Qualitätsstandards und Qualitätssicherung in der Kulturellen Bildung
Thema und Begriffsbestimmung
In der Kulturellen Bildung wie auch in anderen pädagogischen oder sozialen Handlungsfeldern sind Qualitätsstandards eng mit dem Begriff der Qualitätssicherung verbunden, der ursprünglich aus der betriebswirtschaftlichen Managementlehre und nicht aus der empirischen Sozial- und Evaluationsforschung stammt. Mit Qualitätssicherung werden alle organisatorischen und technischen Verfahren zur Vorbereitung, Durchführung und Ergebnissicherung von Produkten oder Dienstleistungen beschrieben (Gabler 2011).
Unter anwendungsbezogenen Gesichtspunkten sind die Grenzen zwischen betriebswirtschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Ansätzen jedoch fließend. So sind Qualitätsstandards mit der in der Sozial- und Bildungsforschung gebräuchlichen Bezeichnung der Indikatoren als empirisch zu ermittelnde Kenngrößen oder Messwerte vergleichbar (Meyer 2004:6). Und auch die üblichen Verfahren zur Qualitätsmessung oder Datenerhebung sind weitgehend identisch und decken das breite Spektrum des qualitativen und quantitativen Instrumentariums der empirischen Sozial- und Bildungsforschung ab (siehe Vera Hennefeld „Zum Einsatz sozialwissenschaftlicher Datenerhebungsmethoden im Rahmen der Evaluation Kultureller Bildung“). Aus Sicht der Qualitätsmanagementlehre versteht man unter Qualitätsstandards die Festlegung allgemein gültiger Mindestwerte für Dienstleistungen oder Herstellungsverfahren. In der industriellen Produktion sind dies oft von externer Seite vorgegebene Messwerte oder Kennziffern, wie sie beispielsweise im deutschsprachigen Raum als Deutsche-Industrie-Norm (DIN) oder im internationalen Bereich als ISO-Norm bekannt sind. Pädagogische Qualitätsstandards, wie sie beispielsweise für frühpädagogische Einrichtungen beschrieben werden, verstehen sich im Vergleich dazu als fachlicher Kriterienkatalog, um die zuvor als relevant identifizierten Prozesse bezüglich ihrer Durchführung und der damit verbundenen Anforderungen und angestrebten positiven Ergebnisse zu beschreiben (Kneidinger 2008).
In Arbeitsfeldern Kultureller Bildung sind Qualitätsstandards relativ schwierig zu definieren, denn es liegt nahe, dass in der Regel auf keine universell gültigen Vorgaben oder Normen zurückgegriffen werden kann (siehe Manfred Prenzel/Johanna Ray „Bildungsqualität, Bildungsforschung und Kulturelle Bildung“). Es sind vielfach selbst gewählte quantitative oder qualitative Zielvorgaben, bei denen auf Grundlage vorhandener Erfahrungen oder Berechnungen auf angestrebte Erwartungswerte im Sinne eines Soll-Ist-Vergleichs geschlossen wird. (Beispiele: Besucherzahlen einer Theaterveranstaltung, die Mindestteilnehmerzahl, um ein medienpädagogisches Projekt kostendeckend durchzuführen oder ein bestimmter Mittelwert zur Teilnehmerzufriedenheit, ab dem ein Kulturevent als Erfolg gewertet werden kann.)
Historische Dimension
Wie bereits erwähnt, wird Qualitätssicherung in der Kulturellen Bildung vorwiegend als ein organisationsorientierter Ansatz zur Steuerung von (kulturellen) Dienstleistungsprozessen verstanden. In anderen Fachdisziplinen wie beispielsweise den Gesundheitswissenschaften sieht dies anders aus, denn hier geht es oftmals um wissenschaftliche Qualitätsstandards als Teil einer evidenzbasierten Medizinforschung (BZgA 2011).
Dieser für die Kulturelle Bildung spezifische Bedeutungskontext lässt sich vor dem Hintergrund der Entwicklungen in den zurückliegenden zwanzig Jahren erklären. Anfang der 1990er Jahre wurde von staatlicher Seite die Frage aufgeworfen, wie die Effektivität und Effizienz von Angeboten in der Kinder- und Jugendhilfe wirksamer überprüft und transparent dokumentiert werden können. Davon war auch die Kulturelle Bildung als Bestandteil des Kinder- und Jugendhilfeplans des Bundes betroffen.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) griff diese Debatte im Rahmen ihrer damaligen Bundesinitiative „Qualitätssicherung in der Kinder- und Jugendhilfe“ auf, an der sich von Beginn an die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Ju-gendbildung e.V. (BKJ) aktiv beteiligte (BMFSFJ:1996). Ging es der Bundesinitiative anfangs ausschließlich um Dimensionen der (Selbst-)Evaluation als sozialwissenschaftliche Verfahren, wurden im Laufe der Jahre auch betriebswirtschaftliche Ansätze wie beispielsweise die „Balanced Scorecard“ aufgegriffen und damit eine Annäherung an die Handlungslogik eines betriebswirtschaftlich orientierten Qualitätsmanagements vollzogen.
Eine vergleichbare Entwicklung fand zeitgleich auch in der Allgemeinen und Beruflichen Weiterbildung statt. Hier wird die Situation dadurch verschärft, dass mittlerweile in vielen Bundesländern die Weiterbildungsgesetze als Fördervoraussetzung für die Trägerorganisationen und Weiterbildungseinrichtungen eine Verpflichtung zur Qualitätsüberprüfung durch eine Zertifizierungsagentur verbindlich vorschreiben. Diese Prüfverfahren orientierten sich vorrangig an betriebswirtschaftlichen Qualitätsmodellen. Es wurden daher in den zurückliegenden zehn Jahren aus der Wirtschaft stammende Qualitätsmanagementsysteme – als standardisierte Form des Qualitätsmanagements nach einem bestimmten Regelwerk – adaptiert oder eigenständige Branchenmodelle entwickelt. In der Kulturellen Bildung sind diese Modelle allerdings bisher selten anzutreffen. Das derzeit bekannteste dürfte das „Qualitätssystem Musikschule (QsM)“ des Verbandes Deutscher Musikschulen sein.
Aktuelle Situation und Anwendungskontexte
Im Unterschied zur Wirkungs- und Bildungsforschung wird in der betrieblichwirtschaftlich orientierten Qualitätssicherung nicht der Anspruch verfolgt, die inhaltliche Qualität oder Wirkung Kultureller Bildung zu erfassen. Es geht hingegen um die Schaffung geeigneter fachlicher, organisatorischer und struktureller Rahmenbedingungen, damit möglichst optimale Voraussetzungen zur Erreichung der gewünschten Ergebnisse geschaffen werden.
Damit dies gelingen kann, müssen kulturpädagogische Fachkräfte die angestrebten Leitziele und Wirkungen ihrer Arbeit definieren, was in der Regel durch die Entwicklung eines pädagogischen Leitbildes oder ähnliches geschieht. Von diesem Bildungsverständnis ausgehend, werden alle zentralen pädagogischen und organisatorischen Arbeitsprozesse so ausgestaltet, dass die angestrebten (kulturellen) Bildungswirkungen möglichst erreicht werden können. Diese Herangehensweise nimmt daher die ganze Organisation oder Einrichtung einschließlich ihres Umfeldes in den Blick. Dafür bietet sich eine Differenzierung nach den folgenden Qualitätsdimensionen an:
>> Inputqualität: strukturelle und konzeptionelle Voraussetzungen, die für die Erbringung der Angebote wichtig sind (dies können auch fachpolitische Zielvorgaben sein).
>> Strukturqualität: infrastrukturelle, organisatorische und personelle Rahmenbedingungen, wozu auch die finanziellen und materiellen Ressourcen zählen.
>> Prozessqualität: inhaltliche und organisatorische Durchführungsmodalitäten für die Umsetzung eines Angebots.
>> Ergebnisqualität (Output): erzielte qualitative Resultate, Effekte und quantitative Ergebnisse.
>> Wirkungen (Outcome): längerfristig wirksame Auswirkungen der (Bildungs-)Arbeit (von einzelnen Einrichtungen aufgrund des methodischen Aufwands kaum leistbar, sondern eher Aufgabe der Bildungs- und Wirkungsforschung).
>> Kontext: gesamtgesellschaftliche sowie regionale/lokale Rahmenbedingungen, soweit sie für die Arbeit und Organisation einer Einrichtung bedeutsam sind (vgl. Liebald 2010:9).
Diese Qualitätsdimensionen stehen in einem wechselseitigen Wirkungszusammenhang und ergeben erst in ihrer Gesamtheit einen vollständigen Qualitätsrahmen, der alle Handlungsebenen einer Organisation oder Einrichtung berücksichtigt.
Ausblick / Perspektiven / Herausforderungen
Ob sich in Zukunft für die Kulturelle Bildung ein mit der Weiterbildung vergleichbarer Trend zur Qualitätssicherungs- und Zertifizierungspflicht abzeichnen wird, erscheint aus jetziger Perspektive eher unwahrscheinlich. Auf freiwilliger Basis ist ein umfassendes betriebliches Qualitätsmanagement mit der Möglichkeit zum Erwerb eines Gütesiegels vor allem für kommunale Einrichtungen wie Musikschulen oder Museen interessant. Denn sie stehen unter anderem in einem stärkeren Wettbewerb mit privaten Anbietern. Aber auch für andere Programmbereiche der Kulturellen Bildung kann die Entwicklung von „branchenspezifischen“ Qualitätssicherungsverfahren im Sinne einer kontinuierlichen Qualitäts- und Organisationsentwicklung eine lohnenswerte Aufgabe sein. Dabei sollte allerdings auf ein ausgewogenes Verhältnis von Aufwand und Nutzen geachtet werden.