Theater und Alter(n) – Alter(n)sbilder im Kontext einer intergenerationellen Theatergruppe

Artikel-Metadaten

von Hanna Lena Hohmann

Erscheinungsjahr: 2023

Peer Reviewed

Abstract

Dieser Beitrag untersucht, inwiefern sich in einer intergenerationellen Theatergruppe die Alter(n)sbilder der Teilnehmenden nach ihrer (Selbst-)wahrnehmung verändert haben und analysiert, inwiefern der Theaterkontext ein gelingendes Umfeld darstellt, um den Austausch zwischen den Mitgliedern unterschiedlicher Generationen zu fördern. Dabei wird die Möglichkeit der Veränderbarkeit von Alter(n)sbilder im Kontext der intergenerationellen Interaktion aufgezeigt.
Dazu wurden zwei Gruppendiskussionen mit insgesamt zwölf Teilnehmer*innen einer intergenerationellen Theatergruppe durchgeführt und mittels Triangulation des Kodierens im Rahmen der Grounded Theory Methodologie mit der formulierenden und reflektierenden Interpretation unter Betrachtung der Diskursorganisation angelehnt an die dokumentarische Methode ausgewertet.
Es zeigt sich, dass die intergenerationelle Theatergruppe unter spezifischen Bedingungen auf gesellschaftlicher, Organisationen-Institutionen und Gruppen-Individuen Ebene als geschützter Rahmen hergestellt wird und fungiert. Die Herstellungsprozesse seitens der Teilnehmer*innen betreffen dabei die Herstellung von Freiheit normativer Zuschreibungen sowie die Herstellung von Relativierung des Alter(n)s. Es wird deutlich, dass die Teilnehmenden die Erfahrung machten, dass ihre Alter(n)sbilder durch den intensiven Austausch und das gemeinsame Erarbeiten eines Theaterstücks differenzierter wurden und der geschützte Rahmen durch den ermöglichten Dialog auf Augenhöhe ein gelingendes Umfeld zur Förderung von Generationenbeziehungen darstellt.

Einleitung: Alter(n)sbilder im Kontext einer intergenerationellen Theatergruppe

Die Notwendigkeit einer (kritischen) Auseinandersetzung mit Alter(n)sbildern wird besonders in Zeiten der Covid-19-Pandemie deutlich. „Alter[n]sbilder sind individuelle und gesellschaftliche Vorstellungen vom Alter (Zustand des Altseins), vom Altern (Prozess des Älterwerdens) oder von älteren Menschen (die soziale Gruppe älterer Personen)“ (BMFSFJ 2010: 36). In einer Gesellschaft herrschen vielfältige Alter(n)sbilder vor, die je nach Kontext unterschiedlich wichtig erscheinen, abwechselnd oder gleichzeitig auftreten (vgl. ebd.). Folglich lässt sich erweitern: „Alter(n)sbilder sind konkurrierende, mitunter stereotype Vorstellungen von der Rolle, den Eigenschaften und dem Wert alter Menschen in der Gesellschaft“ (Pichler 2020: 571). Im Zuge der aktuell vorherrschenden Coronavirus-Pandemie werden ältere Menschen in der Öffentlichkeit durch Medien und in der Politik häufig als besonders gefährdet dargestellt. Aufgrund ihrer Verletzlichkeit gelte es sie im besonderen Maße zu schützen. Die Unterschiedlichkeit älterer Menschen wird dabei nicht beachtet, wodurch pauschale und einseitige Alter(n)sbilder verstärkt werden. Dies kann wiederum Altersdiskriminierung fördern und dazu beitragen, dass sich stereotype Alter(n)sbilder in negativen Selbstbildern alter Menschen verfestigen (vgl. DZA 2020:1f.). Die aktuellen Entwicklungen verdeutlichen erneut die Dringlichkeit und Bedeutung des Themas Alter(n)sbilder, welche bereits in den letzten Jahren aufgrund des demografischen und sozialen Wandels vermehrt in den Fokus nicht nur gerontologischer Forschung rückte (vgl. Rossow 2012:11). Verschiedene empirische Befunde verdeutlichen die Wirkmächtigkeit der Alter(n)sbilder, insbesondere in Bezug auf Gesundheit, Teilhabe und Lebenszufriedenheit, was den Bedarf an Wissen zur Thematik und einer möglichen Veränderung der Bilder unterstützt (vgl. ebd.). Die Beschäftigung mit impliziten oder expliziten Alter(n)sbildern ist zudem ein zentraler Aspekt der Selbstreflexion professioneller Sozialer Altenarbeit und ihrer wissenschaftlichen Forschung (vgl. Haller/Küpper 2020:596). Die Vielfalt von Alter(n)sbildern spiegelt sich in der wissenschaftlichen Forschung wider. Es gibt über Alter(n)sbilder „[…] kein einheitliches wissenschaftliches Konzept“ (Tews 1991 zit. n. BMFSFJ 2010:40f.).

Darauf aufbauend wird in diesem Beitrag die explorative Untersuchung zur Veränderung von Alter(n)sbildern im Kontext einer intergenerationellen Theatergruppe zusammengefasst. Nach einer Einführung in die Thematik und das Forschungsdesign werden die Ergebnisse dargestellt und anschließend diskutiert. Für die grundlagentheoretische Rahmung der vorliegenden Forschung wurden die Werke zur (Reflexiven) Grounded Theory Methodologie von Franz Breuer, Petra Muckel und Barbara Dieris (2019) herangezogen. Ziel dieser Arbeit ist es eine Sensibilisierung für Alter(n)sbilder zu schaffen und deren Veränderbarkeit in Interaktion aufzuzeigen.

Es wird davon ausgegangen, dass in der Gesellschaft normative Vorstellungen von Alter(n) und älteren Menschen vorherrschen. Diese Alter(n)sbilder erscheinen dabei auf gesellschaftlicher Ebene als kollektive Deutungsmuster oder Institutionelle Alter(n)sbilder sowie auf der sozialen Ebene als Ausdruck in persönlichen Interaktionen oder individuelle Vorstellungen und Überzeugungen (vgl. BMFSFJ 2010:36) und wirken demnach auch in der Interaktion einer intergenerationellen Theatergruppe. Eine Teilnahme an Theatergruppen, insbesondere dem intergenerationellen Theater, ermöglicht Lern- und Bildungsprozesse bei den Teilnehmenden (Fleige et al. 2015; Fricke 2013/2012; Göricke 2019; Höhn 2018). Die vorliegende Arbeit nimmt die möglichen Lernprozesse in einer intergenerationellen Theatergruppe hinsichtlich der Vorstellungen von Alter(n) in den Blick. Nach Ludwig Amrhein und Gertrud M. Backes (2007) ist die positive Wirkung von intergenerationellen Kontakten dann gegeben, wenn gemeinsame Interessen und ein ausschließlich durch gemeinsame Aktivität erreichbares Ziel vorhanden ist (vgl. ebd.:109). Daran anschließend lässt sich fragen, inwiefern die intergenerationelle Theatergruppe diesen Kriterien entspricht und damit zur positiven Wirkung von intergenerationellen Kontakten beiträgt.

Forschungsdesign

Die zugrundeliegende These dieser explorativen Untersuchung ist, dass die vorhandenen Alter(n)sbilder der Teilnehmenden durch die intergenerationelle Interaktion im speziellen Raum des Theaterensembles verändert werden. Mithilfe von zwei Gruppendiskussionen mit elf Teilnehmerinnen und einem Teilnehmer im Alter von 38-75 Jahren einer intergenerationellen Theatergruppe, wurde untersucht, inwiefern diese Hypothese nach Einschätzung der Teilnehmenden zutrifft.

Zu Beginn der Erhebung stand eine Aktion der Gruppe. Dieser Einstieg erfolgte gegenstandsangemessen als theaterpädagogische Methode mit Warm-Up und einer Übung, die eine Schreibreflexion mit spielerischem Austausch darüber kombiniert. Anschließend wurde die gemeinsame Arbeit im intergenerationellen Ensemble thematisiert, woraus der Übergang zur Gruppendiskussion entstand.

Die auf Friedrich Pollock (1955) und Werner Mangold (1960) zurückgehende und von Ralf Bohnsack (2010) weiterentwickelte Methode der Gruppendiskussion zeichnet sich durch die Untersuchung der stattfindenden Kommunikationsprozesse innerhalb der Gruppe aus. Der Austausch und die Interaktion der Teilnehmenden liegen im Fokus der Methode. Diese ermöglicht es, die vorhandenen Ansichten, aber auch Prozesse der Entstehung und Aushandlung der Einstellungen zum definierten Forschungsgegenstand der Alter(n)sbilder zu erheben (vgl. Vogl 2019:695f.). Nach Ralf Bohnsack (1989) zeigen sich die kollektiven Orientierungen durch die kommunikative Interaktion einer Gruppe, deren Mitglieder einen Erlebnishintergrund teilen und sich darüber austauschen (vgl. ebd. 1989:21). Die Besonderheit der Methode liegt folglich darin, dass neben dem Austausch von Argumenten eine Interaktion der Beteiligten stattfindet und untersuchbar wird, wenn Teilnehmende zum Beispiel sowohl Erzählungen teilen als auch sich gegenseitig erinnern, sich aufeinander beziehen und gegenseitig Aussagen erweitern (vgl. Vogl 2019:695).

Zur Auswertung wurden die Schritte der Grounded Theory-Methodologie mit denen der dokumentarischen Methode kombiniert, um eine umfassende Betrachtung des Gegenstands zu ermöglichen. Der Auswertungsprozess startete mit der Erstellung eines thematischen Verlaufs und der Transkription der Gruppendiskussionen. Im Anschluss an die Transkription erfolgte die Kodierung in drei flexibel handhabbaren Phasen (offen, axial, selektiv) nach Anselm Strauss und Juliet Corbin (vgl. Breuer et al. 2019:269). Die Kodierung des gesamten Transkripts ermöglichte eine Strukturierung des umfangreichen Datenmaterials. Die Äußerungen und thematischen Schwerpunkte der Gruppendiskussion wurden in den Kategorien dargestellt, wobei sich die Kategorie des geschützten Rahmens als Schlüsselkategorie in den Fokus geriet. Anschließend wurde zur Erweiterung der inhaltlichen Auswertung eine Interpretation mit den Arbeitsschritten der dokumentarischen Methode vorgenommen, wodurch das Herausarbeiten der kollektiven Orientierungen ermöglicht wurde (vgl. Przyborski 2004:47). Somit konnte vertiefend auf einzelne Aspekte der Kategorien eingegangen werden, um ergänzend zum Kategoriensystem der Frage nachzugehen, welches handlungsleitende Wissen (Schmitt-Howe 2019:33) im Umgang mit Alter(n) und den Vorstellungen von Alter(n) vorliegt. Welches „mind-set“ bildet die Grundlage zur Teilnahme an intergenerationellen Theatergruppen und dem Austausch innerhalb der Gruppe? Zur Interpretation und Diskursanalyse (Przyborski 2004) wurden mittels des Thematischen Verlaufs und der Kodes dichte Passagen fokussiert und in einer komparativen Analyse fallintern und fallübergreifend verglichen (vgl. Nentwig-Gesemann 2011:3). Abschließend wurden die Ergebnisse in einem theoretischen Modell, angelehnt an die Struktur der Bedingungs-/Konsequenzen-Matrix nach Corbin und Strauss (vgl. Breuer et al. 2019:293), verbunden, um die Herstellung des geschützten Rahmens als theoretisches Modell zu beschreiben.

Ergebnisse

Zur Beantwortung der Forschungsfrage lassen sich sechs Kategorien mit Subkategorien heranziehen (vgl. Hohmann 2021:43-50).

  • Intergenerationalität beschreibt inwiefern die Teilnehmer*innen die intergenerationelle Zusammensetzung der Theatergruppe wahrnehmen.
  • Zusammenhalt in der Theatergruppe beschreibt die Theatergruppe und unterschiedliche Einflussfaktoren auf den Gruppenzusammenhalt.
  • Geschützter Rahmen: Die intergenerationelle Theatergruppe stellt für die Teilnehmer*innen einen geschützten Rahmen dar. Dieser ermöglicht den Austausch und innerhalb der Übungen einen Rollenwechsel im Theater. Die Mitglieder der Gruppe beschreiben eine veränderte Wahrnehmung ihrer Person innerhalb der Gruppe im Vergleich zu anderen Rollen ihres Lebens in der Gesellschaft. Der geschützte Rahmen bietet einen Ort „[…] wo ich einfach mal auch anders sein darf […]“ (vgl. Hohmann 2021:46). Als geschützter Rahmen stellt die intergenerationelle Theatergruppe folglich einen Ort dar, in dem „alles was am Leben hängt, was einen bindet in (.) in dem (.) Territorium wo man sich bewegt irgendwie. (.) Dass das einfach mal zweite Rolle spielt, und man trifft sich und man macht was ganz anderes und was Kreatives zusammen“ (vgl. Hohmann 2021:46f.). Der geschützte Rahmen ist dabei gekennzeichnet durch eine positive Atmosphäre der Offenheit und des Vertrauens (vgl. ebd.). Merkmale wie das Alter(n), der Glaube oder der soziale Stand einer Person spielen eine untergeordnete Rolle. Die (theaterpädagogische) Leitung mit ihren spezifischen Persönlichkeitsmerkmalen und methodischen Kenntnissen fördert die Gruppenbildung und konzipiert die theaterpädagogischen Übungen. Diese ermöglichen intensiven Austausch und Rollenwechsel, die zur Entdeckung weiterer Persönlichkeitsfacetten und dem Erproben neuer Verhaltensweisen führen (vgl. Hohmann 2021:47).
  • Austausch beschreibt die Kontakt- und Austauschmöglichkeiten unter den Ensemblemitgliedern und deren bereichernde Wirkung sowie mögliche Komplikationen.
  • Alter(n) umfasst die Beschreibungen des Empfindens des Alter(n)s der Teilnehmenden. Vornehmlich wird das Alter(n) im Kontext der Gruppe als irrelevant beschrieben. Im respektvollen, ehrlichen Austausch und der Zusammenarbeit im Kontext der intergenerationellen Theatergruppe sind die Mitglieder gleichberechtigt und auf Augenhöhe (vgl. Hohmann 2021: 48). Die Teilnehmer*innen sind „[…] für ne begrenzte Zeit einfach nur miteinander und ein bisschen hat man das Alter dann tatsächlich überwunden“ (vgl. ebd.).
  • Vorstellungen von Alter(n) umfasst die Beschreibungen von Jung (sein) und Alt (sein) sowie die möglichen Veränderungen der Vorstellungen von Alter(n) im Kontext der intergenerationellen Theatergruppe. Alter wird dabei sowohl am kalendarischen Lebensalter als auch an Lebenssituationen und Persönlichkeitsmerkmalen festgemacht (vgl. Hohmann 2021: 48). Zudem spielt das Thema der Funktionsfähigkeit des Körpers eine Rolle, insbesondere wenn es um die Bewegungsübungen im Kontext der Gruppe geht (vgl. ebd.). Es wird beschrieben, dass die Teilnahme an der intergenerationellen Theatergruppe im Alter besonders sei und dazu führe, dass Facetten der älteren Menschen gezeigt werden, welche die Vielseitigkeit und Individualität unterstützen und entgegen den gesellschaftlichen Bildern stehen (vgl. ebd.). Somit wird deutlich, dass die individuellen Vorstellungen von Alter(n) mit den gesellschaftlichen Vorstellungen verwoben sind und sowohl Vorstellungen vom Zustand des Altseins als auch vom Prozess des Alterns sowie älteren Menschen einbeziehen. Im gemeinsamen Arbeiten im geschützten Rahmen der intergenerationellen Theatergruppe werden die unterschiedlichen Interessen und vielfältigen Einstellungen der Menschen sichtbar und ausgetauscht. Dabei kann es zu einer Veränderung der Vorstellungen von Alter(n) kommen. „[…] in der Wahrnehmung dieser Interessen (.) äh löst sich (.) wenn ich das so sagen darf diese Vorstellung von Alt sein einfach (.) öh öh is-ist nicht mehr daa“ (Hohmann 2021: 49).

Die Teilnehmenden verhandeln in den Gruppendiskussionen Themen, wie gesellschaftliche Rollenerwartungen, die Relevanz des Alters, konkreter des eigenen Alters der Teilnehmer*innen, Intergenerationalität sowie die Vorstellungen von Alter(n) und deren mögliche Irritation, insbesondere im Kontext der theaterpädagogischen Methoden in der intergenerationellen Theatergruppe, wobei sie sich an negativ geprägte Alter(n)sbilder, der beruflichen Sphäre sowie dem Erfahrungsraum intergenerationelle Theatergruppe orientieren (vgl. Hohmann 2021:71ff.). Die Orientierung berufliche Sphäre dient den Teilnehmenden als Vergleichsfolie zur Intergenerationellen Theatergruppe, insbesondere hinsichtlich des Aspekts der Freiheit von normativen Zuschreibungen. Die Intergenerationelle Theatergruppe wiederum zeigt sich als Gegenstück zu den negativ geprägten Alter(n)sbildern, an denen sich die Teilnehmer*innen ansonsten orientieren. Die genannten Alter(n)sbilder umfassen einerseits Starrsinnigkeit, Inaktivität, aber auch den großen Erfahrungsschatz an Wissen und Lebenserfahrung, der von den Teilnehmenden mit Alter assoziiert wird. Die Teilnehmer*innen orientieren sich an negativen Alter(n)sbildern und stellen Alter(n) als etwas Schlechtes oder ein Defizit dar, das es zu „überwinden“, „vergessen“ oder „aufzulösen“ gilt. Die intergenerationelle Theatergruppe ermögliche ihnen hingegen, sich unter Einbezug verschiedener Bedingungen, als offen, individuell, aktiv und zeitweise unwissend wahrzunehmen (vgl. Hohmann 2021:78).

Herstellung des geschützten Rahmens

Die drei Orientierungen berufliche Sphäre, negativ geprägte Alter(n)sbilder und intergenerationelle Theatergruppe lassen sich auf zwei verschiedenen Ebenen anordnen. Zum einen ist die Gesellschaft, welche den beruflichen Kontext sowie die sozialen Netzwerke der einzelnen Teilnehmer*innen umfasst, zu nennen. Die gesellschaftliche Ebene dient den Teilnehmer*innen als Vergleichsfolie zur intergenerationellen Theatergruppe. Auf gesellschaftlicher Ebene sowie in ihrem alltäglichen Lebensumfeld, nehmen die Teilnehmer*innen normative Rollenerwartungen hinsichtlich ihres Alter(n)s, in ihren sozialen Netzwerken und insbesondere im beruflichen Kontext wahr. Zum anderen zeigt sich der Erfahrungsraum der intergenerationellen Theatergruppe, in welchem die Individuen aufeinandertreffen. Die Teilnehmer*innen dieser Studie beschreiben die genannten normativen Zuschreibungen, ihre Wirkungen und „den ganzen Schlamassel, der am Leben hängt, was einen bindet“ (Hohmann 2021: 70) als belastend und wünschen sich eine Loslösung davon, wodurch ein „geschützter“ Bereich in der Gesellschaft notwendig wird. Diese Loslösung erfahren sie im Rahmen der intergenerationellen Theatergruppe. In Verbindung mit den theaterpädagogischen Übungen scheinen die normativen Rollenerwartungen, ebenso wie die Zuschreibungen und Merkmale einer Person, wie beispielsweise der sozioökonomische Status oder insbesondere das Alter(n), den Teilnehmenden als irrelevant. Die intergenerationelle Theatergruppe erscheint folglich als geschützter Rahmen. Diese Kategorie zeigt sich somit als zentrale Komponente im Sinne der Grounded Theory und kann aufgrund dessen als eine Schlüsselkategorie identifiziert werden (vgl. Breuer et al. 2019: 285). Der geschützte Rahmen ist jedoch nicht voraussetzungslos gegeben, sondern konstituiert sich basierend auf verschiedenen Bedingungen.

Die Schlüsselkategorie geschützter Rahmen wird nun in ihre Umgebung eingebettet, während Bedingungspfade herausgestellt werden, um die Zusammenhänge der Herstellung des geschützten Rahmens zu spezifizieren (vgl. ebd.: 292ff.). Die folgende Abbildung stellt die Herstellung des geschützten Rahmens und deren Bedingungen auf gesellschaftlicher Ebene, der Ebene von Organisationen-Institutionen sowie auf Gruppen-Individuen-Ebene dar. Die Durchlässigkeit der Ebenen wird in der Abbildung durch die gestrichelten Quadrate verdeutlicht.

Abbildung - Herstellung des geschützten Rahmens
Abb. 1: Herstellung des geschützten Rahmens (eigene Darstellung)

Der konjunktive Erfahrungsraum ‚Gesellschaft‘ umschließt die Ebenen, die zur Herstellung des geschützten Rahmens führen. Die gesellschaftliche Ebene beschreibt alle Individuen in ihren jeweiligen beruflichen Kontexten oder sozialen Netzwerken. Der Kontakt von Menschen unterschiedlicher Generationen ist hier nicht selbstverständlich. Im beruflichen Kontext sowie im Alltag sind Individuen Rollenerwartungen und normativen Vorstellungen bezüglich des Alter(n)s ausgesetzt, die sich auf die Art und Weise ihres Handelns auswirken. Dabei transportieren sie diese jedoch als Akteur*innen auf gesellschaftlicher Ebene in den sich wiederholenden Mustern ihres gemeinsamen Handelns selbst (vgl. Blumer 1973: 23). Sie orientieren sich an diesen (negativen) Alter(n)sbilder, welche sich in kollektiven Deutungsmustern, individuellen Vorstellungen und Interaktionen widerspiegeln. Als Teile der Gesellschaft, genauer als Ort, in dem Interaktionen zwischen gesellschaftlich verorteten Individuen stattfindet, sind die intergenerationelle Theatergruppe und deren Mitglieder durch die herrschenden normativen Vorstellungen von Rollen und Alter(n) beeinflusst. Unter verschiedenen Bedingungen, wie der Freiwilligkeit der Teilnahme und der Offenheit gegenüber den Teilnehmer*innen, grenzt sich der Raum der Gruppe jedoch von den normativen Einflüssen ab und bildet somit einen geschützten Rahmen für die Teilnehmer*innen, in dem sie sich intergenerationell austauschen und ihnen die Möglichkeit geboten wird, neue Verhaltensweisen auszuprobieren.

Dazu bedarf es auf Organisationionen-Institutionen-Ebene zum einen den Ort des Theaters, in welchem das Angebot der intergenerationellen Theatergruppe ermöglicht wird, sodass Menschen unterschiedlicher Generationen zusammentreffen können. Zum anderen eine (theaterpädagogische) Leitung, die bestimmte Bedingungen des Rahmens herstellt. Diese sind neben Koordination und Organisation der institutionellen Richtlinien, vor allem methodische Kompetenz. Diese zeigt sich im Wissen über theaterpädagogische Methoden zur Gruppenbildung und Stückentwicklung sowie anhand spezifische Persönlichkeitsmerkmale wie Einfühlsamkeit und Achtsamkeit gegenüber den Teilnehmer*innen. Die Herstellung der positiv offenen Atmosphäre im geschützten Rahmen steht seitens der (theaterpädagogischen) Leitung im Mittelpunkt, die vor allem durch positive und wertschätzende Kommunikation hergestellt wird (Hohmann 2021:46). Zur Teilnahme und Akzeptanz der institutionellen Rahmenbedingungen bedarf es auf individueller Ebene der Teilnehmer*innen, die Faszination hinsichtlich des Theaters und die Bereitschaft zur aktiven Teilnahme. Auf Gruppenebene führt dies zu Zusammenhalt, der durch das gemeinsame Erarbeiten eines Theaterstücks aber auch durch gemeinsames Erleben von Emotionen, insbesondere des Spaßes, entsteht. Gemeinsame Erlebnisse finden auch außerhalb des geschützten Rahmens oder der Institution Theater auf gesellschaftlicher Ebene statt, der intergenerationelle Zusammenhalt wirkt folglich aus dem Handeln im geschützten Rahmen auf die gesellschaftliche Ebene zurück, wodurch die Durchlässigkeit und die Wechselwirkungen der Ebenen deutlich werden. Auf Gruppen-Individuen-Ebene findet im geschützten Rahmen ein persönlicher und intensiver Austausch statt, der im Vergleich zu alltäglichen Gesprächen auf gesellschaftlicher Ebene von Besonderheit ist. Bedingung dafür ist die Bereitschaft der Teilnehmer*innen zur ernsthaften Auseinandersetzung mit den anderen Mitgliedern sowie gegenseitiger Respekt und Wertschätzung. Die Offenheit der Teilnehmer*innen einander gegenüber stellt einen grundlegenden Faktor dar. Komplikationen können kommunikativ gelöst werden, sodass unterschiedliche Erfahrungen bereichernd wirken und die Generationen ihr Wissen gegenseitig erweitern können. Die Ebenen korrespondieren miteinander und bedingen sich, wodurch sich aufgrund des Zusammenwirkens der genannten Bedingungen die intergenerationelle Theatergruppe als geschützter Rahmen herstellt und von den Akteur*innen selbst hergestellt wird. Die Teilnehmer*innen nehmen dabei die institutionalisierte Struktur des geschützten Rahmens an und stützen ihn gleichzeitig durch die Nutzung der spezifischen Potentiale, wodurch eine Wechselwirkung entsteht. Sie wirken an der Herstellung des Rahmens mit und dieser wirkt sich auf sie aus. Der geschützte Rahmen ist damit an die Prozesse innerhalb der Gruppe geknüpft und fungiert als Gegenraum zur Gesellschaft. Es können zwei verschiedene Herangehensweisen, beziehungsweise Prozesse der Herstellung, durch die Teilnehmenden unterschieden werden.

  1. Herstellung von Freiheit normativer Zuschreibungen
    Im Kontext des geschützten Rahmens wird durch positive Kommunikation, Offenheit und die gegenseitige respektvolle Akzeptanz die Möglichkeit eröffnet andere Rollen auszuprobieren. Dies betrifft nicht nur das Rollenspiel im Theater, sondern insbesondere die Verhaltensweisen der Teilnehmer*innen. Diese nutzen die von ihnen mitgeschaffenen Möglichkeit zur Veränderung ihres Verhaltens und eines Rollenwechsels im Vergleich zu ihrer Rolle im gesellschaftlichen Gefüge, sozialer Netzwerke oder dem beruflichen Kontext, außerhalb der Gruppe. Die Mitglieder grenzen die Gruppe folglich deutlich von der gesellschaftlichen Ebene ab, in dem sie als Akteur*innen des Raums die differenzierten Muster ihres Handelns akzeptieren. Dadurch stellen sie die Freiheit von normativen Zuschreibungen im geschützten Rahmen her. Diese hergestellte Normfreiheit wirkt auf das Verhalten der Teilnehmer*innen im Kontext der intergenerationellen Theatergruppe zurück (vgl. Hohmann 2021:45). Der Unterschied im Rollenverhalten wird dabei durch die Konstitution des äußeren Umfelds der teilnehmenden Personen bedingt.
  2. Herstellung von Relativierung des Alter(n)s
    Dieser Herstellungsprozess beruht auf der Zusammenarbeit im intergenerationellen Theaterensemble. Im Kern stehen dabei die theaterpädagogischen Übungen mit Austausch über persönliche Themen und das gemeinsame Erarbeiten eines Theaterstücks, wobei die Teilnehmer*innen ihr Emotionserleben teilen und sich solidarisch aufeinander beziehen. Im Zuge dessen nähern sich die Mitglieder unterschiedlicher Generationen an, folglich verschwindet die auf gesellschaftlicher Ebene wahrgenommene Distanz zwischen den Generationen. Die Teilnehmer*innen interagieren auf Augenhöhe, wodurch das jeweilige Alter(n) relativiert wird. Des Weiteren werden durch den Austausch und das gemeinsame Arbeiten die Individualität der Einzelnen sowie die Vielfalt der möglichen Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften der jeweiligen Alter(n)sstufen deutlich. Orientieren sich die Teilnehmer*innen zunächst an negativ geprägten Alter(n)sbildern wie Alter(n) als Defizit oder Starrsinnigkeit (Verstockung), wird durch die Teilnahme an der intergenerationellen Theatergruppe und den theaterpädagogischen Aktivitäten, die Wahrnehmung von älteren Menschen als offen und aktiv ermöglicht. Die große Erfahrung, welche älteren Menschen zugeschrieben wird, wird im Zuge der Unwissenheit während der theaterpädagogischen Aktivitäten irritiert. Die Bilder werden folglich zunehmend ambivalenter. Dies betrifft einerseits die Selbstwahrnehmung der älteren Menschen, andererseits die Wahrnehmung von anderen Älteren. Die Vorstellungen von Jugendlichen erweitern sich im Kontext der intergenerationellen Theatergruppe ebenfalls. So wird das von Naivität und unreflektierter Wildheit geprägte Alter(n)sbild durch die reflektierte Auseinandersetzung mit den Themen der Gruppe und die Meinungsstärke der Jugendlichen irritiert (vgl. Hohmann 2021: 48f.). Als gemeinsamer Erfahrungsraum ist der geschützte Rahmen folglich nicht frei von sozialen Einflüssen, sondern in seiner vermeintlichen Freiheit ambivalent identitätsstiftend. Die Erfahrung der Individualität der Teilnehmer*innen im Zuge der Herstellung von Relativierung des Alter(n)s sowie die Veränderung von Verhaltensweisen durch die Herstellung von Freiheit normativer Zuschreibungen führen dazu, dass, wie von den Teilnehmenden beschrieben, gesellschaftlich normative Vorstellungen von Alter(n) irritiert und durch andere Alter(n)sbilder erweitert werden.

Diskussion

Bei Betrachtung der gesellschaftlichen Ebene fällt zunächst auf, dass die institutionellen Voraussetzungen für die Herstellung des geschützten Rahmens von Bedeutung sind. Die Fruchtbarkeit von außerfamilialen Generationenbeziehungen könnte dementsprechend an spezifische institutionelle Voraussetzungen gebunden sein. Dies könnte beispielsweise die Schaffung von Strukturen sein, die Begegnung ermöglichen, wobei diese aber auf Freiwilligkeit beruhen und nicht mit Verantwortlichkeiten einhergehen sollten (vgl. Filipp et al. 2012:122). Eine Teilnahme an intergenerationellen Theaterprojekten beruht auf Freiwilligkeit, wenn auch für den Projektzeitraum eine hohe Verbindlichkeit empfunden wird. Die Teilnehmer*innen tragen als Teil des Ensembles Verantwortung, jedoch liegt der größte Teil bei der (theaterpädagogischen) Leitung der Gruppe, die sich sowohl um die Arbeitsatmosphäre, die Gruppenbildung als auch um den Inhalt des Projekts sowie der Konzeption eines Bühnenstücks kümmert (vgl. Höhn 2018:14). Die (theaterpädagogische) Leitung schafft als Teil der Institution folglich weitere wichtige Rahmenbedingungen für das Gelingen des Projekts, genauer der Herstellung des geschützten Rahmens. Wie Jessica Höhn (2018) bemerkte, liegt der intergenerationellen Theaterpädagogik die Klärung der Rahmenbedingungen zu Grunde. Sie nennt diesbezüglich die „[…] Offenheit und Bereitschaft der Teilnehmer*innen sich auf die Theaterarbeit einzulassen“ (ebd.:37) sowie „eine wertschätzende Arbeitsatmosphäre“ (ebd.). Das Modell der Herstellung des geschützten Rahmens bezieht diese Bedingungen mit ein und ermöglicht dementsprechend in einer respekt- und vertrauensvollen Arbeitsatmosphäre Lernerfahrungen. Die Rolle der (theaterpädagogischen) Leitung steht von institutioneller Seite bei der Herstellung des geschützten Rahmens besonders im Fokus. „Es bedarf einer professionellen pädagogischen Anleitung und Moderation, die Interessen und Bedürfnisse beider Generationen kennt und berücksichtigt. Hier sind fachliche, personale, kommunikative und methodische Kompetenzen gefordert […]“ (Fricke 2013/2012:3). Die im vorliegenden Modell genannten Qualifikationen auf individueller Ebene der leitenden Person, Achtsamkeit und Einfühlungsvermögen gegenüber den Teilnehmer*innen, decken sich mit den Anforderungen, welche von Höhn (2018) beschrieben werden. In der Anleitung der Gruppe und der Übungen sei sowohl Einfühlungsvermögen als auch die Wahrnehmung sowie Beachtung der Bedürfnisse und Besonderheiten der Teilnehmer*innen gefordert (vgl. ebd.:119).

Paradox scheint, dass einerseits die Regeln und Normen der Gesellschaft die Teilnehmer*innen einschränken, wodurch die Notwendigkeit eines „geschützten“ Bereichs entsteht. Andererseits kommt dieser geschützte Rahmen selbst nicht ohne eigene Regeln, welche die spezifische Arbeitsatmosphäre betreffen, aus. Eine institutionelle Struktur und Anbindung erscheinen in der vorliegenden Untersuchung als notwendige Bedingungen, für die Herstellung des geschützten Rahmens, jedoch erscheint dieser auf Basis der freiwilligen Teilnahme als neutraler Raum im Vergleich zu gesellschaftlichen Kontexten. Die Freiheit von institutioneller Rahmung, wie sie Erika Fischer-Lichte (2014) in ihrer Definition des Theatralen beschreibt (ebd.:255ff.), kann mit Norbert Radermacher (2013/2012) im Kontext des geschützten Rahmens auf die Freiheit von gesellschaftlichen Normen bezogen werden. „Auf die Persönlichkeit eines Amateurtheaterspielers wirkt das gemeinsame Spiel in einem Ensemble entlastend. Im Kontrast zu beruflichen Zwängen vermittelt die befreiende Wirkung des Spiels eine positive Grundhaltung zum Leben und trägt zur Bewältigung des Lebensalltags bei“ (Radermacher 2013/2012:3). Festzuhalten ist, im geschützten Rahmen wird ein Interagieren abseits von gewohnten Verhaltensmustern ermöglicht. Hierin spielt der Stand in der Gesellschaft oder die soziale Lage der Einzelnen keine Rolle, es findet eine Loslösung von normativen Erwartungen hinsichtlich der Lebensführung, des Berufs oder des Alter(n)s statt. Vorstellungen von Alter(n) werden dadurch differenzierter wahrgenommen.

In der Betrachtung der intergenerationellen Kontakte innerhalb der Theatergruppe kann von Generationenbeziehungen gesprochen werden, da sie sich im Funktionszusammenhang Theater konstituieren und somit durch eigene Dynamiken sowie eine spezifische Struktur gekennzeichnet sind (vgl. Filipp et al. 2012:23f.). Die Teilnehmer*innen verbringen viel Zeit miteinander, in der sie sich intensiv kennenlernen und ihre Position definieren müssen (vgl. Höhn 2018:66). Hier kann es zu Spannungen kommen, beispielsweise durch unterschiedliche Bedürfnisse der Beteiligten von Nähe und Distanz oder aufgrund von Konkurrenz und Rivalitäten, um die Präsenz auf der Bühne (vgl. Höhn 2018:67). Der geschützte Rahmen eröffnet die Möglichkeit Probleme oder Konflikte in diesen Generationenbeziehungen durch Kommunikation zu lösen, beispielsweise indem sie offen thematisiert und persönliches Erleben der konflikthaften Situationen reflektiert werden (vgl. ebd.:65ff.). Die gegenseitig wahrgenommene „Solidarität“ im Kontext des geschützten Rahmens verdeutlicht den engen Zusammenhalt und die Verbundenheit der Gruppe, welche sich in ihrem spezifischen unterstützenden Verhalten niederschlägt (vgl. Szydlik 2000:37). Dieser Begriff aus der Familienforschung lässt die Gruppe, im Kontext des geschützten Rahmens, somit als familienähnliche Konstellation erscheinen – unterschiedliche Generationen treffen aufeinander und erleben gemeinsam Emotionen, was in anderen gesellschaftlichen Kontexten weniger gegeben ist.

Nach Hans Hoch (2010) geht mit dem Beziehungstyp der Generationensolidarität (Lüscher & Liegle 2003) traditionelle Alter(n)sbilder einher, die nicht ausschließlich negativ konnotiert sind. „Diese Alter[n]sbilder sind assoziiert mit Achtung, Reziprozität, Ruhestand, Selbstbezüglichkeit und akzeptierter Segmentierung“ (BMFSFJ 2010:121). Hier schließen sich die negativ geprägten Alter(n)sbilder wie Defizit, Inaktivität/Stillstand, aber auch große Lebenserfahrung und Wissensschatz, welches von den anderen Generationen wahrgenommen wird an, an denen sich die Teilnehmer*innen orientieren. Wie herausgestellt werden konnte, zeichnen sich die Generationenbeziehungen im geschützten Rahmen zudem durch Offenheit und interaktive Kommunikation aus. Daher können sie dem Typ der Emanzipation (Lüscher & Liegle 2003:290ff.) im Sinne der Persönlichkeitsentfaltung zugeschrieben werden. “Die mit dem Beziehungstyp Emanzipation implizierten offenen und reflexiven Alter[n]sbilder sind assoziiert mit produktiven und reflexiven Formen des Umgangs mit dem Alter. Sie sind eingebunden in eine Logik der Offenheit und Verständigung“ (BMFSFJ 2010:123). Diese Beziehungstypen beruhen auf persönlichkeitsorientierter Begegnung und kennzeichnen das Potenzial „[…] institutionelle Veränderungen im Sinne gesellschaftlicher Innovation herbeizuführen“ (ebd.). Somit wird deutlich, dass die Alter(n)sbilder der Teilnehmer*innen ambivalent sind und durch den offenen intergenerationellen Austausch erweitert werden.

Die Teilnehmer*innen orientieren sich an der beruflichen Sphäre, welche sie als Gegenhorizont zur Theatergruppe entwerfen und beschreiben, dass sie sich in dieser von „beruflichen Zwängen“ (Radermacher 2013/2012) lösen können. Anzumerken ist, dass die Teilnehmer*innen alle im erwerbsfähigen Alter, jedoch nicht einheitlich berufstätig sind, wobei die Übergänge nicht eindeutig determiniert werden. Der Bezug auf die berufliche Sphäre dient somit als Brücke zwischen den älteren und jüngeren Mitgliedern der unterschiedlichen Generationen. Hieraus könnte die Hypothese entfaltet werden, dass die Teilnehmenden den Beruf als sinnstiftenden Hintergrund ihres Lebens wahrnehmen und diesen auf die intergenerationelle Theatergruppe übertragen. Zudem dokumentiert sich hierin, dass die Teilnehmenden stark an die Normalbiografie gebunden sind. Dies steht in Einklang mit Martin Kohlis Erläuterung (1985), der Lebenslauf sei „[…] in modernen Gesellschaften um das Erwerbssystem herum organisiert“ (ebd.:3, zit. n. Osterland 1989:1). Unter den Teilnehmer*innen der Gruppendiskussion herrscht eine stille Übereinkunft, wie Lebensläufe strukturiert sind. Dies zeigt sich auch insbesondere in den Beschreibungen des Alter(n)s. So wird Jung (sein) zwar an dem Gefühl von Freiheit festgemacht, gleichzeitig aber auf die Schulzeit bezogen, während beschrieben wird, an welchem Karriereschritt oder Zeitpunkt der Familienplanung eine Person im kalendarische Alter von 40 Jahren steht. Das Alter wird beispielsweise mit dem Zeitpunkt der Rente markiert, worin sich die Vorstellungen der Teilnehmer*innen, in welcher zeitlichen Abfolge bestimmte Lebensereignisse auftreten, Entwicklungsschritte absolviert werden sollen und wie die zeitliche Struktur der Lebensspanne sein sollte, dokumentiert (vgl. Filipp & Mayer 1999:39). Dies lässt auf eine institutionalisierte Normalisierung von Verhaltensabläufen und einer biographisch strukturierten Weltauffassung (vgl. Kohli 1987:432) schließen. Die Teilnahme an der Theatergruppe widerspricht jedoch den klassischen Merkmalen der Normalbiografie, was beispielsweise anhand der Betonung der Besonderheit „in meinem Alter“ oder dem von einer Teilnehmerin hergestellten Bezug zur gesellschaftlichen Sicht von Inaktivität und gesellschaftlichem Rückzug älterer Menschen im Ruhestand zu erkennen ist. Hier lässt sich ein Ausbrechen aus der Normalbiografie deuten, wodurch die in den Normalbiografien enthaltene „gesellschaftliche Altersnormierungen (social timetables)“ (Filipp & Mayer 1999:39) irritiert werden. Mit Bezug auf Sigrun-Heide Filipp und Anne-Kathrin Mayer (1999) kann diese positiv bewertete Irritation der alter(n)sgebundenen Verhaltensnormen eine Persönlichkeitsentwicklung der Individuen darstellen (ebd.:41).

Da die Erwerbstätigkeit keiner teilnehmenden Person abgesprochen wird, obwohl einige Rentner*innen sind und das Alter(n) im Kontext der Gruppe relativiert wird, lässt sich, bezogen auf die Definition von Theater als zeitabhängigen Ort nach Andreas Korte (2014:361), fragen, ob der geschützte Rahmen eine ahistorische Blase ist, in der Zeitlichkeit keine Rolle mehr spielt. Die Zeitlichkeit erscheint zumindest inklusiv. Zudem sind im geschützten Rahmen, wie beschrieben, neben den normativen Vorstellungen von Alter(n) auch andere Zuschreibungen hinfällig. Die vorliegende Forschung fokussiert sich auf das Thema Alter(n), weshalb bezüglich der Aussagekraft in Bezug auf andere Normen eine Grenze des Modells erreicht ist.

Die Normativität von Alter(n)sbildern zeigt sich in der vorliegenden Untersuchung: In den als Wissensbestände bezüglich Alter(n) auftretenden und sich implizit in kommunikativen Interaktionen und Denkmustern der Teilnehmer*innen zeigenden Bildern treten negative oder positive Konnotationen auf, in denen, durch die Orientierung an positiven Horizonten oder negativen Gegenhorizonten, deutlich wird, was die Teilnehmer*innen als gut oder schlecht auffassen. Die von Kirsten Aner und Sarah Richter (2018) benannte Fokussierung der Abbauprozesse im Alter(n) und die daraus resultierende Betrachtungsweise von Alter(n) als Defizit oder Krankheit, als Ursache für negative Alter(n)sbilder (ebd.:570), bestätigt sich in den Orientierungen der Teilnehmer*innen an Alter(n) als ein Defizit beziehungsweise etwas Schlechtes. In den Alter(n)sbildern können sich zudem Ängste widerspiegeln, die auf den eigenen Alter(n)sprozess bezogen sind (vgl. BMFSFJ 2010:501). Im Kontext der intergenerationellen Theatergruppe lernen sich die Teilnehmenden auf eine differenzierte Art kennen, wodurch mögliche Befürchtungen hinsichtlich des eigenen Alter(n)s abgebaut werden können (vgl. Amrhein & Backes 2007:109). So stellt eine Teilnehmerin heraus, durch die Kontakte innerhalb der intergenerationellen Theatergruppe habe sie erkannt „Alt werden ist in Ordnung […]“ (Hohmann 2021:88). Die Alter(n)sbilder der Teilnehmer*innen sind jedoch nicht ausschließlich negativ konnotiert, sondern ambivalent. Die Assoziation von Alter(n) mit Defiziten und Stillstand einerseits und der Betonung der Lebenserfahrung und des Wissensbestands andererseits, bestätigt die doppelte Sicht des Alters nach Filipp und Mayer (1999). Diese äußere sich bereits über einen langen historischen Zeitraum in der Assoziation von Alter(n) mit Krankheit auf der einen und der gleichzeitigen positiven Wertschätzung von Kenntnissen und Lebenserfahrung älterer Menschen auf der anderen Seite (vgl. ebd.:12). Die These von Barbara Pichler (2020), dass sich „alt“ nur in Relation zu „jung“ bestimmen lasse (vgl. ebd.:571) begründet die Orientierung einiger Teilnehmer*innen am Horizont des Jung seins. Diese wird jedoch nicht als kollektive Orientierung geteilt, weshalb die Aussage im Kontext der vorliegenden Forschung kritisch zu betrachten ist. Auch die diskursive Hervorbringung von Alter(n)sbilder in gleicher zweigeteilter Form: aktiv/passiv, ist vor dem Hintergrund der vorliegenden Untersuchung kritisch zu betrachten. Die Orientierung erfolgt in binärer Form, jedoch wird die Tendenz zur Ambivalenz deutlich, da beispielsweise Unwissenheit (passiv) als etwas Positives interpretiert und sich weg vom Vergleich zur Jugendlichkeit hin zur Individualität der Menschen orientiert wird.

Diese Individualität beinhaltet nicht nur Charaktereigenschaften, die sich auf Vorstellungen des Alter(n)s beziehen, sondern auch Merkmale wie beispielsweise das Geschlecht, welche wiederum intersektional mit Alter(n) verwoben sind. Dass die Kategorie Körper in der Ausführung der theaterpädagogischen Übungen hervortritt, kann bestätigt werden. Daher liegt es nahe, dass eine Beeinflussung der Alter(n)sbilder hinsichtlich der Körperkonstitutionen und der Funktionsweise stattfindet. Dies wird von den Teilnehmer*innen im Kontext der Gruppendiskussion nur an wenigen Stellen erwähnt, sodass keine Aussage hinsichtlich des Einflusses getroffen werden kann. Als ein weiterer Einflussfaktor auf mögliche Veränderung der Vorstellungen von Alter(n) können Kompetenzen, insbesondere hinsichtlich der Digitalisierung genannt werden. Im zuletzt durchgeführten Projekt trafen sich die Teilnehmer*innen der Gruppe online. Hierbei erfolgte eine Kompetenzerweiterung seitens der älteren Menschen (vgl. Hohmann 2021:89), die mit Veränderungen von Vorstellungen des Alter(n)s einhergehen kann. Hier könnte eine Differenzierung der im Kontext der Coronavirus-Pandemie vorherrschenden negativen Alter(n)sbilder erfolgt sein.

Die Prozesse im geschützten Rahmen decken sich mit den Erkenntnissen der Studie „Doing Age“ von Vera Gallistl et al. (2019). So bietet die Entdeckung der eigenen Kreativität und das Ausleben dieser im Kontext des geschützten Rahmens die Möglichkeit das eigene, meist negativ konnotierte Alt-Sein, „[…] um Facetten der eigenen Persönlichkeit zu erweitern bzw. als Kategorie aufzuweichen“ (vgl. ebd.:75). Das kreative Erproben von anderen Rollen, beziehungsweise Verhaltensweisen im geschützten Rahmen und die kreative Auseinandersetzung mit spezifischen Themen, ermöglichen somit eine positive Sicht auf das eigene Alter(n) sowie die Wahrnehmung dessen als gestaltbar. Ergebnisse der erwähnten Studie weisen zudem darauf hin, dass generationenübergreifende Settings kultureller Bildung die Möglichkeit bieten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Mitgliedern unterschiedlicher Generationen zu verhandeln (vgl. Gallistl et al. 2019:75), wenn dies im Austausch explizit thematisiert wurde. Die daraus resultierende „age-awareness“ führte zur Möglichkeit den Fokus weg von Benachteiligungen durch negative Alter(n)sbilder hin auf die Individualität der Individuen zu legen (vgl. ebd.). Der geschützte Rahmen ermöglicht im Austausch und kreativen Arbeiten auf Augenhöhe das Erleben der Individualität aller Beteiligten und erweitert somit die Sicht auf Alter(n), ohne dies explizit zu thematisieren. In der Thematisierung besteht stets die Gefahr der Reproduktion von Stereotypen, dennoch lässt sich anschließend an die Studie „Doing Age“ überlegen, ob das Veränderungspotential durch die Thematisierung des Alter(n)s, und damit die explizite Reflexion negativer Alter(n)sbilder, steigt. In der vorliegenden Forschung wurde sich einerseits zur Vermeidung einer Reproduktion, andererseits beruhend auf der Annahme, durch die Nicht-Thematisierung des Alter(n)s in intergenerationellen Theatergruppen könnten stereotype Vorstellungen verändert werden, gegen eine explizite Thematisierung von stereotypen Vorstellungen entschieden.

Die Teilnehmer*innen beschreiben auf gesellschaftlicher Ebene mit Alter(n) verbundene (Rollen-)Erwartungen und den Wunsch des Loslösens von diesen Erwartungen, der in der Herstellung des geschützten Rahmens resultiert. Hier lässt sich auf „Ageing troubles“ (Haller 2004/2005), also das Unbehagen gegenüber wirkungsstarken Konstruktionen des Alter(n)s schließen. Die Erfahrungen im geschützten Rahmen ermöglichen folglich eine kritische Absetzung „[…] von gesellschaftlichen Normen und inkorporierten Machtverhältnissen“ (Karl 2005:324); die Teilnehmer*innen wenden sich in der Herstellung des geschützten Rahmens gegen „[…] Verhaltenserwartungen und Alter(n)sbilder, in Abgrenzung zu bisherigen Pflichten und Festlegungen“ (ebd.). Der geschützte Rahmen wird unter den beschriebenen Bedingungen unter anderem von den Teilnehmer*innen als Gegenraum zur Gesellschaft hergestellt. Hier lässt sich an Miriam Haller (2020/2011) anknüpfen, die Michel Foucaults Konzept vom Alter als Heterotopie auf die (kulturelle) Alter(n)sbildung bezieht. Foucault definiert Heterotopien als „[…] wirkliche Orte, wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager“ (Foucault 1967/1991 zit. n. Haller 2020/2011:7). Heterotopien seien Orte, an denen zum aktuellen Zeitpunkt vorherrschende Normen nicht vollständig durchgesetzt seien, wodurch die Möglichkeit entstünde, eben diese Normen zu reflektieren und zu problematisieren (vgl. Haller 2020/2011:7). Haller (2021) erläutert, nach Foucault seien Orte wie Gefängnisse, Bordelle, Kinos oder Theater sowie Altersheime abgegrenzt, gesellschaftlich als „andere Orte“ markiert, wodurch sie anderen Normen unterworfen seien als die soziokulturelle Landschaft, welche sie umgibt. Darin begründe sich ihr kritisches Potential. „Sie können Reflektions- und Resonanzräume bilden, die der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten und den Stimmen älterer Menschen Resonanz verschaffen“ (Haller 2021:2). Als Heterotopie ermöglicht der geschützte Rahmen folglich einen intergenerationellen Gesellschaftsentwurf, der von Dialog auf Augenhöhe gekennzeichnet ist, in welchem die Vielfalt der Individuen frei von gesellschaftlichen Zuschreibungen erkennbar und das Alter(n) der Mitglieder relativiert wird. Daraus abgeleitet lässt sich die Möglichkeit zur Rückwirkung auf die gesellschaftliche Ebene und den Alltag der Teilnehmer*innen festhalten.

In der Beschreibung der Teilnehmer*innen scheint Alter(n) im geschützten Rahmen als irrelevant. Eine tatsächliche Irrelevanz würde jedoch mit Nicht-Thematisierung in der Gruppendiskussion einhergehen, die im vorliegenden Fall ausbleibt. Die Überbetonung der Irrelevanz des Alter(n)s zeigt, dass eine Nicht-Wahrnehmung des Alter(n)s nicht möglich ist. Dies beschrieb bereits Kohli (1991). „Unsere Gesellschaft ist nicht altersblind, vielmehr gilt das Alter als eines der relevantesten Merkmale hinsichtlich gesellschaftlicher Differenzierungsprozesse“ (vgl. ebd. zit. n. Filipp & Mayer 1999:11). Somit lässt sich, ähnlich Ludwig Amrhein (2002), das Modell einer altersirrelevanten Gesellschaft kritisieren. Selbst wenn die Gesellschaftsbereiche Bildung, Arbeit und Freizeit unabhängig von Alter und Lebenslauf zugänglich wären, vermutet Amrhein (2002), dass sich bereichsinterne Prozesse der Altersdifferenzierungen herausbilden würden (vgl. ebd.:326). Dennoch betont er, dass intergenerationelle Kontakte in lokalen Vergemeinschaftungen, die auf dem Wunsch nach alter(n)übergreifenden Kontakten beruhen, den Dialog der Generationen fördern können (vgl. ebd.). Eine solche (freiwillige) Gemeinschaft stellt die intergenerationelle Theatergruppe dar. Die Thematisierung der Frage nach dem Alter(n) der Teilnehmer*innen wird im geschützten Rahmen nicht vorgenommen, wodurch der Eindruck der Irrelevanz entsteht. Dennoch konnte in der Interpretation der Gruppendiskussion gezeigt werden, dass die Wahrnehmung des Alter(n)s trotz dessen erfolgt. Sie wurde jedoch hinsichtlich der in ihr gesellschaftlich verankerten Zuschreibungen erweitert. Folglich werden Alter(n)sbilder der Teilnehmenden im Kontext des geschützten Rahmens irritiert und erweitert. Da sich die Teilnehmer*innen jedoch in der Gruppendiskussion an negativ geprägten Alter(n)sbildern orientieren, lässt sich keine Aussage hinsichtlich des Gelingens der Veränderung treffen. Dennoch kann festgehalten werden, dass ein intergenerationelles Theaterprojekt die Möglichkeit bietet, Vorstellungen von Alter(n) zu erweitern und zu modifizieren, indem die Plastizität des Alter(n)s und die vielfältigen individuellen Eigenschaften älterer Menschen erlebt werden. Aufgrund der vorliegenden Gruppendiskussion bestätigt sich, dass (zumindest im und durch den geschützten Rahmen) Alter(n)sbilder veränderbar, also bewegliche Muster, sind.

Die Teilnehmenden lernen im geschützten Rahmen voneinander, aber auch übereinander, wenn sie im Austausch die Individualität des jeweils anderen erfahren. Somit wird der Abbau von Stereotypen im Kontext der intergenerationellen Theatergruppe begünstigt. Durch die Kontakte mit Menschen unterschiedlicher Generationen können die Individuen eigene Beobachtungen in die eigene Vorstellung von Alter(n) aufnehmen, wodurch differenziertere Alter(n)sbilder entstehen (vgl. BMFSFJ 2010:66). Die Kontakthypothese (vgl. BMFSFJ 2010:67) kann diesbezüglich augenscheinlich bestätigt werden, da der Kontakt der Generationen zur Annäherung führt und Vorstellungen der jeweiligen Alter(n)sgruppe erweitert werden. Jedoch wird dies nicht durch den Kontakt allein hervorgerufen, sondern durch den intensiven Austausch im Kontext des geschützten Rahmens. Die Anwendung der Hypothese bleibt somit weiterhin kritisch zu betrachten, da zusätzliche Bedingungen ergänzt werden müssten, um durch unreflektierte Kontaktherstellung Verstärkungen negativer Alter(n)sbilder vorzubeugen (vgl. Amrhein & Backes 2007:109). Hervorgehend aus der vorliegenden Untersuchung, sollte die Faszination am Theater, also ein gemeinsame Interesse, als Grundlage des Gelingens von Generationenkontakten ergänzt werden. Im Kern steht dabei die Gemeinsamkeit im Gefühlserleben sowie wesentlich im Erarbeiten eines Theaterstücks. Nach Amrhein und Backes (2007) können Generationenkontakte nur gelingen, wenn sie auf einem einzig zusammen erreichbaren Ziel beruhen (ebd.:109). Dies wird im Fall der intergenerationellen Theatergruppe deutlich, was die These bestätigt. Institutionell intergenerationelle Kontakt- und Lernangebote zur Förderung der persönlichen Begegnung der Generationen, wie sie als Maßnahmen zur Veränderung von Alter(n)sbildern vorgeschlagen werden, zeigen sich unter der Bedingung des gemeinsamen Ziels folglich als wirksam. Die Stärke von kulturellen Bildungsangeboten, wie einer intergenerationellen Theatergruppe, wird hier abermals deutlich: Die Stiftung eines Dialogs auf Augenhöhe. Der Theaterkontext bietet folglich ein gelingendes Umfeld für den Austausch unterschiedlicher Generationen.

Auf Grundlage der Erkenntnisse sind nicht alle intergenerationellen Theatergruppen als geschützter Rahmen zu bezeichnen, da das Kriterium der Intergenerationalität nicht ausreicht, sondern weitere spezifische Bedingungen gegeben sein müssen. Inwiefern intergenerationelle Theatergruppen als geschützter Rahmen zu generalisieren sind, sollte über zusätzliche Betrachtungen weiterer Gruppen auf Grundlage des Modells der Herstellung bestimmt werden. Die vorliegende Studie ist explorativ, da die theoretische Sättigung mit der verwendeten Fallzahl nicht erreicht werden konnte. Jedoch konnten anhand dieser kleinen Fallanzahl theoretische Erkenntnisse am Forschungsgegenstand entwickelt werden (vgl. Breuer et al. 2019:158f.): So konnte gezeigt werden, dass sich eine intergenerationelle Theatergruppe unter spezifischen Bedingungen als geschützter Rahmen konstituiert, in welchem nach Wahrnehmung der Teilnehmenden Vorstellungen von Alter(n) modifiziert werden sowie gelingende Generationenbeziehungen stattfinden, können. Alter(n)sbilder zeigen sich im Kontext dieser Interaktion als veränderbar.

Konklusion

Es zeigt sich, dass die untersuchte intergenerationelle Theatergruppe als geschützter Rahmen hergestellt wird und fungiert. Die Herstellung ist dabei durch Faktoren auf gesellschaftlicher, institutioneller und Gruppen bzw. individueller Ebene bedingt. Die Teilnehmer*innen selbst konstituieren den geschützten Rahmen unter verschiedenen Herangehensweisen. Dies ist zum einen der Prozess der Herstellung von Freiheit normativer Zuschreibungen, zum anderen die Herstellung von Relativierung des Alter(n)s. Es wird deutlich, dass negative oder gesellschaftlich normative Vorstellungen von Alter(n) vorherrschen, für die in dieser Forschung sensibilisiert wurde. Gleichzeitig lässt sich festhalten, dass im Kontext des geschützten Rahmens, durch den intensiven Austausch und das gemeinsame Erarbeiten eines Theaterstücks, die negativ geprägten Alter(n)sbilder differenzierter werden. Dabei steht der Dialog auf Augenhöhe im Zentrum, durch welchen Alter(n) relativiert wird und die gelingende Generationenbeziehungen geschaffen werden. In der Herausstellung der Individualität der einzelnen Personen wird es ermöglicht eine differenzierte Sicht auf das Alter(n) zu erlangen. Die Prozesshaftigkeit und damit die Veränderbarkeit scheinbar festgeschriebener Alter(n)sbilder konnte somit im Kontext der Interaktion innerhalb der intergenerationellen Theatergruppe herausgestellt werden. Um tatsächlich zu prüfen, inwiefern es gelingt, dass sich die Alter(n)sbilder der Teilnehmenden verändern und ob diese auf die Gesellschaft außerhalb des geschützten Rahmens rückwirken, bedarf es weiterer Forschung, die neben der Partizipation von Jugendlichen und Hochaltrigen, vor allem differenzierte Einzelbefragungen zur Auswirkung der Teilnahme an der intergenerationellen Theatergruppe auf die Vorstellungen von Alter(n), umfassen würde.

Interessant wäre es in einer ähnlichen Forschung die Berufe und soziale Stellung zu berücksichtigen, um zu prüfen, inwiefern erwerbs- oder bildungsmilieuspezifische Aussagen vorliegen. Es konnte herausgestellt werden, dass sich Vorstellungen von Jugend(lichkeit) im Kontext der intergenerationellen Theatergruppe ebenfalls erweitern, dennoch bleibt eine genauere Analyse der Alter(n)sbilder von Jugend(lichkeit) offen. Hier könnte weitere Forschung ansetzen. Kritisch zu bemerken ist somit, dass die herausgearbeiteten Alter(n)sbilder und anderen Orientierungen möglicherweise geschlechtsspezifisch weiblich zu deuten sind, da die Inhalte, aufgrund der Samplezusammensetzung, vermehrt von weiblichen Personen hervorgebracht wurden. Eine erweiterte Untersuchung der intersektionellen Einflüsse auf die Alter(n)sbilder im Kontext einer intergenerationellen Theatergruppe ist folglich nahezulegen.

Da intergenerationelle Theaterangebote ein gelingendes Umfeld für Generationenbeziehungen darstellen, kann sich für die Förderung dieser Projekte ausgesprochen werden. Insbesondere im Anschluss an die Covid-19 Pandemie, bei welcher das Abstand halten, sogenanntes „social distancing“, und negative Alter(n)sbilder im Fokus stand, sollten vermehrt Angebote geschaffen werden, welche die Generationen wieder zusammen und damit einander näherbringen. Darüber hinaus um eine negative Sicht auf das Alter(n), wie sie während der Pandemie vorherrschte zu korrigieren und den Blick auf die Individualität und Vielfalt der Eigenschaften älterer Menschen zu lenken. Kulturelle Bildungsangebote wie ein intergenerationelles Theaterangebot eignen sich hierfür sowie in besonderer Weise für die Förderung von Generationenbeziehungen. Soziale Arbeit kann hier anknüpfen und Begegnungsmöglichkeiten zwischen den Generationen initiieren. Dabei kann aus der vorliegenden Untersuchung gelernt werden, dass ein gemeinsames Ziel im Zentrum der Begegnung notwendig sowie eine kompetente pädagogische Anleitung und Moderation förderlich ist. Zudem sollte der Kontakt auf Basis gemeinsamer Interessen aller beteiligter Personen zu einem freiwilligen Dialog auf Augenhöhe führen. Im Zentrum der Didaktik und Methodik sollte also die Schaffung von konkreten Interaktionsräumen im Sinne eines geschützten Rahmens stehen.

 

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Anmerkungen

Der Beitrag fußt auf der Masterarbeit der Autorin „Theater und Alter(n). Alter(n)sbilder im Kontext einer intergenerationellen Theatergruppe" und fasst zentrale Erkenntnisse dieser 2021 an der Hochschule Magdeburg-Stendal vorgelegten Studie zusammen.

Zitieren

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Hanna Lena Hohmann (2023): Theater und Alter(n) – Alter(n)sbilder im Kontext einer intergenerationellen Theatergruppe. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/theater-altern-alternsbilder-kontext-einer-intergenerationellen-theatergruppe (letzter Zugriff am 16.07.2024).

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