Kulturelle Bildung aus der Perspektive der Wissenschaft in Forschung und Lehre
Abstract
Theorie und Praxis Kultureller Bildung bieten ein reiches Forschungsfeld, das allerdings nicht durch eine wissenschaftliche Disziplin abzubilden ist, sondern vielmehr durch Forschungsarbeiten aus unterschiedlichsten Disziplinen, also interdisziplinär, entsteht. Auch in der wissenschaftlichen Ausbildung, in der Lehre, gibt es kein einheitliches Curriculum, das auf die Forschung oder die Praxis in der Kulturellen Bildung vorbereitet. Der folgende Artikel versucht demnach trotz der Breite der Thematik in aller Kürze verschiedene Forschungsthemen, Forschungsansätze und -perspektiven, die aktuell beforscht und angewendet werden, vorzustellen und sehr allgemein wissenschaftliche Ausbildungsinhalte zu beleuchten, die für eine wissenschaftliche und/oder praktische Tätigkeit im Feld der Kulturellen Bildung in Deutschland derzeit relevant erscheinen. Zudem versucht der Artikel einige exemplarische Hinweise darauf zu geben, welche praktischen Erkenntnisse in den letzten Jahren durch Forschung in der Kulturellen Bildung erzielt werden konnten.
Tertiäre Ausbildungen für das Feld Kultureller Bildung
In der von der Kulturpolitischen Gesellschaft angelegten und stetig aktualisierten Datenbank zum Studium Kultur finden sich derzeit 364 Studiengänge, die im weitesten Sinne auf eine (wissenschaftliche) Tätigkeit im Berufsfeld Kultur vorbereiten. „In die Bestandsaufnahme und Befragung einbezogen wurden Studienangebote, die sich mit Inhalten und Methoden der Kulturvermittlung und der Interkultur im weiteren Sinne befassen. Dabei wurde ein weiter Begriff der Kulturvermittlung zugrunde gelegt als Gestaltung der Beziehungen zwischen Kulturproduktion, Kulturrezeption und Kulturdistribution. Einbezogen wurden Studiengänge der Kulturwissenschaft(en), der Kulturvermittlung, der Kulturarbeit, der Kulturpädagogik, der Kulturphilosophie, des Kulturjournalismus, der Kulturanthropologie/Ethnologie, des Kulturellen Erbes, des Kulturtourismus und der Interkultur, sofern Kulturvermittlung oder Interkultur zu ihren aufgeführten Studieninhalten bzw. Berufsfeldern gehören.“ (http://www.studium-kultur.de/studienangebote.html) Diese Bandbreite macht einerseits deutlich, wie vielfältig die Tätigkeiten und damit Ausbildungsschwerpunkte in der Kulturarbeit in Deutschland sind, auf der anderen Seite wird die hohe Nachfrage von Studieninteressierten an dem Feld der Kulturarbeit deutlich.
Aktuell werden immer wieder neue Masterstudiengänge mit dem Schwerpunkt Kulturvermittlung/Kulturelle Bildung aufgelegt: so jüngst der Master Kulturelle Bildung an der PH Ludwigsburg, der Master Kulturvermittlung an der PH Karlsruhe oder auch der Master Kunstvermittlung und Kulturmanagement an der Universität Düsseldorf. Einer der ältesten und bekanntesten Ausbildungswege für das Feld der Kulturvermittlung und Kulturellen Bildung mit dem Schwerpunkt in den Künsten sind sicherlich die Studiengänge des Fachbereichs 2 der Universität Hildesheim „Kulturwissenschaften und Ästhetische Kommunikation“, hervorgegangen aus der Denomination „Kulturpädagogik“ in den 1980er Jahren. Dass das Ausbildungsfeld sich immer weiter ausdifferenziert, ist auch an erfolgreichen, berufsbegleitenden Weiterbildungsstudiengängen wie dem Master „Kulturelle Bildung an Schulen“ der Universität Marburg oder dem Weiterbildungsmaster „Museumspädagogik/Bildung und Vermittlung im Museum“ der HTWK Leipzig zu sehen, die beide in den letzten fünf Jahren gegründet wurden.
Neben der Einführung in Kulturtheorien, pädagogische Inhalte und wissenschaftliches Arbeiten werden in den meisten Studiengängen zur Kulturvermittlung und Kulturellen Bildung auch praktische Fähigkeiten im Umgang mit den Künsten und mit Projekten Kultureller Bildung vermittelt. Kenntnisse des Kulturmanagements und im Bereich des Entrepreneurships werden in Zeiten, in denen sich der Arbeitsmarkt schneller denn je wandelt und hohe Ansprüche an den Einzelnen gestellt werden, immer wichtiger. Selbstständige Tätigkeiten sind auch im Bereich der Kulturvermittlung sehr gefragt. Projekte – die sicherlich häufigste Arbeitsform der Kulturvermittlerinnen und Kulturvermittler – müssen akquiriert, verwaltet und abgerechnet werden, wozu es nicht nur inhaltliche Kompetenzen, sondern vor allem auch manageriales Geschick braucht. Organisationales und systemisches Denken kommen in den meisten Studiengängen noch zu kurz, werden aber im kulturvermittelnden Berufsalltag immer notwendiger. Kulturvermittlung findet ja gerade nicht nur in Kultureinrichtungen, sondern auch in Bildungsinstitutionen und im Bereich Jugend/Soziales statt, im formalen, non-formalen und informellen Bereich. Kenntnisse über den Aufbau und die Funktionsweise „fremder“ Organisationen und Strukturen können da hilfreich sein, um erfolgreiche Angebote zu planen und umzusetzen. Darüber hinaus unterliegt auch die Kulturvermittlung und Kulturelle Bildung gesellschaftlichen Transformationsprozessen wie der Digitalisierung, Internationalisierung, der wachsenden Diversität oder dem demographischen Wandel. Konzepte und Handlungsstrategien müssen vor dem Hintergrund dieser Veränderungsprozesse entworfen und ausgestaltet werden.
So befindet sich also der tertiäre Ausbildungsmarkt wie der Berufsmarkt in einem stetigen Wandel, um einerseits wissenschaftliche Grundfähigkeiten zu vermitteln, aber hauptsächlich andererseits im Wettbewerb um Employability, ein wichtiges Stichwort im Bologna-Prozess, und damit um bei Studierendenzahlen die „Nase vorn“ zu haben. Während in den Bachelorstudiengängen mittlerweile Basiswissen und Grundfähigkeiten für spezifische Disziplinen vermittelt werden, bereiten Master- oder berufsbegleitende Studiengänge stärker auf ein spezifisches Berufsfeld vor (und oft nicht wie eigentlich gefordert auf eine wissenschaftliche Laufbahn) und bilden damit auch Trends in den jeweiligen Berufsfeldern ab. Gerade Masterstudiengänge im Feld der Kulturvermittlung sind häufig sehr praxisnah ausgerichtet. Die Ausbildung für eine wissenschaftliche Forschungslaufbahn wird immer noch hauptsächlich während der Promotion gelegt.
Nicht nur aufbauend auf Studiengängen der Kulturvermittlung oder der Kulturellen Bildung werden Promotionen verfasst, die dem Forschungsfeld der Kulturellen Bildung zuzurechnen sind. Auch in der Allgemeinen Pädagogik, der Psychologie, der Linguistik, in den Künsten und Kunstwissenschaften, aber auch in der Philosophie oder den Sportwissenschaften werden Arbeiten abgeschlossen, die für das Feld Kultureller Bildung relevante Forschungsfragen behandeln. Seit 2013 existiert ein bundesweites Forschungskolloquium für Promovierende der Kulturellen Bildung, das sich aus Doktorandinnen und Doktoranden unterschiedlichster Disziplinen und diversester Hochschulen zusammensetzt. Das Kolloquium besteht im Rahmen des 2010 gegründeten Netzwerks Forschung Kulturelle Bildung und stellt neben den disziplinären Verortungen eine übergreifende Diskursplattform Kultureller Bildung für Promovierende dar.
Forschung in der Kulturellen Bildung. Förderung, Themen und Ansätze
Forschung in der Kulturellen Bildung ist im Aufwind, was eine gestiegene Publikationsdichte in den letzten Jahren und eine Qualitätssteigerung der Arbeiten nach sich zieht (Jörissen/Liebau 2013:40). Neben den Promotionen, die wohl am ehesten die individuellen Forschungsinteressen einzelner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler widerspiegeln und damit dementsprechend thematisch breit sind, wurde in der öffentlichen Wahrnehmung die Forschung in der Kulturellen Bildung in den letzten Jahren stark durch private Stiftungen und themenspezifische Förderrichtlinien des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung (BMBF) bestimmt. Weder in der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) noch in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaften gibt es ein Fachkollegium bzw. eine Sektion/Kommission für Kulturelle Bildung oder Kulturvermittlung. Die allgemeinen Bezugspunkte für Forschungsarbeiten sind daher meist entweder die Bildungs- oder Erziehungswissenschaften oder die Kunstwissenschaften in ihren spartenspezifischen Ausprägungen. Besonders vor diesem Hintergrund wurden die jüngsten Förderrichtlinien des BMBF (zur Kulturellen Bildung allgemein, zur Weiterbildung in der Kulturellen Bildung und zur Digitalisierung im Feld der Kulturellen Bildung) und die Ausschreibung des Forschungsfonds zur Wirkungsforschung des Stiftungsverbundes Rat für Kulturelle Bildung e.V. von Wissenschaftsakteuren im Feld der Kulturellen Bildung sehr begrüßt.
Gefördert werden durch diese Programme von einer Jury ausgewählte Forschungsprojekte, die thematisch zu den gesetzten Schwerpunkten passen, aber auch Arbeiten, die in zwei bis drei Jahren Erkenntnisse versprechen und meist Forschungsfragen enthalten, die sich vermeintlich aktuellen Herausforderungen in der Bildungspolitik widmen. Grundlagenforschung dagegen zu theoretischen und historischen, pädagogischen oder kulturpolitischen Fragestellungen ästhetischer Bildung oder aufwändige spartenspezifische Strukturanalysen haben es schwer, eine Förderung zu finden und sich überhaupt in einer breiten Disziplin wie der Pädagogik oder Soziologie zu behaupten, d.h. in größerem Rahmen rezipiert zu werden.
Die Nachfrage nach Studien zur Wirkungsforschung in der Kulturellen Bildung ist ein gutes Beispiel für die politische Beeinflussung von Forschungsthemen und -ansätzen: Bildungspolitisch sucht man nach einer Legitimation für Investitionen in Kulturvermittlung und Kulturelle Bildung und wünscht sich diese von Seiten der Wissenschaft; Forschung soll durch positive Evaluationen im Nachhinein die Legitimation für ein Programm oder eine politische Entscheidung liefern oder diese erst vorbereiten. Allerdings erfordern gesicherte allgemeine Wirkungsnachweise für Prozesse ästhetischer und kultureller Bildung auf der Mikro- (Individuum), der Meso- (Organisation) oder der Makroebene (Gesellschaft) eine umfassende jahrzehntelange Grundlagen- und Detailforschung. Durch zwei- bis dreijährige Forschungsprojekte können zwar sehr begrenzte, belastbare Aussagen gemacht werden, die aber selten dazu geeignet sind, Vermittlungspraxis grundlegend zu beeinflussen oder gar größere Projekte in Hinblick auf ihren Bildungserfolg zu legitimieren (Rat für Kulturelle Bildung 2017). Dies führt dazu, dass beispielsweise Wirkungsforschung mit hohen politischen Erwartungen staatlich oder privat gefördert wird und damit vor allem empirische Forschungsansätze befördert werden, aber nicht wirklich neue, verwertbare Erkenntnisse für die Akteure zur Veränderung einer bildungs- oder kulturpolitischen Praxis generiert werden. Forschung wird damit zum Feigenblatt einer Kultur- und Bildungspolitik, die sich eigentlich nach ökonomischen Kriterien richtet und häufig nur die Annahmen bestätigt haben möchte, die normativ bereits der politischen Steuerung zugrunde liegen. Die Stärkung der MINT-Fächer und der sogenannten PISA Kompetenzbereiche (Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften) in den allgemeinbildenden Schulen und die gleichzeitige Schwächung der ästhetischen Schulfächer ist ein gutes Beispiel dafür (vgl. hierzu Rat für Kulturelle Bildung 2015). Staatlich unterstützt wird nur das, was in einer Wettbewerbslogik „wirkt“. Was nicht nachweisbar wirkt, kann weg. Durch die Forderung nach Wirkungsforschung in der Kulturellen Bildung wird damit zugleich – auch wenn vielleicht zunächst ein grundlegendes Erkenntnisinteresse hinter diesen Forderungen steckt – die Stellung der ästhetischen Fächer als selbstverständlicher Teil einer umfassenden Allgemeinbildung in einem humanistischen Bildungsverständnis herabgesetzt.
Forschung und Forschungsfragen sind also nicht unschuldig. Je nachdem was gefördert wird, wird geforscht, und was geforscht und öffentlich durch Tagungen präsentiert wird, bestimmt den Diskurs, weitere Forschungen und ggf. politische Entscheidungsprozesse.
Neben der politischen Unterstützung der Wirkungsforschung und verschiedenster Evaluationen wird zudem die Vermessung des Feldes in Form von Statistiken und Monitoring gern öffentlich unterstützt, auch wenn es bislang immer noch keine regelmäßige Datenerhebung für den gesamten Kulturbereich (wie etwa Nutzerzahlen, sozioökonomische Daten zu den Nutzern, Angebotszahlen zu Maßnahmen Kultureller Bildung etc.) in Deutschland gibt. Punktuell (z.B. spartenspezifisch oder begrenzt auf eine Kommune/Region) verspricht man sich genaue Erkenntnisse über die Angebotsvielfalt und den Nutzen, um besser politisch steuern zu können oder Mittel zu legitimieren.
Solche Formen der Förderung evidenzbasierter Bildungsforschung (Jornitz 2009; Fuchs 2016) machen also auch vor dem Feld der Kulturellen Bildung nicht halt. Die empirische Wirkungsforschung vor allem in Bezug auf Transfereffekte ästhetischer Bildung (z.B. Rat für Kulturelle Bildung 2017), Monitoring und Statistiken, Evaluationen sowie die themenspezifische Forschung zu gesellschaftlichen Transformationsprozessen sind derzeit die öffentlich vorherrschenden Forschungsansätze im Feld Kultureller Bildung und am ehesten sichtbar. Grundsätzlich ist gegen diese Forschungsperspektiven nichts einzuwenden. Sie sind mit Blick auf die Publikationen seit 1990 in der Kulturellen Bildung sogar unterrepräsentiert (Jörissen/Liebau 2013: 34) und damit ihre Förderung für den allgemeinen Forschungsstand natürlich wünschenswert. Wichtig scheint mir jedoch zu betonen, dass die Fragen nach dem „Wie“ einer angemessenen kulturellen Bildungspraxis kaum von diesen Studien erfasst werden und sie damit nicht geeignet sind, um Bildungspraxis inhaltlich und gegenstandsadäquat weiterzuentwickeln. Auch sind sie meist nicht dazu geeignet, den Stellenwert der ästhetischen Bildung in der Gesellschaft zu erhöhen – oder hat schon jemand je den Nutzen und die Wirkung von Mathematikunterricht beforscht?
Forschungsplattformen wie die Online-Bibliothek „Wissensplattform Kulturelle Bildung Online“ sowie das Netzwerk Forschung Kulturelle Bildung, ein bundesweiter freier Zusammenschluss von Wissenschaftlern unterschiedlichster Disziplinen, haben es sich zur Aufgabe gemacht, durch einen breiten Blick auf Forschungsarbeiten in der Kulturellen Bildung die Varianz an Forschungsthemen und -perspektiven sichtbar zu machen sowie qualifiziertes und reflektiertes Praxiswissen der „scientific community“ zugänglich zu machen und gemeinsam zu diskutieren. Zudem hat das Netzwerk Forschung Kulturelle Bildung 2016 mit der Initiierung von Forschungsclustern zu thematischen wissenschaftlichen Arbeitsgruppen in der Kulturellen Bildung aufgerufen, um Forscherinnen und Forscher und interessierte Praktikerinnen und Praktiker bundesweit zu vernetzen und voneinander zu profitieren. Diesen vernetzenden Projekten liegt die Annahme zugrunde, dass es nur interdisziplinär und methodisch vielfältig möglich ist, Forschungsfragen ästhetischer und kultureller Bildung anzugehen. Sie stellen den Versuch dar, Plattformen des fachlichen Diskurses zu schaffen, die bislang in Deutschland nicht existieren. Es gibt beispielsweise immer noch keine etablierte und breit rezipierte deutschsprachige wissenschaftliche Zeitschrift zur ästhetischen Bildung.
International ist der Diskurs um die Kulturelle Bildung durch zwei Weltkonferenzen in Lissabon (2006) und Seoul (2010) vorangetrieben worden. Im Kontext der Seoul Agenda entstand auch das Internationale Network for Research in Arts Education (INRAE). Eines der Projekte dieses Netzwerks ist „Monitoring national arts education systems (MONAES). A pilot study investigating the implementation of the Seoul Agenda in the world”, widmet sich vor allem dem kaum beforschten Thema der Implementierung ästhetischer und kultureller Bildung in verschiedenen Ländern und nimmt eine vergleichende Perspektive ein. Dies ist aber kein leichtes Unterfangen, da die nationalen Datenlagen oftmals sehr dünn sind.
Das 2014 abgeschlossene Projekt „Forschung zur Kulturellen Bildung in Deutschland: Bestand und Perspektiven“ erhebt publizierte Forschungsbeiträge zur Kulturellen Bildung in Deutschland seit 1990. Bis 2019 wird die aus dem Projekt hervorgegangene Datenbank fortlaufend vom Institut für Pädagogik II der Universität Erlangen-Nürnberg aktualisiert. Betrachtet man mittels dieser Datenbank Forschungsarbeiten zur ästhetischen und kulturellen Bildung disziplin- und spartenspezifisch, so zeigt sich, dass beispielsweise in der Musik eine relativ reiche Forschungstradition über Fragen der Vermittlung und Wirkung besteht. Dagegen sind Sparten wie Architektur, Design, Digital Games, Spiel und Zirkus in der Forschung unterrepräsentiert (Jörissen/Liebau 2013:25). In der Pädagogik und den Kunstwissenschaften sowie den Kulturwissenschaften findet man die meisten Arbeiten zur ästhetischen Bildung, während die Neurowissenschaften und die Philosophie sehr wenig beisteuern (a.a.O.:26). Zudem zeigt sich eine hohe Differenz in den Forschungsperspektiven der einzelnen Kunstsparten (a.a.O.: 32). Insgesamt zeigt die Sichtung der Forschungsarbeiten die Heterogenität in Zielen, Perspektiven und Methoden, was eine Anschlussfähigkeit und damit Bezugnahme der Arbeiten untereinander erschwert. Es mangelt an Grundlagenforschung, vor allem historischer und empirischer Forschung und Methodenbewusstsein (vgl. a.a.O.:43 ff.). „Vor diesem Hintergrund erscheint eine grundlegend systematische Förderung des Forschungsfeldes notwendig, wenn die begonnenen Entwicklungen de facto in die weitergehende Entwicklung und Etablierung von Forschungsstandards, die allgemeine Hebung des Methodenbewusstseins, die Entwicklung intradisziplinärer Bezüge, die Findung von Synergieoptionen und die Schließung von Forschungslücken münden sollen. Eine solche Entwicklung würde eine breite forschungsinduzierte Rückwirkung auf das Praxisfeld der Kulturellen Bildung durch Anhebung professioneller Standards und Entwicklung einer gehobenen Evaluationskultur (und Praxisforschung) nachhaltig befördern.“ (a.a.O.: 42)
Dieses Zitat der Autoren der Studie „Forschung zur Kulturellen Bildung in Deutschland“ zeigt einmal mehr, dass es sich bei der Kulturellen Bildung und Kulturvermittlung um ein wissenschaftlich schwer zu erfassendes und überschauendes Forschungsfeld handelt, auch wenn in den letzten Jahren Fortschritte diesbezüglich erzielt wurden. Internationale und nationale Vernetzung und Sichtbarkeit von Forschungsarbeiten sind wichtig, um eine Disziplin inhaltlich weiterzuentwickeln und einen Gegenstand gezielt zu bearbeiten; ob indes die erwünschten Wirkungen auf das Praxisfeld dadurch direkt befördert werden, wie die Autoren konstatieren, bleibt jedoch zu fragen, da die politische Steuerung und Einflussnahme bei der Entwicklung von Forschungsperspektiven und -methoden und bei der Sichtbarkeit von spezifischen Arbeiten nicht zu unterschätzen ist und häufig einer eigenen Logik folgt.
Exemplarische Forschungserkenntnisse und Auswirkungen auf das (zukünftige) Praxisfeld Kultureller Bildung in Deutschland
Im Folgenden sollen nun einige Hinweise dazu gegeben werden, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse das Praxisfeld Kultureller Bildung in welcher Form in den letzten Jahren beeinflusst haben. Mit dem „Praxisfeld“ Kultureller Bildung ist sowohl eine formale bzw. non-formale als auch eine informelle Bildungspraxis gemeint, d.h. ästhetische Fachdidaktiken an Schulen, außerschulische Angebote verschiedener Träger wie Musikschulen, Volkshochschulen, Kultureinrichtungen oder Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch informelle Settings, wie sie gerade im Bereich der kulturellen digitalen Medienbildung häufig vorkommen. Forschungserkenntnisse und ihr Einfluss auf diese unübersichtlichen und reichen Praxisfelder, auf verschiedene Adressatengruppen und Formate können an dieser Stelle nur exemplarisch und relativ allgemein dargestellt werden. Es geht aber darum aufzuzeigen, welche Grundannahmen und Prämissen aus der Forschung aktuell den Umgang mit der Steuerung und Praxis Kultureller Bildung prägen, ohne damit natürlich einen abschließenden Wissensstand zu markieren. Gerade durch die Vielfalt der Praxisformen Kultureller Bildung gibt es vieles, das noch nicht (ausreichend) erforscht bzw. einer Forschung nach den herkömmlichen wissenschaftlichen Methoden generell schwer zugänglich ist.
Einer der bekanntesten Befunde, der in bislang jedem weiteren Nationalen Bildungsbericht bestätigt wird, ist die Tatsache, dass Bildungserfolge in Deutschland in hohem Maße abhängig sind vom sozioökonomischen Status der Herkunftsfamilie, auch unter Berücksichtigung von Migration. Dieses Ergebnis gilt nicht nur für Bildung allgemein, sondern kennzeichnet ebenso die Bildungschancen im Feld der kulturellen und ästhetischen Bildung. Eine häufige Kulturnutzung korreliert immer noch deutlich mit dem sozioökonomischen Status (bspw. Keuchel/Larue 2012). Weitere Befunde weisen immer wieder darauf hin, dass ein früher Kontakt mit Kunst und Kultur prägende Wirkung für den gesamten weiteren Lebenslauf entfaltet, d.h. je früher und intensiver Kinder und Jugendliche mit künstlerischen Werken und Artefakten in Kontakt kommen, desto wahrscheinlicher entwickelt sich ein Kulturinteresse, das ein Leben lang anhält (ebd.). Die Chancen jedoch, eine umfassende kulturelle Bildung in den ersten Lebensjahren zu erfahren, sind in Deutschland sehr ungerecht verteilt: So kann die frühkindliche kulturelle Bildung sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob das Kind eine Krippe oder einen Kindergarten besucht und ob in diesen Einrichtungen ästhetische Bildung einen besonderen Stellenwert hat. Des Weiteren ist es bedeutsam, ob die Erzieherinnen und Erzieher eine spezielle Ausbildung in diesem Bereich erfahren haben oder ob das Elternhaus beispielsweise durch musikalische Früherziehung den Kontakt zu den Künsten fördert.
In der Schule dann sind die Aktivitäten im künstlerisch-kulturellen Bereich, allein wenn man nur die ästhetischen Fachdidaktiken (bildende Kunst, Musik, ggf. Darstellendes Spiel) betrachtet, von Schulart zu Schulart unterschiedlich stark ausgeprägt. Eine Studie des Rates Kultureller Bildung e.V. aus dem Jahr 2015 hat in einer repräsentativen Befragung von Neunt- und Zehntklässlern unterschiedlicher Schulformen eindrucksvoll aufgezeigt, dass die Versorgung mit ästhetischem Fachunterricht und kulturellen Aktivitäten an Gymnasien deutlich besser ist als an Sekundarschulen (Rat für Kulturelle Bildung 2015:9). Da Kinder aus Akademikerfamilien signifikant häufiger das Gymnasium besuchen, profitieren sie gleich mehrfach: „74 Prozent der Akademikerkinder geben an, dass die Eltern ihr Kulturinteresse geweckt haben, indes nur 33 Prozent der Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern. Zudem stufen Akademikerkinder das Kulturinteresse der Eltern annähernd fünfmal häufiger (51 Prozent) als sehr hoch ein als Kinder von Eltern mit einfacher beziehungsweise mittlerer Schulbildung (11 Prozent). Akademikerkinder nehmen in der Freizeit auch erkennbar häufiger mit den Eltern kulturelle Angebote wahr (Differenz bis zu 41 Prozentpunkte). Insgesamt interessieren sie sich doppelt so häufig besonders stark für Kultur im Vergleich zu allen anderen Schülerinnen und Schülern.“ (a.a.O.:7 f.) Diese Abhängigkeiten von allgemeinem Bildungserfolg und Kulturinteresse werden – trotz verschiedenster Anstrengungen in den letzten Jahren, gerade sogenannte bildungsferne Kinder und Jugendliche mit Kultureller Bildung zu versorgen (siehe z.B. das Programm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung) – immer wieder durch Studien bestätigt.
Die oben genannten Befunde gelten, obwohl von Angeboten Kultureller Bildung in der Regel signifikant stärker Neueinsteiger bzw. Beginner profitieren (Rat für Kulturelle Bildung 2017:22 ff. und 76 ff.). Diese Erkenntnis wäre ein weiteres Plädoyer dafür, flächendeckend frühe Erstkontakte mit Kunst und Kultur über Projekte oder schulische Angebote zu schaffen, um einen Grundstein für ein weiteres kulturelles Eigeninteresse zu legen. Hier sollte aber darauf geachtet werden, dass qualitativ hochwertige Angebote zwar kurzfristig positive Effekte gerade bei Erstnutzern fördern, jedoch kaum in der Lage sind, „allgemeine kunstbezogene Einstellungen oder die grundsätzliche Neigung“ (Kliment 2017:216) zu Kulturbesuchen zu verändern (exemplarisch gut nachgewiesen in Kliment 2017). Langfristige Einstellungsveränderungen und ein nachhaltiges Kulturinteresse sind wohl nur über den Einfluss des Elternhauses bzw. der Schule oder einer länger andauernden außerschulischen Kulturaktivität erreichbar. Ein Argument für kommunale Bildungslandschaften, die allen Kindern und Jugendlichen, aber auch Erwachsenen und Senioren durch eine systematische Vernetzung verschiedenster Bildungsakteure vielfältige Gelegenheiten zu kulturellen und künstlerischen Erfahrungen geben und zumindest von einigen Städten in Deutschland bereits (im Ansatz) realisiert werden (Rat für Kulturelle Bildung 2016).
Grundsätzlich muss aber darauf hingewiesen werden, dass jüngere Forschungsarbeiten auch gezeigt haben, dass die Beschäftigung mit Kunst und Kultur nicht immer inkludierende und also positive Effekte hervorruft, sondern auch abschrecken kann (Fink/Tegtmeyer 2014). Das heißt nicht, dass generell Differenzerfahrungen, also Erfahrungen, die einen Unterschied zur herkömmlichen Lebenswelt markieren, zu umgehen sind. Eine Lebensweltorientierung von Angeboten Kultureller Bildung ist bedeutsam, aber nur insoweit, als sie eine Brücke zur Erfahrungswelt von Kindern und Jugendlichen oder Erwachsenen schlagen. Die ästhetische Erfahrung an sich sollte durchaus noch Potential zur Irritation enthalten, um Bildungsprozesse anzustoßen. Der Gegenstand, Ort oder – wie in den meisten Fällen – das spezifische Vermittlungshandeln (Reinwand-Weiss 2015) kann, wird eine Differenzerfahrung nicht ausreichend eingebettet oder fehlt generell die „Brücke“ zur Lebenswelt, auch exkludierende Wirkung entfalten und dafür sorgen, dass künstlerische Erfahrungen zukünftig vermieden werden. Um solche Szenarien auszuschließen, sollte vermehrt in die Fort- und Weiterbildung von vermittelndem Fachpersonal, seien es Lehrerinnen und Lehrer, Pädagoginnen und Pädagogen oder Künstlerinnen und Künstler, investiert werden. Angebote Kultureller Bildung sind nur so gut wie die Personen, die diese arrangieren und anleiten. Dass eine qualitativ hochwertige Vermittlung nicht voraussetzungslos ist und nicht von jedem angeboten werden kann, haben Evaluationen der Praxis Kultureller Bildung in den letzten Jahren deutlich gezeigt.
Die Vermittlungspersonen stellen aber nur einen entscheidenden Faktor in der Wirkung von kulturellen Bildungsangeboten dar. Daher sollten bei der (politischen) Ausgestaltung einer bildungsgerechten Praxis nicht primär die Transfereffekte künstlerischer Tätigkeiten im Mittelpunkt stehen, die je nach Projektanlage äußerst fragil sind, sondern die Gesamtentwicklung des Individuums innerhalb des jeweiligen Angebotes betrachtet werden. Gerade in neueren Wirkungsstudien wurde vielfach darauf hingewiesen, dass die Gruppenzusammensetzung, die Dauer des Angebotes, die anleitenden Personen, das Vermittlungskonzept oder die Wahl des ästhetischen Gegenstandes (im Tanz beispielsweise Ballett oder moderner Tanz) sowie das Geschlecht der Teilnehmenden einen entscheidenden Unterschied in nachweisbaren Auswirkungen auf beispielsweise Selbstkonzept, Kreativität, Sprach- oder emotionale Kompetenz machen. Allgemein kann man in der Wirkungsforschung, die Transferwirkungen in den Blick nimmt, bislang konstatieren, dass künstlerische Tätigkeiten häufig Auswirkungen auf ähnliche geartete Kompetenzen haben. So wurde nachgewiesen, dass eine musikalische Tätigkeit sich positiv auf die Sprachkompetenz auswirkt, dass Tanz allgemein die Motorik stärkt oder auch bildende Kunst die geometrische Denkfähigkeit (vgl. Winner/Goldstein/Vincent-Lancrin 2013). Mögliche Wirkungen müssen aber weitaus spezifischer in Hinblick auf das jeweilige Angebot und das jeweilige Individuum betrachtet werden. In einer eher schematischen Wirkungsforschung zu Transfereffekten liegt damit nicht der Schlüssel zum Verständnis der Potentiale der Künste für die Bildungsprozesse des Subjektes. Selbst die von der OECD geförderte Metastudie „Kunst um der Kunst willen?“ (ebd.) kommt letztlich zu diesem Schluss: „Auch wenn es einige Beweise für die Bedeutung kultureller Bildung für Kompetenzen außerhalb der Künste gibt, ist die Auswirkung kultureller Bildung auf andere nicht kulturelle Kompetenzen und auf Innovation am Arbeitsmarkt nicht unbedingt die wichtigste Rechtfertigung für kulturelle Bildung in den heutigen Lehrplänen. Die Künste existieren seit der menschlichen Frühzeit; sie sind Bestandteil aller Kulturen und sind ein wichtiger Bereich des menschlichen Erlebens, genau wie Wissenschaft, Technologie, Mathematik und die Geisteswissenschaften. In dieser Hinsicht sind sie auf ihre eigene Weise wichtig für unsere Bildung. Schüler, die eine Kunstform zu beherrschen lernen, entdecken möglicherweise ihre Lebensaufgabe oder eine lebenslange Leidenschaft. Die Künste bieten jedoch allen Kindern eine andere Art des Verstehens als die Naturwissenschaften und andere akademische Fächer. Denn sie stellen ein Umfeld ohne richtige und falsche Antworten dar, sie geben Schülern die Freiheit zu erforschen und zu experimentieren. Sie sind auch ein Ort, an dem man in sich selbst gehen und seinen persönlichen Sinn finden kann.“ (a.a.O.:23)
Informelle kulturelle Aktivitäten wie beispielsweise ästhetische Rezeption und Produktion in den digitalen Medien sind ein noch kaum beforschter, aber in der Praxis enorm relevanter Bereich, wenn es um Bildungsbiografien von Heranwachsenden geht. Video-Tutorials, (literarische) Rezensionen, Games und Netzkommunikation werden oft in ihrem kulturellen und ästhetischen Bildungspotential unterschätzt. Auch Eltern und Vermittler hinken häufig den aktuellen ästhetischen digitalen Ausdrucksformen hinterher oder es mangelt generell an Kenntnissen über relevante Praxisformen im digitalen Raum. Sicherlich ist hier ein Bereich Kultureller Bildung angesprochen, der in den nächsten Jahren noch erhebliche Potentiale in Bezug auf die Bildungswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen sichtbar machen wird und dringend erforscht werden sollte.
Ein Schlüssel, um Angebote Kultureller Bildung in Bezug auf ihre Wirksamkeit auf der Mikroebene durch Forschung zu verbessern, ist es, sie intensiv zu begleiten und verschiedene Instrumente und Methoden der Beobachtung und Befragung unterschiedlicher Beteiligter anzuwenden, ohne in die Falle des „Wenn, dann“ einer unreflektierten Wirkungsforschung zu tappen. Allgemein gültige Erkenntnisse in Bezug auf die Ausgestaltung eines künstlerischen oder kulturellen Bildungsangebotes aufgrund jüngerer Forschungen zu geben, gestaltet sich vor diesem Hintergrund als kaum möglich. Umso wichtiger ist es, die reiche Angebots- und Praxislandschaft, die sich in Deutschland in den letzten 70 Jahren entwickelt hat, weiter zu fördern und Mittel und Ressourcen zur kritischen Reflexion und zur Aus-und Weiterbildung der anleitenden Akteure vorzusehen. Da die international vergleichende Forschung in der Kulturellen Bildung kaum entwickelt ist, ist es schwer, von Best-Practice-Modellen aus dem Ausland zu lernen. Auch an dieser Stelle böten sich Chancen durch einen gelungenen Wissenstransfer von forscherischen Erkenntnissen in handlungsleitende Praxismodelle.
Tertiäre Ausbildung und Forschung in der Kulturellen Bildung. Aktuelle Herausforderungen
In aller Kürze sollen nun aktuelle Herausforderungen für Forschung und Lehre in der Kulturellen Bildung und für die Praxis Kultureller Bildung als Fazit stichpunktartig zusammengefasst werden:
- M.E. wäre es sinnvoll, Studiengänge in der Kulturvermittlung und Kulturellen Bildung stärker dahingehend zu profilieren, dass auf den ersten Blick klar wird, für welches Berufsfeld (Wissenschaft oder vermittelnde/künstlerische Praxis) sie qualifizieren. Für das wissenschaftliche Feld kultureller und ästhetischer Bildung fehlt es an Studiengängen, die einen Schwerpunkt auf Theorien und Methoden zur Erforschung ästhetischer Prozesse legen. Für die Praxis mangelt es Studierenden häufig an managerialen Kenntnissen und Fähigkeiten sowie an praktischem pädagogischem Wissen.
- Die erfolgreiche Gründung von sehr spezifizierten Studiengängen in der Kulturellen Bildung zeigt, dass es immer noch Bereiche wie beispielsweise die Museumspädagogik gibt, für die kaum direkte Ausbildungsgänge zur Verfügung stehen. Enge sparten- oder generationenspezifische Vermittlungsbereiche sind also in der praxisnahen tertiären Ausbildung durchaus noch ausbaufähig.
- Es mangelt an qualitativ hoher, stetiger Grundlagenforschung in der ästhetischen und kulturellen Bildung. Da die bestehenden Forschungen oft zu wenig systematisierenden Charakter haben, gibt es zu wenig Anschlussmöglichkeiten, Vernetzung und Sichtbarkeit der Forschungen insgesamt und damit auch wenig generalisierende Aussagen in Bezug auf die Praxis Kultureller Bildung aus forscherischer Sicht. Öffentliche Programme fördern Forschungsschwerpunkte, können aber langfristig nicht zur Entwicklung des Forschungsfeldes als Ganzes beitragen; zudem bleibt zu fragen, ob sie den Stellenwert der ästhetischen und kulturellen Bildung im formalen Bildungssystem befördern.
- Diejenigen Forschungserkenntnisse, die in den letzten Jahren vermehrt bestätigt werden konnten, müssen endlich ihre Wirksamkeit in Bezug auf die Praxis Kultureller Bildung entfalten. D.h. vor allem, dass die ästhetischen Fachdidaktiken und täglichen Begegnungsmöglichkeiten mit Kunst und Kultur auszubauen und in allen allgemeinbildenden Institutionen (Kindergärten wie Schulen) in angemessenem Rahmen anzubieten sind, um die ungerechte Kopplung von Elternhaus, Kulturinteresse und Bildungserfolg zu durchbrechen. Des Weiteren muss in die Aus- und Weiterbildung von Fachpersonal sowie in Ressourcen zur fachlichen Reflexion von formaler, non-formaler und informeller Bildungspraxis investiert werden, um Qualität und damit kulturelle Bildungswirkungen zu erzeugen.
- Es gibt keine regelmäßig erscheinende wissenschaftliche Zeitschrift, die sich Fragen der ästhetischen Bildung aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen und mit Blick auf verschiede Kunstsparten widmet.
- Die international vergleichende Forschung in der Kulturellen Bildung ist kaum entwickelt und wäre auch in Hinblick auf die Weiterentwicklung des Praxisfeldes Kultureller Bildung sehr wünschenswert.
Kulturelle Bildung hat in Forschung und Lehre seit der Jahrtausendwende durchaus an Qualität, Sichtbarkeit und Output in Form von wissenschaftlichen Erkenntnissen und tertiären Ausbildungsstrukturen gewonnen. Auch das Praxisfeld hat parallel von diesen Entwicklungen profitiert, indem vielfach Angebote in Hinblick auf mögliche Bildungswirkungen oder Bildungsungerechtigkeiten kritischer unter die Lupe genommen wurden. Dies darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass ästhetische und kulturelle Bildung in Deutschland wissenschaftlich immer noch ein sehr kleiner und wenig entwickelter Forschungsbereich ist und auch die formale wie non-formale Praxis Kultureller Bildung im Vergleich zur Bewertung der MINT-Fächer in Schulen und im beruflichen Alltag ein Nischendasein fristet. Zu beforschende Fragestellungen gäbe es allerdings genug, und die Bildungspotentiale einer umfassenden, auch informellen Kulturellen Bildung sind längst noch nicht ausreichend erkannt und damit ausgeschöpft.