit pädagogischen Perspektive schlug Duncker vor, Schule als eine „Drehscheibe kulturellen Wandels“ (2018: 98) zu verstehen. Der kulturelle Auftrag der Schule besteht nach Duncker darin, die jüngere Generation in die Lage zu versetzen, „Maßstäbe zu erwerben, um das Bedeutsame und Erhaltenswerte auszuwählen und eigene Formen einer kulturellen Praxis zu entfalten“ (ebd.). Einige Jahre später sprachen Eckart Liebau und Jörg Zirfas von der „Kunst der Schule“ (2009) und diskutierten, inwiefern schulische Praktiken durch künstlerische Zugänge und Reflexionsweisen als eine spezifische kulturelle Praxis kenntlich gemacht werden könnten. Bereits zuvor hatten Akteur*innen der außerschulischen kulturellen Kinder- und Jugendbildung infolge der ersten PISA Studie (vgl. Baumert 2001) Forderungen nach „Neuen Lernqualitäten“ (vgl. Kelb 2007) in der Schule gestellt. Dir individuellen Selbst- und Weltsichtweisen von Jugendlichen und Kindern sollten stärker berücksichtigt werden. Dies sollte, so das Vorhaben, vor allem durch Kooperationen von Schulen mit Kulturpartner*innen gelingen (vgl. Biburger und Wenzlik 2009; Hill, Biburger und Wenzlik 2008). Max Fuchs et al. (vgl. Braun, Fuchs und Kelb 2010) erweiterten die auf die Frage der Integration ästhetischer und künstlerischer Praktiken in Schule fokussierte Debatte um eine Rückbindung an die soziologischen Funktionen von Schule, wie sie unter anderem von Fend beschrieben worden waren (vgl. 1981; 2008). Mit dem Konzept der „Kulturschule“ (Fuchs 2012; Braun 2021) wurde der Versuch vorgelegt, subjektbezogene, bildungsbezogene und soziologische Funktionen zusammenzuführen und kritisch zu diskutieren: Die Reflexion von Schule als Ort ästhetisch-kultureller Praxen und als Ort gesellschaftlich gesteuerter Bildungs- und Subjektivierungsprozesse sollten in diesem Konzept miteinander verbunden werden. Fuchs diskutierte die Kulturschule in diesem Sinne als ein „kulturelles Forum“ (2008: 184), in dessen Mittelpunkt die Aneignung von Wissen und kulturellen Praktiken, aber auch die Kritik daran steht. Schule als kulturelles Forum sollte es Kindern und Jugendlichen ermöglichen, ihre Positionen und Praktiken als „Teil des öffentlichen Diskurses“ (ebd.) sowohl ihrer konkreten Schulgemeinschaft als auch der die Schule bestimmenden Gesellschaft zu erfahren. Auf die ersten Überlegungen zur Kulturschule folgten weitere theoretische und konzeptionelle Entwürfe zur Einbettung der Kulturschule in schultheoretische Reflexionen (vgl. Fuchs und Braun 2015) sowie Diskussionen ästhetischer Dimensionen für das Konzept der Kulturschule (vgl. Fuchs und Braun 2016) und darauf aufbauend Vorschläge für eine kulturelle Unterrichtsentwicklung (vgl. Fuchs und Braun 2018).

Allen dargestellten Debatten zur Integration ästhetischer und künstlerischer Praktiken in der Schule ist gemeinsam, dass sie immer wieder auch über die Involvierung von Künstler*innen in Schule nachgedacht haben. Die Debatte beginnt in der Bundesrepublik bereits im Zuge der sogenannten neuen Kulturpädagogik der 1970er-Jahre (vgl. Zacharias 2001; Braun, Fuchs und Zacharias 2015) nicht zuletzt mit dem „Modellversuch Künstlerweiterbildung“ (1976–1981) des Bundesverbands Bildender Künstler (BBK; heute Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler) und der Hochschule der Künste (HdK; heute Universität der Künste, UdK) (vgl. HdK/BBK 1981). Die Weiterbildung der Künstler*innen erfolgte sowohl in Auseinandersetzung mit zielgruppen- und altersgruppenbezogenen Anforderungen als auch in Auseinandersetzung mit der Relevanz der Künste und künstlerischer Praktiken in Relation zu gesellschaftlichen Strukturen, Institutionen und Handlungsfeldern. Dies verdeutlicht ein Blick in das breit angelegte Curriculum der Weiterbildung. Neben der praktischen Projektarbeit bestanden verpflichtende Grundkurse in den Bereichen „Kulturelle Erwachsenenbildung“, „Kulturarbeit mit Jugendlichen“ und „Kunst und Gesellschaft“ (HdK/BBK 1981: 335). Zudem mussten Wahlkurse aus 20 Bereichen belegt werden, die von Themen wie etwa „Staat und Kultur“ über „Verwaltung in Kulturinstitutionen“, „Kunst und Kulturarbeit im Betrieb“ bis „Struktur der Massenmedien – Probleme der Kunstkritik“ und „Kulturarbeit an Haupt- und Gesamtschulen“ reichten (Hdk/BBK 1981: 336). Spätere Programme wie das von der Stiftung Mercator und der Kulturstiftung des Bundes initiierte Programm „Kulturagenten für kreative Schulen“ (2011–2019) der Forum K&B gGmbH stellten vor allem das Ziel in der Vordergrund, „bei Kindern und Jugendlichen Neugier für künstlerische Aktivitäten zu wecken und mehr Kenntnisse über Kunst und Kultur zu vermitteln“ (www.kulturagenten-programm.de, o. J.). Im Rahmen des Programms wurden in Zusammenarbeit mit den Kooperationspartner*innen des Forum K&B, der Bundesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ), der Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), der Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Baden-Württemberg sowie Stadtkultur Hamburg, ausführliche Materialien und konzeptionelle Zugänge zu Prozessen und Verfahren entwickelt, die an Arbeiten zur „kulturellen Schulentwicklung“ (vgl. Braun, Fuchs und Kelb 2010; Braun et al. 2013) anknüpften. Die Weiterbildung der Künstler*innen zu Kulturagent*innen fokussierte dabei vor allem ihre Rolle als „künstlerische[:r] Impulsgeber, Kurator, Vermittler, Kultur- und Projektmanager, Prozessbegleiter, Netzwerker, Moderator oder Konfliktmanager“ (Forum K&B 2015: 5) im Kontext Schule. Mit dem Zertifikatskurs „Künstlerische Interventionen“ der Universität Hildesheim (https://kuenstlerische-interventionen.de/) besteht nun ein neuerlicher Anlass, um über die Funktion des Verhältnisses von Künstler*innen und Schule nachzudenken. Hierzu gehört es auch, die Handlungsgrundlagen zu reflektieren, von denen aus künstlerische Interventionen in Schule stattfinden können. Neben ästhetisch-künstlerischen Praktiken und dem Wissen um das Bildungspotenzial der Künste stellt die Reflexion der spezifischen Handlungsfelder, ihrer konstitutiven Merkmale und ihr Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Sektoren ein entscheidendes Gelingenskriterium dar. Im Fall des Handlungsfelds Schule drängt sich dies umso mehr auf, da es sich bei der Schule keinesfalls um eine Organisation, sondern um eine staatlich verantwortete Institution handelt. Mit den hier vorgelegten kleineren Notizen wird ein Hinweis auf entscheidende Konfliktpunkte und Möglichkeitsräume der Institution Schule gegeben. Der Beitrag setzt dabei auf Überlegungen zur Schule als Institution, die ich an anderer Stelle mit Blick auf das Verhältnis von Schule, Individualität und ästhetische Erfahrung ausführlich dargestellt habe (vgl. Braun 2021).

Funktionen und Prinzipien der Schule

Schule steht „im Auftrag externer Akteure“ (Fend 2008: 169). Für sie übernimmt sie gesellschaftliche Funktionen, ihre Erwartungen muss sie erfüllen – in Auseinandersetzung mit den individuellen Menschen, die in einer Schule arbeiten und lernen (vgl. im Folgenden Braun 2021: 105ff.). Wenn von den Funktionen der Schule die Rede ist, dann ist damit gemeint, dass Schule als gesellschaftliche Institution in einem Leistungsverhältnis zum Staat steht (vgl. Wiater 2009: 65f.). In Gesetzen und Verordnungen werden Regelungen getroffen, in denen festgeschrieben wird, wie das Instrument Schule dieser Leistungserbringung nachzukommen hat. Entsprechend ist die Schule den sozialen und kulturellen Grundwerten und Grundverhaltensweisen einer Gesellschaft verpflichtet. Die Kernfunktion der Schule als Institution ist daher wesentlich um die Reproduktion, Bestätigung und Sicherung dieser den gesellschaftlichen Zusammenhalt garantierenden Momente gruppiert. Die reproduktive Funktion von Schule ist damit in ihrer Ausgestaltung „als ganze auf soziale Beeinflussung ausgerichtet“, so Helmut Fend (1981: 98). Der Auftrag von Schule bezieht sich nach Fend auf eine umfassende „Humangestaltung“ und „Menschenbildung“ (2008: 169) durch die Förderung von Wissen, Kompetenzen und Werten. Schule fördert in diesem Sinne Subjektformen, die gesellschaftlich von Interesse sind. Die Reproduktionsfunktionen der Schule beziehen sich demnach auf die Reproduktion kultureller Systeme, die Reproduktion der Sozialstruktur sowie die Reproduktion von Normen, Werten und Interpretationsmustern, die, im Duktus der systemstrukturellen ersten Fend’schen Theorie der Schule, „zur Sicherung der Herrschaftsverhältnisse dienen“ (1981: 16). Schule hat aus dieser Perspektive die Leistung einer „Resubjektivierung“ (Wiater 2016: 153f.) kultureller Sinnsysteme im Selbst- und Weltverhältnis der Individuen zu erbringen. Abweichende individuelle Sichtweisen und Weltinterpretationen von Kindern und Jugendlichen (z. B. „2 x 2 = grün“) fallen einem allgemeinverbindlichen Werte- und Normengefüge sowie allgemeingültigen Perspektiven zum Opfer. Der Grund dafür ist einfach: Schule ist als gesellschaftliche Institution dazu verpflichtet, Kinder und Jugendliche so zur Teilhabe zu befähigen, dass von ihr eine kohäsive Wirkung für den Fortbestand der Gesellschaft, ihrer Werte und Normen ausgeht.

Schule steht unter dem gesellschaftlichen Auftrag, dafür zu sorgen, dass bestimmte Wissensbestände, Praktiken und Sinnordnungen von Kindern und Jugendlichen verinnerlicht werden. Damit diese Resubjektivierung gelingt, muss sie Kinder und Jugendliche in Krisen führen, in denen diese als Schüler*innen ihr bisheriges Wissen und ihre bisherige Perspektiven überschreiten. Die Schule regt Kinder und Jugendliche daher täglich zu aktiven Interpretationsprozessen an. Zugleich muss die Schule die initiierten Lernprozesse, die zu eben diesen Überschreitungen führen sollen, begrenzen, damit die vermittelten Sinnordnungen nicht verändert und Praktiken in der vorgesehenen Art und Weise angewendet werden. Die Schule als Institution stellt insofern ein widersprüchliches Gefüge dar, weil sie sowohl auf die aktiv interpretative Beteiligung der Individuen als auch auf deren Einpassung als „Mitspieler“ (vgl. Wernet 2008: 237f.) in den an universalistischen Kriterien orientierten Regelungszusammenhang angewiesen ist. Damit dies gelingt, finden in der Schule bestimmte Prinzipien Anwendung (vgl. Leschinsky und Cortina 2005):

  • Wissen und Erkenntnisse dürfen nicht nur für ein individuelles Kind richtig sein, sondern müssen allgemein gelten können. (Universalismus)
  • Daher sind nur Wissensformen zulässig, die unabhängig von individuellen Personen eine Überprüfbarkeit anhand von Wiederholbarkeit, Wiederherstellbarkeit zulassen. Es gilt das Prinzip der Versachlichung. Körperwissen, emotionales Wissen, auf nicht wiederholbare Situationen bezogenes Wissen sind ausgeschlossen. (Versachlichung)
  • Aus diesem Grund werden Erfahrungen vor allem simuliert, zum Beispiel durch Texte oder Aufgabenstellungen vermittelt und geführt. (Primat simulierter Erfahrungen)
  • In Folge stehen nicht emotionale oder körperliche Erfahrungen, sondern die kognitiven Leistungen von Kindern und Jugendlichen im Mittelpunkt des Interesses. (Primat kognitiver Leistung)
  • Um sicherzustellen, dass die vorgegebenen Lerninhalte von allen Schüler*innen resubjektiviert wurden, geht es stets um die Leistung der:des Einzelnen, nicht um die einer Gruppe oder eines Teams. (Vereinzelung)
  • Damit eine Bewertung der individuellen kognitiven Leistung möglich ist, erfolgt ein sozialer Vergleich, das heißt, Lernleistungen der einzelnen Kinder und Jugendlichen werden miteinander verglichen. (Sozialer Vergleich)
  • Um eine Einübung und Fortführung kontinuierlicher kognitiver Leistungssteigerung zu ermöglichen, bedarf es einer Lernhaltung, die die Allgemeingültigkeit und Übertragbarkeit von Begriffen etc. zulässt. (Reflexive Distanz)

Diese schulischen Prinzipien stehen in deutlichem Widerspruch zu Prinzipien und Verfahren, die typisch für ästhetische und künstlerische Erfahrungen und Praktiken sind (vgl. Abb. 1).  

Schulische Praxis

Ästhetische und künstlerische Praxis

  • Wissen ist unabhängig von Situationen abrufbar.

 

  • Wissen ist an eine nicht wiederholbare Situation gebunden.
  • Nur die begriffliche Wissensform ist anerkennbar.
  • Alle Wissensformen (emotional, körperlich, prozessgebunden u. a.) sind gleichberechtigt.
  • Erkenntnisse sind allgemeingültig.
  • Erkenntnisse sind individuell.
  • Erkenntnisse entstehen durch begriffliche Reflexion.
  • Erkenntnisse sind prozessgebunden.
  • Zeichen haben eindeutige Bedeutungen.
  • Zeichen können gleichzeitig mehrere Bedeutungen haben.

 Abb. 1: Schulische vs. ästhetische und künstlerische Prinzipien. Quelle: Eigene Darstellung.

Umso mehr stellt sich die Frage, warum Künstler*innen sich an Schulen mit ihrer spezifischen Expertise und ihren spezifischen Arbeitsformen engagieren sollten. Abgesehen von der alltagspraktischen Notwendigkeit, neue Arbeitsfelder in der Kooperation mit Schulen oder schulischen Akteur*innen zu erschließen, korrespondieren die Anwendungsmöglichkeiten vor allem mit den derzeit vorherrschenden Kritiklinien an Schulen:

  • Die Verbesserung der Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an gesellschaftlich geteilten kulturellen Ressourcen, das heißt ästhetisch-kulturellen Praktiken und Orten, die unter anderem Bestandteil der von Schulen zu vermittelnden Sinnordnungen sind (vgl. Kelb 2007).
  • Die Ausweitung von Erfahrungsmöglichkeiten an Schulen, innerhalb derer Kinder und Jugendliche als sozial und kulturell involvierte Individuen und nicht nur unter schulischen Funktionslogiken als Schüler*innen wahrgenommen werden bzw. sich selbst wahrnehmen können (vgl. Braun 2021; Fuchs 2012).
  • Die Weiterentwicklung von schulischen Lehr-/Lernsettings vor dem Hintergrund neuerer Lern- und Motivationstheorien und deren Kritik an einem institutionellen Ausschluss individuellen Vorwissens, individueller Lerninteressen, außerschulischer kultureller Praktiken, erweiterter Wissensformen (vgl. Ackermann et al. 2015; Dumont, Istance und Benavides 2010; Klopsch o. J.; Mattenklott 2007).

Fragile Position von Künstler*innen an Schulen

Unabhängig davon, welches Anwendungsfeld gewählt wird, bleibt die Position von Künstler*innen an Schulen stets eine unsichere und fragile. Sie werden von schulischen Akteur*innen hinzugebeten, um durch ihre außerschulischen Perspektiven, Praktiken und Wissensformen schulische Funktionen wie etwa Qualifizierung, Sozialisation und Enkulturation direkt zu unterstützen oder schulische Begrenzungen durch alternative Angebote zu erweitern. Auch Letzteres stellt einen Beitrag zur Sicherstellung des schulischen Leistungskontextes dar. Denn künstlerische Performances und Interventionen stellen ebenso wie Kritik an schulischen Gegebenheiten etwa durch Kunstprojekte wichtige Ausgleichsformate dar, die übersehene Interessen, überhörten Protest, Widerstände und anderes für die schulische Kommunikation erschließen und eine Weiterentwicklung der Schule ermöglichen. Wirkungsmöglichkeiten von Künstler*innen im Schulsystem und damit auch an der einzelnen Schule sind also gegeben – sie sind aber nicht in der Lage, die schulische Grundsituation zu verändern oder schulische Prinzipien dauerhaft außer Kraft zu setzen. Nachhaltige Entscheidungen und Veränderungen sind an das Handeln der institutionellen Akteur*innen gebunden. Fend verweist in seiner Neuen Theorie der Schule (2008) auf eine ordnungstheoretische Rahmung des Handelns der beauftragten Erwachsenen beziehungsweise der verpflichteten Kinder und Jugendlichen in der Schule hin. Sowohl das Handeln der Erwachsenen als auch das Handeln der Kinder und Jugendlichen setzt in dieser Perspektive „gesellschaftlich vereinbarte [ ] und durchgesetzte [ ] Regelungen“ (Fend 2008: 169) in Form eines „normativ regulierte[n] Zusammenhandeln[s]“ um (ebd. 171). Indem Erwachsene, beispielsweise als Lehrer*innen, Praktiken wie Unterricht ausführen und gestalten, tun sie dies nicht als individuelle Personen, sondern normativ strukturiert als Akteur*innen im Auftrag der Institution Schule. Indem die Lehrpersonen die schulischen Regeln anwenden, setzen sie eine in der Institution gefasste soziale und kulturelle Machtkonstellation um, die zur Umsetzung des schulischen Leistungsauftrags beiträgt. Um als institutionelle Akteur*innen handeln zu können, müssen sie jedoch auch kreativ und erfinderisch sein. Sie handeln „nicht ‚bewusstlos‘, sondern ein entfaltetes Wissen im System reguliert ihre Handlungen mit“ (ebd. 181). Sie machen „Erfindungen“ (ebd.), was es heißt, ein:e Lehrer:in, Schulleiter:in, Hausmeister:in oder eben auch Schüler:in zu sein. Schule ist, um ihre Leistung gegenüber der Gesellschaft erbringen zu können, auf Erfindungen der Akteur*innen angewiesen: „Schülerinnen bzw. Schüler handeln danach angesichts des schulischen Angebotes auf der Grundlage ihres Verständnisses und ihrer psychischen Eigendynamik. Dasselbe tun Lehrpersonen angesichts der Vorgaben der Institution und der perzipierten Handlungsweisen der Schülerschaft“ (Fend 2008: 183). Selbst- und Fremdwahrnehmung, ihr reflexiver Abgleich, Kommunikation mit anderen, individuelle Persönlichkeit, Interessen, Vorlieben, Abneigungen, soziale und kulturelle Bedürfnisse, situative Bedingungen (vgl. ebd. 176) sind dafür mitentscheidend, welche Erfindungen gemacht werden.

Künstler*innen können an Schulen die Funktion institutioneller Akteur*innen, wenn überhaupt, nur in Delegation und nur zeitlich befristet übernehmen – und es besteht die Frage, ob sie diese Funktion tatsächlich einnehmen wollen? Denn der institutionelle Leistungscharakter der Schule bleibt in jedem Fall bestehen, kann allenfalls vorübergehend ausgesetzt, aber nie aufgelöst werden. So erinnert beispielsweise Saskia Bender (2010) daran, dass auch bei einer Ausweitung ästhetischer Erfahrungsräume in der Schule die institutionelle Bewährungsdynamik weder für die in ihr agierenden Individuen noch für die Einzelschule als Institution ausgesetzt werden kann. Eine „Suspendierung der Bewährungsdynamik kann jedoch aufgrund der Einbettung der Schule in das gesellschaftliche Berechtigungswesen nicht umfassend umgesetzt werden. Die realen national und regional ausdifferenzierten institutionellen und formalen gesellschaftlichen Rahmungen des schulischen Handelns schränken eine solche strukturelle Grenzüberschreitung der Erfahrungsmodi und Bewältigungsstrategien maximal ein“, so Bender (2010: 354). Auch eine Schule, die nach ästhetischen Prinzipien ausgestaltet ist, bleibt „letztlich auf die Vermittlung universell gültiger kultureller Wissensbestände, den Aufbau kognitiver, sozialkognitiver und symbolischer Kompetenzen bezogen“ (ebd.).

Künstler*innen bleiben aber auch an Schulen Expert*innen für Erfindungen, das heißt für verändernde Adaptionen und Neu-Interpretationen. Jedoch auch dieses Kernmoment künstlerischen Handelns wird an der Schule eingeschränkt und trägt zur Fragilität der Position von Künstler*innen an Schulen bei, denn auch die Kunst und ihre Freiheit erfahren an der Schule eine Begrenzung. So diskutiert Max Fuchs, ob unter den institutionellen Prinzipien der Schule „bestimmte Qualitätsmerkmale, die möglicherweise für die professionelle Kunst außerhalb der Schule gelten, auch in dem Kontext von Schule eine Gültigkeit haben“ (2014: 4). Dieser Frage geht unter anderen Peter Ulrich Hein (2016) durch die Abgrenzung der Begriffe „Profikunst“, „Laienkunst“ und „Schulkunst“ nach (vgl. im Folgenden Braun 2021: 274). Für die Profikunst diagnostiziert er, dass diese ausgehend von ökonomischen Fragestellungen vor allem die Überschreitung „vorfindbarer ,Positionen‘“ (Hein 2016: 266) zu einem leitenden Prinzip ihrer Weiterentwicklung zählen kann: „De facto ist das Kunstsystem ein Business. Wo der Skill nicht im Tauschwert liegt (Kunstmarkt, Stadtmarketing, Kreativwirtschaft etc.), produziert es Aufmerksamkeit“, so Hein (ebd.). Dem gegenüber sieht er die Laienkunst „vom Ziel überregionaler Anerkennung und der bereits oben erwähnten ‚Positionierung‘ im kunsttheoretischen Kontext weitgehend entlastet. Vielfach hat es den Anschein, dass in der ‚Laienkunst‘ handwerkliche Kriterien dominieren […]“ (Hein 2016: 267). Während Hein die Profikunst unter dem Leistungsdruck einer beständigen Überschreitung ästhetischer Konventionen sieht, unterlegt er der vom ökonomischen Druck entlasteten Laienkunst eine konservative „vielfach auf das Formale ausgerichtete Artistik“ (ebd.). Für die Schulkunst (ebd.) konstatiert Hein hingegen vor allem eine Orientierung an normativen Begriffen, die vorschnell in verkürzende didaktische Prinzipien übertragen werden. Dies sieht er durch einen Legitimationsdruck begründet, der sich aus der Erwartung pädagogischer Wirksamkeit ergibt: „Aus der ‚Schulkunst‘ ist die Frage nach dem Sinn nicht zu verdrängen, genauer, der Rechtfertigungszwang, warum es Kunst geben und was sie bewirken soll“ (ebd.). Klaus Mollenhauer, Wegbereiter und Skeptiker in der Diskussion zu künstlerischen Dimensionen in der Schule, hatte bereits lange zuvor über das Ästhetische sogar als „Sperrgut in einem Projekt von Pädagogik, das seine Fluchtpunkte in klaren Verstandesbegriffen und zuverlässigen ethischen Handlungsorientierungen sucht“ (1990: 484), gesprochen. Er befürchtete sogar, dass aus schulpädagogischer Sicht „das Sperrgut zerstückelt werden [muss], damit es in die pädagogische Kiste passt“ (ebd.: 485). Auch Liebau sieht Begrenzungen der Schulkunst, die aus seiner Sicht vor allem durch den Bezug auf eine pädagogisch-erzieherisch orientierte Lehrpraxis gekennzeichnet ist: „Die produktive Schulkunst ist essayistische Kunst, versuchend, neu für die Akteure, in ihren Prozessen und Ergebnissen sehr spezifisch, eine Kunst mit Anfängern und Laien […]“ (2009: 57). Den von Hein und Liebau besprochenen pädagogischen Begrenzungen der Kunst in der Schule stellt Dagmar Fenner darüber hinaus den pädagogischen Schutzaspekt zur Seite. Sie weist vor dem Hintergrund des Jugendschutzes explizit auf Gefahren für das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen hin, die von kunstästhetischen Darbietungen in der Schule ausgehen können: „Bei der Frage nach den Grenzen der Kunstfreiheit stehen im schulischen Kontext sicherlich die Themen Gewalt und Sexualität im Vordergrund“ (2016: 218f.). Ute Pinkert kritisiert die pädagogische Einhegung der kunstästhetischen Praxis als Schulkunst als eine Reduzierung von „Schule auf einen ‚Schutzraum‘ für Kinder und Jugendliche, in dem mit doppelter Konsequenzminderung Wissen über die wirkliche Wirklichkeit vermittelt wird“ (2016: 257).

Möglichkeitsräume

Mit Blick auf die oben skizzierten, gegenläufigen schulischen und ästhetisch-künstlerischen Prinzipien, die unsichere Position von Künstler*innen als Handelnde im institutionellen schulischen Gefüge sowie die Begrenzungen der Kunst bzw. Kunstfreiheit im schulischen Kontext wird deutlich, dass Künstler*innen in der Zusammenarbeit mit Schulen vor allem dann erfolgreich sein können, wenn sie das Potenzial ihrer künstlerischen Praktiken für experimentelle Erfahrungsräume, Perspektivwechsel, Interpretation und Infragestellung mit den Bedarfen und Fragen der schulischen Akteur*innen verbinden. Dies meint Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen. Es empfiehlt sich, nach Anknüpfungspunkten zu fragen, die in der Schule auf Momente der Veränderung und Neuinterpretation ausgerichtet sind. Dies betrifft zum einen Fragen der Schulentwicklung sowie zum anderen Fragen der Schulkultur. Jede Schule befindet sich kontinuierlich in einem Prozess der Qualitätsentwicklung. Diese Schulentwicklung beruht auf der Notwendigkeit, fortwährend Erfindungen machen zu müssen, welche die Umsetzung und Anpassung von (neuen) Vorgaben der höheren Ebenen im Schulsystem im Kontext der Einzelschule ermöglichen, beziehungsweise welche auf situativen Veränderungen in der Schulgemeinschaft, auf baulichen Anpassungen, gesellschaftlichen Veränderungen und anderem beruhen. Eine geführte Schulentwicklung beruht nach Hans-Günter Rolff auf der Triade aus Personalentwicklung, Unterrichtsentwicklung und Organisationsentwicklung (vgl. 2010: 29ff.). Wie diese Schulentwicklung jedoch durch die Schulleitung, Lehrer*innen und schulische Gremien umgesetzt wird, ist zudem von der sogenannten Schulkultur (Helsper et al. 2001: 25) einer Schule abhängig. Schulkultur kann verstanden werden als das gelebte Selbstverständnis der an einer Schule beteiligten Menschen, das einerseits von deren Erfindungen geschaffen wird, und das andererseits bildend auf die Persönlichkeiten und die Strukturen zurückwirkt. Schulkultur, so Werner Helsper, „wird durch die handelnde Auseinandersetzung der schulischen Akteure mit systemischen Vorgaben, bildungspolitischen Strukturentscheidungen vor dem Hintergrund historisch spezifischer Rahmenbedingungen und sozialer Aushandlungen […] generiert“ (ebd.: 25f.). Das heißt, die Kultur einer Einzelschule ist ein Produkt des Umgangs mit ihrem Leistungsauftrag als Institution. Wie sich dieser Erfindungsprozess jedoch vollzieht, und zu welchen schulkulturellen Produkten er führt, ist von den Akteur*innen, ihren (legitimen) Interessen und der Art und Weise ihres Miteinanders abhängig (vgl. im Folgenden Braun 2015). Schulkultur bedeutet in diesem Sinne einen offenen, fortlaufenden Aushandlungsprozess, der zu unterschiedlichen „Produkten“ führt, wie etwa zur Organisation des Stundenplans, den eingerichteten Gremien oder den formalen Wegen der Mitbestimmung von Eltern und Schülerschaft. Produkte der Schulkultur sind aber gleichermaßen auch Haltungen, Werte und alltägliche Rituale. Schulkultur bedeutet eine fortlaufende und im Zusammenspiel von organisierter Ordnung, Interessen der Akteure in ihren institutionellen Zuständigkeiten, individuellen Interessenlagen, dem sozialräumlichen und dem architektonischen Setting sowie der (tradierten) Schulidentität in der Regel unbewusste Form der Organisationsentwicklung einer Schule.

Mit der Triade der Schulentwicklung sowie der Reflexionsgröße der Schulkultur ergeben sich für Künstler*innen als Erfinder*innen an Schule (mindestens) drei Handlungsfelder, in denen sie in unterschiedlicher Form und Intensität aktiv werden können:

Bereich Lehr-/Lernkultur

  • Außerunterrichtliche ästhetisch-kulturelle bzw. künstlerische Projekte oder regelmäßige AGs für Schüler*innen. Die Projekte und AGs finden ohne schulische Bewertung/Benotung statt; ästhetische und künstlerische Prinzipien haben im für die jeweilige Schulkultur tolerierbaren Rahmen das Primat.
  • Zeitlich befristet oder widerkehrend punktuelle ästhetisch-kulturelle bzw. künstlerische Methoden im Fachunterricht zur Unterstützung der Unterrichtspraxis der Lehrer*innen. Hierbei muss der Lehrplanbezug gegeben sein. Ästhetische, künstlerische und schulische Prinzipien sind nur zeitweise gleichberechtigt. Es findet in jedem Fall eine Re-Integration der ästhetischen und künstlerischen Erfahrungen und Beiträge der Schüler*innen in schulische Kriterien und Leistungsmaßstäbe statt.

Bereich Personalentwicklung

  • Ästhetisch-kulturelle bzw. künstlerische Fortbildungen für Lehrer*innen zur Förderung der individuellen Wahrnehmungs-, Gestaltungs- und Erfindungsfähigkeiten.
  • Ästhetisch-kulturelle oder künstlerische Fortbildungen für Lehrer*innen mit Lehrplanbezug zur Anregung und Unterstützung bei der Entwicklung kreativer Lehr-/Lernsettings.

Organisationsentwicklung

  • Ästhetisch-kulturelle oder künstlerische Projekte und Interventionen zur Vergegenwärtigung der Schulkultur einer Schule. Hierzu können Methoden der ästhetischen und künstlerischen Forschung Anwendung finden, welche die schulische Gegenwart in ihrer zeitlichen, raum-dinglichen Organisation und bezüglich der begünstigten Rollen und Haltungen sichtbar und erfahrbar machen.
  • Die Entwicklung, das Kuratieren und die Umsetzung kultureller und künstlerischer Veranstaltungen, die im Rahmen der jeweiligen Schulkultur tolerierbar sind.
  • Die Unterstützung der Schulleitung und von Schulgremien in der Entwicklung der Schule, das heißt ihrer unterrichtlichen, außerunterrichtlichen und schulkulturellen Praktiken, als ästhetischen Erfahrungsraum. Dies impliziert Prozesse und Verfahren der kulturellen Schulentwicklung von der Bestandsaufnahme über die Vision und Zielentwicklung bis zur Maßnahmenplanung, Maßnahmenumsetzung und Evaluation (vgl. BKJ 2019: 33ff.).

In Schulen, die sich auf den Weg machen, ästhetisch-kulturellen Praktiken einen größeren Stellenwert in ihrem Schulalltag einzuräumen, stehen die Verantwortlichen vor zahlreichen Herausforderungen. Sie müssen Prozesse gestalten, die mit einem „umfassende[n] Unfreezing, d. h. Auftauen der persönlichen und individuellen Routinen“ einhergehen und durch welche die „Individuen und die gesamte Organisation in einen veränderten Aggregatzustand kommen“ kann (Burow und Pauli 2013: 189). Individuelle und institutionelle Routinen in der Unterrichtsgestaltung, in den organisatorischen Rahmenbedingungen und in der professionellen Selbstwahrnehmung der aktiv am Schulleben beteiligten Fachkräfte werden einer Öffnung hin zu neuen Möglichkeiten ausgesetzt. Solche Prozesse gehen in aller Regel mit erheblichen Widerständen einher. Auch wenn sie im hohen Maße partizipativ gestaltet sind, stoßen sie nicht unbedingt auf Gegenliebe aller an Schulen Beteiligten. Für Künstler*innen, die sich dafür entscheiden, an Schulen beziehungsweise als Kooperationspartner*innen von Schulen zu arbeiten, ist es daher umso wichtiger, um die institutionellen Notwendigkeiten von Schulen und der dort tätigen Fachkräfte zu wissen. Die Schule als Institution erfordert täglich Erfindungen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Dass diese Erfindungen immer auch begrenzt und reguliert werden, gehört zu den Spezifika des Lern- und Lebensorts Schule.

Künstler*innen, die an Schulen tätig werden wollen, müssen also in der Lage sein, ihre eigene Fachlichkeit im Verhältnis zum institutionellen Leistungsauftrag der Schule reflektieren und weiterentwickeln zu können. Künstlerische Interventionen wirken im Bildungssektor allein dann nachhaltig, wenn sie von reflektierten Praktiker*innen und in Kooperation mit den verantwortlichen Feldakteur*innen geplant und umgesetzt werden. Zur Bewältigung dieses Anspruchs leistet der Zertifikatskurs „Künstlerische Interventionen“ der Universität Hildesheim einen wichtigen Beitrag.

Verwendete Literatur

  • Quellenverzeichnis

  • Ackermann, Heike, Michael Retzar, Sigrun Mützlitz und Christian Kammler (Hg.) (2015): KulturSchule. Kulturelle Bildung und Schulentwicklung. Wiesbaden.
  • Baumert, Jürgen (Hg.) (2001): PISA 2000. Opladen.
  • Bender, Saskia (2010): Kunst im Kern von Schulkultur. Ästhetische Erfahrung und ästhetische Bildung in der Schule. Wiesbaden.
  • Biburger, Tom und Alexander Wenzlik (Hg.) (2009): Ich hab gar nicht gemerkt, dass ich was lern. Untersuchungen zu künstlerisch-kulturpädagogischer Lernkultur in Kooperationsprojekten mit Schulen. München.
  • Braun, Tom (Hg.) (2011): Lebenskunst lernen in der Schule. Mehr Chancen durch kulturelle Schulentwicklung. München.
  • Braun, Tom (2015): „Impulsgeber für kulturelle Schulentwicklung. Wie Kulturagenten Schulen mit Kunst und Kultur unterstützen, sich neu zu erfinden“. Online: http://publikation.kulturagenten-programm.de/detailansicht7e2a.html?document=10&page=arbeit-kulturagenten.html (letzter Zugriff am 12.05.2022).
  • Braun, Tom (2021): Zur Theorie der Kulturschule. Eine anerkennungstheoretische Studie zum Verhältnis von Schule, Individualität und ästhetischer Erfahrung. Weinheim, Basel.
  • Braun, Tom, Max Fuchs und Wolfgang Zacharias (Hg.) (2015): Theorien der Kulturpädagogik. Weinheim, Basel.
  • Braun, Tom, Max Fuchs und Viola Kelb (Hg.) (2010): Auf dem Weg zur Kulturschule. Bausteine zu Theorie und Praxis der Kulturellen Schulentwicklung. München.
  • Braun, Tom, Max Fuchs, Viola Kelb und Brigitte Schorn (Hg.) (2013): Auf dem Weg zur Kulturschule II. Weitere Bausteine zu Theorie und Praxis der kulturellen Schulentwicklung. München.
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Anmerkungen

Dieser Beitrag ist die für kubi-online angepasste Version eines vom Autor für die Abschlusspublikation des Pilotkurses „Künstlerische Interventionen in der Kulturellen Bildung“ verfassten Beitrags. Erschienen in: Birgit Mandel (Hg.) (2022): Künstlerische Interventionen in der Kulturellen Bildung. Inhalte, Methoden und Reflexionen eines Curriculums für Künstler:innen.

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Gerne dürfen Sie aus diesem Artikel zitieren. Folgende Angaben sind zusammenhängend mit dem Zitat zu nennen:

Tom Braun (2023/2022): Auftrag Schule – Konflikt Kunst? Notizen zur fragilen Position von Künstler*innen im institutionellen Gefüge der Schule. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/index.php/artikel/auftrag-schule-konflikt-kunst-notizen-zur-fragilen-position-kuenstler-innen (letzter Zugriff am 16.07.2024).

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Dieser Artikel wurde dauerhaft referenzier- und zitierbar gesichert unter https://doi.org/10.25529/2hs9-y502.

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