Kulturpolitik für ländliche Räume. Kulturverständnisse und Ländlichkeitskonzepte in Landeskulturpolitiken
Abstract
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der Zunahme populistischer und antidemokratischer Positionen hat im kulturpolitischen Diskurs in den letzten rund zehn Jahren die Aufmerksamkeit auf die Frage nach gleichwertigen Lebensverhältnissen und in diesem Kontext auch nach der Lage der Kultur in ländlichen Räumen zugenommen.
Die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen nimmt die vom Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft herausgegebene Studie „Kulturpolitik für ländliche Räume“ zum Anlass, die kulturpolitischen Strategien und Förderinstrumente der zwölf großen Flächenländer Deutschlands daraufhin zu analysieren, inwiefern sie die unterschiedlichen Lagen ländlicher Räume berücksichtigen. Denn eine pauschale Zuschreibung bestimmter sozialer und kultureller Eigenarten oder gar Defizite an ländliche Räume wird den unterschiedlichen Realitäten zwischen Prosperität und Strukturschwäche, kultureller Vitalität und Ödnis, ausgeprägtem Engagement und Lethargie in Dörfern und ländlichen Kleinstädten nicht gerecht. So besteht die Herausforderung bei der Rede über Kultur in ländlichen Räumen zum einen in der Uneindeutigkeit der Kategorie „Ländlichkeit“, zum anderen in der Klärung des Kulturbegriffs. Kulturpolitisch sind diese Fragen höchst relevant, insbesondere für die Entwicklung passgenauer Strategien zur Stärkung von Kunst, Kultur und Kultureller Bildung in ländlichen Räumen.
Die Studie, gefördert im Rahmen des Projektpakets „Profilierung und Qualifizierung der Kulturpolitik in Deutschland“ (2019–2024) von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), bietet konkrete Empfehlungen für Bund, Länder und Kommunen sowie Forschungsbedarfe. Dieser Beitrag ist ein überarbeiteter Nachdruck der Zusammenfassung der Analyseergebnisse (Wingert 2024:122-130).
Einleitung
Seit rund zehn Jahren ist die kulturpolitische Aufmerksamkeit auf ländliche Räume gestiegen. In Diskussionen, Tagungen und Publikationen oder mit partizipativen und forschenden Projekten widmen sich seither Kulturverbände, Kulturschaffende, Einrichtungen und Initiativen sowie Vertreter*innen von Politik, Verwaltung und Förderinstitutionen verstärkt Fragen zur Lage der Kultur in ländlichen Räumen und wie sie zu verbessern wäre.
Eine zentrale Leitvorstellung ist die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilräumen der Republik, die mit dem Bundesraumordnungsgesetz normative Kraft entfaltet. Die Ausgestaltung und Umsetzung der damit verbundenen politischen Grundsätze obliegt maßgeblich den Ländern – in Zusammenarbeit mit den Kommunen und dem Bund. Alle Politikfelder sind gefordert, auch kulturpolitische Strategien sollen zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse beitragen. So wurden von den Ländern, dem Bund und Stiftungen eine Reihe neuer Förderprogramme aufgelegt, um das Kulturschaffen und kulturelle Teilhabe in ländlichen Räumen zu stärken. Auch in Kulturdialogen und Kulturentwicklungsprozessen, in Kulturkonzepten und kulturpolitischen Leitlinien der Länder hat das Thema Kultur in ländlichen Räumen an Bedeutung gewonnen.
Damit reagiert der Kulturbereich auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen, aufgrund derer die ländlichen Räume in Deutschland, wie insgesamt in Europa, in den Fokus von Politik und öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt sind. Dies sind insbesondere die Auswirkungen des demografischen Wandels, aber auch die Zunahme antidemokratischer Positionen, die nicht nur ländliche Räume betreffen, sich dort aber in besonderer Weise manifestieren. Auch in ländlichen Kommunen leiden Museen, Theater und Kulturzentren unter Anfeindungen und Mittelkürzungen. Allerdings ist die Lage der Kulturschaffenden in Deutschland regional höchst unterschiedlich.
Im Zentrum der Studie „Kulturpolitik für ländliche Räume“ steht die Frage, mit welchen kulturpolitischen Strategien und Instrumenten die Länder Kultur in ländlichen Räumen unterstützen. Dabei wird der Frage nach den Ländlichkeitskonzepten und Raumabgrenzungen in der Kulturpolitik und Kulturforschung besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Denn ein zentrales Anliegen ist es, mit Blick auf Konzepte der Raumforschung für die Heterogenität ländlicher Räume zu sensibilisieren. Die Studie richtet den Blick auch auf die uneindeutigen Ränder zwischen ländlich und urban, auf die Schnittstellen zwischen Kunst und Kulturschaffen in Metropolen, Klein- und Mittelstädten, in suburbanen und ländlichen Kontexten.
Das Forschungsdesign umfasste neben der inhaltsanalytischen Auswertung einschlägiger Fachliteratur einen Methodenmix aus
- einer Desktop-Recherche zu kulturpolitischen Strukturen, Strategien und Instrumenten für Kultur in ländlichen Räumen,
- einer Dokumentenanalyse von über 40 Kulturentwicklungskonzepten und -plänen, kulturpolitischen Leitlinien und Strategien sowie Kulturberichten und -analysen der zwölf großen Flächenländer aus den Jahren 2007 bis 2024 sowie
- zwei schriftlichen Befragungen 2020 und 2023 von Expert*innen für ländliche Räume der Kulturministerien der zwölf großen Flächenländer in Deutschland bzw. Ministerien mit Zuständigkeit für ländliche Entwicklung aus fünf Schwerpunktländern.
- Zudem fanden Gruppendiskussionen mit Expert*innen aus Kulturpolitik, kultureller Praxis und Kulturforschung statt, die insbesondere hinsichtlich der Frage nach den Herausforderungen für Kulturakteur*innen in ländlichen Räumen ausgewertet wurden.
Herausforderungen für Kultur in ländlichen Räumen
Kulturpolitik für ländliche Räume muss auf eine breite Palette an Themen und Problemen reagieren. Auch Problemlagen, die nicht mit kulturpolitischen Maßnahmen gelöst werden können, sind in kulturpolitischen Strategien als Kontextbedingungen für kulturelle Vitalität in ländlichen Räumen zu berücksichtigen.
Zu Letzteren gehören die spezifischen Gegebenheiten in ländlichen Räumen, wie die größeren Distanzen zwischen Personen und Institutionen sowie deren geringere Dichte im ländlichen Raum, Hindernisse für Kulturbesuche, Austausch und Kooperation wie Flüsse, Berge oder administrative Grenzen zwischen Gemeinden, Kreisen und Ländern. Je nach Wirkungsradius oder Mobilitätsgrad der Kulturschaffenden und des Publikums stellen sie mehr oder weniger große Hürden dar. In jedem Falle bedeuten sie mehr Aufwand für alle im kulturellen Feld Aktiven.
Neben diesen physischen Hürden lassen sich die Herausforderungen für Kulturakteure in ländlichen Räumen in vier Problemfelder clustern:
- die Lage der allgemeinen Infrastruktur als Bedingung für Kulturschaffen und Zugang zu Kultur (z.B. Öffentlicher Nahverkehr, Schulen);
- die Erhaltung und Gestaltung der kulturellen Infrastruktur in ländlichen Räumen, einschließlich zivilgesellschaftlich und privat-wirtschaftlich getragener Einrichtungen und Aktivitäten – im Hinblick auf die Orte bzw. Häuser, die Kulturschaffenden bzw. das Personal und die finanzielle Ausstattung;
- die Kapazitäten und Kompetenzen von Kulturpolitik und Kulturverwaltung auf kommunaler und regionaler Ebene sowie die Ausgestaltung des kooperativen Kulturföderalismus im Hinblick auf Verantwortungsteilung und Verantwortungszuschreibung;
- und schließlich kognitive Barrieren, die aus vorherrschenden Denkmustern prinzipiell bei allen Beteiligten resultieren: Kulturschaffenden, Kulturpublikum, Medien und Kulturförderinstanzen; diese hemmen tendenziell die kulturelle Entwicklung in ländlichen Räumen und verstärken Konkurrenzen um materielle wie ideelle Ressourcen (z.B. Aufmerksamkeit).
Im Einzelnen werden die Herausforderungen von den an der Studie beteiligten Expert*innen unterschiedlich beschrieben und gewichtet. Diese Unterschiede manifestieren sich jedoch nicht entlang der kulturellen Felder oder beruflichen Positionen, in denen die Expert*innen tätig sind, sondern verweisen im Wesentlichen auf unterschiedliche strukturelle und sozioökonomische Ressourcen zwischen den Bundesländern, zwischen Regionen unterschiedlichen Grades an Ländlichkeit sowie zwischen Ost- und Westdeutschland.
Kulturverständnis in den Landeskulturpolitiken für ländliche Räume
Unbeschadet aller Unterschiede ist das Kulturverständnis der Landeskulturministerien generell breit gefasst, auch im Hinblick auf Kultur in ländlichen Räumen. Regelmäßig wird in kulturpolitischen Dokumenten die kulturelle Vielfalt und Vitalität der ländlichen Räume hervorgehoben. Kultur in ländlichen Räumen: Das ist das vielbeschworene Ehrenamt, aber auch Kunstschaffen und Kulturarbeit von Profis, das ist Kulturerbe und Innovation, Tradition und Experiment – je nach Ort und Region in unterschiedlicher Gewichtung und Gestalt.
Mit einem weiten Kunstbegriff geht es um die Rezeption der zeitgenössischen wie überlieferten künstlerisch-kulturellen Ausdrucksformen aller Sparten und Spielarten wie auch die musisch-ästhetische Produktion von Menschen jeden Alters, von Laien, Amateur*innen wie Profis. Neben dem ausdrücklichen Kunstbezug beinhaltet dieses Kulturverständnis einen ethnologischen Kulturbegriff, der die Vielfalt der Kulturen im Sinne von differenten Lebensweisen lokaler und regionaler Gemeinschaften hervorhebt. Damit geht es im Hinblick auf ländliche Räume auch um die Wertschätzung der regionalen Kultur, einschließlich Kulturlandschaft und Handwerk, Traditionen und Mundart, um deren Schutz, Pflege und Weiterentwicklung. Auch wenn es zwischen den Ländern im Detail Unterschiede bei der Prioritätensetzung auf bestimmte kulturelle Handlungsfelder gibt, erfolgt in der Summe der kulturpolitischen Programmatiken der Länder keine Einschränkung auf Kulturformen, die als spezifisch ländlich angesehen würden. Dies liegt auch in dem weiten Verständnis von Ländlichkeit begründet, das nicht auf Dörfer reduziert ist.
Damit ist in ländlichen Räumen prinzipiell jede Kunst- und Kulturform möglich, die es in Metropolen gibt. Jedoch – so kann man salopp sagen – nicht alles überall: nicht in der gleichen Dichte, selten in der gleichen Größe und oftmals in anderer Ausprägung. Damit öffnet sich das Spektrum der Kulturakteure, die in kulturpolitische Strategien für ländliche Räume einzubeziehen sind. Es entstehen neue Handlungsoptionen, aber auch die Schwierigkeit der Schwerpunktsetzung.
Gesellschaftspolitische Relevanz von Kulturpolitik für ländliche Räume
Kulturelle Teilhabe wird seitens der Landeskulturministerien verstanden als Bildungsprozess, Kultur ist Mittel für und bietet Anlässe zu Kommunikation, Kultur ist Ausdruck von Werteorientierungen und Verhandlungsfeld für Werthaltungen zugleich. In kulturellen Aktivitäten eröffnen sich Freiräume der Selbstorganisation und Erfahrungen der Selbstwirksamkeit, die – so die Hoffnung – zu einer positiven Identifikation mit dem Lebensraum und Lust an seiner Gestaltung beitragen. Somit sind die Erwartungen an Kunst und Kulturarbeit hoch, was diese zur Entwicklung ländlicher Räume beitragen sollen. Mit dem sozialräumlichen Bezug, der mit der expliziten Ausrichtung von Kunst und Kulturarbeit auf ländliche Räume erfolgt, steigt die gesellschaftspolitische Relevanz dieser Thematik. Zugleich begründet er die ressortübergreifenden Ansätze von Kulturpolitik an den Schnittstellen zu Bildungs-, Jugend- und Sozialpolitik, Dorf- und Regionalentwicklung, Tourismus und Wirtschaftspolitik.
Angesichts der negativen Folgen des demografischen Wandels in vielen ländlichen Räumen, nicht nur, aber vor allem in Ostdeutschland, und angesichts der massiven Zunahme rechtspopulistischer Haltungen in den letzten rund zehn Jahren ist die politische Aufmerksamkeit auf die kulturellen Teilhabechancen in ländlichen Räumen gestiegen. Dies ging in vielen Ländern mit einem Aufwuchs an Fördermitteln für Kultur in ländlichen Räumen einher.
Wenn sich – wie im „Superwahljahr“ 2024 – rechtspopulistische Politiker*innen in Gremien auf kommunaler Ebene, in Landesparlamenten wie im Europaparlament etablieren, ist die Zukunft von Kulturakteuren in ländlichen Räumen, die sich der kulturellen Demokratie verpflichteten fühlen, ungewiss. Schon heute leiden Museen, Theater und Kulturzentren auch in ländlichen Kommunen unter Hetze, Angriffen und Mittelkürzungen. Für Kulturschaffende und Engagierte in ländlichen Kulturorten ist die Herausforderung umso größer, wenn die kulturelle Infrastruktur lichter und prekärer und die Netzwerke weitläufiger sind. Hier geht es um nichts Geringeres als den Erhalt der kulturellen Vielfalt in ländlichen Räumen als Element unserer Demokratie.
Kulturpolitische Zielsetzungen für die kulturelle Entwicklung ländlicher Räume
Das Diktum „Kultur für alle“, das sich mit der Neuen Kulturpolitik seit Ende der 1970er Jahre etabliert hat, hat für die Landeskulturministerien bis heute seine visionäre Kraft gewahrt, wenn es auch in unterschiedlicher Weise ausgelegt und verfolgt wird. Es steht für die Zielsetzung, möglichst vielen Menschen in allen Teilregionen des betreffenden Landes Zugang zu Kunst und Kulturschaffen zu ermöglichen, um eine möglichst breite kulturelle Teilhabe in der Bevölkerung zu erreichen. Die Begründungen dafür sind vielfältig. In der Überzeugung, dass kulturelle Teilhabe ein Faktor für Lebensqualität ist, wird sie zum politischen Auftrag der Daseinsvorsorge erklärt, der flächendeckend zu erfüllen sei.
Somit finden Kulturpolitik und Kulturförderung in jeglichem Raum statt, unabhängig vom Grad der Ländlichkeit und der sozioökonomischen Lage. Ein zentrales kulturpolitisches Ziel aller politischen Ebenen, in überlokaler Perspektive insbesondere der Länder, ist der Erhalt bzw. die Schaffung eines vielfältigen und qualitätsvollen Kulturschaffens in allen ländlichen Regionen. Der Fokus liegt somit in der Regel nicht auf ländlichen Gebieten, die unter besonderen strukturellen Herausforderungen leiden.
Angebots- und Nachfrageorientierung
Die – wenn auch spärliche – Besucherforschung zu Kulturnutzung und Kulturinteressen in ländlichen Räumen bestätigt den Zusammenhang zwischen sozialen Dispositionen wie Bildungsgrad, verfügbarem Einkommen und familiärer Kulturaffinität einerseits und Kulturinteresse und Kulturnutzung andererseits. Sie zeigt aber auch, dass die spezifischen Herausforderungen in sehr ländlichen Gebieten, wie große Distanzen und eine geringere Dichte an kulturellen Teilhabemöglichkeiten, Auswirkungen auf das Kulturinteresse und die Kulturaktivität der dort lebenden Bevölkerung haben. Sind Gelegenheiten kultureller Aktivität in akzeptabler Entfernung erreichbar, bilden sich entsprechende Kulturinteressen aus. Mit qualitativen Forschungsansätzen kann zudem gezeigt werden, dass die Vorstellung von einer homogen kulturfernen Landbevölkerung nicht gerechtfertigt ist. Kulturinteressierte, die in ländlichen Räumen leben, nehmen weite Wege in Kauf und besuchen ein breites Spektrum an Kulturangeboten zwischen Laienspiel und Spitzenkunst.
Kulturelle Vielfalt zu erhalten und zu fördern bedeutet somit auch, neben der Berücksichtigung lokaler Interessen auch künstlerische und kulturelle Angebote zu machen, die zunächst nur von einem kleineren Kreis von Kulturinteressierten nachgefragt werden. Die Herausforderung für die Landeskulturpolitiken besteht darin, gemeinsam mit den Kommunen und weiteren Akteuren eine gute Balance zu finden zwischen der Förderung des lokalen Kulturschaffens und Strategien mit auswärtigen Kulturschaffenden, die mit ihren kulturellen Ausdrucksformen möglicherweise zu neuen Sichtweisen anregen. So wird auch von Landeskulturministerien die Position vertreten, dass es in ländlichen Räumen künstlerische wie breitenkulturelle Angebote, professionelle Kunst wie Amateurkultur gleichermaßen braucht, um den vielfältigen Interessen der ländlichen Bevölkerung gerecht zu werden. Dies spiegelt sich in einigen Ländern in einer Vielfalt an kulturpolitischen Förderstrategien.
Kulturpolitische Strategien der Länder für Kultur in ländlichen Räumen
Das aus verschiedenen Gründen verstärkte Problembewusstsein in Politik und Wissenschaft für die aktuellen Entwicklungen in ländlichen Räumen hat zu einem Ausbau der kulturpolitischen Instrumente der Länder geführt. Dies wurde von den meisten der befragten Landeskulturministerien herausgestellt und dies bestätigt auch die Analyse von kulturpolitischen Konzepten und Förderprogrammen im Rahmen der Studie. Aufgrund unterschiedlicher struktureller Gegebenheiten in den Ländern und somit auch unterschiedlich ausgeprägten Herausforderungen für Kultur in ländlichen Räumen unterscheiden sich auch die strategischen Ansätze der zwölf betrachteten großen Flächenländer. Zudem deuten sich historisch bedingt unterschiedliche Politikstile der Länder an, die in je spezifischer Weise ländliche Räume und auch Kultur in ländlichen Räumen adressieren, beispielsweise im Hinblick auf Verantwortungsteilung zwischen Staat und Kommunen oder Governance-Formen, mit denen zivilgesellschaftliche Akteure eingebunden werden.
Rechtliche Rahmenbedingungen
In der Summe verfügen die Länder über eine breite Palette an kulturpolitischen Strategien und Instrumenten, um Kultur zu fördern und somit auch kulturelle Entwicklungen in ländlichen Räumen zu unterstützen. Jedes Land hat den historisch und politisch bedingten Eigenheiten entsprechende Ausprägungen, eigene Schwerpunkte und einzigartige Lösungen. Den kulturpolitischen Handlungsrahmen stecken die Landesverfassungen und Gesetze ab. Mit der verfassungsrechtlich verankerten „Kulturhoheit“ der Länder ist der kulturpolitische Auftrag verknüpft, gemeinsam mit den Kommunen und weiteren Akteuren Kultur zu pflegen und zu fördern.
In allen Ländern gibt es kulturbezogene Gesetze, zumeist auf bestimmte Sparten oder Kulturbereiche bezogen, einschließlich Denkmalschutz und Archivwesen, Bibliotheken, Musik- und Kunstschulen. Umfassende Kulturfördergesetze sind bislang selten. Inwiefern diese rechtlichen Rahmenwerke geeignet sind, ländliche Kommunen und Kulturakteure auch in sehr ländlichen Räumen zu unterstützen, ist wenig bekannt.
Konzeptbasierte Kulturpolitik
Eine konzeptbasierte Kulturpolitik wird aufgrund verschiedener Politikstile seitens der Länder unterschiedlich intensiv verfolgt. Das Instrumentarium aus Kulturkonzepten, kulturpolitischen Leitlinien, Dialogprozessen, Kulturentwicklungskonzepten und Kulturberichten wird nicht von allen, aber vielen Flächenländern genutzt und sehr unterschiedlich ausgestaltet. Auch Programmevaluationen gibt es kaum, sind aber ein wichtiger Baustein zur Qualifizierung der Kulturförderung.
Diese Formen der konzeptbasierten Kulturpolitik erfordern bei allen Beteiligten zeitlichen, finanziellen und auch intellektuellen Einsatz. Dieser wird von vielen Kulturakteuren auf allen Ebenen immer wieder im Kleinen wie auch in groß angelegten Prozessen der Kulturpolitikentwicklung geleistet. Die Studie zeigt, dass kulturpolitische Prozesse, Konzepte und Berichte zur Verständigung über Bedarfe und Potenziale sowie zur Transparenz über Handlungsansätze und Grenzen des Machbaren beitragen. Dieser Aufwand lohnt sich, wenn die Er- und Bekenntnisse weiterverfolgt und in längerfristiges kulturpolitisches Handeln überführt werden (können). Dazu gehört auch eine gute Verzahnung von Kulturkonzepten bzw. Leitlinien mit einem kontinuierlichen Berichtswesen.
Das Thema Kultur in ländlichen Räumen hat in diesem Instrumentarium in den letzten rund zehn Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen. Das Bewusstsein für die Heterogenität der ländlichen Räume ist jedoch wenig ausgeprägt. Entsprechende Ansätze finden sich erst in kulturpolitischen Dokumenten der letzten rund fünf Jahre. Eine Herausforderung bei landesweiten kulturpolitischen Dialogprozessen ist es, Ansprechpartner*innen für Kultur aus sehr ländlichen, strukturschwachen Kommunen zu erreichen. Damit können gerade diejenigen, die vermutlich eine strukturelle Stärkung für ein vielfältiges Kulturschaffen und kulturelle Teilhabe brauchen, ihre Perspektiven kaum einbringen. Hier sind somit regionale und aufsuchende Formate gefragt. Künftig besteht darüber hinaus jedoch die Gefahr, dass diese Instrumente einer dialogorientierten Kulturpolitik durch populistische Kräfte verhindert statt ausgebaut und qualifiziert werden.
Kulturfinanzierung
Die breit angelegte Betrachtung kulturpolitischer Instrumente und Strategien zeigt, dass eine Vielzahl an Akteuren in die Kulturförderung der Länder einbezogen ist. Neben der allgemeinen Projektförderung und gesonderten Förderprogrammen für Kultur in ländlichen Räumen, die seitens der Landesbehörden oder anderer Organisationen umgesetzt werden, können Landeskultureinrichtungen, Kulturpreise, landesseitig geförderte Informationsangebote oder Beratungsstellen in ländlichen Räumen Wirkung entfalten, ohne ihren Sitz in einer ländlichen Gemeinde zu haben. Somit sind Ausgaben aus den Landeskulturhaushalten nicht eindeutig städtischer oder ländlicher Kulturförderung zuzuordnen.
Mit den aktuellen Kulturfinanzstatistiken und -analysen sind keine belastbaren quantitativen Aussagen über die Kulturfinanzierung der Länder zugunsten der kulturellen Entwicklung in ländlichen Räumen möglich. Die exemplarische Betrachtung aktueller Analysen legt nahe, dass sie höher liegt, als zurzeit darstellbar ist. Aufgrund ihrer im Detail unterschiedlichen Kulturverständnisse und der unterschiedlichen Ländlichkeitskonzepte (wenn überhaupt welche zur Anwendung kommen) lassen sie zudem diesbezüglich keine Vergleiche zwischen den Ländern zu.
Für die kulturpolitische Argumentation wäre es jedoch hilfreich, wenn Wirkmechanismen der Landeskulturförderung für ländliche Räume sichtbarer gemacht werden könnten. Zum einen kann damit das Verständnis für aktuelle kulturpolitische Strategien, die in der öffentlichen Wahrnehmung eher nicht ländlichen Räumen zu geordnet werden (z.B. die Förderung von Landesbühnen oder Landeskulturverbänden), als Einsatz für ländliche Räume geschaffen werden. Der Mitteleinsatz ist eine Form von Wertschätzung. Diese kulturpolitische Ressource bleibt mit den aktuellen Berichten und Statistiken zu den Kulturausgaben der Länder und Kommunen ungenutzt. Zum anderen können mit einer hinsichtlich der geografischen Wirkung differenzierten Kulturfinanzstatistik auch „weiße Flecken“ und Desiderate sichtbar gemacht werden.
Regionalisierung und Delegation der Landeskulturförderung
Einige der großen Flächenländer setzen seit vielen Jahren für die Umsetzung ihrer Kulturaufgaben auf die Zusammenarbeit mit landesweiten oder regionalen Akteuren. Dazu werden in der Regel vorhandene Einrichtungen mit zusätzlichen Stellenanteilen und Mitteln ausgestattet, zuweilen aber auch neue Kulturbüros installiert. Die Palette dieser Intermediäre zwischen Landeskulturpolitik und Kulturschaffenden ist breit, ihre Trägerschaftsmodelle sind vielfältig. Kulturstiftungen, Landeskulturverbände, kommunale Verbünde und regionale Organisationen oder Bildungseinrichtungen informieren, beraten und vernetzen in unterschiedlicher Intensität Kulturschaffende und Kommunen. Einige der regionalen Kulturbüros sowie Landeskulturverbände setzen Landesförderprogramme um oder organisieren zumindest die fachliche Projektauswahl. Für die Installation und den dauerhaften Betrieb regionaler Kulturbüros spielen die Landkreise (Politik und Verwaltung) eine große Rolle. Somit ist eine gute Abstimmung zwischen lokaler, regionaler und Landesebene notwendig.
Regionale Beratungs- und Vernetzungsstellen sind oftmals mit ein, zwei Stellen personell gering ausgestattet. Einjährige Finanzierungsmodelle sind belastend und hemmen perspektivische Entwicklungsarbeit. Zudem scheint nicht jedes Modell regionaler Kulturbüros geeignet zu sein, Kulturschaffende und Engagierte in sehr ländlichen Gemeinden zu erreichen. Zuweilen sind dazu die Regionen zu groß oder die Personalausstattung zu gering. Aufsuchende Beratungsangebote, die kulturelle Kooperationen zwischen Kulturschaffenden initiieren und unterstützen sollen, sind so kaum leistbar.
Die Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure wie Landeskulturverbände in landespolitische Strategien hat mehrere Seiten: Spartenverbände verfügen über gute Zugänge zu ihrem kulturellen Feld, kennen die Bedarfe ihrer Mitglieder, auch derer in ländlichen Räumen, und können – bei entsprechender Landesförderung – kleinteiligere Förderprogramme und regionale Vernetzungsangebote umsetzen. Nicht alle Länder nutzen diese Potenziale. Zugleich ist dieser Governance-Ansatz ambivalent. Wenn Verbände zu Dienstleistern für Landeskulturministerien werden, stehen sie in der Gefahr, ihre eigenen Aufgaben aus den Augen zu verlieren und ihr kritisches Potenzial einzubüßen.
Fördergegenstände: Orte und Kulturschaffende
Ein zentrales Ziel der Landeskulturpolitiken ist die Erhaltung und Gestaltung der kulturellen Infrastruktur in ländlichen Räumen als Teil der Daseinsvorsorge. Der kulturpolitische Auftrag besteht darin, die Kulturorte und die Kulturschaffenden, die diese mit Kunst und Kulturarbeit füllen, zu sichern und Entwicklung zu ermöglichen. Ein Ansatz ist das Konzept der Dritten Orte, die neben dem Zugang zu Kunst und Kultur auch soziale Funktionen übernehmen, indem sie Anlässe für Begegnung, Geselligkeit und den Austausch über lokale Themen schaffen. Überschneidungen gibt es mit den Konzepten „regionale Anker“ und „kulturelle Knotenpunkte“. Auch diese sollen zuweilen als Dritte Orte fungieren, sie sind jedoch stärker darauf ausgerichtet, als regionale „Leuchttürme“ ihren Wirkungskreis weit über ihre Sitzgemeinde hinaus zu entwickeln.
Mit den Landesförderungen der genannten Konzepte ist der Auftrag verbunden, bürgerschaftliches Engagement einzubeziehen und zu stärken. Zugleich werden durch diese Programme Strukturen gestärkt und Fachkräfte gebunden, indem hauptamtliche Stellen für das Kulturmanagement an diesen Orten geschaffen werden.
Die meisten Länder betonen die Mehrgleisigkeit der Landeskulturpolitik für ländliche Räume: Sowohl „Leuchttürme“ als auch Breitenkultur seien wichtige Bausteine für die kulturelle Vitalität und Attraktivität ländlicher Räume. So werden auch Kultureinrichtungen landesseitig gefördert, die nicht nur von der lokalen Bevölkerung, sondern auch aus dem Umland genutzt werden – ob die Menschen zu ihnen kommen oder ob sie mobil unterwegs sind. Mit dem Hinweis auf die kulturelle Grundversorgung ist damit die kulturpolitische Erwartung verbunden, Baustein in einem vielfältigen Kulturangebot vor Ort zu sein, um möglichst vielen Menschen einen Zugang zu Kunst, Kultur und Kultureller Bildung in ländlichen Räumen zu bieten.
Fördergegenstände: Konzepte und regionale Vernetzung
Interkommunale bzw. regionale Kooperationen zwischen Kulturakteuren, wie sie den regionalen „Leuchttürmen“ in der Regel zugrunde liegen, sind ein weiterer wichtiger Handlungsansatz zur Sicherung und Stärkung der kulturellen Infrastruktur. Durch Abstimmung, Kooperationen und die Bündelung von Funktionen sollen Synergien geschaffen und die Finanzierbarkeit sichergestellt werden.
Um Klärung über die möglichen Kooperationen oder sich ergänzende Kulturangebote herbeizuführen, fördern einige Länder interkommunale Kulturentwicklungsplanungen. Dieses Förderangebot steht jedoch vor einigen Hürden. Dazu gehören Konkurrenzen zwischen Kommunen und Profilierungsbestrebungen sowie gerade in strukturschwachen Kommunen der Mangel an Fachkräften, die diese Prozesse organisieren können. Somit stellt sich die Frage, wie die landesseitige Förderung interkommunaler Kulturentwicklungsprozesse konzipiert sein muss, um Wirkung in ländlichen Räumen zu entfalten – dort, wo diese kulturpolitischen Dialogformate gebraucht werden.
Projekt-, Prozess- und Entwicklungsförderung
Es gibt gute Gründe für kürzere Projekte in Form von Events, Festivals, Kreativangeboten, künstlerischen Interventionen oder Künstlerresidenzen in ländlichen Räumen. Denn sie sind geeignet, in sehr ländlichen, strukturschwachen Gemeinden durch temporäre Strukturen und neue Ideen kulturelle Initiativen anzuregen. Bei der Umsetzung von derartigen Förderprogrammen ist die oben angesprochene Balance zwischen Vorhandenem, Gewünschtem und Inspiration durch Unbekanntes wichtig. Es wird auch von erfahrenen Kulturschaffenden, die temporär in ländlichen Räumen arbeiten, die Sensibilität für vorhandene kulturelle Aktivitäten und deren Wertschätzung angemahnt.
Für Entwicklungsaufgaben, insbesondere die Entwicklung von Kulturorten zu Dritten Orten oder regionalen „Leuchttürmen“, werden von einigen (wenigen) Ländern größere und längerfristige Förderungen gewährt. Bewährt haben sich dafür Förderzeiträume von mindestens sechs Jahren, die in zwei, drei Förderphasen geteilt werden. Eingeschlossen ist in diese Förderungen zumeist eine Phase der Konzeptentwicklung, mit der unter anderem die lokale Verankerung und die Unterstützung der Kommune bzw. des Landkreises sichergestellt werden sollen.
Dennoch bleibt es auch bei diesen längerfristigen Förderungen insbesondere für Kulturakteure in strukturschwachen Regionen eine Herausforderung, die Finanzierung dieser Orte durch die Übernahme der Personal- und Betriebskosten durch Kommunen, Landkreise oder Dritte auf Dauer zu stellen. Dieses Problem der Verstetigung von guten Ansätzen betrifft nicht nur Kulturorte, sondern auch spezielle Angebote der regionalen Vernetzung und Beratung oder der Förderpraxis z.B. von regionalen Intermediären, Landesverbänden oder Stiftungen.
Für die letzten Jahre kann zwar ein Aufwuchs an Fördermitteln für Kultur in ländlichen Räumen auf Bundes- und Länderebene sowie bei Kulturstiftungen festgestellt werden. Ein Großteil dieser Programme, die von den Behörden, Stiftungen oder Landeskulturverbänden umgesetzt werden, hat jedoch relativ kleine Programmvolumina und eine kurze Laufzeit von nur einem Jahr. Zuweilen gibt es eine Verlängerung, aber viele Programme verschwinden nach wenigen Jahren wieder. Diese Praxis kurzlebiger Förderprogramme erfordert bei den Kulturakteuren, die ohne öffentliche Finanzierung ihr Angebot nicht aufrechterhalten können, einen permanenten Aufwand für die Suche nach neuen Förderprogrammen. Dies gilt auch für die kommunale Ebene: Nicht jede ländliche Kommune, nicht jeder Landkreis sieht sich in der Lage, den Aufwand für die Beteiligung an Landes- oder Bundesprogrammen zu leisten.
Ein generelles Problem der Projektförderung – auch die Prozessförderung erfolgt letztlich in Projektform – ist ihre Wettbewerbslogik. Damit stehen Projektträger mit unterschiedlichen Kontextbedingungen in Konkurrenz um Fördermittel. Insbesondere bei einer geringen Förderquote bzw. kleinen Programmvolumina ist die Auslese härter. Die Ausschreibungspraxis im Wettbewerb um die besten Konzepte steht dem häufig formulierten Anspruch, Kultur in strukturschwachen, ländlichen Regionen zu fördern, entgegen.
Anpassung von Förderinstrumenten an spezifisch ländliche Bedingungen
Gesonderte Förderbedingungen für ländliche Kulturakteure mit geringeren personellen und finanziellen Ressourcen, damit diese an der Landeskulturförderung partizipieren können, sind eher die Ausnahme denn die Regel. Zu diesen Sonderkonditionen gehören Förderanteile von 80, 90 bis zu 100 Prozent, wobei über Letztere zumeist fallbezogen entschieden wird. Zunehmend werden unbare Leistungen wie ehrenamtliche Arbeit als Eigenanteil in Förderrichtlinien akzeptiert. Auch die Vergabe von Klein- oder Mikrozuschüssen oder so genannten „Feuerwehrtöpfen“ von unter 1.000 bis 2.000 Euro wird zunehmend praktiziert, wobei sie für die Vergabestellen relativ großen Aufwand bedeuten. Diese für kleinere Häuser und ehrenamtliche Träger entwickelten Instrumente, die von großer Bedeutung für ländliche Kulturakteure sind, werden daher zumeist von regionalen Kulturbüros bzw. Behörden, von Stiftungen oder Kulturfachverbänden umgesetzt. Weitere Fördermodalitäten wie Förderpauschalen sind denkbar, scheinen aber bislang selten umgesetzt zu werden.
Eine Flexibilisierung von Förderbedingungen, insbesondere die Begünstigung von Kulturakteuren mit strukturellen Hemmnissen, bedeutet aufseiten der Landeskulturministerien bzw. der Umsetzungsstellen Aufwand. Für die Förderung prekär aufgestellter Kulturakteure in ländlichen Räumen ist sie jedoch unabdingbar.
Ressortübergreifende Ansätze der Länder
Kultur kann zur Attraktivität von ländlichen Regionen beitragen. Aber diese Regionen müssen auch für Kulturfachkräfte attraktiv sein. Für gute Lebens- und Arbeitsbedingungen für Künstler*innen und Kulturschaffende in ländlichen Räumen sind andere Politikfelder wie Bildung, Verkehr- und Landesentwicklung, Jugend, Soziales und Tourismus mindestens ebenso relevant wie die Kulturpolitik. Dabei geht es beispielsweise um guten ÖPNV, Arbeit und Bildung für die Familie oder für Kunst und kulturelle Aktivitäten geeignete Räumlichkeiten.
Eine Aufgabe der Landeskulturpolitik besteht folglich darin, in den anderen Ressorts für Mittel zur Ertüchtigung der allgemeinen Infrastruktur in sehr ländlichen Räumen zu werben und bereichsübergreifende Kooperationen beispielsweise mit Schulen oder Wissenschaftseinrichtungen durch ressortübergreifende Initiativen und Instrumente zu stärken. Es gibt gute Beispiele für ressortübergreifende Gremien, an denen die Kulturressorts beteiligt sind. Förderlich ist auch die Berücksichtigung kultureller Perspektiven und Problemlagen in den Strategien anderer Fachpolitiken. In einigen Ländern gibt es ertragreiche Abstimmungen zwischen dem Kulturressort und dem Bildungsbereich oder dem Ressort für ländliche Entwicklung, die auch zu gemeinsamen Förderprogrammen bzw. Komplementärfinanzierungen von Kulturprojekten führen.
Die ressortübergreifende Zusammenarbeit ist jedoch – wenn auch in den Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägt – insgesamt wenig systematisch entwickelt. Die Verknüpfung von kulturellen Entwicklungsprojekten und Fördermitteln anderer Ressorts bedarf oftmals der Initiative Einzelner in kommunalen, regionalen und Landesbehörden, in Vereinen und Organisationen mit entsprechenden Kenntnissen.
Weite Ländlichkeitskonzepte und ihre kulturpolitischen Konsequenzen
In den Landeskulturpolitiken herrscht ein weiter Begriff von ländlichen Räumen vor, mit dem die gesamte Fläche außerhalb großer Städte bezeichnet wird. Mit weiten Gebietskulissen für Förderprogramme zugunsten von Kultur in ländlichen Räumen soll sichergestellt werden, dass keine Kulturakteure sowie generell Akteure, die das Kulturschaffen und die kulturelle Teilhabe in ländlichen Räumen unterstützen können, von einer Förderung ausgeschlossen werden. Diese sind oftmals in Klein- und Mittelstädten angesiedelt, daher haben sie wichtige Funktionen für die kulturelle Vielfalt in ländlichen Räumen. Zudem sollen auch dörflich geprägte Gebiete in Verdichtungsräumen von der Kulturförderung profitieren.
Uneindeutigkeit von „Ländlichkeit“ als kulturpolitische Kategorie
Die Studie zeigt mit einem Perspektivwechsel zwischen Kulturpolitik und Kulturforschung einerseits und den raumbezogenen Politiken und der Raumforschung andererseits, dass die als ländlich bezeichnete Fläche außerhalb der großen Städte nicht nur sehr heterogen und keineswegs per se strukturschwach oder „abgehängt“ ist. Nicht jede ländliche Gemeinde, nicht alle Kulturakteure in ländlichen Räumen sind gleichermaßen förderbedürftig. Um adäquate kulturpolitische Strategien und Förderprogramme auflegen zu können, brauchen die Kulturministerien jedoch Wissen über die sozialräumlichen und strukturellen Bedingungen in den ländlichen Gebieten, deren kulturelle Lage jeweils verbessert werden soll.
Um den Grad der Ländlichkeit und die sozioökonomische Lage differenziert darstellen zu können, bietet die Raumforschung verschiedene Typisierungen an, die in der Kulturpolitik aber kaum zur Anwendung kommen. In den meisten Bundesländern operiert die Landesplanung mit zwei, gelegentlich drei Kategorien ländlicher Räume, die von einigen Landeskulturministerien für kulturpolitische Konzepte und Förderprogramme genutzt werden. In anderen Ländern stehen keine Kategorisierungen ländlicher Räume seitens der raumbezogenen Politiken zur Verfügung. Es zeigt sich allerdings, dass diese Ländlichkeitskonzepte für Kulturförderung und Kulturforschung in der Regel zu großflächig sind und kleinräumigere Abgrenzungen unterschiedlicher ländlicher Lagen vonnöten sind. Die Herausforderung besteht darin, zugleich die vorhandenen wie auch notwendigen Verflechtungen von urbanen und ländlichen Räumen in allen Lebensbereichen (so auch Kultur) zu berücksichtigen.
Für einen Austausch auf Länderebene ist erschwerend, dass die Kriterien und Schwellenwerte für die Abgrenzung ländlicher von urbanen Räumen oder prosperierender ländlicher Räume von strukturschwachen unterschiedlich sind – je nach Zweck der Raumkategorisierung und Bezugsraum. Damit sind Aussagen über die Bevölkerungszahl, die Wirtschaftskraft oder die kulturelle Lage in ländlichen Räumen zwischen den Ländern nicht vergleichbar.
Nichtvergleichbarkeit der Kulturforschung zu ländlichen Räumen
Die anwendungsbezogene Kulturforschung, beispielsweise zur kulturellen Infrastruktur, zum Kulturpublikum und Kulturinteressen in ländlichen Räumen, ist eine wichtige Grundlage für die Landeskulturpolitiken für ländliche Räume. Jedoch werden auch in den Forschungsarbeiten unterschiedliche Raumabgrenzungen genutzt. Neben eigenen Konzepten (z.B. nach Einwohnerzahl) werden Abgrenzungen der Raumforschung oder raumbezogenen Politiken verwendet, meistens in dichotomer Zuspitzung, um Unterschiede zwischen Stadt und Land festzustellen. Außerdem fokussieren sie zumeist einzelne Sparten oder Kulturformen und beschränken sich räumlich aus nachvollziehbaren Gründen auf Kommunen, Kreise oder Länder.
Die Ergebnisse von Kulturstatistiken, Bestandserhebungen, Bevölkerungsbefragungen oder Besucherforschungen lassen keine zusammenfassenden oder vergleichenden Aussagen über das Kulturschaffen oder die kulturelle Teilhabe in den ländlichen Räumen Deutschlands zu. Kulturforschung mit undifferenzierten Ländlichkeitskonzepten leistet vielmehr pauschalisierenden Aussagen über ein wenig ausdifferenziertes Kulturschaffen und gering ausgeprägte Kulturinteressen in ländlichen Räumen Vorschub, wenn Ergebnisse aus bestimmten Dörfern oder statistische Mittelwerte im Vergleich zu Großstädten auf alle ländlichen Räume übertragen werden. Sie verstärken Homogenitätsvorstellungen von der Bevölkerung in ländlichen Räumen und werden somit der – je nach betrachtetem Raum – tatsächlichen Vielfalt an Kunst, kulturellen Aktivitäten und Interessen nicht gerecht. Die Menschen, die in ländlichen Gemeinden professionelle Kunst schaffen und kulturelle Experimente organisieren bzw. daran interessiert sind, bleiben bei diesen Nivellierungen unsichtbar.
„Strukturschwäche“ - ein kulturpolitisch unterthematisiertes Phänomen
Anders als in den raumbezogenen Politiken und der Raumforschung wird das Thema Strukturschwäche im aktuellen kulturpolitischen Diskurs eher gemieden. Ein Grund mag sein, dass die Zuschreibung von Strukturschwäche an bestimmte Gebiete negative Effekte auf die Selbst- wie auch die Fremdwahrnehmung haben kann. Dafür ist der Kulturbereich sensibel. Ein anderer Grund wird sein, dass nicht allen Landeskulturministerien anwendbare Kriterienkataloge oder Gebietskulissen für die Identifikation strukturschwacher Gebiete zur Verfügung stehen. Für einen länderübergreifenden Austausch und die Kulturforschung kommt erschwerend hinzu, dass die amtliche Ausweisung von Strukturschwäche anhand sozioökonomischer und struktureller Kennzahlen in den Ländern in unterschiedlicher Weise erfolgt, so dass die derart kategorisierten Gebiete zwischen den Ländern nicht vergleichbar sind. Zudem sind Finanz- oder Strukturschwäche kleinräumige Phänomene, auch benachbarte Gemeinden können in dieser Hinsicht sehr unterschiedlich sein. Die Beurteilung guter Förderpraxis für Kultur in ländlichen Räumen hat also immer auch diese Kontextbedingungen zu berücksichtigen, die zudem einem Wandel unterliegen. Und schließlich – auch das ist kulturpolitisch eine relevante Frage – ist der Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Strukturschwäche und kultureller Vitalität einer Gemeinde oder Region nicht notwendigerweise vorauszusetzen.
Mit weiten Ländlichkeitskonzeptionen und undifferenzierten Gebietskulissen ist es jedoch kaum möglich festzustellen, welche kulturpolitischen Strategien und Förderprogramme Kulturakteure und ländliche Kommunen mit schlechten strukturellen Voraussetzungen unterstützen. Einige Landeskulturministerien haben Formen gefunden, fallbezogen die Struktur- oder Finanzschwäche einer ländlichen Kommune bei Förderentscheidungen zu berücksichtigen.
Systematische kulturpolitische Strategien für die Förderung von „kulturell strukturschwachen“, also solchen, die keine Kulturfachkraft im Rathaus haben und keine Kulturförderung oder Kulturarbeit leisten (können), sind aktuell jedoch nicht erkennbar. Vielmehr setzen Landesprogramme vielfach das Engagement von Kommunen voraus. Viele Landeskulturministerien hoben als kulturpolitischen Ansatz für die Aktivierung „kulturell strukturschwacher“ Kommunen die Bindung von Fördermitteln für Kulturprojekte an einen kommunalen Finanzierungsanteil hervor. Hier stellt sich die für die gesamte Studie zentrale Frage, ob sehr ländliche, finanz- oder strukturschwache Kommunen mit solchen Fördermaßnahmen erreicht werden.
Desiderat: Wissensbasierte Kulturkonzepte für ländliche Räume
Im Ergebnis zeigt die breit angelegte Analyse, dass die Länder über viele sehr unterschiedliche kulturpolitische Instrumente für die Unterstützung von Kulturschaffen und kultureller Teilhabe in ländlichen Räumen verfügen. Die Vielfalt der ländlichen Räume wird zwar zunehmend in kulturpolitischen Konzepten und auch mit einigen Förderprogrammen berücksichtigt; insgesamt spielen die unterschiedlich ausgeprägten Chancen und Hemmnisse für Kulturakteure in ländlichen Räumen in der kulturpolitischen Praxis jedoch noch eine zu geringe Rolle. Dafür gibt es viele Gründe, unter anderen die Notwendigkeit, die Förderinstrumente für alle Beteiligten möglichst einfach zu gestalten. Zudem braucht es dazu differenziertes Wissen über die kulturelle Lage in den ländlichen Räumen. Die Gefahr ist, dass Projektträger mit unterschiedlichen Kontextbedingungen in Konkurrenz um Fördermittel stehen. Die Ausschreibungspraxis im Wettbewerb um die besten Konzepte steht somit dem Anspruch entgegen, Kultur auch in strukturschwachen, ländlichen Regionen zu fördern.
Die kulturpolitische Herausforderung für die Länder besteht somit darin, Strategien und Förderinstrumente zu entwickeln, die einerseits der Vielfalt des kulturellen Schaffens und der Kulturinteressen in ländlichen Räumen gerecht werden und andererseits auch Kulturakteure und ländliche Kommunen mit schlechten strukturellen Voraussetzungen unterstützen. Denn mit einer Dichotomisierung von Stadt und Land oder einer schematischen Einteilung von Metropole und sie umgebende Fläche können die kulturellen Spezifika suburbaner Gemeinden, ländlich gelegener Klein- und Mittelstädte oder weiträumig dünn besiedelter Regionen nicht erfasst werden.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in wissensbasierten Kulturkonzepten sowie Dialogprozessen zwischen den Beteiligten in den Bereichen Kunst und Kulturschaffen, Kulturarbeit sowie Kulturpolitik und -verwaltung auf lokaler, regionaler, Landes- und Bundesebene. Sie sind wichtige Grundlagen für die Entwicklung passgenauer Strategien und Instrumente für Kulturförderung generell und so auch für die vielfältigen kulturellen Bedarfe in ländlichen Räumen.