Überblick für die Bundesebene: Rahmenbedingungen, Zuständigkeiten und Förderschwerpunkte von Jugend-, Kultur- und Bildungspolitik
In Deutschland sind rechtliche Rahmenbedingungen und Förderstrukturen für die Kulturelle Bildung nur in Abhängigkeit von folgenden Aspekten zu betrachten:
>> dem kooperativen Föderalismus, in welchem sich die föderalen Ebenen von Bund, Ländern und Kommunen die staatliche Verantwortung für die Förderung von Kultur und Bildung teilen,
>> den zwischen den drei Sektoren Staat bzw. öffentliche Hand, Markt und frei-gemeinnützigem Bereich/Drittem Sektor zu differenzierenden Verantwortlichkeiten für Strukturen und Angebote der Kulturellen Bildung (siehe Norbert Sievers „Kulturelle Bildung zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft“);
>> der Dualität von Kultureller Bildung sowohl in der Schule wie außerhalb von Schule;
>> der arbeitsteiligen Zuordnung der Kulturellen Bildung zu unterschiedlichen politischen Handlungsfeldern mit von Bundesland zu Bundesland anders entschiedenen Ressortzuständigkeiten. Da staatliche Verantwortlichkeiten für die Querschnittsaufgabe der Kulturellen Bildung selten eindeutig geregelt sind, sprechen die Akteure der Kulturellen Bildung auch von einem „magischen Dreieck“, in welchem sie sich zwischen Jugend-, Kultur- und Bildungspolitik bewegen.
Wollte man also, entsprechend obigen Aspekten, alle Rahmenbedingungen für die Kulturelle Bildung systematisch erfassen, so müsste man mit einem Strukturierungs- und Beschreibungsraster arbeiten, welches zum einen die verschiedenen föderalen Ebenen in ihrem Tun unterscheidet, zum anderen trisektoral differenziert und zum dritten fachpädagogische und politische Dimensionen systematisch durchdekliniert und nach Politikfeldern, künstlerischen Sparten, Zielgruppen und gesellschaftlichen Themen unterscheidet (Fuchs 2008a:121). Für diese Topografie von Zuständigkeiten und Strukturen kann an dieser Stelle nur auf die umfassenden und weiterführenden Dokumentationsmaterialien und Informationsquellen des Enquete-Berichts „Kultur in Deutschland“ verwiesen werden (Deutscher Bundestag 2008).
Dieser Beitrag wird sich auf das Engagement des Bundes und seine Gestaltungsschwerpunkte für die Unterstützung von Rahmenbedingungen und Strukturen der Kulturellen Bildung konzentrieren. Doch bevor die Bundesaufgaben und -aktivitäten der insbesondere verantwortlichen Ressorts für Kinder und Jugend, Kultur und Bildung konkret dargestellt werden, sollen kurz die allgemeine gesellschaftspolitische Situation für Entwicklungen im Feld der Kulturellen Bildung umrissen und rechtliche Rahmenbedingungen sowie staatliche Zuständigkeiten benannt werden.
Kulturelle Bildung als öffentlicher Auftrag
Auch wenn das Staatsziel Kultur nicht im Grundgesetz verankert ist, ist die Bundesrepublik Deutschland nach ihrem Selbstverständnis wie auch der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts als sozialer Rechtsstaat in der Verantwortung für Kunst, Kultur und Kulturelle Bildung. „Öffentliche Kulturförderung ist Verfassungsauftrag“ (Lammert 2002:75).
Die Enquete-Kommission spricht von der „Sicherung der kulturellen Infrastruktur“ (Deutscher Bundestag 2008:114) als öffentlichem Auftrag und bezieht in diesen staatlichen Gewährleistungsauftrag die Kulturelle Bildung ausdrücklich mit ein. Die öffentliche Aufgabe wird dabei insbesondere in der Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Bereitstellung von Ressourcen gesehen (a.a.O.:115). Als Rahmenbedingung für Kulturelle Bildung fordert die Enquete-Kommission, die kulturelle Infrastruktur so auszugestalten, „dass die Kulturkompetenz jedes Einzelnen nach seinen eigenen individuellen Fähigkeiten optimal gefördert wird. Sie [die kulturelle Infrastruktur] sollte Einrichtungen, Leistungen und Angebote umfassen, die jedem Bürger die Möglichkeit geben, seine individuellen künstlerischen und kulturellen Fähigkeiten frei zu entfalten. Unbedingt sollte die kulturelle Infrastruktur einen offenen und möglichst chancengerechten Zugang zur Kulturellen Bildung gewährleisten“ (siehe Oliver Scheytt „Pflichtaufgabe, Grundversorgung, Infrastruktur: Begründungsmodelle der Kulturpolitik“).
Kulturföderalismus und die Zuständigkeiten des Bundes
Verfassungsrechtlich hat der Bund nur mittelbare Zuständigkeiten, denn die Zuständigkeiten für die Kultur und das Bildungswesen liegen gemäß Art. 30 GG auf der Länderebene; ebenso der Großteil der öffentlichen Ausgaben, welche Länder und Kommunen mit ca. 90 % tragen. Alleinige Zuständigkeit hat der Bund lediglich im Bereich der Hauptstadtkulturförderung und für die Auswärtige Kulturpolitik, ein Feld, dem für die Zukunft Kultureller Bildung eine gewichtige Bedeutung zukommt (siehe Wolfgang Schneider „Kulturpolitik für Kulturelle Bildung“). In allen anderen Feldern besteht eine nationale Förderkompetenz für Kunst- und Kulturvorhaben ausschließlich dann, wenn das Kriterium der gesamtstaatlichen Bedeutung erfüllt ist und von einem erheblichen Bundesinteresse auszugehen ist (Nida-Rümelin 2002).
Von den Kulturverbänden heftig kritisiert wird die im Jahre 2006 abgeschlossene Föderalismusreform I, welche die Bundeskompetenzen für die Kulturelle Bildung in den wichtigen Paragrafen §§ 91b, 104a und 104b neu regelt. Die gewollte Entflechtung der Aufgaben von Bund und Ländern schränkt die Finanzhilfe und Mitwirkungsmöglichkeiten des Bundes an Projekten zur Kulturellen Bildung weiter ein, sodass die frei-gemeinnützigen Träger der Kulturellen Bildung und zunehmend auch engagierte Bildungs- und KulturpolitikerInnen fordern, das „Kooperationsverbot“ wieder aufzuheben.
Die Bedeutung des Bundes für die Kulturelle Bildung ergibt sich durch seine ordnungspolitische Rolle. In der Ausgestaltung seiner Gesetzgebungskompetenz wirkt der Bund, wenn auch nur mittelbar, entscheidend auf die Rahmenbedingungen und Perspektiven der Strukturen Kultureller Bildung ein. Über das Steuer- und Urheberrecht, das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, das Vereins- und Verlagsrecht, das Stiftungsrecht, die wirtschaftliche Filmförderung und Wissenschafts- und Forschungsförderung und seine Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation sowie für die öffentliche Fürsorge (Künstlersozialversicherungsgesetz, Kinder- und Jugendhilfegesetz) nimmt Bundespolitik Einfluss und stellt wichtige kulturpolitische Weichen (Rübsaamen 2010:157ff.). Die Akteure der Kulturellen Bildung sind sich dieser Tatsache nach Meinung von Olaf Zimmermann, Deutscher Kulturrat e.V., wenig bewusst und unterschätzen die Möglichkeiten des Bundes, die Kulturelle Bildung in ihrer Qualität und ihren Perspektiven über diese mittelbaren Zuständigkeiten positiv zu beeinflussen.
Förderpolitische Perspektiven für die Kulturelle Bildung als Querschnittsaufgabe
Seit Beginn des 21. Jh.s ist grundsätzlich festzuhalten, dass sich die förderpolitischen Perspektiven für die Kulturelle Bildung in Deutschland verbessert haben. Auch wenn allein das „Kinder- und Jugendhilfegesetz“ (KJHG) die Kulturelle Bildung als sozial- und jugendpolitische Gewährleistungsaufgabe ausweist und es für den Bund im Kultur- und Bildungsbereich vergleichbar hierzu keine gesetzliche Grundlage gibt, erkennen sowohl die Bundeskultur- als auch die Bundesbildungspolitik die gesellschaftliche Bedeutung der Kulturellen Bildung zunehmend an und engagieren sich im Rahmen ihrer Anregungskompetenz über Modellprojekte, Wettbewerbe und besondere Fördervorhaben; sichtbar beispielsweise durch den seit 2009 vom Bundesbeauftragen für Kultur und Medien (BKM) vergebenen „Preis für Kulturelle Bildung“, die Akzentsetzungen in der Bundeskulturstiftung mit der Förderung von „Jedem Kind ein Instrument“ und „Kulturagenten für kreative Schulen“ oder den jüngsten BMBF-Initiativen einer „kulturellen Bildungspolitik“ mit dem Start des Programms „Lesestart – Drei Meilensteine für das Lesen“ im Dezember 2010, der Gründung einer „Allianz für Bildung“ sowie dem für 2013 angekündigten Förderprogramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“.
Sicherlich haben die prominente Positionierung der Kulturellen Bildung im Enquete-Bericht „Kultur in Deutschland“, Beispiele internationaler Entwicklungen und die Impulse der zwei großen UNESCO-Weltkonferenzen zur Kulturellen Bildung die Kulturelle Bildung auf bundespolitischer Ebene gestärkt. Nicht zu vergessen ist auch, dass die deutsche Einheit und die damit verbundene Übergangsfinanzierung des Bundes zur Unterstützung der kulturpolitischen Strukturen in den ostdeutschen Ländern, zu einem selbstbewussten Umgang des Bundes mit seiner kulturpolitischen Verantwortung geführt haben. Vor allem aber waren es der sogenannte PISA-Schock und die gravierenden Probleme der Chancenungerechtigkeit des deutschen Bildungssystems, die die Jugend-, Bildungs- und KulturpolitikerInnen unter Handlungsdruck setzten und bedingten, dass in politischen Debatten die kulturelle Akzentuierung des Bildungsbegriffs zunehmend betont wie auch umgekehrt die inhärenten Bildungsqualitäten von Kunst und Kultur vermehrt hervorgehoben wurden, was in allen drei Ressorts Verbesserungen für die Kulturelle Bildung mit sich brachte.
Welche Schwerpunkte dabei jeweils von welchem Ressort gesetzt wurden und in welcher Art und Weise über die Bundesjugend-, Kultur- und Bildungspolitik Einfluss genommen wird auf die Gestaltung von Rahmenbedingungen und Strukturen, soll im Folgenden weiter differenziert werden.
Kulturelle Bildung in der Kinder- und Jugendpolitik des Bundes
Als Bereich „Öffentlicher Fürsorge“ auf der Basis von Art. 74 GG benennt das „Sozialgesetzbuch VIII“ (KJHG) in § 11 die „kulturelle Bildung“ als Aufgabe der Jugendarbeit. Dort heißt es: „Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen.“ Hierzu gehören Angebote der Kulturellen Bildung (§11 Abs. 3, 1 KJHG). Die Besonderheit dieses Gesetzes ist die Aufforderung an die öffentliche Jugendhilfe, mit den freien Trägern zum Wohle junger Menschen und ihrer Familien partnerschaftlich zusammenzuarbeiten. „Sie [die öffentliche Jugendhilfe] hat dabei die Selbständigkeit der freien Jugendhilfe in Zielsetzung und Durchführung ihrer Arbeiten sowie in der Gestaltung der Organisationsstruktur zu achten“ (KJHG § 4). Das KJHG geht sogar so weit, dass die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen soll, soweit geeignete Einrichtungen oder Veranstaltungen von freien Trägern betrieben werden bzw. betrieben werden können (ebd.).
Auf der Grundlage des KJHG stellt der „Kinder- und Jugendplan des Bundes“ (KJP) – als Teil des Haushalts des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) – das entscheidende Förderinstrument für die bundesweiten Trägerstrukturen der Kulturellen Kinder- und Jugendbildung dar. Zu den konkreten „Förderzielen“ heißt es dort für das Förderprogramm 2 Kulturelle Bildung: „Kulturelle Bildung soll Kinder und Jugendliche befähigen, sich mit Kunst, Kultur und Alltag phantasievoll auseinander zu setzen. Sie soll das gestalterisch-ästhetische Handeln in den Bereichen Bildende Kunst, Film, Fotografie, Literatur, elektronische Medien, Musik, Rhythmik, Spiel, Tanz, Theater, Video u.a. fördern. Kulturelle Bildung soll die Wahrnehmungsfähigkeit für komplexe soziale Zusammenhänge entwickeln, das Urteilsvermögen junger Menschen stärken und sie zur aktiven und verantwortlichen Mitgestaltung der Gesellschaft ermutigen“ (GMBI/BMFSFJ 2009:786).
8,64 Millionen Euro weist der KJP 2012 an Mitteln für die Förderung von bundesweiten Infrastrukturen, Wettbewerben und Preisen der Kulturellen Kinder- und Jugendbildung aus. Zuwendungspartner sind die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) und 30 ihrer bundesweiten Mitgliederstrukturen, also Fachverbände wie der Bundesverband der Musikschulen (VdM), der Bundesverband der Jugendkunstschulen und Kulturpädagogischen Einrichtungen (BJKE), der Arbeitskreis für Jugendliteratur (AKJ), der Bundesverband Jugend und Film (BJF), die Bundesarbeitsgemeinschaft Spiel und Theater oder Bundesakademien und Bundesinstitutionen wie die Akademie Remscheid (ARS), die Bundesakademie Trossingen, das Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF), das Kinder- und Jugendtheaterzentrum (KJTZ). Die vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) im Auftrag des BMFSFJ seit 2010 durchgeführte KJP-Evaluation unterstreicht die jugendpolitische Verantwortung des Bundes für die Förderung einer auf Dauer angelegten Infrastruktur bundeszentraler Träger; eine entscheidende Struktursicherung für die bundeszentralen kulturellen Träger, die im KJP-Programm 2 ressortiert sind.
Eine politisch wichtige Rolle für die Kulturelle Bildung nimmt das Bundesjugendministerium auch dadurch ein, dass es nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz für das „Bundesjugendkuratorium“ (§ 83 KJHG) und die nationalen „Jugendberichte“ (§ 84 KJHG) Ressortverantwortung hat. So hat beispielsweise der 11. Kinder- und Jugendbericht mit dem Thema „Bildung, Erziehung und Betreuung“ auch die Rolle der Kulturellen Bildung für die Persönlichkeitsentwicklung umfassend analysiert, und er wurde für die Trägerstrukturen nach § 11 KJHG deshalb bedeutsam, weil er herausarbeitete, dass Bildungsprozesse auch non-formal und informell stattfinden und dass somit auch der Kinder- und Jugendhilfe Bildungsverantwortung zukommt, welche die oberste Bundesbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeiten anzuregen und zu fördern hat.
Das Bundesjugendkuratorium (BJK), welches als Sachverständigengremium die Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Jugendhilfe berät, hat vor allem durch seine jugendpolitischen Positionspapiere die Konzepte in der Kulturellen Bildung unterstützt und die Strukturen zu Qualitätsentwicklungsprozessen im Hinblick auf mehr Befähigungs-, Teilhabe-, Bildungs- und Generationengerechtigkeit herausgefordert.
Bedeutung für die Kulturelle Bildung von Kindern bis 18 Jahren bekommt die Kinder- und Jugendpolitik zudem durch ihre Federführung für die nationale Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention vom 20.11.1989. Mit der Unterzeichnung verpflichtet sich die Bundesrepublik Deutschland – laut Artikel 31 – auch das Recht auf Kulturelle Bildung zu gewährleisten:
„Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Ruhe und Freizeit an, auf spiel- und altersgemäße aktive Erholung sowie auf freie Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben [...] Die Vertragsstaaten achten und fördern das Recht des Kindes auf volle Beteiligung am kulturellen und künstlerischen Leben und fördern die Bereitstellung geeigneter und gleicher Möglichkeiten für die kulturelle und künstlerische Betätigung sowie für aktive Erholung und Freizeitbeschäftigung“ (National Coalition 2000:14).
Als letztes benannt werden soll noch die Zuständigkeit des Bundesjugend- und Familienministeriums im Bereich der Jugendfreiwilligendienste und des Bundesfreiwilligendienstes.
2011 feierte der von der BKJ als Zentralstelle koordinierte Trägerverbund für das Freiwillige Soziale Jahr Kultur das zehnjährige Bestehen des FSJ Kultur. Ca. 1.500 Jugendfreiwilligendienstplätze für Kultur und Bildung werden für Aufgaben der pädagogischen Begleitung vom Bund gefördert (siehe Jens Maedler „Kulturelle Bildung in Freiwilligendiensten“). 2012 soll nach Planung des BMFSFJ die Förderung von 500 Bundesfreiwilligendienstplätzen für die Kultur hinzukommen. Die Enquete-Kommission hat keinen Zweifel daran gelassen, dass die öffentliche Verantwortung für die Förderung des ehrenamtlichen und freiwilligen Engagements in der Kultur angesichts seiner Bedeutung für das gesellschaftliche kulturelle Leben und die Persönlichkeitsbildung des Einzelnen ausgebaut gehört und dass das FSJ Kultur „ein wichtiger Baustein im staatlichen Engagement zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements“ ist (Deutscher Bundestag 2008:591).
Bildungspolitische Schwerpunkte des Bundes zur Stärkung Kultureller Bildung
Ein wichtiger Teil der Bundesförderung Kultureller Bildung findet über die Förderung der „kulturellen Bildungspolitik“ im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) statt. Nicht auf Dauer, aber über bundesweite Modellprojekte, Studien und Forschung, förderte das Bundesbildungsministerium beispielsweise den Verband deutscher Musikschulen mit einem Modellprojekt zur frühkindlichen Bildung oder die Stiftung Lesen für das bekannte bundesweite Lesestart-Vorhaben, den Deutschen Kulturrat für das Projekt „Strukturbedingungen für eine nachhaltige interkulturelle Bildung“, die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung für die Entwicklung des „Kompetenznachweises Kultur“ und den Bundesverband der Jugendkunstschulen für das Modellprojekt „Der Kunstcode“. Des Weiteren wurden Untersuchungen wie die „Kulturbarometer“ des Zentrums für Kulturforschung, Studien des Instituts für Bildung und Kultur über „Kulturelle Bildung im Alter“ oder der Kulturpolitischen Gesellschaft über Hochschulstudiengänge zur Kunst- und Kulturvermittlung von diesem Ressort mit finanziert. Innerhalb des BMBF-Rahmenprogramms zur Empirischen Bildungsforschung verantwortet das BMBF auch kulturelle Forschungsprojekte, beispielsweise das Forschungsprogramm zu „Jedem Kind ein Instrument“. Dies ist unabhängig von den beiden JeKi-Programmen in Nordrhein-Westfalen und Hamburg und zunächst für vier Jahre (2009-2013) konzipiert, umfasst acht größere Forschungsvorhaben, dreizehn Einzelprojekte und ist mit einem Fördervolumen von jährlich rund einer Million Euro ausgestattet.
Kontinuierlich – schon seit den 1980er Jahren – engagiert sich die Bundesbildungspolitik in der Unterstützung verschiedenster künstlerischer Wettbewerbe für SchülerInnen und StudentInnen. Hierzu zählen die Bundeswettbewerbe „Komposition“, „Theatertreffen der Jugend“, „Treffen Junge Musik-Szene“, „Treffen junger Autoren“ ebenso wie das „up-and-coming“ Festival in Hannover, welches mit einem bundesweiten und einem internationalen Wettbewerb jungen Leuten einen Anreiz bietet, sich mit Film, Video und Medienkunst auseinanderzusetzen, oder der Bundeswettbewerb „Kunststudentinnen und Kunststudenten stellen aus“, den das BMBF 2011 zum 20. Mal gefördert hat und den das Deutsche Studentenwerk organisiert. Mit diesen Förderinstrumenten will das Bundesbildungsministerium Kunst und Kultur in Schulen und Freizeiteinrichtungen anregen, junge Talente und Begabungen fördern, den Erfahrungsaustausch junger KünstlerInnen unterstützen und zum beruflichen und wissenschaftlichen Erfolg beitragen.
Vor allem die für notwendig anerkannte Veränderung der deutschen Schullandschaft war mit deutlich mehr Chancen für die Kulturelle Bildung in der Bildungspolitik verbunden. Vier Milliarden Euro stellte der Bund für das gemeinsam mit den Ländern getragene Investitions-programm „Zukunft Bildung und Betreuung“ (IZBB) zwischen 2003 und 2009 zur Verfügung. Über das Begleitprogramm „Ideen für mehr. Ganztägig lernen“ und die Begleitforschung „Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen – STEG“ unterstützte das BMBF die nachhaltige inhaltliche Ausgestaltung der Ganztagsschulen, welche sich positiv für eine neue Lernkultur und die Zusammenarbeit von Schule mit kulturellen Infrastrukturen auswirkte (BMBF 2012a).
Neue Impulse und Chancen für die Kulturelle Bildung sind von der durch die Bundesbildungsministerin Annette Schavan angeregten „Allianz für Bildung“ zu erwarten, zu deren Gründungsmitgliedern unter anderem die BKJ, der Deutsche Bibliotheksverband und die Stiftung Lesen zählten. Diese Vernetzungsinitiative bündelt seit Februar 2011 die Expertise von VertreterInnen aus Kommunen, Ländern, Stiftungen, Jugend-, Sozial- und Kulturverbänden, um Bildungschancen für bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche zu verbessern und lokale Bildungsbündnisse zu unterstützen. Sie „bildet auf Bundesebene das Dach über den lokalen Bildungsbündnissen“ (BMBF 2011a:2) und wird das vom BMBF im Mai 2012 bekannt gemachte Förderprogramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ fachlich begleiten. Die Bundesbildungsministerin hat in ihrer Pressemitteilung herausgestellt: „Im Rahmen der Förderrichtlinie ‚Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung‘ fördert das BMBF außerschulische Angebote vor allem aus dem kulturellen Bereich [...] Die Förderung beginnt 2013 und erstreckt sich über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren. 2013 stellt das BMBF dafür 30 Millionen Euro zur Verfügung. Für die Folgejahre ist eine Steigerung auf bis zu 50 Millionen Euro geplant. [...] Ein wichtiger Partner des Programms ,Kultur macht stark‘ ist der Deutsche Kulturrat mit seinen Mitgliedsorganisationen“ (BMBF 2012b).
Kulturpolitische Schwerpunkte des Bundes für Kulturelle Bildung
Ein bundespolitisches Signal für die klare und nach außen sichtbare Wahrnehmung von kulturpolitischer Verantwortung waren die Schaffung des Amtes eines Staatsministers, als Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien (BKM) im Jahre 1998, und die Gründung der Kulturstiftung des Bundes (KSB) 2002. Entsprechend seiner Zuständigkeiten für die Förderung von Kunst und Kultur von gesamtstaatlicher Bedeutung hat sich der BKM insbesondere für bessere Rahmenbedingungen eingesetzt und versucht, für die Entfaltung von Kunst und Kultur „wichtige Neuerungen gesetzlich zu verankern: Urheberrechtsreformen, Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, Umsatzsteuer, Soziale Lage der Künstler: Künstlersozialversicherung und Neuregelung des SGB III, Buchpreisbindung“ (BKM 2012).
Weil Kulturelle Bildung die Grundlagen für den gesellschaftlichen Zusammenhang schafft und weil es in der Bundesrepublik verstärkt darum gehen muss, auch jene Menschen (Kinder und Jugendliche, SeniorInnen und Menschen mit Migrationshintergrund) zu erreichen, die bisher kaum von Museen, Bibliotheken, Theatern oder Philharmonien erreicht werden, hat die Bundeskulturpolitik unter dem amtierenden Kulturstaatsminister Bernd Neumann sichtbare Zeichen für die Kulturelle Bildung gesetzt: Als Plattform für die Kulturelle Bildung in Europa fördert der BKM seit 2005 die Stiftung Genshagen. 2008 lud er dann alle bundesweit relevanten Akteure ein zu einer „Qualitätsoffensive Kulturelle Bildung“. Um beispielhafte Projekte der Kulturellen Bildung stärker fördern und bundesweit bekanntmachen zu können, vergibt der BKM seit 2009 jährlich den „BKM-Preis Kulturelle Bildung“, ausgestattet mit 60.000 Euro für in der Regel drei Preise à 20.000 Euro. Seit 2010 gibt es im Kulturressort auf Bundesebene auch ein eigenes Förderprogramm, ausgestattet mit derzeit jährlich um die 1,5 Millionen Euro, welches modellhaft Projekte unterstützt, die die kulturell-künstlerische Vermittlungsarbeit für diejenigen zu optimieren versuchen, die bislang von den Angeboten der öffentlich geförderten Kultureinrichtungen kaum oder wenig Gebrauch machen.
Als bundeskulturpolitisches Engagement für die Kulturelle Bildung nicht unerwähnt bleiben darf die Gründung der Kulturstiftung des Bundes (KSB) im Jahr 2002. Zeigte die KSB zu Beginn noch wenig Profil in Richtung Kulturelle Bildung, so ist sie mit dem inzwischen akzentuierten Programmschwerpunkt „Kunst der Vermittlung“, dem Förderprojekt „Heimspiel“ beispielsweise oder der Förderung der Großprojekte „Jedem Kind ein Instrument“ und „Kulturagenten für kreative Schulen“ zu einem bedeutsamen „Player“ und Partner der Strukturen Kultureller Bildung avanciert. Bei der Kulturstiftung des Bundes liegt auch die Förderzuständigkeit für die selbstverwalteten Kulturförderfonds wie beispielsweise den Fonds Soziokultur oder den Fonds Darstellende Kunst. Die ca. eine Million Euro beispielsweise, die vom Fonds Soziokultur jährlich für Projektförderungen vergeben werden, haben nachhaltig zur Struktur- und Qualitätsentwicklung in der Kulturellen Bildung beigetragen. Um mehrjährige Allianzen zwischen Einrichtungen des Tanzes und Schulen anzuregen, wurde von der KSB 2012 der „Tanzfonds Partner“ neu eingerichtet. Dieser Fonds für die Kulturelle Bildung im Tanz ist mit 2,5 Millionen Euro ausgestattet (Kulturstiftung des Bundes 2012).
Bundespolitische Rahmenbedingungen durch länderübergreifende Koordinierung
Der Vollständigkeit halber erwähnt werden sollen wegen ihrer bundespolitischen Relevanz für Rahmenbedingungen und Strukturen Kultureller Bildung auch noch die Aktivitäten der Kultusministerkonferenz, welche beispielsweise die Herausgabe des 4. Bildungsberichts 2012 mit dem Schwerpunkt „Kulturelle, musisch-ästhetische Bildung im Lebenslauf“ verantwortet, und das Engagement der Kulturstiftung der Länder, welche mit ihrer Bildungsinitiative „Kinder zum Olymp“ junge Menschen für Kultur begeistern und ihre Kreativität anregen will.
Fazit: Hemmnisse, Herausforderungen, Handlungsempfehlungen
Gelungene Modellprogramme, neue Preise, große Förderprogramme und Ressortöffnungen zur verbesserten Unterstützung von Strukturen und Angeboten Kultureller Bildung sind Schritte in die richtige Richtung. Ein Grund, sich auf den bisher geschaffenen Rahmenbedingungen auszuruhen, sind sie nicht. Bei aller Komplexität der Förderung von Kultur und Bildung sollte eine zukünftige Politik für Kulturelle Bildung folgende Orientierungen berücksichtigen:
1. Auch wenn eine abgestimmte und gemeinsame Verantwortungswahrnehmung aller föderalen Ebenen viele Hürden der Umsetzung birgt, muss doch endlich die Kritik an starren Ressortgrenzen und Zuständigkeiten gehört werden. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Kulturverbände fordern dringlich – mit zunehmender Unterstützung von Sozial-, Bildungs- und KulturpolitikerInnen – die Aufhebung des „Kooperationsverbots“ und die Verankerung des Staatsziels Kultur auch im Grundgesetz. Prinzipiell alle Politikfelder sollten ihre Aktivitäten einer „Kulturverträglichkeitsprüfung“ hinsichtlich möglicher Folgen für die Kulturelle Bildung unterziehen und auch aufmerksam verfolgen, ob sich durch internationale Veränderungen rechtlicher Rahmenbedingungen die nationale Situation verschlechtert.
2. Besondere Anstrengungen sind nötig, um die multiethnische und multikulturelle Zusammensetzung der Gesellschaft in Politik und Praxis von Bildung, Kultur- und Jugendarbeit stärker zu berücksichtigen. Die Förderung von kultureller Vielfalt und Teilhabe ist als wichtige Leitaufgabe von Bildungs- und Kulturpolitik zu verstärken.
3. Alle Kultur- und Bildungspartner brauchen hierfür eine auskömmliche Finanzierung, die den Veränderungswillen von Kunst- und Kulturorganisationen unterstützt, die die Kooperationsvoraussetzungen dauerhaft verbessert und stabile Strukturbedingungen für die Zusammenarbeit von Schulen und außerschulischen Kulturpartnern schafft. Hierzu gehört eine Kinder- und Jugendhilfeförderung auf allen föderalen Ebenen, welche die „freiwillige Leistung“ der Kulturellen Bildung in eine „Pflichtaufgabe“ überführt. Hierzu gehören bildungspolitische Förderanstrengungen, die der Kulturellen Bildung in allen Schulformen einen höheren Stellenwert geben, die die Künste und die Kulturvermittlung in den Ausbildungen von ErzieherInnen und LehrerInnen stärken und die Rahmenbedingungen und Ressourcen für kulturelle Schulentwicklung finanziell entscheidend verbessern. Hierzu gehört eine Kulturförderung, die es den Kultureinrichtungen ermöglicht, Kulturelle Bildung zu ihrer Kernaufgabe zu machen und das eigene Bildungsprofil für neue Zielgruppen und ein jugendliches Publikum zu erproben und zu festigen.
4. Staatliche Verantwortung für die Kulturelle Bildung sollte sich auf die Sicherung von Rahmenbedingungen und Ressourcen konzentrieren und die Autonomie und Vielfalt zivilgesellschaftlicher Strukturen sowie deren Kontinuität, deren Fachlichkeit, deren Vernetzung und deren politische Mitwirkungsmöglichkeiten unterstützen. Von den zentralen bundespolitischen Interessensverbänden der Kulturellen Bildung werden in diesem Zusammenhang eine Reform des Zuwendungsrechts, eine Abkehr vom Dauerstadium der Modellprojektförderung hin zu einer verlässlichen Regelförderung sowie die wirksamere Förderung und Absicherung des freiwilligen und ehrenamtlichen Engagements in der Kultur erwartet.
Ein Erkenntnisdefizit darüber, wie die Rahmenbedingungen und Strukturen für die Kulturelle Bildung zu verbessern wären, gibt es in Deutschland nicht (Völckers 2009); wohl aber ein Umsetzungsdefizit, das es mit allen politischen und zivilgesellschaftlichen Kräften anzugehen gilt.