Theaterpädagogik in NS-Gedenkstätten – Pädagogische Implikationen und künstlerische Strategien
Abstract
Im wissenschaftlich-künstlerischen Studium MA Theaterpädagogik an der UdK Berlin besteht das Mastermodul aus zwei Teilen, einem praktischen – dem Masterprojekt und einem theoretischen – der Masterarbeit. Zwischen beiden Teilen gibt es vielfältige Möglichkeiten der Bezugnahme. Die Masterarbeit von Friederike Falk veröffentlicht kubi-online als PDF-Textanhang, um Interessent*innen dieses ausgezeichnete Wissen zu erschließen und den Wissenstransfer zu bereichern. Das einführende Abstract hierzu haben die Gutachterinnen Ulrike Hentschel und Ute Pinkert verfasst.
Friederike Falk setzt sich in ihrer Arbeit „Theaterpädagogik in NS-Gedenkstätten – Pädagogische Implikationen und künstlerische Strategien“ mit einer theatral vermittelten Erinnerungsarbeit in dem Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße auseinander. Ausgehend vom Beispiel des Projekts „Warum. Erinnern?“, das sie gemeinsam mit Eliana Schüler in dem Berliner Gedenkort realisiert hat, stellt sie Fragen nach den Bedingungen, den theatralen Praktiken und den ästhetischen Mitteln theaterpädagogischer Projekte, die sich mit Orten des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus auseinandersetzen.
„Ausgangspunkt des Projekts war die Frage, ob und wie theaterpädagogisches Arbeiten und insbesondere die Präsentation einer Aufführung an solch einem Ort möglich ist.“
Die Autorin stellt zunächst das Projektbeispiel vor und erläutert – mit Bezug zur Gedenkstättenpädagogik – grundlegende konzeptionelle Überlegungen und Arbeitsprinzipien. Daran anschließend verortet sie das Projekt innerhalb des aktuellen Diskurses der Theaterwissenschaft und –pädagogik und geht dabei auf drei verschiedene Theaterformen ein: das Ortsspezifische Theater, das Dokumentarische Theater und das Biographische Theater.
„Für die künstlerische Auseinandersetzung bildet ein Verständnis für eine performativ ausgerichtete Spielhaltung bei den Teilnehmer_innen die Grundlage des Prozesses. Bei der Analyse der Arbeitsweisen konnte gezeigt werden, dass sich theaterpädagogische Projekte in Gedenkorten drei zentralen Theaterformen zuordnen lassen, sich zwischen diesen bewegen und aus ihnen schöpfen. Für die konkrete Beschäftigung mit dem Ort eignen sich Konzepte des ortsspezifischen Theaters, für die Auseinandersetzung mit dem historischen Kontext das dokumentarische Theater und für biographische Reflexionen und Zugänge das biographische Theater.“
Vor diesem Hintergrund werden schließlich die konkreten Darstellungsstrategien diskutiert, die innerhalb des Projektes realisiert wurden.
„Zentral bei der Auswahl von Inszenierungs- und Darstellungsstrategien ist ein Bewusstsein und die Kenntnis der Diskussion über die Problematik künstlerischer Auseinandersetzungen im Kontext des Holocaust und der nationalsozialistischen Massenverbrechen in ihrer Gesamtheit. Es gilt unangemessene, identifizierende oder relativierende Darstellungsweisen zu unterlassen. Ebenso sind reine Emotionalisierungen und gefühlsmäßige Überforderungen der Spieler_innen wie auch des Publikums zu vermeiden.“
Im Zentrum dieser Arbeit steht die fundierte Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld zwischen der Ebene des historischen Materials, den künstlerischen Anforderungen an die schauspielerische Darstellungsweise sowie der angestrebten Wirkung bzw. bestimmten Wirkungsgeboten, die im Diskurs der Gedenkstättenpädagogik diskutiert worden sind.
„Auf Seiten der Leitung erfordert die Arbeit ein Bewusstsein für die unterschiedlichen gesellschaftlichen Ansprüche und die sich daraus ergebenden Spannungsverhältnisse in Bezug auf Gedenkorte. Es bedarf eines relativ hohen Maßes an politisch-historischem Wissen, der Fähigkeit der (Selbst-) Reflexion und des sensiblen Umgangs mit einem individuell und gesellschaftlich hoch aufgeladenen Thema. Theaterprojekte in Gedenkstätten sind keine rein künstlerischen, sondern immer auch politische Arbeiten. Es gilt, das kritische Potential der Arbeit in Gedenkstätten zu erhalten und gegen normative Aufladungen, die Konstruktion nationaler Identitäten im Sinne selbstbestätigender Affirmationen sowie gegen Formen der Funktionalisierung zu verteidigen.“
Die Autorin widmet sich mit ihrer Analyse einem bislang wenig beleuchteten Bereich theaterpädagogischer Praxis. Indem sie den Diskurs der Gedenkstättenpädagogik mit theaterwissenschaftlich und theaterpädagogischen Ansätzen zusammendenkt, schafft sie die Basis für einen zu entwickelnden theaterpädagogischen Fachdiskurs zur Arbeit in Gedenkstätten.