Theater und Kulturelle Bildung
Theater – Begriff und Betrachtungsperspektiven
Im allgemeinen Sinne verweist der Begriff Theater auf die Kunstform, die sich in Mitteleuropa mit der Etablierung des Bürgertums als prägende gesellschaftliche Kraft seit dem 18. Jh. entwickelt hat. Im alltäglichen Sprachgebrauch sind mit dem Begriff „Theater“ entweder der Ort eines szenischen Schauereignisses oder das Schauereignis selbst gemeint. Theater bezeichnet daher auch die Institutionen, Gruppierungen und Organisationen, von denen solche Schauereignisse produziert und präsentiert werden.
Die Bestimmung des Begriffs „Theater“ kann hier nur oberflächlich und auf bestimmte Aspekte reduziert erfolgen, denn selbst in der Theaterwissenschaft existiert kein einheitlicher Theaterbegriff (vgl. z.B. Balme 2001; Kotte 2005:62-139; Fischer-Lichte 2010:7-12). Um das Phänomen Theater zur Kulturellen Bildung ins Verhältnis zu setzen, soll die Begriffsbestimmung vor allem auf soziale und kommunikative Wirkungsaspekte fokussiert werden.
Theater ist eine darstellende Kunst und kann aus soziologischer Sicht als eine Sonderform sozialer Interaktion gelten. Die soziale Kunstform Theater basiert auf Kommunikation, Rahmung und spezifischen Konventionen. Die einfachste Beschreibung des theatralen Kommunikationsvorgangs lautet: A spielt B während C zuschaut. In der Tradition des europäischen Literaturtheaters ist A der Schauspieler, B die Figur, die er verkörpert und C der Zuschauer der Aufführung. Die theatrale Kommunikation zwischen DarstellerInnen und ZuschauerInnen erfolgt über die Verkörperung von Figuren im Rahmen einer speziell etablierten Spielsituation, in der die darstellenden AkteurInnen bzw. die dargestellten Figuren handeln. Mit der räumlichen Hervorhebung der szenischen Vorgänge durch die Theaterarchitektur und die körperliche Hervorhebung durch die leiblich-performativen Handlungen der DarstellerInnen wird diese Rahmung verstärkt. Zu den Konventionen des Theaters gehört die unausgesprochene Verabredung, dass der Zuschauer zwischen der Alltagsrealität und der spielerischen Fiktion der theatralen Wirklichkeit zu unterscheiden vermag. Im Theater wird, mit Bezugnahme auf die Realität, eine andere Wirklichkeit konstituiert, in der das Handeln der Figuren als konsequenzvermindertes Probehandeln (Kotte 2005:21-45) charakterisiert werden kann.
Diese Begriffsbestimmung bezieht sich auf die Eigenarten des dramatischen Literaturtheaters europäischer Prägung. Das jüngere postdramatische und performative Theater folgt grundsätzlich einem anderen Konstruktionsprinzip der theatralen Wirklichkeit. A spielt nicht mehr B, also einen anderen, sondern A zeigt sich als A und führt dem Zuschauer C Realitätsmaterial vor, aus dem sich die besondere Wirklichkeit der Performance konstituiert.
Für das Literaturtheater ebenso wie für das performative Theater ist die „leibliche Ko-Präsenz von Akteuren und Zuschauern“ (Fischer-Lichte 2004:58ff.) in einem aus dem Alltag herausgehobenen Ereignis konstituierend. Dabei macht sich das Theater nahezu alle künstlerischen Ausdrucksformen zu Eigen und setzt sie jeweils neu und anders zueinander in Beziehung. Die Künste wirken damit nicht eigenständig, sondern im Verhältnis zu den anderen Ausdrucksformen.
Aus der Perspektive der Kulturellen Bildung erscheint das Theater als eine Kunstsparte und Kulturtechnik, aus deren Eigenarten spezielle kunst- und kulturpädagogische Methoden hervorgegangen sind, um die kulturellen Bildungspotentiale der Theaterkunst wirksam zu machen. Aus der Perspektive der Theaterkunst erscheint die Kulturelle Bildung als ein im gesellschaftlichen, bildungstheoretischen und politischen Diskurs dominierendes Paradigma, das vor allem als Anspruch an die soziale Wirksamkeit der Theaterkunst verstanden wird.
Aus der Perspektive der NutzerInnen entfaltet das Theater seine Bildungswirkungen in den beiden grundlegenden Methoden der Aneignung von Theater, dem Zuschauen und dem Spielen, und macht die NutzerInnen zu ZuschauerInnen und SpielerInnen. Die begriffliche Unterscheidung von Theaterkunst und Theaterpädagogik markiert diese unterschiedlichen methodischen Ansätze, sagt aber nichts über die Anteile von künstlerischen und pädagogischen Praktiken aus. Mit der Theaterkunst verbindet sich oftmals auch eine pädagogische Haltung, und die Theaterpädagogik vertritt einen künstlerischen Anspruch. Mit dem Konzept der Vermittlungskunst wird inzwischen versucht, die prinzipielle Dichotomie von Zuschauen und Spielen tendenziell aufzuheben und die Kunstvermittlung selbst als künstlerische Praxis zu begreifen. Dabei werden die institutionellen und formalen Koordinaten einer szenisch-dramatischen Theaterkunst zugunsten der Offenheit emanzipatorischer und partizipativer Konzepte des performativen Theaters aufgegeben.
Historische Aspekte des Verhältnisses von Theater und Bildung
Noch vor der Entstehung des Berufstheaters in Deutschland nutzten das humanistische Schultheater des späten 15. Jh.s sowie das Jesuitentheater und das reformatorische Schultheater des 16. und 17. Jh.s das Drama und dessen Aufführung durch die Schüler pädagogisch zur Ausbildung von sozialen Kompetenzen, wie rhetorische Eloquenz und Gewandtheit im Auftreten, Tugendhaftigkeit und Moral. Die spielerische Einübung von sozialen Verhaltensweisen durch die Darstellung der Figuren in den Schuldramen sollte die Schüler auf die Bewältigung der Realität vorbereiten.
Die öffentlichen Aufführungen des Schultheaters konstituierten zugleich eine allgemein bildende Öffentlichkeit zur religiösen und moralischen Festigung der bürgerlichen Ordnung. Diese Funktion als Schule sozialen Verhaltens wurde im 18. Jh. mit der Etablierung der Wanderkomödianten und der Einrichtung von stehenden öffentlichen Berufstheatern obsolet (vgl. Klepacki 2005).
In der Zeit der Aufklärung fanden das Drama und das Theaterspielen bei der Erziehung im privaten Kreis der Familie Verbreitung. In Zeitschriften und Almanachen wurden Kinderschauspiele veröffentlicht: szenische Miniaturen mit Kindern in den Hauptrollen, die Alltagsgeschichten aus der bürgerlichen Familie thematisierten (vgl. Cardi 1983).
Das berufsmäßige Theater entwickelte sich im 18. Jh. zu einer Form der bürgerlichen Öffentlichkeit mit ausgesprochenem Bildungsanspruch. Für Johann Christoph Gottsched galt die Bühne als „weltliche Kanzel“, Gotthold Ephraim Lessing bezeichnete das Theater als „Schule der moralischen Welt“, und Friedrich Schiller proklamierte die „Schaubühne als moralische Anstalt“. Dabei ging es mit dem bürgerlichen Trauerspiel nicht mehr nur um Moral und Tugend, sondern um die Formulierung von politischen Ansprüchen des Bürgertums gegen die Vorherrschaft des Adels. Im 19. Jh. schuf sich das Bürgertum mit den Stadt- und Staatstheatern eine öffentlich geförderte, institutionelle Infrastruktur. Das etablierte bürgerliche Theater war nicht mehr politisch-aufklärerisch, sondern verklärte das „Gute, Wahre und Schöne“ zu seinem Bildungsanspruch.
Um die Wende zum 20. Jh. bemühten sich reformpädagogische LehrerInnen darum, SchülerInnen Zugang zu den Vorstellungen klassischer Dramen an Berufstheatern zu ermöglichen, um den Dramenunterricht didaktisch zu unterstützen. In der Weimarer Republik übernahmen es außerdem noch Besucherorganisationen wie die Volksbühnen-Bewegung und der Bühnenvolksbund, solche Zugänge zur Theaterkunst zu schaffen. Sie folgten dem pädagogischen Prinzip der Erziehung durch die Kunst zur Kunst, das von der reformpädagogischen Kunsterzieherbewegung seit der Jahrhundertwende proklamiert und praktiziert wurde.
In den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jh.s entstand, aus den Traditionen der Jugendbewegung und der Reformpädagogik gespeist, die Laienspielbewegung, in der Theaterspielen als Persönlichkeits- und Volksbildung begriffen wurde. Die Theorie und Praxis des Laienspiels der Weimarer Republik beeinflusste das Schultheater und das Amateurtheater in der alten Bundesrepublik bis in die 1960er Jahre. Seitdem hat sich das Schultheater als Unterrichtsfach (Darstellendes Spiel) und pädagogische Methode etabliert (vgl. Klepacki 2007; Liebau 2005).
Nach dem zweiten Weltkrieg hat sich mit dem Kinder- und Jugendtheater ein Spezialtheater für junges Publikum herausgebildet (vgl. Hoffmann/Israel 2008). Im Osten begann die Gründungsphase eigenständiger Kinder- und Jugendtheater bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, während im Westen erst im Zuge der Protestbewegung der StudentInnen Ende der 1960er Jahre mit dem emanzipatorischen Kindertheater ein eigenständiges Spezialtheater entstand, dessen künstlerische und pädagogische Wirkung in den 1980er Jahren eine Gründungswelle von Kinder- und Jugendtheater-Sparten an Stadt- und Landestheatern der Bundesrepublik auslöste. Zu der Zeit wurde das Kinder- und Jugendtheater in der DDR an großen Theatern für junge ZuschauerInnen und an allen anderen staatlichen Bühnen gepflegt und begann sich als Theaterkunst vom Bildungswesen zu emanzipieren. Seit der deutschen Vereinigung hat sich das Kinder- und Jugendtheater zu einem integralen Bestandteil der Theaterkultur in Deutschland entwickelt (vgl. Israel/Riemann 1996; Gronemeyer/Hesse/Taube 2009). Neben den Spezialtheatern (eigenständiges Kinder- und Jugendtheater, vierte Sparte am Stadttheater und Freie Theater) macht heute fast jedes öffentlich geförderte Theater in Deutschland Angebote für das junge Publikum, die als Beitrag der Theater zur Kulturellen Bildung der jungen Generation verstanden werden (vgl. Taube 2011).
Bildungsprozesse im Theater
Ulrike Hentschel rät zur Skepsis gegenüber pädagogischen Heilserwartungen an den Einsatz von „Theater als Mittel im pädagogischen Feld“ (Hentschel 2007:89), weil diese Erwartungen immer von „wünschenswerten Zielvorstellungen“ ausgingen und das Theaterspielen als ein Instrument begriffen, um diese Zielvorstellungen zu erreichen (Hentschel 2007:90). Gleichwohl sind dem Theaterspielen und dem Theaterschauen Lernprozesse immanent, die jedoch nicht mittels eines vorher bestimmten Lernziels steuerbar sind. Wie schon eingangs bei der Begriffsbestimmung gezeigt wurde, ermöglicht es das Theatererlebnis, „von einer anderen Wirklichkeitsebene aus auf die Wirklichkeit des Alltags zu blicken“ (Hentschel 2007:94). Diese Differenzwahrnehmung ist „eine wesentliche Eigenheit ästhetischer Erfahrung, die Akteure bei der Produktion und Zuschauende bei der Rezeption theatraler Gestaltung machen können, und damit das zentrale Bildungserlebnis des Theaterspielens und -schauens“ (Hentschel 2007:94; vgl. auch Hentschel 2000).
Die ästhetische Bildung in der Kunst, als eine Spielart der Kulturellen Bildung, ist mit Klaus Mollenhauer „eine wesentliche Dimension der Auseinandersetzung des Menschen, hier besonders des Kindes, mit ,Welt' und seiner je eigenen Weise der Weltaneignung“ (Mollenhauer 1996:253). Die künstlerischen Ereignisse der Theaterprobe, des Workshops, der eigenen Aufführung oder des Theaterbesuchs bilden jeweils den Rahmen für die individuellen Erfahrungen des gestaltenden bzw. wahrnehmenden Subjekts. Je anregungsreicher diese Rahmung ist und je größer die Relevanz der Themen, Geschichten und Kontexte für die Subjekte ist, umso intensiver können die Bildungsprozesse des Theaterspielens und Theaterschauens wirken (vgl. Taube 2009a; Taube 2007).
Theaterpädagogik – Spiel als Kunst und die Kunst der Vermittlung
In der Praxis sind die Sphären künstlerischer und pädagogischer Theaterarbeit nicht zu trennen. Theaterpädagogik am Theater gilt längst nicht mehr als Erklärungs- und Vermittlungsinstrument der Theaterkunst, sondern als deren konzeptioneller Bestandteil. Kunst und Pädagogik, „das Zwillingspaar, das gleichgesichtig und verschiedenen Charakters ist“ (Hoffmann 2006:156), wie Christel Hoffmann bemerkt, können als einander dialektisch bedingende Sphären der Kulturellen Bildung im Theater begriffen werden.
Theaterpädagogik macht die vielfältigen Formen, Ausdrucks- und Wirkungsweisen des Theaters für soziale und künstlerische Bildungsprozesse nicht nur für junge Menschen nutzbar. Daher steht der spielende Mensch im Mittelpunkt der Theaterpädagogik: Sei es der Jugendliche, der gemeinsam mit anderen auf der Bühne steht oder seien es die jungen ZuschauerInnen, die zu einem bestimmten Thema improvisieren, um einen Theaterbesuch vor- oder nachzubereiten. Zudem versteht sich die Theaterpädagogik zunehmend als eine Vermittlungskunst mit performativem Charakter. Mit spielerischen und performativen Mitteln werden Themen der Kinder und Jugendlichen szenisch bearbeitet und das Theater als ein experimenteller Raum des künstlerischen Forschens für die jugendlichen ExpertInnen ihrer Lebenswirklichkeit begriffen. Künstlerische Praxis wird so zu Kultureller Bildung in und mit der Theaterkunst (vgl. Schneider/Fechner 2010). Die Vermittlungskunst wird mittlerweile als eigenständiges Kunstformat gesehen. Exemplarisch dafür ist die „Winterakademie“ am Theater an der Parkaue in Berlin als „Ausdruck und Bestandteil eines erweiterten Verständnisses von Theaterpädagogik“ (Willenbacher 2007:139). Das ästhetische Forschungsprojekt folgt zwei Grundprinzipien des ästhetischen Lernens im Theater: Partizipation und Spiel. Die „Winterakademie“ beteiligt Jugendliche und KünstlerInnen an einem gemeinsamen spielerischen Prozess des Suchens und Entdeckens, in den sich alle mit ihrer Persönlichkeit, ihren Ideen, ihrer Weltsicht und ihren Erfahrungen einbringen, um „das Spiel in der Wirklichkeit und die Wirklichkeit im Spiel“ (Sauer 2010:89) zu erforschen.
Bildungspotentiale der Theaterrezeption
Die Theaterkunst wirkt über ein vielschichtiges Zeichensystem, das einem internen theatralen Code folgend Bedeutungen erzeugt (vgl. Fischer-Lichte 1994). Im Rezeptionsprozess entschlüsselt der Zuschauer den theatralen Code und interpretiert die Zeichen bzw. Zeichenzusammenhänge. Sowohl in der theatralen Produktion als auch in der interpretierenden Rezeption kann der theatrale Code von externen Codes beeinflusst werden. Die Interpretation des theatralen Codes ist die schöpferische Leistung des Zuschauers in dem durch das theatrale Ereignis angeregten Prozess des ästhetischen Lernens.
Im Theater für junges Publikum lassen sich aktuell zwei wirkungsästhetische Grundprinzipien beobachten, die dieses Bildungspotential der Rezeptionsprozesse im Theater nutzen. Sie verweisen gleichzeitig auf das unterschiedliche Verständnis von Kultureller Bildung im Theater.
Die einen verstehen den Theaterbesuch per se als pädagogische Veranstaltung und bewerten ihn nach der Verwertbarkeit in Lehr- und Lernprozessen. Theater versuchen diese Erwartung zu erfüllen, indem sie alle künstlerischen Mittel einer Inszenierung der Vermittlung eines bestimmten Inhalts unterordnen und eine relative Eindeutigkeit der Aussage eines Textes oder einer Inszenierung anstreben.
Die anderen setzen auf die Bildungspotentiale der Theaterkunst aufgrund der Polyvalenz des theatralischen Codes, der sich eindeutiger Bedeutungszuweisung oft entzieht und erst im Abgleich mit den eigenen Erfahrungen der ZuschauerInnen sinnvoll entschlüsselt werden kann. Solche künstlerischen Lernprozesse sind der ästhetischen Erfahrung während der Aufführung nicht nachgelagert, sondern Teil und Ergebnis des Rezeptions- und Interpretationsprozesses.
Die Kommunikation im Theater beruht auf dem Wechselspiel von AkteurInnen und ZuschauerInnen, mithin auf einem produktiven Prozess, „der letztendlich von der Phantasie der Zuschauer abhängig ist“ (Hentschel 1996:40). Jens Roselt begreift die Theateraufführung als ein gemeinsames Ereignis von SpielerInnen und ZuschauerInnen und betont die produktive Dimension der Wahrnehmungs- und Erfahrungsweisen der ZuschauerInnen. „Die Kreativität dieser Prozesse besteht darin, dass Zuschauer im Theater nicht lediglich tradierte Rezeptionsregister ziehen, sondern lernen, sich auf ungewohnte und unerwartete Situationen einzustellen und notwendige Verhaltensweisen selbst zu generieren“ (Roselt 2008:367).
Herausforderungen
Zivilgesellschaftliche Kräfte wie die in der Bundesvereinigung für Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) organisierten Theaterfachverbände, der Deutsche Bühnenverein, der Deutsche Kulturrat, die Akteure in den Feldern der Theaterkunst, der Theaterpädagogik und der Schule sowie die Akteure in der Kultur-, Bildungs- und Jugendpolitik stehen vor der gemeinsamen Herausforderung, die Rahmenbedingungen und Ressourcen für die Kulturelle Bildung im Theater und mit dem Theater zu sichern. Gleichzeitig sind sie aber auch verpflichtet, ihr Agieren auf den unterschiedlichen Ebenen immer wieder mit den Grundprinzipien der Kulturellen Bildung in Einklang zu bringen. Denn nur auf der Basis fachlicher Qualität und Qualifizierung können die eingesetzten Ressourcen ihre größtmögliche Wirkung entfalten. Von besonderer Bedeutung sind die Prinzipien der Teilhabegerechtigkeit, der Partizipation, der Interessenorientierung, der Stärkeorientierung und Fehlerfreundlichkeit sowie der Öffentlichkeit und Anerkennung.
Die Akteure stehen vor der großen gesellschaftlichen Herausforderung, allen Kindern und Jugendlichen die Teilhabe an Theaterkunst und Theaterpädagogik zu ermöglichen. Dabei gilt es soziale und kulturelle Zugangsbarrieren zu beseitigen. Kinder und Jugendliche müssen zukünftig noch intensiver in die konzeptionelle Entwicklung von Angeboten der Kulturellen Bildung im Theater einbezogen werden, wie das beispielsweise mit jugendlichen Theaterscouts als Verbindungsleuten zwischen dem Theater und seinem Publikum praktiziert wird. Die Entwicklung von partizipativen Theaterformaten für Kinder und Jugendliche muss besonders gefördert werden. Die Orientierung theaterpädagogischer und theaterkünstlerischer Angebote an den Interessen der NutzerInnen darf sich nicht im thematischen Bezug auf ihre Lebenswirklichkeit erschöpfen. In der partizipativen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen müssen Räume für den Blickwinkel der jüngeren Generation geschaffen und die Stimme der Jugendlichen wahrnehmbar gemacht werden. In der künstlerischen Arbeit für Kinder und Jugendliche müssen die Interessen und die Perspektive der Jugendlichen anwaltlich vertreten werden. Interessenorientierung hieße also Themen platzieren, das gesellschaftliche Bild von Kindheit und Jugend reflektieren und utopische Entwürfe ermöglichen. Das Prinzip der Stärkenorientierung und Fehlerfreundlichkeit betrifft vor allem die Haltung, mit der TheaterpädagogInnen und TheatermacherInnen Kindern und Jugendlichen gegenübertreten. Theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen sollte sich nicht an den Konventionen des bürgerlichen Repräsentationstheaters orientieren oder gar auf dessen Nachahmung zielen, sondern an die Ausdrucksformen der Kinder und Jugendlichen anknüpfen. Das Prinzip der Öffentlichkeit ist dem Theater als eine Form der sozialen Interaktion eingeschrieben und gehört zu den Wirkungsbedingungen des Theaters als soziale Kunst. Eine wichtige Herausforderung für die Zukunft ist es, die verschiedenen Bereiche theatraler Öffentlichkeit – des Theaters für junges Publikum, der Theaterpädagogik, des Amateurtheaters (siehe Norbert Radermacher „Kulturelle Bildung im Mehrgenerationenmodell Amateurtheater“) und des Schultheaters – nicht als gegeneinander austauschbar, sondern als auf je spezielle künstlerische und pädagogische Methoden gründende und sich gesellschaftlich ergänzende Systeme zu achten und wechselseitig durchlässiger zu machen.