Machtspiele im Theater - Ein Podcast zu adultismuskritischer Praxis

Artikel-Metadaten

von Judie Fröhlich, Maria Obermeier

Erscheinungsjahr: 2025

Abstract

Adultismus ist, wenn Ältere bzw. Erwachsene sich das Recht herausnehmen,
über Jüngere zu bestimmen und in ihrem Namen zu entscheiden.
“ (Schwarz 2021)

Adultismus (abgeleitet vom englischen Wort adult für erwachsen) beschreibt das gesellschaftliche Machtungleichgewicht zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, das auch fest in Theaterstrukturen, Theaterräume und Zugänge zu künstlerischer Praxis eingeschrieben ist. Adultismus ist eine gesellschaftliche Diskriminierungsstruktur, „die durch Traditionen und Gesetze untermauert und in sozialen Institutionen kultiviert wird“ (Ritz 2013:165). Wenn Erwachsene in theaterpädagogischen Projekten den Raum zur Partizipation von Kindern und Jugendlichen eröffnen, indem sie zum Beispiel über Abläufe und Orte entscheiden, Kontexte rahmen und künstlerische Vorschläge machen, sind sie es, die über die Handlungs- und Gestaltungsmacht, die Verfügungsmacht, die Definitions- und Deutungsmacht und die Mobilisierungsmacht innerhalb der Projekte verfügen (vgl. Knauer/ Hansen 2010:24). Als initiierende Personen bestimmen sie, woran und in welcher Form die jungen Teilnehmer*innen teilhaben können. Für Kinder und Jugendliche kann sich dabei der Eindruck wiederholen, dass ihre eigenen künstlerischen Entscheidungen, Erfahrungen und Bedürfnisse weniger ernst genommen werden. Schließlich basiert Adultismus auf der Annahme einer tradierten gesellschaftlichen ›Rangordnung‹, bei der Erwachsene davon ausgehen, kompetenter als Kinder und Jugendliche zu sein und dementsprechend agieren (Ritz 2013:165). Das Theater für junges Publikum sowie die Theaterpädagogik wollen oftmals Felder sein, in denen junge Menschen empowernde und selbstwirksame Erfahrungen machen können und sich als Akteur*innen für die Interessen von Kindern und Jugendlichen einsetzen. Gerade deshalb ist es wichtig, die eigene Praxis immer wieder adultismuskritisch zu überprüfen.

Der Diskurs um Theater und Adultismus ist dabei eng mit dem Diskurs zu Kinderrechten verschränkt. So veröffentlichte die Internationale Vereinigung für Kinder und Jugendtheater 2022 das ASSITEJ Manifest, mit dem sie auf das Recht von jungen Menschen auf kulturelle Teilhabe auch in Krisenzeiten weltweit verweist und u.a. formuliert: “ASSITEJ empfiehlt, Kinder und Jugendliche aktiv zu beteiligen. Sie sollten als Berater*innen und Partner*innen einbezogen und ihre Meinungen und Ansichten auf allen Ebenen berücksichtigt werden (vgl. Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention).” (ASSITEJ 2022:2) Viele Verbände aus der Zivilgesellschaft sowie politische Parteien setzen sich außerdem seit Jahren dafür ein, die Kinderrechte endlich auch im deutschen Grundgesetz zu verankern. Zuletzt wurde dieses Vorhaben 2021 auch als Teil des Koalitionsvertrags der Ampelregierung formuliert.

Wie können Räume im Theater aussehen, in denen sich junge und erwachsene Menschen die Macht teilen und alle gleichermaßen ernst genommen werden? Ist das überhaupt möglich? Ausgehend von diesen Fragen hat sich im August 2024 die Initiative Theater & Adultismus gegründet. Mit Formaten wie künstlerischen Interventionen, Workshops, Fortbildungen und Beratungen möchte sie das Machtverhältnis von jungen Menschen und Erwachsenen im Kontext von Kunst und Kultureller Bildung erforschen, thematisieren und in Bewegung bringen. Die drei Theatervermittler*innen Juliane Barz (34 Jahre alt), Katrin Maiwald (38 Jahre alt) und Pauri Röwert (32 Jahre alt) sind die erwachsenen Gründungsmitglieder der Initiative. Für ihre Konzeptionen und Umsetzungen der Formate kollaborieren sie jeweils mit Kindern und Jugendlichen vor Ort. Dabei kommen entweder über Ausschreibungen Zusammenarbeiten mit jungen Menschen zustande, die sich neu für Theater interessieren oder es partizipieren Kinder und Jugendliche, zu denen über vorherige Projekte schon eine längere Verbindung zum Theater besteht. Im ersten Praxisprojekt, dem Ferienlabor PARCOURS DER KATASTROPHEN im August 2024 am Theater der Jungen Welt in Leipzig, trafen vier Kinder (unter anderem Constanza (zehn Jahre alt) und Alma (neun Jahre alt)), die sich alle aus der Schule und Freizeit kannten, auf Juliane, Pauri und Katrin. Die beiden Teams lernten sich gegenseitig kennen und beschäftigten sich mit Ungerechtigkeiten, die zwischen Erwachsenen und Kindern passieren können. Ihre Fragen, Lösungsansätze und künstlerischen Ideen haben sie in einem interaktiven Stationentheaterformat verarbeitet.

In einer von Erwachsenen dominierten Gesellschaft, in der Kinder als marginalisierte Gruppe agieren und begriffen werden, ist es unter anderem für Akteur*innen der Kulturellen Bildung von besonderer Notwendigkeit, Räume der Mitbestimmung für junge Menschen zu gestalten und Interessenvertretung zu unterstützen und zu leben. Dieser Hintergrund verstärkt die Notwendigkeit, Fragen der generationenübergreifenden Teilhabe zu verhandeln und Projekte zu initiieren, die es ermöglichen, gewohnte Macht- und Entscheidungsverhältnisse zu befragen: Welches Potenzial haben Theaterprojekte, die gleichberechtigte Begegnungen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen kreieren? Welche neue ästhetische Praxis wird dadurch hervorgebracht?  Im Rahmen dieses Podcast kommen die jungen und erwachsenen Theatermacher*innen des Ferienlabors zusammen und sprechen ausgehend von ihren Erfahrungen über Fragen von Beteiligung und Zusammenarbeit. Moderiert wird der Podcast von Judie Fröhlich (14 Jahre) und Maria Obermeier (28 Jahre), die sich beide intensiv mit Adultismus beschäftigen und bereits im Theaterprojekt VIEL NEBEL UND EIN HAPPY END 2023 zusammen Regie geführt haben.

Audio file

Interviewpartner*innen

In diesem Podcast vom Dezember 2024 sind Alma (neun Jahre alt), Constanza (zehn Jahre alt) und Katrin (38 Jahre alt) als Vertreterinnen der Initiative Theater & Adultismus zu hören; Moderator*innen/Autor*innen sind Judie Fröhlich (14 Jahre alt) und Maria Obermeier (28 Jahre alt).

Die Initiative Theater & Adultismus hat sich im Rahmen einer ersten Projektwoche am TDJW in Leipzig im August 2024 gegründet. Mit Formaten wie künstlerischen Interventionen, Workshops, Fortbildungen und Beratungen möchte sie das Machtverhältnis von jungen Menschen und Erwachsenen im Kontext von Kunst und Kultureller Bildung erforschen, thematisieren und in Bewegung bringen. Die drei Theatervermittler*innen Juliane Barz (34 Jahre alt), Katrin Maiwald (38 Jahre alt) und Pauri Röwert (32 Jahre alt) sind die erwachsenen Gründungsmitglieder der Initiative. Ihre bisherige Expertise und Arbeitserfahrungen u.a. am JES, Theater an der Parkaue, Theater der Jungen Welt sowie dem freischaffenden Kontext möchten sie bündeln und weiterentwickeln. Für ihre Konzeptionen und Umsetzungen der Formate kollaborieren sie jeweils mit Kindern und Jugendlichen vor Ort. Für das Ferienlabor PARCOURS DER KATASTROPHEN Leipzig haben sie im August 2024 mit Alma, Constanza, Leonie und Pina (alle neun oder zehn Jahre alt) zusammengearbeitet.

Weitere Informationen zur Initiative: www.initiative-theater-adultismus.de

Podcast-Produktion

Dramaturgie: Maria Obermeier
Ton & Schnitt: Ben Hilbig
Musiktrack: Talk by Chill Pulse // Quelle: https://freetouse.com/music / Royalty Free Background Music

Die Aufnahme fand am 6.12.2024 am Theater der jungen Welt in Leipzig statt.

Verwendete Literatur

  • ASSITEJ (2022): ASSITEJ Manifest: https://www.jungespublikum.de/wp-content/uploads/2022/09/ASSITEJ-Manifest-Deutsch.pdf (letzter Zugriff am 20.12.2024).
  • von Bernstorff, Elise (2013): Das Undisziplinierte im Transdisziplinären. Das pädagogische Verhältnis in der künstlerischen Forschung mit Kindern. In: Sibylle Peters (Hg.): Das Forschen aller. Artistic Research als Wissensproduktion zwischen Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft (95-120). Bielefeld: transcript.
  • Dunger, Friederike/ Hagemeier Wiebke/ Walter, Laura Mirjam (2023): Kinder beraten Erwachsene. Handbuch für Kinderbeiräte an Kulturinstitutionen. München: kopaed.
  • Honig, Michael-Sebastian (1999): Entwurf einer Theorie der Kindheit. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Liebel, Manfred/ Meade, Philip (2023): Adultismus: Die Macht der Erwachsenen über die Kinder. Eine kritische Einführung. Berlin: Bertz + Fischer.
  • Liebel, Manfred (2020): Unerhört. Kinder und Macht. Weinheim: Beltz Juventa.
  • Knauer, Reingard/ Hansen, Rüdiger (2010): Zum Umgang mit Macht in Kindertageseinrichtungen. In: TPS – Theorie und Praxis der Sozialpädagogik 08/10: 24-28.
  • Ritz, ManuEla/ Schwarz, Simbi (2021): Adultismus und kritisches Erwachsensein. Hinter (auf-)geschlossenen Türen. Münster: Unrast Verlag.
  • Ritz, ManuEla (2013): Adultismus – (un)bekanntes Phänomen. Ist die Welt nur für Erwachsene gemacht?‘. In: Wagner, Petra (Hrsg.): Handbuch Inklusion. Grundlage vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung (165-173). Freiburg im Breisgau: Herder.
  • Richter, Sandra (2013): Adultismus: die erste erlebte Diskriminierungsform? Theoretische Grundlagen und Praxisrelevanz, S. 3.
  • Schwarz, Simbi (2021): Hä, was heißt denn Adultismus?. In: Missy Magazine 04/21. Online unter: https://missy-magazine.de/blog/2021/07/12/hae-was-heisst-denn-adultismus/ (letzter Zugriff am 20.12.2024).
  • Winkelmann, Anne Sophie (2019): Machtgeschichten. Ein Fortbildungsbuch zu Adultismus für Kita, Grundschule und Familie. Limbach-Oberfrohna: edition claus.

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Judie Fröhlich, Maria Obermeier (2025): Machtspiele im Theater - Ein Podcast zu adultismuskritischer Praxis . In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/machtspiele-theater-podcast-adultismuskritischer-praxis (letzter Zugriff am 03.01.2025).

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