Musizieren ist Sprache der Persönlichkeit – Ein Weg zur Musik durch die Musikschule

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von Matthias Pannes

Erscheinungsjahr: 2013/2012

Musizieren – für sich, in der Familie, in der allgemein bildenden Schule, in Musikvereinigungen, in Kirche und in vielfältigen freien Gruppierungen – dazu bildet die Musikschule als originärer Ort musikalischer Bildung SchülerInnen jeden Alters und auf jedem Leistungsstand aus. Eige­nes Musizieren trägt hervorragend dazu bei, musikalische Orientierungs­- und Urteilsfähigkeit zu entwickeln. In Verbindung damit können aktives Musikhören, Besuch von Konzerten oder intellektuelle Beschäftigung mit musikalischen Werken zum Erkenntnis-­ und Kompetenz­gewinn, letztlich zu einem Bildungserfolg beitragen. Spezifik und Eigenwert der Musik als Kunstdisziplin können sich in der ästhetischen Entwicklung und Differenzierung des Indivi­duums vollenden. Zugleich wird ein Bildungsprozess gefördert, der zu einem ganzheitlichen Verständnis des Einzelnen in der Welt und zu einer positiven Persönlichkeitsentwicklung beiträgt. Auf dem Fundament einer kontinuierlichen Ausbildung im sozialen Bindungsgefüge der Musikschule können sich neben musikalischen Fähigkeiten und Fertigkeiten weitere Kompetenzen wie z.B. Konzentrations-­ und Gestaltungsvermögen, Kreativität, Kommunikationsfähigkeit, Sozialkompetenz und Teamfähigkeit als wichtige Schlüsselqualifikationen ausgezeichnet entfalten (siehe Alexander Wenzlik „Schlüsselkompetenzen in der Kulturellen Bildung“).

Ziele und Aufgaben – Funktionen und Strukturen

Die öffentliche Musikschule nimmt einen Auftrag kommunaler Daseinsvorsorge wahr. Sie ist wichtiger und konstitutiver Bestandteil einer jeden kommunalen Bildungslandschaft. Sämtliche kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag und Deutscher Städte- und Gemeindebund) haben 2009/10 in einem gemeinsamen Positionspapier Leitlinien und Hinweise für die Musikschularbeit in Städten, Kreisen und Gemeinden beschlossen. Diese Leitlinien zur Sicherung und Weiterentwicklung der öffentlichen Musik­schulen bilden einen Orientierungsrahmen für die Kommunen zur Strukturierung ihres öffent­lichen Musikschulangebotes. Zum Auftrag der Musikschule heißt es darin:

Musikschulen sind in der Regel öffentlich getragene Bildungseinrichtungen, die möglichst vielen Kindern und Jugendlichen, aber vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung auch Erwachsenen und Senioren Zugang zum eigenen Musizieren ermöglichen. Sie haben gegenüber den Kindertagesstätten und allgemein bildenden Schulen eine eigenständige pädagogische und kulturelle Aufgabe. Im Rahmen der Gestaltung zukunftsfähiger kommunaler Bildungsland­schaften sind sie wesentliche Kooperationspartner von Kindertagesstätten und Schulen. Ihre Angebotsstruktur wird sich inhaltlich, personell und räumlich auf zunehmende ganztägige Bildung von Kindern und Jugendlichen einstellen. Musikschulen sollten durch eine soziale Gebührenstaffelung im Rahmen der landesrechtlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten allen den Zugang ermöglichen.

Auch die Kommunale Gemeinschaftsstelle r Verwaltungsmanagement (KGSt) führt in ihrem 2012 eigens zur Musikschule veröffentlichten Referenzgutachten (KGSt­-Gutachten Musikschule) diese als wichtige Einrichtung in der kommunalen Bildungslandschaft an:

[…] Dabei kommt den Musikschulen eine besondere Bedeutung zu. Als Kompetenzzentrum für musikalische Bildung und Erziehung haben sie eine eigenständige pädagogische und kulturelle Aufgabe jenseits formaler Bildungsangebote. Sie werden dieser Aufgabe durch ein umfassendes, abgestimmtes Konzept gerecht, das die Kontinuität und Qualität ihres Bildungsangebots sichert. Es umfasst die musikalische Grundbildung, die Breitenförderung, die Begabtenfindung und Begabtenförderung sowie die Vorbereitung auf ein Musikstudium. […] Die Musikschulen haben als Baustein in der kommunalen Bildungslandschaft einen etablierten Platz inne. Sie sind kommunal verantwortete Einrichtungen mit bildungs-­, kultur­-, jugend­- und sozialpolitischen Aufgaben. Mit ihren umfassenden, überwiegend auf längere Zeit angelegten Unterrichtsangeboten gehen sie auf unterschiedliche Musikinteressen und Lernwünsche ein und legen die Grundlagen für ein lebenslanges Musizieren. […] Musikschulen bieten die Möglichkeit, besondere Zielgruppen (Menschen mit Behinderungen, sozial Benachteiligte, Personen mit Migrationshintergrund) durch gemeinsames Musizieren besser zu integrieren. Daher ist es wichtig, Musikschulen in die örtliche Bildungslandschaft entsprechend einzubinden, um ihre Leistungen zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger effektiv einzusetzen und Synergien mit weiteren Bildungseinrichtungen zu schaffen, zumal die Lernorte des musikalischen Bildungsangebots sowohl innerhalb der Musikschulräumlichkeiten als auch bei anderen Einrichtungen im kommunalen Kontext ange­siedelt sein können. […] Die Kooperation mit allgemein bildenden Schulen ist das wichtigste Feld zur Einbindung der Musikschulen in die kommunale Bildungslandschaft.

Musikschulen leisten also als Einrichtungen der kulturellen Infrastruktur einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Grundversorgung. Dies hat auch die Enquete-Kommission des Deut­schen Bundestages „Kultur in Deutschland“ in ihrem Schlussbericht an zahlreichen Stellen herausgearbeitet.

Die Geschichte der Musikschulen in den Kommunen geht bis in das 19. Jh. zurück. Die älteste noch existierende Musikschule ist die Musikschule Aschaffenburg, die von Dalberg vor 200 Jahren (in der napoleonischen Zeit des Rheinbundes) gegründet wurde. Die Musik­schulen hatten ihre Wurzeln aber im Wesentlichen in kirchlichen und privaten Initiativen. Musikschulträger waren daher zunächst vielfach Vereine; Anfang des 20. Jh.s wurde diese Funktion immer mehr kommunalisiert. Die Musikschulen wurden in der Zeit des National­sozialismus zu Zwecken der „Volksbildung“ instrumentalisiert – teils stark in der damaligen Ideologie gefangen, teils aber auch Fluchtpunkt in vermeintlich unpolitischen Situationen des reinen Musizierens oder der inneren Emigration. In der DDR wurden staatlich finanzierte Musikschulen parallel zum allgemeinen Schulsystem begründet, während sich in den west­lichen Bundesländern auf kommunaler Ebene nach und nach ein flächendeckendes System von öffentlichen Musikschulen etablierte. Die Musikschulen haben sich im 1952 gegründeten Verband deutscher Musikschulen (VdM) zusammengeschlossen, dem nach der deutschen Wiedervereinigung auch die Träger in den neuen Ländern beigetreten sind. Nachdem in den 90er Jahren des vorigen Jh.s die Marke von 1.000 Mitgliedsschulen überschritten war, ging bis zum Zeitpunkt der Buchredaktion die Mitgliederzahl aufgrund von Musikschul-­Fusionen aus Anlass kommunaler Gebietsreformen etwas zurück; allerdings ist im selben Zeitraum eine deutliche Zunahme der Zahl der NutzerInnen festzustellen. Derzeit sind die Träger von 924 Musikschulen im VdM organisiert.

Die Musikschule wird als Aufgabe der öffentlichen Hand in einer vielgestaltigen Verantwor­tungspartnerschaft von Ländern und Kommunen wahrgenommen. Die Länder verstehen und fördern die Musikschulen als Bildungseinrichtungen, die Aufgabe wird indes auf kommunaler Ebene getragen. Es existieren in der Bundesrepublik Deutschland zwar keine einheitlichen gesetzlichen Regelungen zu den Musikschulen, doch das vorhandene Landesrecht konstatiert eine große Nähe zum Schulwesen und konstituiert die Musikschule als öffentliche Aufgabe, die im Zusammenspiel von Land und Kommune wahrgenommen und ausgestaltet wird. Die Länder unterstützen dabei die Kommunen bei der Aufgabenwahrnehmung durch die Gewährung von Fördermitteln und haben durch die Gesetze und Erlasse wesentliche Kriterien festgelegt, die Fördervoraussetzung sind. Die einschlägigen Regelungen zur Einbindung der Musikschulen als Partner von Ganztagsschulen geben den Musikschulen eine weitere Auftragslage und Verankerung im Bildungswesen.

Die öffentliche Musikschule verfolgt das Prinzip der Zugänglichkeit nach drei Prinzipien:

>> örtliche/räumliche Zugänglichkeit („kurze Beine – kurze Wege“);

>> soziale Zugänglichkeit (Sozialstaffelung der Gebühren/Entgelte; „keinem Kind, keinem Jugendlichen darf allein aus wirtschaftlichen Gründen der Zugang zur Musikschule ver­wehrt sein“);

>> fachliche Zugänglichkeit (voraussetzungsloser Zugang – „Musikalische Bildung von Anfang an“).

Die Musikschulen im VdM weisen unter den Einrichtungen kultureller Jugendbildung die größte Flächendeckung und höchste Einrichtungsanzahl auf. Sie sind mit ihrer Reichweite der deutlich größte Typus von Einrichtungen Kultureller Bildung mit demselben Auftrag.

Angebote und Zielgruppen – Unterrichtsformen und Ensemblearbeit

Die öffentliche Musikschule legt mit qualifiziertem Fachunterricht die Grundlage für eine lebenslange Beschäftigung mit Musik. Sie eröffnet ihren SchülerInnen Möglichkeiten zum qualitätsvollen gemeinschaftlichen Musizieren in der Musikschule, in der allgemein bildenden Schule, in der Familie oder in den vielfältigen Formen des Laienmusizierens (siehe Stephan Schmitz „Musikalische Bildung in der Laienmusik“). Die Musikschule schlägt Brücken zu anderen Künsten und kulturellen Aktivitäten. Sie kommt unterschiedlichen Mu­sikinteressen und Lernwünschen entgegen.

Die Hinführung zum aktiven Musizieren korrespondiert mit Freude am Lernen, am eigenen Tun, an der Leistung und am Erfolg. Musizieren mit Anderen ermöglicht die Anwendung des Gelernten, gibt Anregungen für die nächsten Schritte, schult Ohr und Reaktionsfähigkeit, steigert die Motivation und vermittelt soziale Kompetenz. Ensemblefächer sind daher in allen Leistungsstufen integraler Bestandteil des ganzheitlichen Bildungskonzepts der öffentlichen Musikschule. Das Zusammenspiel muss in seinen Techniken und Regeln ebenso erlernt und geübt werden wie Instrumentalspiel und Singen selbst. Erst die Befähigung dazu ermöglicht eine eigenständige Beteiligung am aktiven Musikleben. Im gemeinsamen Musizieren werden kommunikative und soziale Kräfte, die zum Wesen der Musik gehören, erlebbar, wirksam und lernbar. Kontinuierliche Ensemblearbeit bildet daher an der Musikschule mit dem Unterricht im Instrumental­- bzw. Vokalfach eine aufeinander abgestimmte Einheit und stellt ein Kernmerk­mal öffentlicher Musikschularbeit dar. Eine Vielzahl vokaler und instrumentaler Ensembles unterschiedlicher Besetzungen und stilistischer Prägungen gehört daher zum verbindlichen Unterrichtsangebot der Musikschule.

Die Elementarstufe/Grundstufe beinhaltet eine breite Palette von Grundfächern und Angeboten für bestimmte Zielgruppen: von Eltern-­Kind-­Gruppen über Musikalische Frü­herziehung, über Elementare Musikpädagogik in Kindertageseinrichtungen, Musikalische Grundausbildung, Orientierungsangebote hin zu musikalischen Einstiegsprogrammen im Grundschulalter. Dabei liegen qualitätsvolle Formen der Elementaren Musikpädagogik allen Angeboten in der Elementarstufe/Grundstufe zugrunde. Breite Zugänge zur Musik und zum aktiven Musizieren werden vielfach als landesspezifische (Einstiegs-)Programme angeboten, die zumeist in Kooperation zwischen Musikschule und allgemein bildender Schule vollzogen werden. Die Grundfächer können ohne besondere Voraussetzungen besucht werden. Hier steht die bildende Begegnung mit den elementaren musikalischen Erlebnis-­ und Ausdrucksweisen im Mittelpunkt: Sensibilisierung der Wahrnehmung – insbesondere des Gehörs – das Erleben und Kennenlernen einer Vielzahl von Musikstücken und Instrumenten, der Umgang mit der Stimme und das Singen, die Erfahrung des Zusammenhangs von Musik und Bewegung, erstes Spiel mit Instrumenten sowie erste Einsichten in musikalische Zusammenhänge und der Umgang mit grundlegenden Elementen der Musiklehre – immer in altersgerechten Formen, die aufbauend angeboten werden.

Der Unterricht fördert individuelle musikalische Fähigkeiten und schafft die Grundlage für vielfältige musikalische Entwicklungen. In Unter-­, Mittel-­ und Oberstufe der Musikschule wird ein breitgefächertes Angebot vorgehalten:

a) an Instrumental-­/Vokalfächern aus folgenden Fachbereichen:

>> Streichinstrumente (Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass, Gambe u.a.)

>> Zupfinstrumente (Gitarre, E-Gitarre, E-Bass, Mandoline, Zither, Harfe, Baglama u.a.)

>> Holzblasinstrumente (Blockflöte, Querflöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Saxofon u.a.)

>> Blechblasinstrumente (Trompete, Posaune, Horn, Tuba u.a.)

>> Tasteninstrumente (Klavier, Cembalo, Orgel, Akkordeon, Keyboard u.a.)

>> Schlaginstrumente (Schlagzeug, Pauken, Mallets, Percussion u.a.)

>> Gesang (Singen in unterschiedlichen Stilrichtungen, Stimmbildung u.a.)

b) an einer Vielfalt von Ensemblefächern unterschiedlicher Besetzungen und Stilistiken: Sing-­ und Spielgruppen, Chöre, Streichorchester, Kammerorchester, Sinfonieorchester, Zupforchester, Blasorchester, Kapellen, Akkordeonorchester, Kammermusik, Spielkreise, Instru­mentalgruppen, Big Bands, Combos, Jazz-­, Rock-­ und Pop­-Bands, Salonorchester,Folkloregruppen, Volksmusik, Musiktheater, Musical u.v.m.

sowie c) an Ergänzungsfächern (weiteres dazu s.u.).

Ein besonderes Programm stellt bei öffentlichen Musikschulen und im Verband deutscher Musikschulen die integrative Arbeit bzw. die Arbeit mit Menschen mit Behinderung dar, die sich an den individuellen Möglichkeiten orientiert und somit eine über das normale Maß hinausgehende Differenzierung erfordert. Die Arbeit in integrativen Gruppen steht hierbei gleichberechtigt neben behinderungsspezifischem Einzel- und Gruppenunterricht. Angebote für Menschen mit Behinderung sind somit ein selbstverständlicher Teil des Auftrages öffent­licher Musikschulen. Musiktherapie folgt dagegen einem spezifisch therapeutischen Bedarf und kann als Förder-­ und Unterstützungsmaßnahme angeboten werden.

Möglichkeiten musikalisch-­kultureller Bildung eröffnet die Musikschule übrigens jedem Lebensabschnitt: Mit Angeboten für Erwachsene und SeniorInnen in Form von Unterricht, Kursen, Workshops oder Projekten werden für diese Altersgruppen spezifische, örtlich oder situativ unterschiedliche musikpädagogische, musikalische oder musikbezogene Angebote nachgefragt, auch in Kooperation mit SeniorInneneinrichtungen oder ­-vereinigungen.

Für alle Unterrichtsfächer der Musikschule formulieren Rahmenlehrpläne (bzw. Bildungs­pläne) Ziele und Inhalte der Ausbildung. Mehrjähriger, kontinuierlicher Unterricht führt zu einem Ergebnis, das – den Möglichkeiten der SchülerInnen entsprechend – den Anforderungen eines sinnerfüllten Musizierens besonders gerecht wird Die Lehrpläne gewährleisten einen dem Alter und der persönlichen Entwicklung gemäßen Aufbau eines Lern-­ und Erlebnispro­zesses, in dem musikalische und technische Herausforderungen miteinander harmonieren. Wesentliches Kennzeichen der Arbeit einer Musikschule ist die sorgfältige Abstimmung der praktischen, theoretischen, der allgemein-­musikalischen und der speziellen instrumentalen oder vokalen Ausbildung. Musikschulen bieten besonders begabten SchülerInnen, die ein musikalisches Berufsstudium anstreben, eine studienvorbereitende Ausbildung an.

Ergänzungsfächer sind zum einen kontinuierliche Unterrichtsfächer, die zur inhaltlichen Bereicherung des instrumentalen und vokalen Bildungsangebots der Musikschule dienen. Zum anderen stellen sie auch eine Ergänzung des Musikschulangebotes dar, wie z.B. Musik und Bewegung, Tanz, Musiktheater, Darstellendes Spiel oder Rhythmik. Projekte sind zeitlich begrenzte und inhaltlich abgeschlossene musikpädagogische Angebote einer Musikschule. Als Kurse, Freizeiten, Workshops, Exkursionen, Konzertreisen, Kooperationen und andere geeignete Formen eröffnen sie Raum für besondere Aktivitäten der Musikschule und gehen flexibel auf Nachfragen nach speziellen Angeboten ein. Projekte gewinnen neue Zielgruppen, ermöglichen die Erprobung neuer Angebote und erweitern das Angebotsrepertoire. Veranstal­tungen gehören zum pädagogischen Auftrag und zum individuellen Erscheinungsbild einer Musikschule. Vorspiele und Konzerte sind für SchülerInnen unverzichtbare Lernerfahrungen, motivierendes Übe-­ und Probenziel – als ein Ergebnis ihres Unterrichts im Instrumental-­ oder Vokalfach wie auch im Ensemblefach. Die Auftrittserfahrung ist außerdem eine wesentliche Dimension des Musikerlebnisses, wendet sich Musik doch als künstlerische Kommunikation an ein Publikum. Veranstaltungen gewährleisten kulturelle Teilhabe in der Kommune im Bereich der Musik. Die öffentliche Musikschule ist dabei offen für Musik und musikalische Praxen anderer Kulturen. Wenn sich unterschiedliche Kulturen hörend und beim gemeinsamen Musizieren begegnen, entsteht eine tragfähige Basis für Verständnis, Respekt, gegenseitige Wertschätzung und gesellschaftliche Integration.

Pädagogische Prinzipien und Fachkompetenz – Motivation und Bildung

Das Credo, dass die Musikschule eine Schule ist und bleibt, aber eine Schule, zu der man kommen will, weil man darf und nicht muss, äußert sich wesentlich auch in dem „Spirit“ von Musikschul-­Lehrkräften und -­Leitungen. Eine richtige Musikschule ist also eine Schule – aber grundsätzlich eine Schule anderer Art: Sie ist und bleibt, wenn sie den öffentlichen Auftrag erfüllen können soll, ein veritabler, auf Vollständigkeit angelegter Bildungsorganismus, der nicht zur musikalischen Bespaßungsstelle oder zur Vermittlungsagentur für Musikunterricht degeneriert.

Aufgabe der öffentlichen Musikschule ist es nach wie vor, mit der hohen Fach­- und Methodenkompetenz und der Kreativität ihrer Lehrkräfte durch attraktive Angebote ziel­gruppengerecht SchülerInnen jeden Alters einen stimmigen musikalischen Bildungsweg zu eröffnen und zu gewährleisten. Begriff und Reichweite von „musikalischer Bildung“ gehen im Aufgabenportfolio öffentlicher Musikschulen weit darüber hinaus, reine Musikerziehung zu betreiben, also lediglich Musikverständnis und die Fähigkeit zum aktiven Musizieren zu vermitteln. Die öffentliche Musikschule sieht sich der Leitvorstellung verpflichtet, dass umfassende musikalische Bildung die Identitätsbildung einer Persönlichkeit in besonderer Weise ermöglichen und stärken kann und damit wesentlich zum gelingenden Aufwachsen und zu einem erfüllten Leben beizutragen hilft. Dabei kommt gerade musikalischer Bildung das Privileg zu, in einem spezifischen semiotischen Kontext hin zu einer Ausdrucks- und Gestaltungsfähigkeit bilden zu können, welcher die Sinne und die emotionale Intelligenz in besonderem Maße anspricht und berührt. Bildungsprozesse werden in der Musikschule dialogisch­-kommunikativ verstanden – sowohl mit Komponenten der Selbstentwicklung in der Auseinandersetzung mit Musik und der Entfaltung im musizierenden Miteinander als auch mit Hilfe profunder pädagogischer Begleitung, mit klaren Zielen und Konzepten, mit hoher didaktischer und methodischer Kompetenz. Für erfolgreiche Bildungsverläufe gilt die Faustregel, dass man sich etwa zehn Jahre lang intensiv und kontinuierlich, mit möglichst hoher (Eigen-­)Motivation, eingebettet in ein stimmiges pädagogisches Setting, mit einer Sache aus­ein­ander­setzen muss. Res severa, verum gaudium – die ernsthafte Befassung mit Musik als Kunst-­ und Ausdrucksform jedweder Stilistik ist kein Gegensatz zur Freude an der musikalischen Betätigung, sondern ganz im Gegenteil Anreiz und Motivation. Auf jedem Niveau der Auseinandersetzung mit Musik kann das Individuum, kann die Gruppe positive Erfahrungen machen; ebenso ist von jeder erreichten Ebene sichtbar, welche musikalischen Di­mensionen noch weiter erreicht werden können. Bestätigung und Neugier, die Freude über den Erfolg und das Wissen wollen, wie es weiter gehen kann, die Erschließung der musikalischen Kartografie und die Entdeckungslust zu bisher unbekannten Räumen sind durch Schwingung und Balance in lebendiger Wechselwirkung und machen den Reiz der Beschäftigung mit der als vornehmster Kunst der septem artes liberales geltenden Musik aus.

Perspektiven und Herausforderungen – Ausblick und Zusammenfassung

Dabei geht es darum, mit sinnvollen Konzepten und attraktiven musikpädagogischen An­geboten auf die Veränderungen in unserer Gesellschaft einzugehen. Die Musikschule stellt sich in der kommunalen Bildungslandschaft deshalb zunehmend als Kompetenzzentrum musikalischer Bildung in einem 2-­Säulen-­System auf: einerseits weiter als autochthone Bildungseinrichtung, mit eigenständigem Bildungsauftrag und spezifischer Strukturierung, also sozusagen weiter mit ihrer Kernaufgabe, andererseits aber bereits seit mehreren Jahren zunehmend auch im Kooperationsfeld der Bildungsinstanzen und ­-akteure in der Kommune, vor allem in der Zusammenarbeit mit der allgemein bildenden Schule oder der Kindertagesein­richtungen. Aber auch hier im Kooperationsfeld kommt der Musikschule eine eigenständige Aufgabe zu; sie will und kann nicht die Schulmusik ersetzen, auch nicht den ErzieherInnen die Aufgabe abnehmen, Musik als Methode und Mittler in der Vielfalt des KiTa­-Alltags einzuset­zen. Vielmehr ist Musikschule immer dann in der Regelschule oder im Kindergarten gefragt, wenn die Musik nicht als (Hilfs-­)Mittel eingesetzt wird, um andere Bildungsziele zu erreichen, sondern wenn sie und ihr Bildungspotential selbst im Mittelpunkt stehen, wenn es also um die Musik selbst als Feld ästhetischer Erfahrung und Gestaltung geht, wenn Musik somit als anthropologisch konstitutiv begriffen wird.

Es sind also vielfältige neue Herausforderungen wahrzunehmen, die schon heute und künftig noch stärker das Arbeitsfeld in der Musikschule bestimmen dürften:

>> multiple Wanderungsprozesse der Bevölkerung sind bedeutend für regionale Entwicklung;

>> der Verlauf der „Alterspyramide“ hat bedeutenden Einfluss auf die Angebotsstruktur;

>> Herausforderungen im Migrations­- bzw. Integrationskontext verlangen eine geeignete Aufstellung der Einrichtungen Kultureller Bildung, auch wenn die hier anstehenden Fragen nicht von ihnen gelöst werden können (was die Politik zur Kenntnis nehmen muss);

>> auf die möglichen Wirkungen von tief greifenden sozialen Veränderungen und gesellschaft­lichen Spaltungstendenzen muss auch in der Art und Form musikalischer Bildungsange­bote einzugehen versucht werden;

>> Veränderungen in der Mediennutzung, bei Bindungsaspekten und im Konsumverhalten werden neue Kompetenzen erforderlich machen.

Die Konsequenz aus diesen Entwicklungen bedeutet für die öffentliche Musikschule vor allem, sehr früh mit musikalischen Bildungsangeboten Kinder und Eltern aller Milieus zu errei­chen, bedeutet auch, musikpädagogische Konzepte in diesem frühen Lebensalter stärker unter dem Aspekt von Vernetzung zu anderen Lernfeldern zu sehen: Förderung von Spracherwerb, Sozialkompetenzen und Integration mit Hilfe geeigneter musikpädagogischer Angebote sind Aspekte für die künftigen Anforderungen, die aber auch heute schon aktuell bewegen.

Was aber in der gesamten Bildungsdebatte – die ja derzeit wesentlich eine Schul­-Debatte ist – als unbedingt notwendig erscheint, sind Erhalt und strukturelle Einbeziehung von Freiräumen für Kinder und Jugendliche angesichts der Veränderungen von schulischen Rahmenbedingungen, insbesondere der Schulzeitverdichtung. Wenn es den Anschein hat, dass Entfaltungsmöglichkei­ten junger Menschen vorwiegend wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden, wenn also Konditionierungstendenzen im Bildungssektor die Agenda dominieren, dann kann betriebswirt­schaftliche Kurzsichtigkeit zu volkswirtschaftlichen Langzeitschäden führen: nämlich dann, wenn nicht gesehen wird, dass personale Kompetenz und Kreativität der Menschen die entscheidende, ja wahrscheinlich die einzige Chance sind, eine Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft sichern zu helfen. Es gilt, angemessene Freiräume für musikalische Bildung von Kindern und Jugendlichen und für die Zugänglichkeit zu Musikschulangeboten gerade hinsichtlich der zu erwartenden Folgen von Schulzeitverkürzung (G8) und Schulzeitverdichtung zu erhalten und zu sichern.

Fazit

Musikschulen sind, bleiben und werden immer mehr die Schlüsselorte für musikalische Bildung in den Kommunen. Sie sind klingender Lebensraum und Begegnungsstätten der Musik für Jung und Alt in den Städten und Landkreisen. Ihre Bedeutung in der Entwicklung der kommunalen Bildungslandschaft wird kaum überschätzt werden können.

 

Verwendete Literatur

  • Deutscher Städtetag/Deutscher Landkreistag/Deutscher Städte- und Gemeindebund (2010): Die Musik­schule, Leitlinien und Hinweise.
  • Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (2012): Gutachten Musikschule (Nr. 1/2012). Köln: KGSt.
  • Verband deutscher Musikschulen e.V. (2012): VdM Jahresbericht 2011 – Themenschwerpunkte und statistische Daten. Bonn: VdM
  • Verband deutscher Musikschulen e.V. (2012): Statistisches Jahrbuch der Musikschulen in Deutschland 2011. Bonn: VdM.
  • Verband deutscher Musikschulen e.V. (2010b): Strukturplan des VdM – Der Weg zur Musik durch die Musikschule. Bonn: VdM.

Anmerkungen

Dieser Text wurde erstmals im Handbuch Kulturelle Bildung (Hrsg. Bockhorst/ Reinwand/ Zacharias, 2012, München: kopaed) veröffentlicht.

Zitieren

Gerne dürfen Sie aus diesem Artikel zitieren. Folgende Angaben sind zusammenhängend mit dem Zitat zu nennen:

Matthias Pannes (2013/2012): Musizieren ist Sprache der Persönlichkeit – Ein Weg zur Musik durch die Musikschule. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/musizieren-sprache-persoenlichkeit-weg-zur-musik-durch-musikschule (letzter Zugriff am 14.09.2021).

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Dieser Artikel wurde dauerhaft referenzier- und zitierbar gesichert unter https://doi.org/10.25529/92552.292.

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