Kulturelle Bildung zwischen kultur-, bildungs- und jugendpolitischen Entwicklungen: 50 Jahre der BKJ – eine Analyse
Der Zusammenschluss der Kulturellen Bildung, die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ), wurde 2013 ein halbes Jahrhundert alt. Als Dachorganisation von aktuell 56 Fachorganisationen vereint die BKJ Verbände und Institutionen, die:
- in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit angesiedelt sind,
- in den Künsten verankert sind,
- ihre Profession in und an der Schule sehen sowie
- 14 Landesvereinigungen und
- drei Bundesakademien.
Die BKJ setzt sich ein für ein gelingendes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in und durch Künste und ästhetische Praxis; quer durch alle Sparten und Institutionen und auf allen Ebenen: In den Kommunen und Ländern sowie im Bund und internationalen Kontext. Mit ihrem Namen verbinden in der Gegenwart KünstlerInnen und PädagogInnen ebenso wie MitarbeiterInnen aus Wissenschaft, Verwaltung und Politik kultur-, bildungs- und jugendpolitische Fachdiskurse und Entwicklungen – in Theorie und Praxis zugunsten von Persönlichkeitsbildung und ästhetischen Lernens in aller Pluralität.
Gegliedert in fünf Etappen werden in meiner Dissertation die fünf Dekaden der Bundesvereinigung dargestellt:
- Gründung der Bundesvereinigung Musische Jugendbildung 1963 und ihre Etablierung als bundesweiter Dachverband
- Von der Musischen zur Kulturellen Bildung: Die ehrenamtlichen Jahre der Bundesvereinigung in bewegten Zeiten
- Kulturpädagogische Reformen und Professionalisierung ‚von unten’, die das soziokulturelle Selbstverständnis der BKJ erneuerten
- Vereintes Deutschland und Europa: Auf neuen Wegen national und international
- Aktualität der Kulturellen Bildung im 21. Jahrhundert.
Gerahmt von der jeweiligen Zeitgeschichte und den Aktualitäten von Kultur, Bildung/Schule und Jugend entfaltet(e) sich die Kulturelle Bildung mit ihren Akteuren, Handlungsfeldern, Einrichtungen und Strukturen.
Gründung der Bundesvereinigung Musische Jugendbildung und ihre Etablierung als bundesweiter Dachverband
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verhalf die Sehnsucht der Menschen nach einer heilen Welt der Musik schnell wieder zu Ansehen. Die Musik-, Tanz- und Spielgruppen und -vereine vor Ort gründeten mit den Jahren die jeweiligen landes- und bundesweiten Organisationen innerhalb der jeweiligen Sparte und der Kirchen.
Die Gründer der Verbände der musischen Jugendbildung auf Bundesebene hatten ihre kulturellen und geistigen Wurzeln zumeist in der Jugendmusikbewegung der 1920er Jahre. In den Jahren des Nationalsozialismus wurde die Jugend vorbei an Elternhaus und Schule durch die mannigfaltigen Angebote der Hitlerjugend und dem Bund deutscher Mädel – durch kulturelle Aktivität mit inhaltlicher Programmatik – in ihren Bann gezogen. (Selbst-)Singen und -Musizieren nahm einen hohen ideologischen und gesellschaftlichen Stellenwert ein. Die Reichsjugendführung forcierte unter anderem den Aufbau der kommunalen ‚Musikschulen für Jugend und Volk’ mit dem Ziel, möglichst allen Jugendlichen einen qualifizierten, preisgünstigen Musikunterricht anbieten zu können.
Die junge BRD förderte in ihrem ersten Jugendplan 1950 das deutsch-französische Chortreffen auf der Loreley und folgend die Veranstaltungen ‚Festliche Tage – Junge Musik’ in den Jahren 1952, 1954, 1957, 1962 sowie 1966 (Tetzner 1994:10). Um gemeinsam die Anerkennung und Förderung der musischen Bildung in der Öffentlichkeit zu stärken, bildeten die Fachverbände bundesweite Strukturen: 1955 den ‚Arbeitsausschuß zur Förderung von Musik, Spiel und Tanz in der Jugend’, der 1962 in die ‚Bundesarbeitsgemeinschaft Musische Jugendbildung’ überging. Mit dem Ruf ‚Zur Notlage der Musikerziehung und Musikpflege’ 1953 und der ‚Denkschrift zur Errichtung von musischen Bildungsstätten in der BRD’ 1956 hatten die Vertreter der musischen Jugendbildung gemeinsame Positionen manifestiert und legten den Grundstein der Musischen Bildungsstätte Remscheid, die 1958 ihren Kursbetrieb aufnahm.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Musische Jugendbildung vereinte zwölf Mitglieder: Acht Verbände aus dem Musik-, zwei aus dem Theater- und jeweils einen aus dem Tanz- und Medienbereich. Vertreter dieser Verbände gründeten am 28. November 1963 die Bundesvereinigung Musische Jugendbildung e.V. (Bockhorst/Gondolf/Ortmann 1983:16). In der Bundesvereinigung schlossen sich bundesweite Verbände der zumeist ehrenamtlich geleiteten Laiengruppen und -vereine aus den Bereichen (Volks-)Musik, -Theater und -Tanz zusammen, die in ihrer Tätigkeit einen erzieherischen, jugend- und volksbildnerischen Ansatz (Braak 1966:11) sahen.
Die Bundesvereinigung war seit Anbeginn aufs Engste verknüpft mit der Akademie Remscheid. Viereinhalb Jahrzehnte war der jeweilige Direktor der Akademie Remscheid unisono der Vorsitzende der Bundesvereinigung, namentlich Wilhelm Twittenhoff, Bruno Tetzner und Max Fuchs.
Von der Musischen zur Kulturellen Bildung: Die ehrenamtlichen Jahre der Bundesvereinigung in bewegten Zeiten
Die Jugend in der BRD wuchs in Freiheit auf. Der Respekt vor den Autoritäten wie Polizei, Armee und Kirche schwand. 1968 ging in die Annalen als das Jahr der Revolte der Jugend und des Protestes gegen fragwürdige gesellschaftliche Konventionen und Zwänge ein. Die junge Generation ließ sich mehrheitlich nicht mehr in den bisherigen Organisations- und Gesellschaftsformen einbinden und stellte die musische Bildung mit ihren bisherigen Konzepten und Praktiken in Frage. Einer Abkehr von der musischen Bildung bedurfte es, um nicht als unpolitischer, traditioneller ‚Klüngel’ ins Abseits zu geraten, sondern entsprechend dem Zeitgeist mit neuen Konzepten junge Menschen an anderen Orten anzusprechen.
Dieser Aufbruch reformierte nachhaltig das gesamtstaatliche Bildungssystem und die Bundesvereinigung Musische Jugendbildung, die mit ihrer musischen Vergangenheit abschloss und sich 1971 in Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung umbenannte. Hatte man in der musischen Betätigung hauptsächlich einen Beitrag zur Persönlichkeitsbildung gesehen, wurde nun das Augenmerk auf die Außenwirkung Kultureller Bildung, auf die soziale Funktion gerichtet (Wabnitz 1994:11). Dieser Paradigmenwechsel führte dazu, dass die handwerklich-künstlerischen Aspekte teilweise völlig zurück traten zugunsten von Spontaneität und Kreativität. Kulturelle Bildung wurde daran gemessen, was sie zum Sozialverhalten junger Menschen beitrug.
Die ehrenamtliche Zeit der BKJ endete 1974 mit der Einstellung des ersten hauptamtlichen Mitarbeiters und der Etablierung einer Geschäftsstelle in der Akademie Remscheid. Die BKJ wuchs bis 1974 auf 21 Mitgliedsorganisationen an und konnte das Mitgliedsspektrum vor allem in Theater- und Filmbereich ausweiten, jedoch auch die Rhythmik und das schöpferische Werken kamen hinzu.
Die kulturpädagogische Reform und Professionalisierung ‚von unten’, die das soziokulturelle Selbstverständnis der BKJ prägten
Rückenwind erhielt die Kulturelle Bildung durch den 1977 erschienenen Ergänzungsplan des Bildungsgesamtplanes ‚Musisch-kulturelle Bildung’. Dieser gab richtungweisend konzeptionelle Impulse zur Förderung kultureller Jugendbildung in den Ländern und Kommunen sowie den Organisationen der Kultur- und der Jugendarbeit. Der Ergänzungsplan befürwortete die Zusammenarbeit von Schule und Trägern der außerschulischen musisch-kulturellen Bildung und gab mittels Modellprojekten Anregungen zur Verbesserung und Weiterentwicklung des Arbeitsfeldes. Analog wurden die Mittel für die Bildungsforschung ebenso wie für die kulturelle Jugendbildung innerhalb des Bundesjugendplans erhöht.
Im ‚Internationalen Jahr des Kindes’ 1979 initiierte die BKJ die KinderKulturWochen. Mit diesem Konzept gelang es ihr erstmals bundesweit, in den Kommunen die Aktivitäten ihrer Mitglieder zu bündeln und Partner aus den Bereichen Kultur und Jugend für die Realisierung von Kulturprojekten mit Kindern zu gewinnen. Durch die Untermauerung mit konkreten spielerisch-methodischen Ansätzen (Kolland 1979:7) begründete die BKJ das Arbeitsfeld der Kinderkulturarbeit. Die Angebote der KinderKulturWochen erreichten jedoch selten Kinder im ländlichen Raum ebenso wie ausländische Kinder. Dementsprechend waren ‚Kulturarbeit mit Kindern und Jugendlichen auf dem Lande’ sowie ‚Kulturarbeit mit Ausländerkindern’ die Themen der Folgezeit.
Mit der Setzung der ‚Jugend in der Kulturplanung - Kultur in der Jugendplanung’ unterstützte die BKJ strategisch die Verankerung der Kinder- und Jugendkulturarbeit in den kommunalen Kulturentwicklungs- und Jugendhilfeplänen. Langfristiges Ziel war die finanzielle Absicherung der Angebote und Projekte vor Ort.
Schwerpunkte der Dekade waren zudem konzeptionelle Diskussionen um Formate der Wettbewerbe, die Einbeziehung der Theater-, Literatur- und Medienbereiche in die fachlichen Diskussionen des Dachverbandes sowie der Jugend-Kultur-Tag im ‚Internationalen Jahr der Jugend’ 1985, mit dem die BKJ jedoch nicht an den einstigen Erfolg der KinderKulturWochen anknüpfen konnte.
Das Feld der Kinder- und Jugendkulturarbeit entwickelten sich in dieser Zeit dynamisch weiter. Neue Arbeitsformen und Inhalte der Jugendkunstschulen, Spielmobile, Kindermuseen, der Freien Theater und Kinos, der Medienprojekte, der Soziokulturellen- und Stadtteilzentren bestimmten die lokalen Aktivitäten und Szenen, die fern der eher elitären musischen-künstlerischen Bildung die Alltags- und Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen in den Blick nahmen (Schneider 2010:6). Diese Bewegungen organisierten sich zunehmend auf Bundesebene und gründeten acht Bundesverbände. Die Anzahl der Mitglieder wuchs von 26 Mitgliedern 1980 auf 31 1990, darunter waren sechs Landesvereinigungen.
Viel Energie steckte der BKJ-Vorstand in dieser Dekade in die Gründung von Landesvereinigungen Kulturelle Jugendbildung (LKJ), um auch auf föderaler Ebene ein Netzwerk von freien Trägerstrukturen zu stärken, welches sich für die Interessenvertretung Kultureller Bildung und hohe Fachlichkeit auf der Ebene der Länder einsetzen konnte. Für den Dachverband fungierten die LKJs wiederum als wichtige Partner in BKJ-Modellprojekten oder als landesweite Träger im Freiwilligen Sozialen Jahr Kultur. Ein oder zwei LKJ-VertreterInnen waren stets im BKJ-Vorstand präsent.
1990 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG). Der BKJ gelang es, die Kulturelle Bildung als einen Schwerpunkt der Jugendarbeit in den §11 ebenso wie in die Novellierung des Kinder- und Jugendplanes des Bundes (KJP) 1994 einzubringen. Diese gesetzlich bundeseinheitlichen Rechtsgrundlagen sichern seitdem kontinuierlich die (infrastrukturelle) Arbeit der bundesweiten Dachverbände und dienen ebenso zur Orientierung der Kinder- und Jugendkulturarbeit auf föderaler und kommunaler Ebene.
Vereintes Deutschland und Europa: Die BKJ auf neuen Wegen national und international
Mit der Wiedervereinigung und der Schaffung der europäischen Wirtschaftsunion begannen die 1990er Jahre mit tiefgreifenden politischen Veränderungen. Analog vollzog sich die Erneuerung der BKJ. Mit der BKJ-Vorstandswahl 1991 rückte eine junge Generation nach. Einen quantitativen und qualitativen Aufschwung erfuhr der Verein 1992: Innerhalb eines Jahres wurden zehn Verbände und Institutionen aufgenommen.
Die BKJ konnte dank der Förderung durch die Stiftung Jugendmarke 1990 das Projekt BKJ-Projektdatenbank Jugendkulturarbeit starten. Die Anschlussförderung des Bundesjugendministeriums verhalf der BKJ über ein Jahrzehnt themen- und spartenspezifische Projekte der Kinder- und Jugendkulturarbeit vor Ort bundesweit zu publizieren und somit das Arbeitsfeld zu vernetzen und zu qualifizieren. Die BKJ gewann damit ein professionelles Profil.
Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung ermöglichte das Programm ‚Aus- und Aufbau freier Träger in den fünf neuen Bundesländern’ (AFT-Programm) des Bundesjugendministeriums der BKJ – und den Mitgliedsverbänden Jeunesses Musicales Deutschland, BAG Spiel und Theater, dem Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der BRD sowie dem Bundesverband Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen – den Aufbau der LKJ-Strukturen in den neuen Bundesländern – das war in Hessen, Bayern und Hamburg noch nicht erreicht worden – und die Etablierung stabiler (ehrenamtlicher) Landesstrukturen der Fachverbände. Der BKJ glückte die Implementierung der (musisch-) kulturellen Bildung in den Landesjugendplänen der fünf neuen Bundesländer. Die zehnjährige Förderperiode erlaubte die Qualifizierung der MitarbeiterInnen der Jugend-, Bildungs- und Kultureinrichtungen für die vereins-, betriebswirtschaftliche und kulturpädagogische Praxis. Allerdings konnte die BKJ die Potentiale der Kinder- und Jugendkulturarbeit in der DDR und den hohen gesellschaftlichen Stellenwert (Prautzsch 1994:4), den sie gehabt hatten, nicht sichern. Das (Selbst-)Verständnis der einrichtungsübergreifenden Kooperationen und die Wirkung (kultureller) Bildung auf Kinder und Jugendliche ebenso wie auf ErzieherInnen, LehrerInnen und Eltern wäre ein (Erfahrungs-)Schatz gewesen, welcher der Kulturellen Bildung im vereinten Deutschland frühzeitig Impulse zur Weiterentwicklung hätte geben können. Dies gilt vor allem für die Kulturelle Bildung in Kindergärten, Horten sowie Kooperationen von Kultur- und Bildungseinrichtungen (vgl. Wolf 2014:113 ff.).
Die öffentliche Verwaltung führte 1994/95 das Neue Steuerungsmodell (KGSt-Modell) ein und versuchte, dies auch im Bereich der Freien Träger durchzusetzen. Zurückhaltung entwickelten die BKJ-Mitglieder gegenüber dem sehr vereinheitlichenden, vorwiegend quantitativ und monetär ausgerichteten KGSt-Modell, das sie in der Tendenz zu einseitig auf Wirtschaftlichkeit und Leistungsorientierung ausgerichtet sahen. Die BKJ vermittelte gegenüber dem Bundesjugendkuratorium und der Jugendpolitik deren Haltung: Auf Bundesebene sei das KGSt-Modell nicht tragfähig, denn die Bundesverbände agieren auf der Basis des KJHG und der KJP-Richtlinien und übernehmen subsidiär, partnerschaftlich öffentliche Aufgaben. Das Neue Steuerungsmodell konnte auf Bundesebene gebremst werden, doch initiierte die BKJ parallel zu diesen Diskussionen das Modellprojekt ‚Evaluierung – Wirkungen der Kinder- und Jugendkulturarbeit’ zur Qualitätsentwicklung der kulturellen Kinder- und Jugendbildung. Als Vorreiter gelang es der BKJ, innerhalb ihres vielfältigen Verbandsspektrums zu einer eigenständigen Entwicklung von Qualitätsbewusstsein durch die Debatten um Qualitätsstandards und -sicherung in der ästhetisch, künstlerischen wie pädagogischen Arbeit sowie deren Wirksamkeit anzuregen. Diesen Prozess dokumentierte die BKJ durch die Publikation von sieben Arbeitshilfen in den Jahren 1996 bis 1998. Dem Arbeitsfeld war mit der Selbstevaluation eine Methode in die Hand gegeben worden, um die eigene Arbeit transparent zu gestalten und Prozesse zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Dank der Evaluation konnte nach außen auf der Ebene der Bundesverbände ebenso in den Vereinen und Einrichtungen vor Ort Inhalte, Strukturen, Qualität und Wirksamkeit der Kulturellen Bildung klar benannt werden.
Mit der Öffnung nach Osteuropa nach 1990 und der Einführung des europäischen Binnenmarktes 1992 engagierte sich die BKJ verstärkt in der Gremienarbeit, um geeignete Rahmenbedingungen für europäische kulturelle Jugendbegegnungen und -bildung zu setzen. Sie (be-)förderte durch Fachtagungen und Publikationen Perspektiven europäischer Jugendpolitik. Seit 1993 fungiert die BKJ als Zentralstelle des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes. 1995 konnte sie für den internationalen Bereich eine ABM-Stelle und ab 1996 eine Bildungsreferenten-Stelle schaffen. Mit dem JugendkulturService international wurde sie 2002 Zentralstelle für den Jugendkulturaustausch des deutsch-französischen Jugendwerkes, des deutsch-israelischen Jugendkulturaustausches durch die Koordinierungsstelle ConAct sowie für den internationalen Jugendkultur- und Fachkräfteaustausch durch den Kinder- und Jugendplan des Bundes.
Die Komplexität der gesellschaftlichen Veränderungsprozesse der 1990er Jahre änderte auch den Blick auf die Bildung. Bildung wurde als Teil einer Kultur des Auswachsens und Kulturelle Bildung als Teil der Allgemeinbildung wahrgenommen. Diese neuen Positionen brachte die BKJ 1999 in ihrer ‚Weimarer Erklärung zur Zukunft von Bildung und Kultur’ zum Ausdruck.
Die BKJ konnte in dieser Dekade die Anzahl ihrer Mitglieder von 31 auf 47 steigern und die Anzahl der festangestellten MitarbeiterInnen verdoppeln. Durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit wie der Kampagne ‚Kunst und Kultur machen aus ‚halben Portionen’ ganze Persönlichkeiten’ im Jahre 1996 konnte sie den Wert der Kulturellen Bildung für die Persönlichkeitsentwicklung Heranwachsender und die Gesellschaft vermitteln. Zugleich forderte die Kampagne Kommunal-, Landes- und BundespolitikerInnen auf, Verantwortung für dieses Arbeitsfeld zu übernehmen. Sowohl die AutorInnen des Zehnten Kinder- und Jugendberichtes als auch die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme forderten 1998, die Potentiale der Kulturellen Bildung zu integrieren. Unisono erklang das Plädoyer für Kulturelle Bildung, die dazu beiträgt, dass Kinder und Jugendliche Kunst und Kultur wahrnehmen, verstehen und gestalten können. Die BKJ hatte es im Verbund mit anderen zivilgesellschaftlichen AkteurInnen geschafft, dass ihre Positionen Wirkung zeigten.
Das neue Jahrtausend: Die Aktualität der Kulturellen Bildung
Der Aufschwung der (Kulturellen) Bildung wurde verstärkt durch die Ergebnisse der ersten Pisa-Studie 2001. Bildungsgerechtigkeit, Ganztagsschule, Schulentwicklung – Schule beeinflusst fortan das Feld der außerschulischen Bildung und die BKJ-Arbeit. Die BKJ konnte mit ihren Positionen und den Erkenntnissen des von 1999 bis 2001 geförderten Modellprojektes ‚Lernziel Lebenskunst’ aufwarten, adäquat der Schule Wirkungen außerschulischer Bildung zu beschreiben.
Die BKJ suchte einerseits in Abgrenzung zur Schule eigenständig Instrumente, um die sozialen, methodischen und persönlichen Kompetenzgewinne in künstlerisch-kulturellen Angeboten für Jugendliche sowie KünstlerInnen und PädagogInnen nachvollziehbar zu dokumentieren. Für diese außerschulischen Bildungsprozesse entwickelte sie den Kompetenznachweis Kultur, einen Bildungspass. Andererseits wurde mit der Etablierung der Ganztagsschule eine Bildungsreform angestoßen, welche die außerschulischen Träger zur Zusammenarbeit mit Schule auf- und herausforderte. Die Pisa-Studie hatte aufgezeigt: Inhalte und Strukturen von Schule müssen verändert werden. Mit der Fachstelle ‚Kultur macht Schule’ begleitet die BKJ seit 2004 qualitativ und fachlich den Prozess auf dem Weg zur Kulturschule und den Diskurs in den Verbänden und Ländern. Unterstützend initiierte sie den ‚MIXED UP - Der Wettbewerb für Kooperationen zwischen Kultur und Schule’ und das Format der ‚MIXED UP Akademie’ zur Qualifizierung der Beteiligten.
Der Beginn des 21. Jahrhunderts ist geprägt von den Kooperationen außerschulischer (BKJ-)Partner vor Ort mit Bildungsträgern von Kindertagesstätten über Grund-, Förder- und Haupt-, Oberschulen bis zu den Gymnasien. Vier Säulen tragen innerhalb der BKJ die Kooperationen mit Schule: ‚Kultur macht Schule’ seit 2004, FSJ Schule seit 2010, ‚Kulturagenten – für kreative Schulen’ als Kooperationspartner für NRW und Baden-Württemberg innerhalb des Programms seit 2011 und ‚Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung’ seit 2013, in das auch 13 BKJ-Mitglieder involviert sind. Dennoch vermochte die BKJ bisher für diese Projekte keine übergreifende Vision Kultureller Bildung an Schule bzw. von einem Bildungsort mit den Künsten zu entwickeln. Gerade ihr könnte es auf Grund ihres Mitgliederspektrums der schulischen und außerschulischen Kulturellen Bildung gelingen, stetige zukunftsweisende Modelle in Kooperationen und Netzwerken, in Projekten, Bündnissen und Allianzen mit Blick auf das Subjekt und die Strukturen zu entwickeln. Im Rahmen des weiteren Ausbaus der Ganztagsschule und kommunaler Bildungslandschaften werden außerschulische Träger verstärkt in Kooperation mit Schule agieren müssen. Schule wird die Basis der außerschulischen Träger – von Sport, über Technik bis Kultur – und deren Orte, Methoden und auch personellen Ressourcen durch die Ausweitung ihrer Tätigkeitsfelder und die Inanspruchnahme derer Angebote entziehen. In der Zusammenarbeit mit Schule ist die BKJ im Verbund mit den Partnern, den Vereinen, Projekten, Programmen und Einrichtungen sowie KünstlerInnen und PädagogInnen vor Ort gefordert, die Eigenständigkeit der außerschulischen Kulturellen Bildung in Bezug auf Orte, Methoden und Strukturen zu wahren.
Im ‚Internationalen Jahr des Freiwilligen’ 2001 startete die BKJ das Modellprojekt ‚Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Kultur’ mit fünf landesweiten Trägern und 125 FSJlerInnen. Dieses entwickelte sich zur BKJ Erfolgsgeschichte: Das attraktive Engagement in der Kultur, die Novellierung des FSJ- und Zivildienstgesetzes 2002, die hohen Qualitätsstandards ebenso wie die aktive (Selbst-)Evaluation und Öffentlichkeitsarbeit, die Einführung des FSJ Schule, Politik und International sowie die Aussetzung der Wehrpflicht 2011 und gleichzeitige Einführung des generationsoffenen Bundesfreiwilligendienstes führten dazu, dass sich der ‚Bundesfreiwilligendienst Kultur und Bildung’ zu einer Marke entwickelte. 2013 engagieren sich über 2.100 Freiwillige – allerdings zu 90% Abiturienten – im BKJ-Verbund der 16 Träger (vgl. Wolf 2014:126 ff.). Über den eigenen Mitgliederkreis hinaus gewann die BKJ Einsatzstellen in Kulturverwaltungen und -verbänden, Theater- und Konzerthäusern, Museen und Gedenkstätten, Volkshochschulen und Stiftungen. Ihr glückte durch die Trägerschaft im FSJ Kultur die Etablierung hauptamtlicher Geschäftsstellen in Hessen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie die kultur- und jugendpolitische Stärkung der Landesvereinigungen.
Im FSJ vollbrachte die BKJ im Verbund mit den föderalen Trägern den Schulterschluss mit Schule ebenso wie die Hinwendung zum politischen und internationalen Bereich. Zugleich offeriert der generationsoffene Freiwilligendienst die Erweiterung der Zielgruppe auf Erwachsene und SeniorInnen. Diese Schwerpunkte können für die BKJ zukunftweisend sein.
Vom Aufschwung der Kulturellen Bildung profitierte die BKJ sichtbar: Der Gesamtetat verfünffachte sich zwischen 1999 und 2012 bei fast konstantem Stammhaushalt. Insbesondere das kontinuierliche Ausweiten des ‚Bundesfreiwilligendienst Kultur und Bildung’ sowie das Einwerben von Mitteln bei Bundesministerien und Stiftungen für Modellprojekte oder das BMBF-Projekt ‚Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung’ forcierten diesen Prozess weiter. Dies geht einher mit einer (temporären) Ausdifferenzierung der Arbeitsbereiche der BKJ-Geschäftsstellen in Remscheid und Berlin. In dieser Periode stieg die Anzahl der BKJ-MitarbeiterInnen von elf auf 35 – teilweise in Teilzeit (Wolf 2014:77).
Die gesellschaftliche Anerkennung der Kulturellen Bildung drückt sich auch aus durch die Mitgliedschaften des Deutschen Bibliotheksverbandes sowie des Arbeitskreises für Schulmusik, Vision Kino – Netzwerk für Film- und Medienkompetenz, des Bundesverbandes Tanz in Schulen und der Yehudi Menuhin Stiftung Deutschland, die an der Schnittstelle Schule agieren. Bis 2014 gewann die BKJ 13 neue Mitgliedorganisationen hinzu. Die folgende Grafik verdeutlich die Zuordnung der Mitglieder zu den unterschiedlichen Kunstsparten und kunstsparten-übergreifenden Landesvereinigungen (LKJs) in den untersuchten 5 Dekaden.
Ein Höhepunkt war 2012 die Herausgabe des ‚Handbuches Kulturelle Bildung', zusammen mit der Universität Hildesheim. Die BKJ definierte erstmalig eine Setzung der Kulturellen Bildung. 180 AutorInnen aus Kultur, Bildung und Jugend geben einen systematischen Gesamtüberblick der Kulturellen Bildung für die Fach- und Wissenschaftswelt.
Gegenwärtigkeit der Kulturellen Bildung
Der Aufschwung der Kulturellen Bildung lockt neue Akteure auf den Markt:
- seit 2004 veranstaltet die Kulturstiftung der Länder den Wettbewerb und Kongress ‚Kinder zum Olymp’,
- die Mercator-Stiftung und die Kulturstiftung des Bundes initiieren 2011 das Programm ‚Kulturagenten – für kreative Schulen’,
- der Rat für Kulturelle Bildung e.V. gründet sich 2012 als Zusammenschluss von sieben Stiftungen und
- der Deutsche Kulturrat realisiert seit 2012 das Projekt ‚Dialogplattform Kulturelle Bildung’.
Zunehmend entdecken diese Akteure ihr Interesse an den Phänomenen der Kulturellen Bildung und nutzen diese zur Darstellung ihrer Belange.
Im gesellschaftlichen Diskurs ist die Kulturelle Bildung in der Breite angekommen, aber noch nicht in der Fläche, im ländlichen Raum. WettbewerbsiegerInnen, Best-Practice-Beispiele oder Partner von Modellprojekten werden zumeist professionelle Projekte in Kommunen. Die BKJ hat durch ihre Qualitätsanforderungen die Meßlatte sehr hoch gelegt. Zudem führt die Professionalisierung und Profilierung des Arbeitsfeldes dazu, dass der Blick auf die neben- und ehrenamtlich geleiteten Vereine, Einrichtungen insbesondere im ländlichen Raum, die Laien- oder Volksmusik, -theater oder -tanzgruppen – der Ursprung der Bundesvereinigung – in den Hintergrund getreten ist. Hier besteht die Aufgabe, diese Vereine und Verbände in die theoretische und praktische Arbeit des hauptamtlich geführten Dachverbandes zu integrieren und die Modellprojekte und Wettbewerbe auch für sie offen zu halten.
50 Jahre BKJ: Das Spektrum
Vor 50 Jahren: Die Welt konnte im Großen und Ganzen noch in Ost und West, Nord und Süd, politisch links und rechts, in evangelisch und katholisch, in sozial- und christdemokratisch, in ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen sowie BürgerInnen und Intellektuelle, in Stadt und Land, in Volksmusik- und Klassik-LiebhaberInnen, in MedienverteuflerInnen und -euphorikerInnen geteilt werden. Die Bundesvereinigung war damals ein Zusammenschluss von zwölf Musikverbänden des Laienmusizierens und der Volksmusik, der (Laien-)Tanz-, Theater- und Fotografie-Verbände sowie der evangelischen und katholischen Kirche.
50 Jahre später: Die Welt erscheint individuell, multimedial, virtuell und global. Plurale Vielfalt bestimmt auch das Bild der BKJ. 56 BKJ-Mitglieder repräsentieren die Bereiche Musik, Tanz, Theater, Medien, Literatur, bildende Kunst, Museum, Spiel, Zirkus sowie 14 landesweite Dachverbände und drei Bundesakademien. Diese Mitglieder:
- kommen aus dem außerschulischen und schulischen Bereich.
- vertreten produktive und rezeptive Felder und Angebotsformen.
- repräsentieren Institutionen und temporäre Projekte, die mehr oder weniger öffentlich gefördert sind.
- offerieren offene und geschlossene Angebote.
- stehen als Fach- und Dachverbände für ein spezifisches Medium oder beherbergen die Vielfalt unter einem Dach.
- vertreten die evangelische und katholische Kulturarbeit.
- agieren zwischen Vermittlung des kulturellen Erbes und kreativer Entfaltung zeitgenössischer Künste und Ausdrucksformen.
- wirken zwischen landesweit und international.
- sind als Vereine und Stiftungen organisiert, aber auch als öffentliche Einrichtungen und Institutionen.
- spezialisieren sich auf das Ausrichten von Wettbewerben und die Fortbildung von KünstlerInnen und PädagogInnen, haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen sowie als ImpulsgeberInnen von Projekten.
Gemein ist ihnen, dass sie sich mit den Akteuren vor Ort, in den Ländern, im Bund sowie weltweit für die Rahmenbedingungen eines gelingenden Lebens mit Kunst und Kultur für jung und alt einsetzen.
Credo der BKJ
Das Credo der Bundesvereinigung entwickelte sich in den 50 Jahren:
- von der musischen zur kulturellen Bildung;
- von der ehrenamtlichen Arbeit zu professionellen Arbeitsfeldern;
- vom Primat der Musik zur Vielfalt der Künste und ästhetisch-symbolischen Ausdrucksformen;
- vom Alleinstellungsanspruch des Außerschulischen hin zur Kooperation mit der Schule;
- vom Fokus auf die Arbeit mit Jugendlichen erweitert um Kindern bis hin zur frühkindlichen Bildung und zum intergenerationellen Dialog.
Die Öffnung des Verbandes und seines Arbeitsfeldes von der Jugendarbeit hin zur Kultur- und Bildungsarbeit spiegelt sich analog in der Gesellschaft und den Politikfeldern von Jugend-, Kultur- und Bildungspolitik wider. Mit ihrem Ringen um Qualität und Qualifizierung zur Entwicklung der Strukturen und Professionen hat die BKJ die Feldentwicklung für Kunst, Kultur und Bildung nachhaltig geprägt.
Die BKJ bot den Mitgliedsverbänden, die größtenteils ihre Förderung aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundes oder der Länder erhalten, aus den verschiedenen Arbeitsfeldern ein gemeinsames Dach. Dies trug zur Stärkung und auch zur Erweiterung des Spektrums bei. Der theoretische und praktische Diskurs über Kulturelle Bildung war und ist ohne die Impulse der BKJ nicht denkbar. Bewusst oder unbewusst – (fast) alle aus dem Arbeitsfeld hat in seiner Tätigkeit die BKJ in Wort oder Bild wahrgenommen und sich mit deren Gedanken auseinandergesetzt, sei es anhand einer Publikation, des Kulturplaners oder innerhalb eines Modellprojektes, Wettbewerbes oder im internationalen Diskurs.
Im Bereich der Kultur konnte die BKJ mit ihrem weitgefassten Wirken, mit dem Initiieren von Kooperationen und Modellprojekten sowie deren öffentlichkeitswirksamer Präsentation erreichen, dass Offerten für Kinder und Jugendliche in der Gegenwart für jedes Konzert- und Opernhaus, für jedes Theater und Museum zum Alltagsgeschäft zählen.
Im Bereich der Schule ist die Kulturelle Bildung gegenwärtig als drittstärkstes Arbeitsfeld – nach Sport und Jugendsozialarbeit – präsent. Der „Tanker" Schule fordert die BKJ zu einem Balanceakt heraus: Auf der einen Seite werden alle jungen Menschen in Schule erreicht. Auf der anderen Seite muss die außerschulische Kulturelle Bildung wachsam sein, um mit ihrer EigenArt und ihrem EigenSinn, ihren Prinzipien und Methoden nicht vereinnahmt zu werden.
50 Jahre BKJ: Das Resultat
Die BKJ hat in den vergangenen Jahrzehnten durch ihre theoretische, praktische und Lobbyarbeit maßgeblich das Arbeitsfeld der Kulturellen Bildung geprägt. Ihre Impulse wie die ‚KinderKulturWochen’, die (Selbst-)Evaluation oder der ‚Bundesfreiwilligendienst Kultur und Bildung’ waren richtungweisend.
Die BKJ hat gesellschaftliche und politische Themen genutzt, um diese in das Arbeitsfeld der Kulturellen Bildung einzubinden und weiterzuentwickeln. Ihr Mitwirken und ihr vehementes Streiten für die Kulturelle Bildung wurden gehört und finden sich in Gesetzen, Positionspapieren und Programmen wieder. Das Bundesjugendkuratorium, der Deutsche Kulturrat, der Internationale Jugendaustausch- und Besucherdienst, die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, das Kuratorium Deutsch-Französisches Jugendwerk und der Nationale Beirat des EU-Programms JUGEND waren dabei maßgebende Plattformen. Ebenso bedeutend waren Politikberatung und Einflussnahme auf Parteiprogramme, Stellungsnahmen zu Kinder- und Jugendberichten, Anhörungen in Expertengremien wie der Enquete-Kommission ‚Kultur in Deutschland’ sowie die Mitarbeit in Arbeitsausschüssen und internationalen Gremien, die zur Präsenz der Kulturellen Bildung in der Gegenwart beitrugen. Die BKJ bringt ihre Positionen ein auf ihrem ‚Parlamentarischen Abend’ und in zahlreichen Arbeitskreisen sowie mit Beiträgen auf Tagungen und in Publikationen anderer (Fach-)Organisationen. Diese Interessenvertretung übernimmt sie ebenso in der Jury-Arbeit der BMBF-Wettbewerbe ‚Theatertreffen der Jugend’ und ‚Treffen Junger Autoren’ sowie des BKM-Preises‚Kulturelle Bildung’.
Im Bereich der Jugendhilfe konnte die BKJ durch ihr Mitwirken in den Gremien des Bundesjugendkuratoriums maßgebenden Einfluss auf die Ausgestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen gewinnen: Vom Kinder- und Jugendhilfegesetz bis zu den Kinder- und Jugendplänen des Bundes. Ebenso von Bedeutung war der Vorsitz im Deutschen Kulturrat oder im Kuratorium des Deutsch-Französischen Jugendwerkes. Hier ging und geht es um Gestaltung und Einflussnahme politischer Prozesse und deren Rückkopplung auf die BKJ-Arbeit.
Als Feld wird sich die Kulturelle Bildung die Wissenschaft erobern (müssen), um eine ganzheitliche, interdisziplinäre, wissenschaftliche Sicht und den Theorie-Praxis-Theorie-Transfer auf Methoden und deren Wirkung, auf Rahmenbedingungen und deren Optimierung, auf Lern- und Lehrsituationen und deren Qualifizierung zu erlangen. Die Aufnahme des künstlerisch-ästhetischen Methodenrepertoires in die reguläre Ausbildung von ErzieherInnen und (Sozial-)PädagogInnen kann ebenso wie die pädagogische Qualifizierung von KünstlerInnen während des Studiums den ganzheitlichen Ansatz verstärken.
Perspektiven für die BKJ und die Weiterentwicklung der Kulturellen Bildung
Zentrale Themen des 21. Jahrhunderts werden unter anderem Digitalisierung, Globalisierung, Veränderung der Alltagskultur, Transkultur und der demografische Wandel sein. Diese gesellschaftlichen Herausforderungen sind eng verknüpft mit dem Feld der Kulturellen Bildung.
Dem Dachverband der Kulturellen Bildung könnte es mit der Pluralität seiner Mitglieder gelingen, eine konsensuale, dynamische und gemeinsame Vision von Kultureller Bildung im Einklang von Kultur, Schule und Jugend, von ernster und unterhaltender Kultur, in der künstlerisch-kulturellen Ausbildung der ErzieherInnen und PädagogInnen sowie der pädagogischen Ausbildung von KünstlerInnen, vom staatlichen, marktwirtschaftlichen, zivilgesellschaftlichen und privaten Engagement zu entwickeln. Die BKJ hat in diesem gemeinsamen Anliegen die Chance, durch die Kompetenz und Potentiale der Mitglieder permanent aktualisierte Visionen Kultureller Bildung im Sinne eines erweiterten, zeitgemäßen Kulturbegriffs zu formulieren und diesen im politischen Alltagsgeschäft zu artikulieren und zu propagieren.
Für den Dachverband der Kulturellen Bildung könnte ein Credo lauten: Kulturelle Bildung ist ein Teil der Alltagskultur eines jeden: Von Anfang an im Lebenslauf. Um sie zu befördern und zu fördern, sollte es ein gesamtgesellschaftliches Denken und Handeln zugunsten der Künste, Kultur und Kulturellen Bildung quer durch alle Ressorts und Bereiche – in Kultur, Schule, Jugend, Soziales, Wissenschaft, Wirtschaft, Stadtplanung, Gesundheit, Sport – sowie Generationen, Kulturen, Religionen geben. Der Zugang zu (Kultureller) Bildung sollte für alle individuell über formale, informelle und non-formale Bildung ermöglicht werden können: Also in Schule, Jugendkunstschule, Museum und Theater, im Elternhaus und während des Kino- oder Konzertbesuchs im Freundeskreis. Hier hat Konkurrenz keinen Platz. Bildung kann nur gemeinsam verantwortet werden. (Kulturelle) Bildung ist in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland die entsprechende Zukunftsinvestition. Gefragt sind Wissen und Kreativität, Fantasie, Gestaltungskompetenz, Kommunikationsvermögen und soziale Empathie im Verbund.