Die Zukunft des Digitalen liegt im Hier und Jetzt! Überlegungen zur (Zukunft der) Digitalisierung und Digitalität
Abstract
Als #wirbleibenzuhause zu einem sozio-medialen Hybrid wurde, bildete sich eine gesamtgesellschaftliche Gegenwart ab. Mindestens hier wird sichtbar: Digitalisierung und Digitalität sind gesellschaftliche und kulturelle Realität im Hier und Jetzt. Mehr noch: Deren Zukunft wird jetzt gemacht. Dafür, aber, bleibt noch einiges zu diskutieren und zu tun.
Gerade weil Diskurse um Digitalisierung und Digitalität in der Gegenwart verankert sind, ermöglichen künstlerisch-ästhetische Auseinandersetzungen mit ihrer je spezifischen Wahrnehmung, ein eigenes respektive gesellschaftliches Bild von Zukunft zu zeichnen. Ein Gestaltungsvorschlag für Kulturelle Bildung im außerschulischen Bereich wäre, Themen wie Algorithmenethik und darin eingeschriebene technische, aber auch gesellschaftliche Codes kritisch zu bearbeiten.
Wenn heute schon „Alles immer smart“ (Rat für Kulturelle Bildung 2019) ist und sich „kulturelle Bildung in der Generation C“ (Meyer 2015) vollzieht, dann sind Digitalisierung und Digitalität weder utopische oder dystopische Konzepte noch Begrifflichkeiten aus ferner Zukunft: Sie beschreiben gesellschaftliche und kulturelle Gegenwart im Hier und Jetzt. Im Folgenden werden daher einige Überlegungen zur (Zukunft der) Digitalisierung und Digitalität angestellt, die in der gegenwärtigen Covid-19-Situation ihren Ausgang nehmen, letztlich aber ausweisen, dass Digitalisierung und Digitalität längst unser aller Alltag prägen.
Digitalisierung und Digitalität in der Covid-19-Situation
Menschen nutzen digitale Medien heute so selbstverständlich für ihre Anliegen, dass sie über ihr Mediennutzungsverhalten nicht mehr ständig nachdenken, im Gegenteil: Medien sind längst Teil alltagsweltlicher Lebensrealität geworden, nicht zuletzt von Kindern und Jugendlichen. Die jährlichen Mediennutzungsstudien KIM (MPFS 2019) und JIM (MPFS 2020a) – aktuell insbesondere die Zusatzerhebung „JIMplus 2020 – Lernen und Freizeit in der Corona-Krise“ (MPFS 2020b) – dienen bspw. als Gradmesser, um zu verstehen, wie sich die Aneignung von Medien von Kindern und Jugendlichen genau vollzieht.
Diese und weitere Analysen zur Mediennutzung zeigen auch auf, dass Digitalisierung weder als Entmaterialisierung noch als Entkörperlichung (Jörissen 2019) zu verstehen ist.
Gerade das Frühjahr 2020 – also die Phase des sogenannten ersten Corona-Lockdowns – verweist darauf, dass das „Verhältnis des Digitalen zum Materiellen, Dinglichen und Körperlichen vielfältig und komplex [ist]“ (Jörissen 2019: 67). So inszenieren sich in der Pandemie viele Bands, Chöre, Theater, Tänzer*innen und zahlreiche Privatpersonen auf Social Media-Plattformen. Ließen sich diese „ästhetischen Praktiken“ (ebd.) durchaus (selbst-)referenziell lesen, drücken sie gleichzeitig Aspekte von Gemeinschaftlichkeit (Stalder 2016) aus. Kulturschaffende markieren u. a. mit dem Hashtag #wirbleibenzuhause, dass sie die Covid-19-Situation ernstnehmen. Der im Lockdown beliebte Hashtag wird sogar zu einem sozio-medialen Hybrid, da er im zeitlichen Verlauf von konventionellen Massenmedien aufgegriffen wurde und durch dessen Aneignung stellvertretend für eine gesamtgesellschaftliche Gegenwart steht. Damit entsteht auch ein Eindruck gemeinsamer Wahrnehmung von Welt, der mit dem Begriff der Digitalität eng verknüpft ist. Auf den diversen Plattformen werden zudem neue Formen der Kreativität erprobt: So wird z. B. mit Fotos, Videos, Gifs und Memes an die Solidarität der Gemeinschaft appelliert. Auch Familienfeiern und/oder Treffen unter Freund*innen werden in einer „Kultur der Digitalität“ (Stalder 2016) lieber gestreamt, als sie gänzlich ausfallen zu lassen. Die Covid-19-Situation weist daher lediglich aus, dass Digitalisierung – verstanden als technische Optionenvielfalt – und Digitalität – verstanden als Formen kultureller Aneignung – längst unser aller Alltag prägen.
Sind im technisch-funktionalen Begriff „Digitalisierung“ die Verschiebungen von „Wahrnehmungsbedingungen und -ordnungen“ (Jörissen 2020: 343) zwar impliziert, aber kaum im Fokus der Betrachtung, erfahren diese im medien- und kulturwissenschaftlichen Diskurs um „Digitalität“ mehr Berücksichtigung. Digitalisierung und Digitalität sind demnach zwei Lesarten gegenwärtiger Entwicklung, wobei Digitalität „zugleich Bedingungen von Wahrnehmung (materielle Interfaces), Bedingungen des Wahrnehmbaren (Datenformate; Ausschluss des nicht Digitalisierbaren), ästhetische Erscheinungsformen (z. B. Multimodalität, Interaktivität) und Wissensordnungen (von algorithmisierten Suchen und Rankings bis zur Hervorbringung von Wissen durch ‚künstliche Intelligenz‘)“ (Jörissen 2020: 343, H. i. O.) meint. Digitalisierung hingegen gewinnt in der Covid-19-Situation v. a. an kommunikativen Figurationen (Hepp 2018). Konkret bedeutet dies, dass Kommunikation und Vernetzung einerseits mit vielen Anwendungen technisch ermöglicht werden, andererseits aber auch vor dem Hintergrund persönlicher Vorlieben und Interessen je spezifisch angeeignet werden. Dabei ist, mit Jörissen, zu ergänzen, dass die Digitalisierung „das Gefüge von Subjektivität und Sozialität mithin nicht nur kommunikativ, sondern auch im Hinblick auf die materiellen Lebensvollzüge“ (Jörissen 2020: 343) verändert.
Digitalisierung und Digitalität sind also heute bereits untrennbar miteinander verwoben, was sich in Phänomenen kultureller Ausdrucksformen in der Pandemie eindrucksvoll zeigt (siehe oben). Weil Alltagswahrnehmungen von Digitalisierung und Digitalität allerdings hauptsächlich subjektiv geprägt sind, versperren sie mitunter den Blick auf ihre Schattenseiten. Schattenseiten sind z. B. Datenspuren, die infolge umfassender Mediennutzung von uns allen im Netz hinterlassen werden. Für Nutzer*innen bleiben ihre „digital traces“ sogar weitgehend unsichtbar, indem sie in Form technisch erzeugter Daten erfasst und zu Zwecken der Softwareoptimierung auf vielen Servern gespeichert werden.
Weil Strukturen von Medien somit für Menschen zunehmend undurchsichtig sind, ergibt sich die permanente Notwendigkeit zur Selbstpositionierung, zu kritischer Reflexion und letztlich zur pädagogischen Bearbeitung einzelner Phänomene. Tillmann und Helbig (2017b: 210) begründen die Hinwendung zu diesen (technischen) Entwicklungen innerhalb Kultureller Bildung damit, dass „Menschen aktuell nicht wissen, wer welche Daten in welchem Kontext über sie erhebt und auswertet und die Daten sich nicht nachträglich löschen lassen“. Man denke nur an den lebendigen Diskurs um die „Corona-App“, der sich in der Covid-19-Situation abzeichnet und derzeit konkreten Anlass zur tiefergehenden Bearbeitung in der Kulturellen Bildung bieten würde. So wäre in partizipativen Formaten mit Jugendlichen bspw. danach zu fragen: Was können Software-Apps für das gesellschaftliche Wohlergehen leisten? Welche Rolle habe ich im gesellschaftlichen Gefüge? Usw.
Exemplarische bildungsrelevante Diskussionen zwischen Digitalisierung und Digitalität
Werden öffentlich hauptsächlich datenschutzrechtliche Belange im Kontext von Datenspuren und -spende mit Blick auf die Corona-App geäußert und diskutiert, stellt sich Algorithmizität (Stalder: 2016) in der „tiefgreifenden Mediatisierung“ (z. B. Hepp 2018: 28) als inhärente und ambivalente Facette heraus. Algorithmizität als „ein“ Merkmal von Digitalisierung und Digitalität spricht u. a. an, dass technisch erzeugte Daten gesellschaftliche Ordnungen im Internet (wieder) herstellen, die für uns zwar als Nutzungshistorien sichtbar werden, sich letztlich aber als neue Nutzungspraktiken in eigenes Handeln einschreiben. Im obigen Zitat von Jörissen (2020: 343) sind dies u. a. die „algorithmisierten Suchen und Rankings bis zur Hervorbringung von Wissen durch „künstliche Intelligenz‘“. Digitalisierung und Digitalität lassen sich vor diesem Hintergrund nicht voneinander trennen.
Wenn die Trennung in „analog hier“ und „digital da“ aus wissenschaftlicher Perspektive längst der Vergangenheit angehört, stellt sich zweifelsohne die Frage danach, wie Digitalisierung und Digitalität alternativ betrachtet bzw. „gelesen“ werden können. Wissenschaftlich ist z. B. die Rede von „hybriden Materialitäten“ (Jörissen 2019: 68), die zwischen Digitalisierung und Digitalität sichtbar werden, oder auch vom Anbruch der Phase der Postdigitalität (z. B. Knox: 2019). An letztere schließen Fragen nach „Postdigital Education“ (Knox 2019: 360ff.) an.
Im Beitrag ist nicht genügend Raum, Aspekte postdigitaler Bildung in Gänze aufzuführen und zu diskutieren, nur so viel: Nach Knox (2019) wären eben nicht bloß technisch-funktionale Aspekte der Digitalisierung pädagogisch zu fördern, sondern insbesondere marktwirtschaftliche Mechanismen und Programmatiken sogenannter digitaler Bildung zu hinterfragen. Knox und andere Vertreter*innen postdigitaler Bildung mahnen damit an, dass die Zukunft des Digitalen im Hier und Jetzt gemacht wird, auch ungeachtet der Covid-19-Situation. Dieses Mitgestalten von Ordnungen betrifft unterschiedliche Kultur- und Bildungskontexte gleichermaßen, hauptsächlich in der Art und Weise, wie sie auf Anforderungen durch Digitalisierung und Digitalität reagieren und Formate zur spielerischen, kreativen und zugleich kritischen Bearbeitung schaffen.
Gerade weil Diskurse um Digitalisierung und Digitalität in der Gegenwart verankert sind, ermöglichen künstlerisch-ästhetische Auseinandersetzungen mit ihrer je spezifischen Wahrnehmung, ein eigenes respektive gesellschaftliches Bild von Zukunft zu zeichnen. Ein Gestaltungsvorschlag für Kulturelle Bildung im außerschulischen Bereich wäre demnach, Themen wie Algorithmenethik und darin eingeschriebene technische, aber auch gesellschaftliche Codes kritisch zu bearbeiten, geht es doch darum, „Räume zu eröffnen, die – zumindest für eine begrenzte Zeit – frei von jedweder Digitalisierung und ihren Themen sind“ und „die Wahrnehmung und Achtsamkeit gegenüber Menschen, Dingen und der Welt fördern“ (Tillmann/Helbig 2017b: 217).
Inwieweit Algorithmizität als Handlungsan- und -aufforderung für Kinder und Jugendliche verstanden wird, könnte stärker Gegenstand pädagogischer Arbeit, bspw. in der Kulturellen Bildung, werden. „Die besondere Stärke der bildenden Auseinandersetzung [...] liegt in der Zusammenführung von Sinnen, Emotionen, Wissen, Werten und ästhetischem Urteilen“ (Jörissen 2019: 70). Indem sie eine ästhetische Erfahrung herstellt, ließen sich Strukturen der Medien „sehen“ oder gar „durchschauen“ (weiterführend Jörissen/Marotzki 2009). Dabei bleibt die andauernde Herausforderung, die Grenzen des subjektivierenden Potenzials von Medien zu benennen und sie in zugehörigen Räumen sozial-kommunikativ auszuhandeln.
Solche sozialen Räume und Werkstätten können genauso gut aber an tradierten Beispielen anknüpfen, wie Jörissen (2019) am Beispiel der Fotografie zeigt. So erfüllt eine selbst gebaute Camera obscura seit Jahrhunderten eine doppelte Funktion: Einerseits erlaubt sie, die grundlegende Funktionalität einer Kamera auch unter Bedingungen von Digitalfotografie zu verstehen. Andererseits stellt sie die als Realität empfundene Gegenwart sprichwörtlich auf den Kopf. Denn mit der Camera obscura ist mediengeschichtlich verbunden, insbesondere nach den gesellschaftlichen Auswirkungen der Medien (hier: durch das Medium Bild) für Subjekte und ihre Umweltwahrnehmung zu fragen. In diesem Sinne fordern technische (Problem-)Lösungen schon vor der Digitalisierung neue Wege von Bildung. Sie regen zur Thematisierung sie umgebender Anforderungen an – einschließlich der „Körperlichkeit des Menschen oder seine[r] Emotionalität“ (Baacke 2007: 100, H. i. O.). Digitalisierung und Digitalität haben daher letztlich gemein, dass sie die Auseinandersetzung mit sich und der Welt „von“ Subjekten einfordern, um Subjekte „in“ der Gesellschaft hervorzubringen.
Die Hervorbringungen werden vielfach auch in fiktionalen Formaten bearbeitet, deren systematische Rezeption und gemeinsame Bearbeitung zum Repertoire schulischer Medienbildungsarbeit gehört. So thematisieren z. B. Spielfilme wie „Her“ (2013, FSK 12) oder „The Circle“ (2017, FSK 12) Mensch-Maschine-Interaktionen ebenso wie Social Networks, die für Jugendliche nach wie vor bedeutsam sind (weiterführend MPFS 2019). Entwicklungsaufgaben ebenso wie gesellschaftliche Transformationsprozesse kommen in Serien wie „Black Mirror“ (2011–2019, o. A.) zur Sprache, indem Folge eins z. B. die immersive Kraft von Computerspielen thematisiert, Folge zwei Fragen von Ökonomisierung, Macht und (Herrschafts-)Struktur adressiert und Folge drei die Unterscheidung von Körper und Leib ins Blickfeld rückt. Cyborgs oder künstliche Intelligenz sind bei „Black Mirror“ ebenso präsent wie in Dokumentarfilmen oder -serien zu diesen Themen.
Kultur- und medienpädagogisch bleibt sicherlich die Frage offen, wie die genannten Filme, Serien und Formate Kinder und Jugendliche in ihre Entwicklungsaufgaben im Kontext von Digitalisierung und Digitalität „produktiv verwickeln“ (Allert/Asssmussen 2017). 15-Sekünder für Videoplattformen selbst zu produzieren, macht Kindern und Jugendlichen zwar Spaß, solche Medienproduktionen sind urheber- und datenschutzrechtlich aber zum Teil bedenklich und daher nicht uneingeschränkt zu empfehlen. Zudem schließen sich Erfahrungen und nicht zuletzt diverse Reflexionen im Hinblick auf Distanzlernen in der Pandemie an: Vor allem Aspekte von Sozialität bleiben Kammerl (2020) zufolge wenig thematisiert, mit einem Fokus auf funktionalen Wissenserwerb bleiben sie gegenwärtig sogar vielfach unbearbeitet. Hiernach fungiert die Digitalisierung des Unterrichts zwar als „eine“ Lösung in einer stark lösungs- und projektorientierten Gegenwart (Knoblauch 2017; Baecker 2019: 151ff.), erzeugt zugleich aber viele nicht-intendierte (Digitalisierungs-)Effekte und wirft in diesem Sinne neue Fragen zur kulturell-gesellschaftlichen Bearbeitung auf.
Überlegungen zur (Zukunft der) Digitalisierung und Digitalität
„Neues und Tradiertes“, so formuliert Jörissen, greifen in der Digitalität „in vielfältiger Weise ineinander“ (Jörissen 2019: 67). Im Beitrag wurde daher die grundlegende Annahme verfolgt, dass Digitalisierung und Digitalität keine fernen Zukunftsüberlegungen betreffen, sondern bereits allgegenwärtig sind. Damit geht einher, dass sich verschiedene Prozesse von Digitalisierung wahrnehmen lassen, andere in Gesellschaft einschreiben und – verdichtet durch die Covid-19-Situation – die Kultur der Digitalität (Stalder 2016) maßgeblich auszeichnen. Für diese Erkenntnis wesentlich war, die Unterscheidung zwischen digitalen und analogen Medien aufzuheben, da die „Verflechtung des Digitalen und Materiellen [die] schon klassisch zu nennende Erkenntnis der Forschung“ (Jörissen 2019: 67) ist.
Die kursorisch umrissenen Beispiele weisen zugleich Licht und Schatten (Dander 2018) derselben Diskussion aus. Mit Rekurs auf die theoretischen Annahmen dieses Artikels werden tradierte Ordnungen durch Digitalisierung sogar eher verstärkt, als dass sie zu Veränderungen in der Gesellschaft führen würden, wie dies in einer ausschließlich technisch verstandenen Transformation durch Digitalisierung vielfach mitschwingt. Zwar deuten Phänomene der Digitalisierung einerseits viele Möglichkeiten an, die sich mit technischen Entwicklungen für Menschen eröffnen, andererseits verweisen gerade sie darauf, dass ihr spezifische Wahrnehmungen, Bedingungen, Formen und (hegemoniale) Ordnungen (Jörissen 2020) eingeschrieben sind. Sie kritisch und mit engem Bezug zur jeweiligen Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen zu bearbeiten, dürfte aktuelle wie künftige Aufgabe von Kultur- und Medienpädagogik in der Digitalität sein. Auch deswegen lässt sich resümieren, dass Digitalisierung und Digitalität in öffentlichen Erzählungen nur scheinbar treffend in den Blick genommen werden. Vielmehr schälen sich diverse Anforderungen an das Subjekt heraus, sich zu transformieren. „An etwas herumbasteln, rumwursteln, erfinden, erschaffen, vortäuschen, einmischen und intervenieren sind sowohl Formen des Verstehens, als auch der Transformation.“ (Allert/Asmussen 2017: 35)
Erinnert sei zudem an die Zuspitzungen in Richtung der Funktionalisierung von Subjekten für den (Arbeits-)Markt. So wird „sich zum Funktionieren bringen“ (Altenrath et al. 2020: 585) zunehmend zum handlungsleitenden Credo der Digitalisierung. Überhaupt thematisiert Kultur- und Medienpädagogik mit ihren Konzepten aktuell Fragen von Wirtschaft nur eingeschränkt: Denken wir nur an den Online-Handel mit Waren oder an Gutscheine für Online-Dienste, die sich heute wie Süßigkeiten an jeder Supermarktkasse finden. Eröffnet sich mit Eingabe der Gutscheinnummer die Unterhaltungswelt von Streaming- oder Gaming-Portalen, werden zugleich persönliche (Standort-)Daten mit Eingabe entsprechender Nummern bzw. Codes übermittelt. Auch die bereits eingeführten digitalen Fußspuren fügen sich in diese Problematik ein. Hier ließe sich mit Kindern und Jugendlichen an ihren Praktiken anknüpfen und diese diskursiv-kritisch und spielerisch reflektieren, um eine gestaltende Auseinandersetzung mit Phänomenen der Gegenwart anzuregen und Handlungsmöglichkeiten für das Subjekt aufzuzeigen. Zugleich könnte zum Thema werden, dass „Diskurse über das Digitale [...] eigentlich Diskurse über Politisches und Ökonomisches (Morozow 2013)“ (Allert 2020: 32) sind.
Aber auch die Pandemie erweist sich als Spiegel des Diskurses, die Fragen nicht zuletzt von Teilhabe an (Kultureller) Bildung erzeugt: Wird im Lockdown bspw. von der Ermöglichung von Bildung durch digitale Medien gesprochen, werden mit anvisierten Maßnahmen soziale Ungleichheiten bei ohnehin bereits marginalisierten Gruppen reproduziert (z. B. Kammerl 2020, Hüttmann/Fujii/Kutscher 2020). Nicht zuletzt die Verbindungen von Digitalisierung und (neuen) Märkten (kritisch z. B. Staab 2019: 34) wären über einzelne pädagogische Konzepte hinaus zu diskutieren, wenn für Kultureinrichtungen die technische Übertragung von Konzerten oder die Erarbeitung virtueller Rundgänge primär aus wirtschaftlichen Zwängen nötig wird.
Kultur, so möchte ich meine Überlegungen zur (Zukunft der) Digitalisierung und Digitalität mit Tillmann und Helbig (2017a: 24) beschließen, „stellt sich demnach nicht nur als (Macht-)Kampf um Bedeutungen, sondern auch als Schauplatz eines Überlebenskampfes um Ressourcen dar“. Es wäre demnach für viele Beteiligte ein Gewinn, den Blick auf das Partikulare sowie das Ganze, aber auch das Offensichtliche und das Unsichtbare zu richten, damit sich Digitalisierung als (Kultur der) Digitalität von möglichst vielen (wieder) mitgestalten lässt.