Jugendpolitik und Kulturelle Bildung
Jugendpolitik im Wandel
Wie notwendig eine offensive Kinder- und Jugendpolitik ist, ist in den letzten Jahren immer deutlicher geworden. Einerseits hat der gesellschaftliche Wandel mit seinen sozialen und ökonomischen Veränderungen und den daraus resultierenden Folgen für junge Menschen den Schutz- und Unterstützungsgedanken und die Begleitung junger Menschen auf dem Weg ins Erwachsenenalter immer dringlicher gemacht. Andererseits steht heute im Zentrum pädagogischen Handelns primär das Ziel der Ermöglichung von Teilhabe aller jungen Menschen am gesellschaftlichen Fortschritt, an den Bildungschancen und an den sozialen und kulturellen Perspektiven (siehe Larissa von Schwanenflügel/Andreas Walther „Partizipation und Teilhabe“). Dies ist kein Gegensatz, bezieht aber vor allem den Bildungsgedanken ein und erweitert den Horizont. Angesichts der Tatsache, dass heute immer noch 29 % aller jungen Menschen nur geringe Chancen haben (aufgrund einer finanziellen oder sozialen Notlage und einem bildungsfernen Elternhaus), muss dieses Ziel vorrangig im Blick bleiben (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012:8).
Diese Perspektive erfordert jedoch einen deutlich erweiterten Rahmen der Kinder- und Jugendpolitik. Sie ist insoweit nicht auf eine reine Ressortpolitik zu begrenzen, wodurch sie allein auf die Gestaltung der Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe und der Familienpolitik und auf eine reine Förderpolitik beschränkt bliebe. Das soll diese Bereiche keineswegs schmälern, denn sie sind außerordentlich bedeutsam, wenn es um die Gestaltung der Lebenswelten und der Einflussnahme auf ihre Veränderungen geht. Angesichts der Herausforderungen junger Menschen bei der Suche nach ihrer Zukunftssicherung aber sind weit mehr Politikfelder in den Blick zu nehmen, die den Alltag von Kindern und Jugendlichen wesentlich beeinflussen, im positiven wie im negativen Sinn. Eine solche Querschnittsbetrachtung ermöglicht, den Blick über den Tellerrand hinaus zu wagen und junge Menschen zur Mitwirkung daran zu gewinnen, dass Voraussetzungen geschaffen werden, die für ein gelingendes Aufwachsen erforderlich sind.
Eine solche Betrachtungsweise gibt der Jugendpolitik das Kinder- und Jugendhilfegesetz auf, wenn es jedem jungen Menschen „ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ einräumt (§ 1 Abs.1 SGB VIII). Diese „sozialpädagogische Leitbildfunktion“ (Münder u.a. 2009, zu § 1 Rz. 8) macht es erforderlich, ein Profil der „Einmischung“ (Mielenz 1981) zu entwickeln und Jugendpolitik in ihren unterschiedlichen Dimensionen als Teilhabe- und Befähigungspolitik zu verstehen und zu gestalten. Das Bundesjugendkuratorium (2006-2009) hat hierzu eine interessante Darstellung vorgenommen (BJK o.J.). Es gilt gerade diesen Blick zu reaktivieren und zu profilieren. Das wird schon deshalb erforderlich, weil sich die Lebenslage junger Menschen verändert und viel zu komplex geworden ist, als dass eine Jugendpolitik als bloße Ressortpolitik ausreichend wäre. Denn für junge Menschen ist die Jugendphase als eine Art „Durchgangspassage“ ins Erwachsenenleben längst kein Schonraum mehr. Sie ist vielmehr zu einer von großen Wagnissen charakterisierten Strecke geworden, die durch zahlreiche Einflüsse aus anderen Politikfeldern geprägt und beeinflusst wird und nicht mehr einfach zu durchschreiten ist. Das zeigen insbesondere Veränderungen im Schulsystem wie die Verkürzung der Schulzeit und die Einführung von Ganztagsschulen, auf dem Arbeitsmarkt und in der Technologie, aber auch die Übergangsprobleme von der Schule in den Beruf (siehe Tom Braun „Kulturelle Jugendbildung im Übergang von Schule, Ausbildung und Beruf“).
Der Bildungsaspekt in der Jugendpolitik
Zugleich ist die Bildung zur zentralen Ressource eines jeden geworden, weil sie für ihn Zukunft ermöglicht. Es ist daher längst anerkannt, dass Bildung mehr ist als Schule (z.B. BJK 2002) und dass den außerschulischen, non-formalen Bildungsprozessen mehr Beachtung gewidmet werden muss. Was für den Elementarbereich inzwischen selbstverständlich ist, muss in der Kinder- und Jugendarbeit noch stärker akzentuiert werden.
Ein aktuelles Beispiel übergreifender Perspektive der Jugendpolitik ist die seit nunmehr über zehn Jahren andauernde fachliche und öffentliche Debatte über den Stellenwert der Bildung und die Notwendigkeit früher umfassender individueller Bildungsförderung. Nie zuvor ist so intensiv über die Bedeutung dieser Bildungsorte diskutiert worden wie in der Zeit nach der ersten PISA-Studie. Zwar hat es bereits in den 1970er Jahren vor dem Hintergrund des Bildungsgesamtplans Überlegungen zu den sich daraus ergebenen Konsequenzen für die Organisation und Architektur der Bildungsprozesse gegeben (Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung 1973). Doch setzten sich die Forderungen nach einer größeren Beachtung und Einbettung der bildungspolitischen Leistungen der außerschulischen Jugendarbeit – und auch der Kulturellen Bildung – nur wenig durch. Das lag einerseits daran, dass es an einer gesetzlichen Grundlage fehlte, andererseits aber auch an einem Mangel an Erkenntnis und Durchsetzungsvermögen auch der JugendpolitikerInnen in den Länderparlamenten. Erst in jüngster Zeit erscheint es im Kern anerkannt, dass mehr als bisher außerschulische Lern- und Bildungsorte in eine Strategie individueller Bildungsförderung einbezogen und aufgenommen werden müssen. Erfolgreiche Ansätze zeigen sich bereits dort, wo kommunale Bildungslandschaften entstanden oder im Entstehen begriffen sind (Deutscher Verein 2007). Diese haben zum Ziel, die lokalen Bildungsorte in ein Verhältnis zueinander zu bringen und eine lokale Gesamtkonzeption der Bildungsorte und der Bildungsförderung zu entwickeln.
In solchen Konzepten spielt die Kulturelle Bildung eine wichtige Rolle. Denn sie kann sich als ein profilierter Bildungsort präsentieren, der in vielfältiger Weise junge Menschen außerhalb von Schule (im Rahmen des Ganztags aber auch immer mehr am Schulort) erreicht und mit seinen Angeboten bildungspolitisch relevant ist. Jugendpolitik wird daher auch zunehmend bildungspolitische Akzente haben müssen (Landtag NRW 2008). Es ist daher gut, wenn die Förderung junger Menschen durch Angebote der außerschulischen Bildung – sowohl in den jeweils fachspezifischen Feldern und in der Politik als auch in der Wissenschaft – einen entsprechenden Stellenwert erhält.
Kulturelle Bildung ist unverzichtbar
Kulturelle Bildung ist ein besonders wichtiges Standbein in der Förderung von Kindern und Jugendlichen. Dies gilt auch und insbesondere für die Kulturelle Bildung in der Kinder- und Jugendarbeit. Bereits in den 1970er Jahren wurde ihr ein wesentlicher Stellenwert in der individuellen Bildungsentwicklung und für die Herausbildung einer eigenständigen Persönlichkeit attestiert. Im Rahmen des Bildungsgesamtplans (1973) kam es auch zu einem Ergänzungsplan „Musisch-kulturelle Bildung“ (1977). Zwar entwickelten sich daraus neue Angebote, und es kam auch zu einer verstärkten Förderung durch die Länder und Kommunen. Doch im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe kam ihr Ausbau nur zögernd voran. In der Praxis jedoch haben sich Impulse der Kulturellen Bildung durchgesetzt. Denn die Erkenntnis, dass die Auseinandersetzung junger Menschen mit Kunst und Kultur für die persönliche Entwicklung viel an positiven Erfahrungen und Erkenntnissen mit sich bringt, war schon zu diesem Zeitpunkt naheliegend. So ist z.B. mit der Gründung der ersten Jugendkunstschulen in Nordrhein-Westfalen (1968 und 1969 in Wuppertal und Wesel) ein wichtiger erster Schritt getan worden. Weitere Schritte folgten und die Kulturelle Bildung entwickelte sich im Rahmen der Kinder- und Jugendarbeit konzeptionell weiter und „eroberte“ allmählich auch die Akzeptanz von Politik, vor allem gegenüber einer stark dominierenden Auffassung von politischer Bildung durch die Organisationen der Jugendarbeit.
Heute ist das Feld der Kulturellen Bildung sehr breit angelegt. Das belegen die vielfältigen und sehr unterschiedlichen Angebotsformen in allen Bundesländern. Inzwischen – und das ist eine Folge der jugendpolitischen Überzeugungsarbeit – kann sie jedenfalls in der Kinder- und Jugendarbeit auch auf gesetzliche Grundlagen zurückgreifen, so auf § 11 Abs. 3 SGB VIII und auf Ausführungsgesetze zum SGB VIII in den Ländern (z.B. § 10 des Dritten AG-KJHG NRW) oder aber auf Förderinstrumente wie den Kinder- und Jugendplan des Bundes und die Landesjugendpläne. Im Gegensatz dazu fehlt es in anderen Feldern gänzlich an entsprechenden Regelungen (sieht man einmal vom Schulfach „Kunst“ oder spezifischen Regelungen zur Förderung von Musikschulen und Projekten durch Länder und Kommunen ab).
Die Vielfalt der bestehenden Angebote der Kulturellen Jugendbildung sowohl in der Kinder- und Jugendarbeit als auch in den Feldern Kunst und Kultur macht es immer notwendiger, eine Verbindung zwischen den Bereichen herzustellen. Die Jugendministerkonferenz hat bereits in ihrem 2009 beratenen Bericht zur Situation der Kulturellen Jugendbildung aus der Sicht der Kinder- und Jugendhilfe auf Entwicklungen hingewiesen, dass die Förderpraxis in den Ländern eine klare Abgrenzung zwischen den einzelnen Bereichen nicht zulässt und die Länder die Förderung von Einrichtungen der Kulturellen Bildung unterschiedlich verorten. So ist z.B. die Förderung der Musikschulen in Baden-Württemberg dem Landesjugendplan zugeordnet, in Nordrhein-Westfalen ist sie Teil der Kulturförderung. Museen, Theater und auch Orchester gehen bereits neue Wege und wenden sich ganz speziell an Kinder und Jugendliche.
Festzustellen ist, dass Kulturelle Bildung heute vor allem in die Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe, der Kunst und Kultur, der Schule und der Medien und zum Teil auch in den Bereich des Sports hineinreicht. Der Blick auf solche Verbindungen ist einerseits möglich geworden durch eine Öffnung der Felder und andererseits durch einen Prozess der Entgrenzung, der vor allem mit der konzeptionellen Einbindung der Kulturellen Bildung und anderer Bereiche in die Ganztagsschulen (insbesondere Ganztagsgrundschulen) einherging. Auch das Bestreben der klassischen Kultureinrichtungen, junge Menschen auf sich aufmerksam zu machen und für Kunst und Kultur zu gewinnen, wird derzeit ausgebaut und geht weit über Nachwuchspflege und Talentsuche hinaus.
Die Auflösung der Trennschärfe und die damit einhergehende Entgrenzung der Aufgabenfelder darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass aus der Sicht der Kinder- und Jugendhilfe, im Sinne des § 11 SGB VIII, der sozialpädagogische Aspekt immer noch bedeutend bleibt und eindeutig von der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere von der Kinder- und Jugendarbeit, wahrgenommen wird. Kulturelle Jugendbildung nach SGB VIII kann daher nicht die Kunstförderung ins Zentrum stellen. Dies kann zwar durchaus ein Produkt der Arbeit sein. Ihrer Zielsetzung nach haben sich die Angebote jedoch in die sozialpädagogische Perspektive einzuordnen. Sie haben insoweit zwei Seiten und müssen ihr Profil auch durch diese beiden Seiten definieren. Das muss – aus jugendpolitischer, aber auch aus kulturpolitischer Sicht – kein Gegensatz sein. Es kommt vielmehr auf die Verortung, den Zugang und die professionelle Kompetenz an. Es kann ein Gewinn sein – und ist es zumeist auch –, dass sich die unterschiedlichen Ansätze miteinander verbinden. Denn auch die Kulturelle Bildung im Zuständigkeitsbereich der Kultureinrichtungen und Kulturämter zielt auf das Erreichen von Kindern und Jugendlichen auch aus den sogenannten bildungsfernen bzw. den weniger kulturaffinen Schichten ab.
Mit ihrem Zugewinn an Bedeutung, ihrem Bildungsauftrag und ihrem enormen Verbreitungsgrad hat sich die Kulturelle Bildung in eine weitreichende gesellschaftliche Verantwortung hineinbegeben. Sie ist auch Instrument und Ort geworden, um Teilhabe zu erreichen oder möglich zu machen. Der in früheren Zeiten immer wieder eingebrachte Vorwurf, Kulturelle Bildung hätte lediglich das sogenannte „Bildungsbürgertum“ im Auge, ist durch diese Akzentuierung und die Praxis längst widerlegt worden. Das ist auch gut so. Jugendpolitisch gesehen leitet sich diese Notwendigkeit nicht allein daraus ab, dass Kinder und Jugendliche durch solche Angebote ihre Stärken im künstlerisch-kulturellen Bereich entdecken. Sie ist vielmehr so konzipiert, dass junge Menschen aus benachteiligten Lebensbereichen über die Auseinandersetzung mit Kultur eben auch andere Fähigkeiten und Begabungen entdecken, sich besonders wichtige Kompetenzen und Verhaltensweisen (z.B. in der Kommunikation) aneignen und damit ihre Persönlichkeit weiterentwickeln.
Teilhabe als Ziel der Kulturellen Bildung
Wenn es ein zentrales Ziel der individuellen Bildungsförderung ist, „individuelle Regulationsfähigkeit, gesellschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit […]“ (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2010:2) zu erreichen, dann kann dies – bezogen auf die Kulturelle Jugendbildung – nur heißen, sie sollte so ausgestaltet werden, dass sie eine wesentliche Rolle im Prozess des Aufwachsens junger Menschen wahrnehmen kann. Das heißt, dass sie sich auch zunehmend als Teil dieses Prozesses des Aufwachsens versteht und sich an die Orte begeben muss, an denen Kinder und Jugendliche, die besonders gefördert werden sollten, auch leben und aufwachsen. Es ist daher richtig und wichtig, dass sich die Angebote auch entlang der Biografie der Menschen orientieren und in zunehmendem Maße – soweit dies möglich ist – auch in kleineren sozialen Räumen (z.B. in Stadtteilen) stattfinden. Ein sozialräumlicher Blick ist für die Ermöglichung von Teilhabe von ganz zentraler Bedeutung. Er steht in direktem Zusammenhang zur Aufgabenstellung der Kinder- und Jugendhilfe, wie sie in § 1 und auch in § 11 SGB VIII für die Kulturelle Bildung formuliert ist.
Kulturelle Jugendbildung bedarf der Unterstützung durch Politik
Ohne Frage aber bedarf es dazu einer profilierten Jugendpolitik, die auch darauf angelegt sein muss, dass sich die Wege einer individuellen und nachhaltigen Bildungsförderung neben der Schule auch andere soziale und kulturelle Zusammenhänge erobern. Sie muss auch erkennen, welche Chancen sich durch eine Politik ergeben, die alle jungen Menschen im Blick hat und für die das Ziel, Teilhabe zu ermöglichen, auch für die einzelnen Felder und Bereiche der Kulturellen Bildung gilt. Durch die teilweise Auflösung der Trennung formaler Bildung von non-formalen Bildungsprozessen im Zuge des Entstehens neuer Ganztagsschulen kann dies sehr gut gelingen, wie zahlreiche Praxisbeispiele zeigen. Daher wird es in der Bildungsförderung allgemein, aber auch in der Kulturellen Bildung um eine „Strategie der Befähigung“ (Otto u.a. 2009) gehen müssen, denn Teilhabefähigkeit muss man sich aneignen (können). Das Bundesjugendkuratorium hat in seiner Streitschrift 2001 unterschiedliche Szenarien und damit verbundene Herausforderungen beschrieben (BJK 2002).
Die primären Bildungsorte Schule und Elternhaus werden diese notwendigen Kompetenzen allein nicht vermitteln können. Daher brauchen junge Menschen auch abseits der klassischen Orte diese ergänzenden, aber eigenständig agierenden Lebens- und Erfahrungsräume. Diese finden sie in den außerschulischen Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit, aber auch in der Kulturellen Bildung vor. Denn diese ist ja nicht ein Ort, der sich wie eine Insel von der gesellschaftlichen Realität abhebt, sondern sie mischt sich als gesellschaftlicher Akteur auch selbst in die gesellschaftliche Gestaltung ein. Sie hat – das ist ihre „Bringschuld“ – daher auch möglichst viele junge Menschen mitzunehmen und ihnen den Zugang zu ihren Chancen und Möglichkeiten zu eröffnen.
Hier hat die Politik immer wieder Impulse aus der Praxis aufgegriffen oder auch selber gesetzt, um so die Kulturelle Bildung als Teil des „wirklichen Alltags“ zu verstehen und zu fördern. So war es eine logische Konsequenz, bei der Schaffung von Ganztagsschulen nicht den Blick auf die schulische Bildung, als rein unterrichtsbezogene Form, zu reduzieren. Vielmehr kam (und kommt) es auf den multiprofessionellen Angebotsmix an und darauf, zwischen unterrichtsbezogenen und außerunterrichtlichen (auch außerschulischen) Angeboten zu unterscheiden und sie zueinander in Beziehung zu bringen.
Beispiele hierfür sind vor allem:
>> Die Entdeckung der neuen Medien für die Kulturelle Bildung. Aktuell kommt die Herausforderung durch die Digitalisierung hinzu. Denn sie greift grundlegend in die kulturelle Praxis und ihre Teilhabemöglichkeiten ein und verändert die Kommunikation, das Verhältnis von öffentlich und privat, aber auch die individuellen Zugänge. Junge Menschen gehen anders und selbstverständlicher mit den Medien um; diese sind quasi ihre Alltagsbeschäftigung. Daraus ist auch für sie ein völlig neuer und eigenständig wirkender Kulturraum geworden mit eigenen Symbolen und Formaten. Dies konstruktiv zu nutzen und die Optionsvielfalt ebenso zu erkennen und zu gewichten wie den Risiken oder Verlusten zu begegnen, wird eine spannende Herausforderung für die Kulturelle Bildung sein. Die klassische Sozialpädagogik reagiert auf diese besondere Anforderung oftmals eher mit Hilflosigkeit. Konzepte einer kritischen Medienerziehung vor allem hinsichtlich einer gerechten Teilhabepolitik greifen zudem oft nicht tief genug (und können dies wahrscheinlich auch nicht). Es geht dabei nicht allein um einen kritischen Blick auf die Szene der Computerspiele. Ein solcher würde zu kurz greifen. Es geht vielmehr – und vor allem – darum, der vermuteten Produktion oder Verstärkung von Ungleichheit (Brenner 2010) durch medien- und sozialpädagogische Konzepte entgegenzuwirken und die Befähigung junger Menschen ins Zentrum der Kulturellen Bildung zu stellen.
>> Die seit langem praktizierte, aber verbesserungsbedürftige Kooperation von Schule und Einrichtungen der Kulturellen Jugendbildung. Hier ist die Einführung der Ganztagsschule ein weiterer grundlegender Schritt, der den Lernort Schule deutlich verändert und außerschulische Akteure in die Schulgestaltung einbezieht. Andererseits haben sich die Einrichtungen und Träger Kultureller Bildung auch den Schulen dadurch stärker geöffnet als in früheren Jahren. Sie bringen ihre Kompetenz in die Gestaltung des Ganztags ein. Ebenso hat sich aber auch die Bereitschaft der Schule erhöht, Kulturelle Bildung auch als ihren Auftrag zu verstehen und eigene Angebote zu entwickeln. Beispiele sind: Angebote zur Verbindung von Sprachförderung und Singen oder Theater-Spielen; die Zusammenarbeit mit Museen; die Verbindung des Sportunterrichts mit künstlerischen Bewegungsformen durch die Einbeziehung des Tanzes, aber auch zwischen Literatur und Theater. Insbesondere in der Grundschule und der Sekundarstufe I sind Träger von Kultureinrichtungen und Jugendkunstschulen regelmäßiger Anbieter solcher Ansätze. Hierzu sind auch neue Formen der Zusammenarbeit entstanden, z.B. in NRW die Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit“, angesiedelt bei der Akademie Remscheid, oder das Modellprojekt „Kultur macht Schule – Netzwerke der Kooperation“ der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ).
>> Die Entwicklung neuer Förderbereiche, die die Kulturelle Bildung der klassischen Kultureinrichtungen ausweiten und besondere Angebote und Strategien entwickeln, um Kinder und Jugendliche aus allen sozialen Schichten zu gewinnen: Orchester proben zusammen mit Kindern, gehen teilweise in benachteiligte Stadtteile und zeigen Kindern Musik; Museen öffnen sich und entwickeln neue museumspädagogische Ansätze. Theater haben besonders durch ihre Kinder- und Jugendtheater längst attraktive Angebote für Kinder und Jugendliche entwickelt, die großen Zuspruch erfahren. Ein wichtiger Schritt in der Erweiterung der Möglichkeiten stellen die kostenlosen bzw. ermäßigten Eintritte in Museen oder Theater dar. Ergänzt wird dies durch neue Ansätze, wie z.B. den „Kulturrucksack“ in Nordrhein-Westfalen. Dieser konzentriert sich auf die Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen und ermöglicht es den Kommunen, durch eine pauschale finanzielle Pro-Kopf-Förderung spezielle Angebote für bestimmte Zielgruppen vorzuhalten. Im kommunalen Raum gibt es bereits ähnliche Ansätze, z.B. in Moers, Nürnberg und Düsseldorf.
Abschluss und Perspektive
Trotz positiver Entwicklungen und eines mehr und mehr wachsenden Zusammenwirkens zwischen den verschiedenen Fachbereichen und Sparten bleibt die Sicherung der Förderung der Kulturellen Bildung eine permanente Herausforderung. Dies liegt vor allem an der Förderstruktur, die besonders dann zu Schwierigkeiten führen kann, wenn die öffentliche Hand – vor allem die Kommunen – in einer finanziell schwierigen Situation ist, entweder in der Haushaltssicherung oder im Nothaushalt. Dann reichen auch gesetzliche Grundlagen oftmals nicht aus, weil Kommunen gehalten sind, ihre Schwerpunkte so zu setzen, dass zunächst die gesetzlich verpflichtenden Aufgaben wahrgenommen werden müssen (siehe Dieter Rossmeissl „Kommunale Politik für Kulturelle Bildung“).
Das Kinder- und Jugendhilfegesetz und teilweise auch die Ausführungsgesetze der Länder haben die Kulturelle Bildung als Teil der Kinder- und Jugendarbeit aufgenommen. Das ist ein Gewinn. Diese Aufnahme sollte daher auch als eine wichtige Grundlage gesehen werden, mit der man Eingriffe in die Förderstruktur verhindern kann. Das geht auch über eine Festschreibung des Kinder- und Jugendförderplans bzw. des Landesjugendplans und dort – wo es sie gibt – auch lokaler Förderpläne. Nordrhein-Westfalen hat sich entschieden, den Kinder- und Jugendförderplan für eine ganze Legislaturperiode festzuschreiben, was zu der notwendigen Planungssicherheit führt, die die Träger benötigen, um verbindliche Partnerschaften und längerfristige Projekte auch angehen zu können. Damit entsteht eine große Sicherheit in der Förderung, die sich dann auch auf die kommunale Ebene auswirkt. Es stärkt die Kulturelle Jugendbildung auch in ihrem Prozess der Modernisierung, denn gerade in diesen Feldern ist sowohl eine rasche Veränderung erkennbar wie eine Expansion, eben weil sie an außerschulischen Lern- und Bildungsorten eine immer wichtiger werdende Rolle einnimmt.