Zur Bedeutung unterschiedlicher Wissensformen für die Kulturelle Bildung. Eine Abschlussbetrachtung zur Jahrestagung 2017 der Wissensplattform Kulturelle Bildung Online
Kulturelle Bildung im gesellschaftlichen Kontext
Ausschlaggebend scheint mir für eine Benennung entsprechender Desiderate und Aufgaben im Umgang mit unterschiedlichen Wissensformen insbesondere die besondere Bedingungslage der Kulturellen Bildung zu sein. Aus ihr leitet sich die Notwendigkeit und die Bedeutung unterschiedlicher Wissensformen ab – und lassen sich Konsequenzen für einen Umgang mit unterschiedlichen Wissensformen formulieren.
Zumindest wenn ich für die Kulturelle Kinder- und Jugendbildung spreche, dann kann ich sagen, dass dieser im Sinne der Neuen Kulturpädagogik nach den 1970er Jahren ein Selbstverständnis als anwendungsorientierte pädagogische Fachdisziplin mit dem Ziel einer subjektorientierten Emanzipation zugrunde liegt. Dabei rekurriert die Kulturelle Bildung in besonderem Maße auf die doppelte Bedingtheit menschlicher Lebenspraxis durch aisthetische und soziale Wirklichkeiten. In der wechselseitigen Einflussnahme sozialer und aisthetischer Wirklichkeiten auf die Selbst- und Weltwahrnehmung des Subjekts erkennt sie die grundlegende Rahmung menschlicher Lebensführung, welche durch die Entwicklung und Anwendung kultureller Praxen subjektive und soziale Wirksamkeit erreicht. Es geht um die Erkenntnis der Relationalität der eigenen Identität, die sich sozialen und kulturellen Imprägnierungen nicht entziehen, sich ihrer aber bewusst werden kann. In diesem Sinne ist es ein Ziel der Kulturellen Bildung, kulturelle Praxen als Medium der eigenen Subjektwerdung bewusst und zugänglich zu machen.
Weil sich Subjektivität in sozialen und kulturellen Praxen entwickelt und realisiert, kann sich die Kulturpädagogik nicht auf die Erfassung individueller Erfahrungs- und Reflexionsprozesse beschränken. Indem sie die Frage nach einem gelingenden Leben des Subjekts ausgehend von seiner doppelten Bedingtheit in aisthetisch-individuellen sowie sozialen Wirklichkeiten und ihrer Vermitteltheit in kulturellen Praxen nachgeht, muss Kulturpädagogik unumgänglich auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die gesellschaftlichen Institutionen kritisch befragen. Sie hat daher immer auch den Auftrag, innerhalb der bestehenden sozial und kulturell wirksamen Institutionen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass nicht nur der Zusammenhang von subjektiver Erfahrung und sozialer Imprägnierung erkennbar wird, sondern muss auch die Bedeutung der politischen und institutionellen Rahmung für die Ermöglichung bzw. Begrenzung von Erfahrungs- und aktiven Beteiligungsprozessen zum Gegenstand der Auseinandersetzung machen. Weil also Ausgangspunkt und Zielperspektive der kulturpädagogischen Reflexion und Kritik die Möglichkeiten des Subjekts zu einer aktiven und selbstbestimmten Selbst- und Weltaneignung sind, ist es ihr Auftrag, den Zusammenhang von Selbst- und Weltverhältnis im Kontext der sozialen Wirklichkeit und ihrer Institutionen als kulturelle Praxis zu thematisieren und Möglichkeiten zu schaffen, subjektive und institutionelle Verhandlungs- und Veränderungsperspektiven in emanzipatorischer Absicht zu erschließen.
Die Entwicklung kultureller Bildung bedeutet also Wahrnehmen und Handeln des Subjekts im Kontext der sozialen Wirklichkeit als kulturelle Praxis durch kulturelle Praxis zu erschließen. Sie rekurriert gleichermaßen auf das menschliche Potenzial, sich ein Bild von sich und der Welt zu machen und zugleich zum Beobachter seiner selbst werden zu können.
Dies schließt notwendig eine kritische Perspektive mit ein, indem sie im Medium ästhetischer Prozesse für das Subjekt die Relationalität menschlicher Lebensführung, nämlich die Eingebundenheit in soziale, kulturelle und politische Kontexte bewusst macht. Sie evoziert damit kritische Fragen an die Bedingungen je individueller Lebensführungen sowie an die Verfasstheit gesellschaftlicher Institutionen. Kulturelle Bildung bewegt sich damit in einem Schnittfeld pädagogischer, ästhetischer, künstlerischer, sozialer, kultureller und politischer Fragestellungen und Wissensformen. Denn jedes der genannten Felder hat spezifische Wissensformen, die in Beziehung zueinander zu setzen sind.
Vor diesem Hintergrund ist es ganz offensichtlich, dass die Fachdiskussion zur Kulturellen Bildung, sei sie an theoretischen oder praktischen Fragestellungen interessiert, stets auf die Berücksichtigung mehrerer Wissensformen angewiesen ist.
Wissenschaftliches Wissen ist dabei ebenso ausschlaggebend wie (oft implizites) handlungsleitendes Wissen aus den unterschiedlichen Anwendungsfeldern, Institutionen und Organisationsformen der Kulturellen Bildung, also etwa handlungsleitendes politisches Wissen sowie auch ästhetisch-kulturelle und pädagogische Wissensformen.
Angesichts dieser Pluralität unterschiedlicher und gleichermaßen relevanter Wissensformen stellt sich die Frage nach der Bereitschaft, Möglichkeit und Fähigkeit der wechselseitigen Anerkennung in den unterschiedlichen Sektionen von Wissenschaft, pädagogischer Praxis,. Kunstbetrieb u.a. Die Frage nach der Herstellung einer solchen Anerkennungskompetenz, also der Fähigkeit, andere Wissensformen anzuerkennen, führt zwangsläufig zu der Diskussion, wie Anerkennen und (Wieder-)Erkennen voneinander abzugrenzen sind. Oder anders gefragt: Wie können andere Wissensformen in ihrer ureigenen Spezifik anerkannt werden? Gelingt dies nur unter dem Paradigma der eigenen Fachlichkeit, welche der /die Anerkennende vertritt, d.h. entsprechend: durch Unterwerfung und Subsumption anderer Wissensformen unter die jeweils eigene Wissensform?
Was heißt Anerkennung?
Im Prozess der Anerkennung sind „die Dimensionen des Wahrnehmens, des Ein-, Ab- oder Wertschätzens und des Einsetzens, Berechtigens und Legitimierens nicht strikt voneinander zu trennen [...] Anerkennung eignet von Anfang ein Doppelcharakter: sie hat sowohl eine passivische, mit einer (kognitiven oder evaluativen) Wahrnehmung, Identifikation oder Erkenntnis ebenso mit einer bewertenden Ein-, Ab- oder Wertschätzung verknüpfte Seite als auch eine aktivische und insofern herstellende und produktive Seite.“ (Balzer/Ricken 2010:41)
Anerkennung unterschiedlicher Wissensformen ist „in Strukturen verwickelt, die die Form dessen, was anerkannt werden soll, vorab bestimmen“ (Bedorf 2010:95). Anerkennung bedeutet in diesem Sinne immer auch „Verkennung“ (ebd.). D.h., es wird überprüft, ob Paradigmen erfüllt, also geleistet werden, oder nicht:
Wo aber Anerkennung als ein Geleistetes bestimmt wird, d.h. durch vorab bestimmte Paradigmen einer Domäne die Absicht des Widererkennens das Anerkennen dominiert, lässt Anerkennung „die Differenz in dem Augenblick verschwinden, in dem das Anerkannte in seiner Differenz sich behaupten soll.“ (vgl. Düttmann 1997:144 f.)
Das Moment des Verkanntwerdens einer Wissensform durch ihre Anerkennung beinhaltet gerade aber auch ein Moment, das als produktiver Movens gehoben werden kann: „Der Kampf um Anerkennung tritt nicht von außen gleichsam zu ihr hinzu, vielmehr wohnt er ihr inne und wird vom Anerkennen jedesmal perpetuiert, so dass keine Anerkennung denkbar ist, die dem Kampf um sie ein Ende setzen und die Verunsicherung, die mit ihm einhergeht, in einen sicheren Grund verwandeln könnte.“ (Düttmann 1997:67 f.)
Es drängt sich daher die Frage auf, inwiefern Anerkennung von Wissensformen so gedacht werden könnte, dass sie andere Wissensformen nicht bloß der eigenen Wissensform unterordnet, sich also nicht dem Differenten und für das eigene Erkenntnisinteresse vermeintlich Disfunktionalen verschließt: „Ist eine Anerkennung vorstellbar, die sich dem ihr eigenen Verkennen des Anderen gewahr werden könnte?“ (Mecheril/Castro Varela 2010:105) In dieser Perspektive geht es um Wissen, das nicht als „einheitliches oder vereinheitlichendes Phänomen“, sondern als „kontingentes und temporäres“ Erkennen verstanden werden kann, das angeschlossen ist an „unterschiedliche, spannungsreiche und machtvolle Zusammenhänge“ (ebd.). Anerkennung von Wissensformen wird in diesem Verständnis vielmehr in einen relationalen Zusammenhang gestellt, der entsprechend der Verfasstheit des sozial und kulturell-relationalen Subjekts „machtförmig und kontingent zugleich ist.“ (vgl. Schäfer/Thompson 2010:26 f.)
Konsequenzen: Zur Anerkennung der Vielfalt von Wissensformen
Für den Umgang mit unterschiedlichen Wissensformen und der Frage nach ihrer Relevanz und ihrer Wirkung für die Weiterentwicklung der Fachdebatte in der Kulturellen Bildung ergeben sich dementsprechend Aufträge, die sich um die Fragen gruppieren, wie der Rahmen einer übergreifenden Fachlichkeit Kultureller Bildung diskutiert, identifiziert und profiliert werden kann, der sich durch das Spannungsverhältnis unterschiedlicher Wissensformen auszeichnet.
Kulturpädagogik ist in ihrer Debatte über die Anerkennung unterschiedlicher Wissensformen verortet zwischen Fragen der Pädagogik als auch Fragen der Ästhetik- und Kunstdiskurse, Fragen gesellschaftspolitischer Rahmenbedingungen sowie Fragen, die mit dem jeweiligen Arbeitsfeld (Kinder- und Jugendhilfe, Schule, Kulturbetrieb) und den zugehörigen Organisationsformen und Institutionen verbunden sind. Unterschiedliche Wissensformen können ihre Bedeutung für die Kulturelle Bildung vor allem dann entfalten, wenn Kulturelle Bildung sich 1) entschließt zu dem Projekt, eine die Unterschiedlichkeit der Wissensformen übergreifende Fachdebatte zu skizzieren, d.h. z.B. eine Allgemeine Kulturpädagogik zu etablieren, und 2) dieser das Merkmal der inneren Spannung oder des „Aufgespanntseins“ konzeptionell einzuschreiben.
Dazu im Folgenden einige Hinweise in pragmatischer Absicht:
1. Für eine Reflexion der Kulturellen Bildung als angewandte Ästhetik
Das kulturpädagogische Projekt, die sich in ästhetischen Prozessen vollziehende Konstituierung von Subjektivität sowohl systematisch beschreiben als auch im Sinne einer eigenen Didaktik und Methodik initiieren zu können, setzt eine Verhältnisbestimmung pädagogischer Fragestellungen sowohl zu ästhetischer Wahrnehmung als auch zu Kunstpraxen und Kunsttheorien und wiederum deren kulturellen Verankerung voraus. Kulturelle Bildung hat demnach zur Aufgabe, ihr Verhältnis zu vorhandenen Kunstkonzeptionen und den mit ihnen verbundenen Grenzziehungen zu nicht-künstlerischer ästhetischer Praxis zu hinterfragen. Es gilt also zukünftig darin weiter fortzufahren, ein kulturpädagogisches Instrumentarium zu schärfen, das es ermöglicht, jenseits der immanenten Begrifflichkeit einer ästhetischen oder kunstbezogenen Theorie, den Mehrwert einer Kulturellen Bildung sichtbar zu machen, welche für die pädagogische Reflexion und Praxis hilft, die soziale und kulturelle Relationalität des Subjekts als Spannungszustand zu erschließen. Dies bezieht sich gleichermaßen auf die unterschiedlichen gesellschaftlichen Institutionen von der Schule, dem Altenheim oder der Kunsthalle bis hin zur alltäglichen marktorientierten Ästhetik.
2. Für die Etablierung einer Allgemeinen Kulturpädagogik als Ort der Integration unterschiedlicher Wissensformen
Die Debatten unserer Tagung haben Verpflichtungen gegenüber unterschiedlichen fachlichen Traditionen verdeutlicht. Neben symbol- und kulturtheoretischen lassen sich ebenso dezidiert soziologische Denkschulen sowie sozial- und kunstpädagogische Traditionslinien beschreiben. Mit dem Fortschreiten einer Professionalisierung sowie einer dynamischen Entwicklung in den unterschiedlichen Feldern der Kulturellen Bildung wird es daher umso wichtiger, dass die unterschiedlichen Traditionen – wie oben gefordert – verbindende grundlagentheoretische Fragestellungen konturieren können. Dies würde eine systematische und auf Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Traditionslinien ausgerichtete Forschung ermöglichen. Indem eine Allgemeine Kulturpädagogik nicht von den jeweils spezifischen Handlungsfeldern, sondern von verbindenden Grundbegriffen im Kontext von kultureller Praxis in Sozialisation, Lern- und Bildungsprozessen ausgehend ihren Gegenstad thematisiert, wäre es ihr möglich zugleich eigene Forschungsmethoden entwickeln und begründen zu können. Dass diese sich wesentlich durch ein „Aufgespanntsein“ zwischen unterschiedlichen Wissensformen auszeichnen müssen, ist oben dargestellt worden.
3. Für eine Professionalisierung der kulturpädagogischen Praxisreflexion
Mit der Erschließung von grundlagentheoretischen Fragestellungen unter Bezugnahme auf angrenzende Großtheorien würden entscheidende Voraussetzungen für eine systematische Weiterentwicklung der Kulturellen Bildung geschaffen. Dies hat besondere Bedeutung auch für die Qualitätsentwicklung in der Praxis. Denn die Konzeption und Reflexion von Praxisformen der Kulturellen Bildung sind sowohl in Hinblick auf Didaktik und Methodik als auch auf Wirkungsabsichten der unterschiedlichen Settings und Teildisziplinen davon abhängig, dass die Fachkräfte über ein begriffliches Instrumentarium verfügen, das für die Theoriebildung und ihre Operationalisierung anschlussfähig ist. Während es Aufgabe einer Allgemeinen Kulturpädagogik wäre, Grundlagenbegriffe bereitzustellen, stehen die Teildisziplinen der Kulturellen Bildung aktuell vor der Herausforderung, ihre Bezugstheorien als solche zu verdeutlichen. Das bedeutet, dass z.B. Theorien aus dem Bereich der philosophischen Ästhetik bzw. z.B. aus der künstlerischen Praxis in ihren spezifischen Begriffsverwendungen als Grundlagentheorien zugänglich und zugleich – als ggf. von didaktischen Konzepten unterschiedlich – kenntlich gemacht werden müssen. In diesem Sinne wäre zu überprüfen, welche Funktionen philosophische und künstlerische Kategorien in der pädagogischen Praxis haben und inwiefern Fachkräfte in ihnen für ihre Praxisentwicklung und -reflexion Referenzpunkte finden können –und umgekehrt.
4. Für eine Ausdifferenzierung der Reflexion kulturpädagogischer Professionsprofile
Nicht zuletzt durch die zunehmende Kooperation unterschiedlicher Einrichtungsformen aus der Kinder- und Jugendhilfe, dem formalen Bildungssystem und dem Kunstbetrieb gewinnt auch die Frage nach dem Beitrag der unterschiedlichen Professionalitäten im Schnittfeld von Kunst, Pädagogik und Kulturvermittlung an Bedeutung. Auch hier ergeben sich Forschungsaufgaben darüber, welche pädagogischen Auswirkungen möglicherweise unterschiedliche professionelle Zugriffe auf den ästhetischen Gegenstand haben. Eine professionalisierte Kulturelle Bildung muss in der Lage sein, die unterschiedlichen Professionslinien hinsichtlich ihrer Ziel- und Wirkungsdimensionen sowie ihrer Methodologien voneinander abzugrenzen – vor allem aber – mit einander in Beziehung setzen zu können. Denn gerade vor dem Hintergrund kultureller Teilhabe als einem der zentralen Leitbegriffe, besteht in der Professionalisierung der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fachkräfte eine besondere Aufgabe. Dies ist sowohl für Planungsprozesse der einzelnen Fachkräfte, der Leitungen von Einrichtungen, der kommunalen Verwaltungen und nicht zuletzt auch für landes- und bundespolitische Strategien von zentraler Bedeutung.
5. Für eine Ausdifferenzierung kulturpädagogischer Ziel- und Wirkungsdimensionen nach Kontexten und künstlerischen Sparten
Vor dem Hintergrund der Ganztagsbildung sowie des demographischen Wandels wird in der kulturpädagogischen Theoriebildung und Praxisentwicklung zunehmend sichtbar, dass es an einer differenzierten Erforschung der Wirksamkeit kulturpädagogischer Praxisformen fehlt, die im Hinblick auf die unterschiedlichen Orte, pädagogischen Formate, künstlerischen Sparten und die jeweiligen künstlerisch-ästhetischen Inhalte differenziert. Eine systematische Planung in der Kinder- und Jugendhilfe, in schulischen Bildungskontexten aber auch in der Erwachsenenbildung und nicht zuletzt in der künstlerischen Bildung und Kulturvermittlung ist darauf angewiesen, dass die kulturpädagogische Forschung in der Lage ist, die unterschiedlichen Bildungssinne (Mollenhauer) der Künste und die Bildungssinne der Wissensformen als auch ihrer Anwendungskontexte zu reflektieren und systematisch zu beschreiben. Es müssen m.E. in der Kulturpädagogik daher gleich mehrere Anstrengungen unternommen werden:
- Es muss in der Auseinandersetzung mit der Rolle der Wissensformen zunächst geklärt werden, welche Begründungsstrategien und Argumente die Praxis Kultureller Bildung übergreifend für sich beanspruchen darf bzw. welche nur eine bereichsspezifische Legitimität beanspruchen können;
- In Folge dessen bedarf es einer ausdifferenzierten Theorie kulturpädagogischer Einrichtungen, in der Ziel- und Wirkungsdimensionen der unterschiedlichen Einrichtungen sowie ihrer Angebotsformen analysiert und im Spiegel dessen die Relevanz unterschiedlicher Wissensformen identifiziert werden, ohne einer erzeugungsorientierten, linearen und damit falschen Wirkungsdebatte zu folgen;
- Es bedarf einer differenzierten Analyse der jeweils spezifischen produktions- und rezeptionsästhetischen Prozesse der verschiedenen Kunstsparten und ästhetischen Praxen. Dabei sind die Künste aus Sicht der Kulturellen Bildung in dieser Analyse besonders hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Wissensformen und ihres Bildungspotenzials zu befragen. Innerhalb der kunstformbezogenen Analyseprozesse ist zudem
- das Verhältnis von ästhetischer und künstlerischer Produktion und Rezeption grundsätzlich sowie in Bezug auf die Kunstsparten zu hinterfragen.
6. Für eine kritische Reflexion von Bildungsforschung als kultureller Praxis
Im Rahmen einer zur Zeit aktuell gewordenen „evidenzbasierten Politik“ ist die Frage danach zu stellen, mit welchen Methoden legitimerweise „Evidenz“ erreicht werden kann. Historische und theoretische Forschungsarbeiten geraten z.B. zunehmend in den Hintergrund. Dies kann auf Dauer durchaus zu einer problematischen Schieflage der Forschungslandschaft führen. Soll tatsächlich eine evidenzorientierte Forschung erfolgen können, dann ist dies nur möglich, wenn nicht politisch gewünschte Steuerungsgrößen fraglos als Forschungskategorien angenommen werden. Stattdessen bedarf es einer historisch-kritischen Analyse der wissenschaftlichen Referenzpunkte sowie einer Reflexion der Machtförmigkeit der Wissensformen. Wirkungserwartungen selbst müssen als kulturelle Praxis und damit als Forschungsgegenstand betrachtet werden. Forschungspraxis in der Kulturellen Bildung muss sich einer vorschnellen Evidenzgläubigkeit verweigern, wenn sie nicht selbst den Gegenstand ihrer Forschung ad absurdum führen will: Eine zwischen den Wissensformen aufgespannte Kulturelle Bildung.
Literaturverzeichnis:
Castro Varela, María do Mar/ Mecheril, Paul (2010): Anerkennung als erziehungswissenschaftliche Referenz? Herrschaftskritische und identitätsskeptische Anmerkungen. In: Schäfer, Alfred/Thompson, Christiane: Anerkennung, 89-118. Paderborn, Wien u.a.: Schöningh. .