Zur Rolle der Kulturellen Bildung in der Baukultur und der Denkmalpflege

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von Susanne Keuchel

Erscheinungsjahr: 2020

Abstract

Der Beitrag thematisiert die Chancen der Kulturellen Bildung innerhalb der Baukultur, vor allem im Kontext der Denkmalpflege: Wie können neue Wege beschritten werden durch die Einbindung der Leitkriterien Kultureller Bildung wie Partizipation und künstlerischer Gestaltungsprozesse? Anhand erster Beispiele von baukulturellen Bildungsprojekten werden neue Herausforderungen und Handlungsfelder für die systematische Entwicklung einer eigenständigen Fachdisziplin Baukultur innerhalb der Kulturellen Bildung skizziert.

Mit der Etablierung des Begriffs „Kulturelle Bildung“ in den 1970er Jahren wurde der Anspruch entwickelt, nicht mehr zu einer Kultur zu erziehen, sondern Bildung solle sich „in Kultur vollziehen“ (Liebau/Zirfas 2004:579). Damit verbunden wurde eine Öffnung zu vielfältigen künstlerischen Ausdrucksformen und Prinzipien wie Selbstbildung, Subjektorientiertheit und Partizipation. 

Bis heute kann eine spartenspezifische Weiterentwicklung der Kulturellen Bildung in Deutschland beobachtet werden, beispielsweise im Feld der Zirkuspädagogik, die sich mittlerweile innerhalb zweier Bundesverbände strukturiert hat.

Innerhalb der baukulturellen Bildung konnte in den letzten Jahren eine Zunahme an Projekten beobachtet werden. Es fehlt jedoch grundsätzlich an Strukturen, theoretischen Konzepten und Methoden, die sich systematisch mit den Prinzipien der Kulturellen Bildung auseinandersetzen. Ein „Netzwerk baukulturelle Bildung“ entstand auf Initiative der Baukultur Bundesstiftung erst 2017.

Zur baukulturellen Bildung

Innerhalb der Baukultur bündeln sich verschiedene Handlungsfelder: Denkmalpflege und Gedenkstättenarbeit beziehen sich in ihrer Vermittlungsintention eher auf Vergangenes. In der Gedenkstättenarbeit sind künstlerisch-kreative Ansätze noch nicht sehr verbreitet – nicht zuletzt aufgrund ihrer Verantwortung gegenüber dem Gedenken der Toten. Eine der wenigen Ausnahmen bildete 2017 das Projekt „Sound of Silence“ in der Gedenkstätte Ravensbrück.

Eher zukunftsorientiert in ihrer Vermittlungsintention sind Architektur und Städtebauplanung. Seit Jahrzehnten engagieren sich hier vor allem die Architektenkammern in den einzelnen Bundesländern. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen startete beispielsweise 2002 das Programm „Architektur macht Schule!“ mit dem Ziel, „Schülerinnen und Schüler für ihre gebaute Umwelt zu sensibilisieren, ihnen die Augen zu öffnen für (städte-)bauliche Probleme … und ihnen zu vermitteln, dass wir unsere Umwelt aktiv beeinflussen … können“ (Architektenkammer NRW online). Hier wird deutlich, dass eine pädagogische Auseinandersetzung mit Architektur und Städtebauplanung oft Hand in Hand geht. Ansätze partizipativer Projekte zur Städtebauplanung für Kinder und Jugendliche finden sich vereinzelt auch in der Spiel- und Erlebnispädagogik (vgl. Bauregger 2006).  Seit 2016 existiert ein Kooperationsprojekt der Wüstenrot Stiftung, der Universität Siegen und der TU Berlin, das verschiedene Formate baukultureller Bildung untersucht. Allgemein fehlt es jedoch an empirischer Grundlagenforschung zur baukulturellen Bildung. 

Denkmalpflege und Kulturelle Bildung 

Sehr aktiv innerhalb der Denkmalpädagogik ist die Deutsche Stiftung Denkmalschutz. 2002 initiierte sie das Programm „denkmal aktiv – Kulturerbe macht Schule“ mit dem Ziel, junge Menschen für die Denkmalpflege zu begeistern. Neuere Ansätze der Denkmalpädagogik stellen dabei nicht die erfolgreich sanierten Denkmäler in den Mittelpunkt der Vermittlung, sondern die Erforschungs- und Erhaltungsprozesse (Plein 2009:209).

Denn eine Schwierigkeit der Denkmalpädagogik wird darin gesehen, dass die Denkmalsetzung im Vorfeld eines Aneignungsprozesses bedarf. Das „Gütesiegel ‚Denkmal‘“ erwecke jedoch den Eindruck, dass der Prozess, wie das Objekt zu Wert gekommen ist, abgeschlossen sei. Dies birgt die Gefahr, dass „wenn im Alltag nicht bewußt werden kann, wie sich der Wert „Denkmal“ herausbildet, … ein emanzipierter Umgang mit Denkmälern … kaum möglich“ (Harwart 1991:6) sei. Grundprinzipien der Kulturellen Bildung wie Partizipation, Subjekt- und Lebensweltorientierung könnten daher in der Denkmalpädagogik eine Schlüsselfunktion einnehmen.

Das European Year of Cultural Heritage 2018 unter dem Motto SHARING HERITAGE mit dem Ziel, das kulturelle Erbe in Europa sichtbar zu machen und Teilhabe zu ermöglichen, hat mit dazu beigetragen, Prinzipien der Kulturelle Bildung innerhalb der Denkmalpädagogik stärker zu verankern. Dies zeigen einzelne partizipativ angelegte Projekte des Europajahrs wie die Jugendkonferenz „Erinnerungskultur in einer digitalen Welt“ in Berlin oder das Projekt „LOST TRACES“, wo junge Menschen historische Relikte oder verborgene archäologische Spuren mit europäischer Relevanz entdecken, untersuchen und mit kulturellen Formaten bespielen konnten.

Fazit: Zum notwendigen Ausbau der Baukultur innerhalb der Kulturellen Bildung

Baukultur ist Teil des kulturellen Gedächtnisses einer Gesellschaft (vgl. Assmann 2011). Dies gilt insbesondere für Denkmäler, die Vergangenheit und Gegenwart sinnstiftend verbinden können. Diese Sinnzusammenhänge müssen jedoch von jeder Generation neu entdeckt werden. Diese Interpretationswege sind nicht eindimensional, sondern bezogen auf die kulturellen Hintergründe der Einzelnen mehrdimensional. Freiraum zu geben für subjektbezogene Interpretationen bei Denkmälern wird in einer sehr heterogenen Gesellschaft mit unterschiedlichen sozialen und kulturellen Erfahrungen immer wichtiger werden. Künstlerisch-ästhetische Erfahrungen, performative Praxen und partizipative Prozesse bieten eine wichtige Grundlage, um baukulturelle Bildungsprozesse als Prozesse aktiver Selbstaneignung von Welt zu gestalten.

Sinnstiftende Brücken zwischen Vergangenheit und Zukunft können auch durch die Neugestaltung der Nutzung von Denkmälern entstehen. Mit Blick auf die wachsende Zahl wäre dies zugleich ein „Schlüssel zu einem effizienten, gesellschaftlich akzeptierten Denkmalschutz“. „Viele Denkmalpfleger … betonen, dass eine Musealisierung von Gebäuden nicht unbedingt zu deren Erhaltung und Wertschätzung beiträgt, sondern gerade „lebendige“ Nutzungen helfen, sie zu bewahren“ (Debatten zur Baukultur online).

Auch bei der Entwicklung neuer Nutzungskonzepte können partizipative und künstlerische Ansätze einen wichtigen Beitrag leisten. Es wird daher immer dringender, eine fundierte fachliche Didaktik, Methodik und Konzepte zu erarbeiten, die baukulturelle Bildung systematisch als eigenständige Fachdisziplin innerhalb der Kulturellen Bildung verankern.

Verwendete Literatur

  • Architektenkammer NRW: Baukultur in NRW. https://www.aknw.de/baukultur-in-nrw/ (letzter Zugriff am 9. März 2020).
  • Assmann, Aleida (2011): Erinnerungsräume: Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München: c.h. Beck.
  • Bauregger, Anna (2006): Architektur – ein Abenteuer für Kinder. München: Spiellandschaft Stadt e.V.
  • Christoph Harwart (1991): Beispiele für Denkmalpädagogik in unterschiedlichen Situationen der Bildungsarbeit. Kritische Berichte Bd 19 Nr. 1. Ilmtal-Weinstraße: Jonas, S. 5-19.
  • db Bauzeitung: https://www.db-bauzeitung.de/kategorie/db-metamorphose/ (letzter Zugriff am 9. März 2020).
  • Liebau, Eckart/Zirfas, Jörg (2004): Kulturpädagogik, pädagogische Ethnographie und kulturelle Stile. Pädagogische Rundschau 58 (5), 579-592.
  • Plein, Irene (2009): Denkmalpflegepädagogik in Baden-Württemberg. Methodik, Projekte, Angebote, Unterrichtsmaterialien. IN: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Nachrichtenblatt der Landesdenkmalpflege. Bd. 38 Nr. 4 (2009), S. 208-2016. 

Anmerkungen

Der Beitrag entstand im Rahmen des Projektes „Europa in Westfalen". Die Dokumentation zum Projekt, aber auch die schriftliche Aufarbeitung der Erfahrungen mit den vorgestellten Projekten, erfolgt im Laufe des Jahres 2020. Ansprechpartner hier ist Dr. Oliver Karnau (oliver.karnau@lwl.org), Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur.

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Gerne dürfen Sie aus diesem Artikel zitieren. Folgende Angaben sind zusammenhängend mit dem Zitat zu nennen:

Susanne Keuchel (2020): Zur Rolle der Kulturellen Bildung in der Baukultur und der Denkmalpflege. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/zur-rolle-kulturellen-bildung-baukultur-denkmalpflege (letzter Zugriff am 16.07.2024).

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Dieser Artikel wurde dauerhaft referenzier- und zitierbar gesichert unter https://doi.org/10.25529/92552.544.

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