Querschnittsaufgabe Kulturelle Bildung am Beispiel Niedersachsen

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von Johanna Wanka

Erscheinungsjahr: 2013

Demokratische und kulturelle Teilhabe

Die Kulturelle Bildung als Bestandteil lebenslangen Lernens hat einen hohen Stellenwert. Allen Kindern soll von Anfang und begleitend zu ihrem Alltag, Angebote aus Musik, Theater, Tanz, Literatur, Kunst und Medien offenstehen. Diese sollen die Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben ermöglichen und die persönliche Entwicklung stärken. Nie­dersachsen fördert Projekte und unterstützt die Schaffung und Erhaltung von Strukturen für Kulturelle Bildung auf vielfältige Art und Weise. Das Ziel des Landes ist es, dass die hier lebenden Menschen ein umfangreiches Angebot an Kultureller Bildung nutzen können.

Bildungspolitik für Kulturelle Bildung

Kulturelle Bildung bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Übereinkunft und verstärkter Anstrengungen von Bund, Land, Kommunen, aber auch der Unterstützung der Wirtschaft und von Stiftungen und engagierten Menschen. Wenn wir Kulturelle Bildung im Sinne eines erweiterten Bildungsbegriffs verstehen, der auch die Angebotsformen der nicht-­formellen Bildungsprozesse als wichtige Bestandteile von Leistung, Herausforderung und Persönlichkeitsentwicklung einbezieht, dann benötigen wir ein Bildungskonzept, das nicht an Ressort­- und Landesgrenzen halt macht. Kulturelle Bildung ist daher eine Querschnittsaufgabe der Kultur­- und Bildungspolitik. Allerdings ist Kulturelle Bildung nicht als etwas Statisches zu verstehen, das Inhalte für einen bestimmten Zweck vermittelt. Sie birgt in sich das Potenzial, flexibel auf gesellschaftliche Veränderungen einzugehen und zeitgemäße Angebote zu un­terbreiten, die vielfältig, kreativ und generationen-­, nationen-­ und spartenübergreifend sind.

Auch wenn die Kulturelle Bildung heute in aller Munde und in zahlreichen Schriften, Stel­lungnahmen und Statements zu finden ist: Der Einbezug aller Menschen in das kulturelle Leben hat sich damit nicht wesentlich verbessert. Trotz der Ausweitung des öffentlichen Kulturangebots, trotz erhöhter Kaufkraft, trotz mehr Freizeit, neuer digitaler Möglichkei­ten und trotz eines formal höheren Bildungsniveaus nimmt die kulturelle Teilhabe in den letzten Jahrzehnten kaum zu. Die Wahlmöglichkeiten der potentiellen KulturnutzerInnen sind zwar stärker gestiegen, doch wer früher nicht ins Konzert, in die Oper, ins Theater oder in Ausstellungen ging, der nutzt diese Angebote auch heute nicht.

Aus einer Bevölkerungs­-Befragung vom Institut r Kulturpolitik der Universität Hil­desheim für das Kulturhauptstadtjahr Ruhr 2010 ergab sich: 10 % Kernbesucherinnen und Kernbesucher nutzen mindestens einmal im Monat Kulturangebote. 40 % Gelegen­heitsbesucher haben ebenfalls Interesse an Kunst und Kultur, jedoch nicht so viel, dass sie danach ihre Freizeitplanung ausrichten würden. Sie bevorzugen mehrheitlich „lockere Veranstaltungen“ mit hohem Unterhaltungswert. Die 50 % Nicht-­Besucherinnen und -besucher nutzen zum einen überhaupt keine Kulturangebote und zeigen zum anderen auch kein eigenes Interesse daran. Entsprechend schwierig ist es, sie zu erreichen. Damit stagniert die Nutzung von Kulturangeboten nach wie vor bei 50 % der Bevölkerung.

Umso mehr bedeutet dies: Kulturelle Bildung in Kindergarten, Schule, Jugendarbeit und Berufsbildung ist das Tor zur Kultur. Kulturelle Bildung ist wichtig für die Fähigkeit zur Selbstreflexion, Toleranz und Demokratie und ein Ausgleich zur digitalen Welt. Und deshalb ist Kulturvermittlung, gerade auch in den Kultureinrichtungen, genauso wichtig wie die Künste selbst. Kulturelle Bildung aber, dessen sollten wir uns auch bewusst sein, führt nicht automatisch zu mehr Besuchen in den Kultureinrichtungen. Das ist auch nicht ihr vorrangiges Ziel, sondern allenfalls ein erwünschter Nebeneffekt.

Perspektiven der Kulturellen Bildung

Unabhängig von allen Statistiken und finanziellen Vorgaben benötigt unser Land eine Kul­tur­- und Bildungspolitik, die motiviert und eine Balance findet zwischen kultureller Identität und Neugierde auf Anderes, die Bewährtes und Neues ermöglicht. Gemeinsame Aufgabe von Kulturpolitik und Kulturschaffenden ist es, die kulturelle Infrastruktur in den Bundes­ländern zu erhalten und diese weiter zu entwickeln. Entscheidend ist dabei der Selbstwert Kultureller Bildung für Kinder und Jugendliche. Besonders Kinder sind erst auf dem Weg, ihre Persönlichkeit herauszubilden. Die Begegnung mit Kunst und Kultur bietet ihnen die Chance, die eigenen kreativen Kräfte spielerisch zu erkennen und zu entfalten. Vorhandene Entwicklungsmöglichkeiten werden besser ausgeschöpft, die Persönlichkeitsentwicklung wird gestärkt und die gesellschaftliche Teilhabe verbessert. Umso bedeutsamer ist es, kulturelle Teilhabe und Kulturelle Bildung in bestehende und künftige Bildungskonzepte zu integrieren. Diese darüber hinaus als notwendigen Bestandteil unserer Demokratie zu verstehen, ist die wohl wichtigste Voraussetzung für eine Politik für Kulturelle Bildung.

Fazit

So bleiben aktuell zwei Aufgabenschwerpunkte für die Kulturpolitik, um Kulturelle Bildung noch fester als bisher zu etablieren: Erstens muss die Kulturelle Bildung als ernsthafte Aufgabe der Kultureinrichtungen definiert und umgesetzt werden. Kultureinrichtungen sollten diese als Grundsatzaufgabe denken. Für das Land Niedersachsen haben wir das bereits in der Ausgestaltung unserer aktuellen Zielvereinbarungen mit den kulturellen Partnern verankert, beispielsweise mit den Staatstheatern, den kommunalen Theatern oder mit den Landesmuse­en. Ergebnisse in Zahlen dazu werden im kommenden Jahr vorliegen.

Zweitens ist es wichtig, die Kulturelle Bildung als Teil der Allgemeinbildung im Bildungs­system zu installieren. Nur wenn es gelingt, Kulturelle Bildung in den Kitas und Schulen zu etablieren und zu verankern, erreichen wir die Menschen in dem Lebensalter, in dem sie besonders lernfähig und auf der Suche nach persönlichen Leitbildern sind. Das landesweit vernetzte Niedersächsische Institut r frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) will beispielsweise dazu beitragen, die ersten Lebensjahre der Kinder möglichst optimal zu gestalten, und dazu gehört auch die Kulturelle Bildung. Mit der Landesvereinigung kulturelle Jugendbildung sowie dem Landesverband der Kunstschulen in Niedersachsen hat das Niedersächsische Ministerium r Wissenschaft und Kultur wichtige Partner, die in und außerhalb von Schulen, gemeinsam mit weiteren Kooperationspartnern Projekte Kultureller Bildung installieren sowie für deren Verbreitung und Verstetigung sorgen.

Die Kulturelle Bildung benötigt für die kommenden Jahre nicht nur eine zielgerich­tete Bildungspolitik, sondern noch mehr eine Allianz aus Politik, Bildung, Wirtschaft und natürlich Kunst und Kultur, um ihren Beitrag für kulturelle Teilhabe und Demokratie auch leisten zu können.

Anmerkungen

Dieser Text wurde erstmals im Handbuch Kulturelle Bildung (Hrsg. Bockhorst/ Reinwand/ Zacharias, 2012, München: kopaed) veröffentlicht und wurde auf Wunsch der Verfasserin unverändert übernommen.

Zitieren

Gerne dürfen Sie aus diesem Artikel zitieren. Folgende Angaben sind zusammenhängend mit dem Zitat zu nennen:

Johanna Wanka (2013): Querschnittsaufgabe Kulturelle Bildung am Beispiel Niedersachsen. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/querschnittsaufgabe-kulturelle-bildung-beispiel-niedersachsen (letzter Zugriff am 14.09.2021).

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Dieser Artikel wurde dauerhaft referenzier- und zitierbar gesichert unter https://doi.org/10.25529/92552.114.

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