Didaktische Positionen von Lehrkräften an Kulturschulen – Erkenntnisse einer Umfrage in Baden-Württemberg
Abstract
Der Beitrag setzt sich damit auseinander, welche Unterrichtsmerkmale und didaktische Traditionen, d.h. eine bildungstheoretische, lehr-lerntheoretische, kommunikative oder konstruktivistische Perspektive, Lehrkräfte an Kulturschulen in ihrer Unterrichtsvorbereitung berücksichtigen. Es wird beleuchtet, ob sich Lehrende an Kulturschulen in ihrer didaktischen Einstellung ähneln und ob ihnen die gleichen pädagogischen Aspekte im Unterricht wichtig sind. Die durchgeführte Befragung zeichnet nach, inwieweit die Lehrkräfte eine „gemeinsame Sprache kulturell-ästhetischen Arbeitens“ sprechen und wie viel Variation in kulturell-ästhetischem Unterrichten vorliegt. Dabei zeigt sich, dass an Kulturschulen eine gelebte Vielfalt in Richtung einer eklektischen Didaktik vorzuliegen scheint.
Einleitung
Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass Lehrkräfte in Kulturschulen, also Schulen mit einem kulturell-ästhetischen Schwerpunkt (Braun et al. 2010; Fuchs 2012), ihren Unterricht nach kulturell-ästhetischen Prinzipien gestalten, um das „Lernen und Lehren erfolgreicher“ (Fuchs 2019:1) werden zu lassen.
Ausgerichtet ist dieser Erfolg auf die Persönlichkeitsentwicklung der Lernenden, die gleichrangig neben dem fachlichen Lernen steht. Lernende an Kulturschulen werden somit ganzheitlich betrachtet (Klopsch 2021). Für ihre Lernprozesse sind die zentralen kulturpädagogischen Handlungsprinzipien wie Selbstwirksamkeit, Partizipation und Stärkenorientierung (Fuchs 2013) ausschlaggebend. Umgesetzt wird dies beispielsweise, wenn Schüler*innen im Unterricht in vielfältigen Dimensionen – „ästhetisch, medial, körperlich, sensorisch, symbolisch, emotional, spirituell, sprachlich [und] kulturell“ (BKJ 2011:2) – aktiv handelnd eingebunden werden.
Die Art und Weise, wie Lehrkräfte kulturell-ästhetisches Lernen im Unterricht vorbereiten und umsetzen, steht ihnen frei. Je nach individueller Überzeugung, die unterschiedlichen didaktischen Ansätzen entspringen kann, wird Unterricht unterschiedlich gelebt. Ob Lehrkräfte an Kulturschulen sich in ihren didaktischen Vorlieben ähneln und gleichartige Aspekte bei der Unterrichtsvorbereitung berücksichtigen bzw. ob ihnen unterschiedliche Aspekte im Unterricht gleichermaßen wichtig sind, untersucht dieser Beitrag.
Didaktische Theoriefamilien
Die individuelle didaktische Position, die Lehrkräfte bei ihrer Unterrichtsplanung einnehmen, basiert sowohl auf persönlichen Überzeugungen als auch auf fachlichen und pädagogischen Ansätzen (Baumert/Kunter 2011). Ganz allgemein lässt sich Didaktik als Wissenschaft des Lehrens und Lernens in Theorie und Praxis (Peterßen 1989) verstehen, die die Grundlage für das unterrichtliche Handeln in allen Schulformen bildet.
Wenngleich Lehrkräfte selten in der Praxis didaktische Ansätze in ihrer Reinform anwenden, lassen sich dennoch aus theoretischer Perspektive vier Theoriefamilien unterscheiden: die bildungstheoretische Didaktik, die kommunikative Didaktik, die lehr-lerntheoretische Didaktik und die konstruktivistische Didaktik (Klopsch/Adams 2024).
Alle Theorien vereint, dass sie den zu gestaltenden Unterricht an den Dimensionen ‚Inhalt‘, ‚Lernende‘ und ‚Lehrkräfte‘ ausrichten (Arnold/Schön 2019:32f.). Was sie unterscheidet, wird im Folgenden deutlich (eine tiefgreifendere Analyse der Didaktiken und deren Übereinstimmung mit kulturell-ästhetischen Prinzipien und Handlungsweisen findet sich in Klopsch/Adams 2024).
Bildungstheoretische Didaktik
Zentraler Anspruch der bildungstheoretischen Didaktik liegt in der „Anbahnung von Bildung durch [die] Begegnung junger Menschen mit Kultur“ (Terhart 2019:153), wobei die Auswahl geeigneter Bildungsinhalte sowie curricularer Aspekte im Mittelpunkt steht (Terhart 2019; Hippel et al. 2018). Ihr ganzheitliches Bildungskonzept integriert neben den konkreten Bildungsinhalten auch die zu erwerbenden Fähigkeiten, um die Erschließung von Inhalten zu erleichtern (Klafki 1963). Für Lehrkräfte bedeutet dies, die Bildungsinhalte so auszuwählen, anzuordnen und zu erklären, dass sie dem Lehrplan entsprechen und die Lernenden bestmöglich unterstützen (Terhart 2019).
Zentrales Werkzeug ist die didaktische Analyse und in ihrer Erweiterung das „Perspektivenschema zur Unterrichtsplanung“ (Klafki 1985). Es umfasst Leitfragen, die Bildungsinhalte bezüglich ihrer Bedeutung, Struktur, Zugänglichkeit und Überprüfbarkeit reflektieren. Daneben werden in der Planung der Lernprozesse individuelle und soziokulturelle Merkmale der Lernenden sowie institutionelle Bedingungen berücksichtigt (Klopsch/Adams 2024).
Methodische Fragen, wie etwa die Sequenzierung des Lernens, treten in der bildungstheoretischen Didaktik eher in den Hintergrund (Klafki 1970). Sie kommen nur zum Tragen, wenn sie der Vermittlung inhaltlicher Aspekte dienen (Lehner 2019:53). Bildung ist vielmehr eine moralisch-praktische Kunst, bei der die Begegnung der Lernenden mit Kultur wichtig ist, diese aber nicht nur rezipiert, sondern kritisch-reflexiv hinterfragt (Terhart 2019). „Mit welchen Fragen sich junge Menschen auseinandersetzen [müssen], um zu einem selbstbestimmten und vernunftgeleiteten Leben in Menschlichkeit, in gegenseitiger Anerkennung und Gerechtigkeit, in Freiheit, Glück und Selbsterfüllung zu kommen“ (Klafki 1985:461) ist bei der Planung zentral. Bildung wird so zur Fähigkeit, das eigene Leben eigenverantwortlich zu gestalten, gesellschaftliche Entwicklungen mitzubestimmen und sich solidarisch gegenüber Benachteiligten zu verhalten (Kron et al. 2014).
Aus kulturell-ästhetischer Perspektive ist die bildungstheoretische Tradition nutzbar, um schulische Inhalte zur Erschließung der Beziehung zwischen Menschen und der Welt (Klepacki 2014) herauszuarbeiten. So ist es möglich, gesellschaftliche Herausforderungen wie Transkulturalität oder Digitalisierung in fächerübergreifende Themenstellungen zu integrieren, um Lernende auf ihr Erwachsenenleben vorzubereiten (Klopsch/Adams 2024).
Lehr-lerntheoretische Didaktik
Die lehr-lerntheoretische Didaktik gilt als Gegenentwurf zur bildungstheoretischen Didaktik (Heimann 1962). Sie verfolgt ein normativ-gesellschaftskritisches Verständnis von Bildung, das Selbst- und Fremdbestimmung, Solidarität, Autonomie und Kompetenz als zentrale Eckpfeiler des Bildungssystems begreift (Lehner 2019; Schulz 1980). In der lehr-lerntheoretischen Didaktik steht der Begriff des Lernens und die Perspektive der planenden und analysierenden Lehrkraft im Mittelpunkt. Lernen wird wahrgenommen als der „Erwerb von Informationen, die Heranwachsende für ihren persönlichen Emanzipationsprozess benötigen“ (Peterßen 1989:63). Es befähigt die Lernenden, gesellschaftliche Strukturen zu hinterfragen und zu verändern.
Zentrales Werkzeug der Planung ist ein Strukturmodell („Hamburger Modell“), das Inhalte, Ziele, Methoden und Medien miteinander verknüpft und diese in die Lernumgebung integriert (Klopsch/Adams 2024). Unterricht wird dabei zu einer „zweckrationalen und erfolgskontrollierten Organisation von LehrLernProzessen“ (Terhart 2019:259). Das Unterrichtsdesign umfasst gleichermaßen individuelle, soziale und sachliche Bezüge (Jank/Meyer 1994), wobei Lehrende und Lernende partnerschaftlich miteinander agieren. Methoden und Medien werden gemeinsam genutzt, um Lerninhalte zugänglich zu machen (Schulz 1980).
Kulturell-ästhetische Angebote, die dieser didaktischen Tradition nahestehen, fördern Selbstbestimmung und Partizipation, wobei Anerkennung und Solidarität zentrale Bedingungen für echte Teilhabe sind (Hallmann et al. 2021). Die künstlerisch-ästhetische Auseinandersetzung unterstützt dabei den reflexiven Austausch und gemeinsame Arbeitsprozesse.
Kommunikative Didaktik
Kommunikative Didaktiken bauen auf die Grundannahme, dass jede Unterrichtsstunde eine soziale Situation ist, die durch Kommunikation gestaltet wird. In sie bringen Lernende eigene Vorerfahrungen, Sichtweisen und individuelles (Vor-)Wissen ein, wodurch Lernprozesse angeregt werden und sich entwickeln (Terhart 2002:79).
Bildung entsteht folglich eingebettet in inter-subjektive, kommunikative Beziehungs- und Sinnstrukturen (Schaller 1978). Nur durch die gegenseitige Verständigung, die die gegenseitige Verwobenheit der Beteiligten aufdeckt und nutzt, kann Bildung und damit letztlich auch Emanzipation entstehen (Ostertag 2001:30).
Für Lehrkräfte bedeutet dies, Lernenden die Rolle von aktiven Gestalter*innen zu übertragen, die Kommunikationsprozesse mit steuern und reflektieren. Dabei kann die Schüler*innenorientierung so weit führen, dass sich die traditionelle Hierarchie zwischen Lehrenden und Lernenden auflöst (Borsum et al. 1982; Klopsch/Adams 2024).
Zentrale Bezugspunkte für die Planung und Analyse von Unterricht sind dessen Inhalts-, Vermittlungs-, Beziehungs- und Störaspekte (Winkel 1986). Das Inhaltliche, das kommunikativ handelnd gemeinsam bearbeitet wird, ist dabei weit gefasst. Es umfasst bisherige Erfahrungen und Vorwissen der Lernenden genauso, wie gesellschaftliche Anforderungen und die Zukunftsrelevanz. Seine produktive Aushandlung basiert auf positiven Beziehungen zwischen allen Beteiligten, die sich gegenseitig unterstützen. Diese Zusammenarbeit ist nicht vor Störungen gefeit, die kommunikativ möglichst weitgehend aufgelöst werden können.
Im Sinne der kommunikativen Tradition setzen kulturell-ästhetische Angebote in Schulen auf Lerngelegenheiten, die dazu beitragen, dass die einzelnen Schüler*innen ein bewusstes Verhältnis zu sich und ihrer natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt eingehen können (Fuchs 1990). So lernen sie die Gegenwart wahrzunehmen und kritisch-konstruktiv weiterzuentwickeln.
Konstruktivistische Didaktik
Im Zentrum konstruktivistischer Didaktiken steht die individuelle Konstruktion von Wissen und Kompetenzen. Der Konstruktivismus geht davon aus, dass es keine objektive Realität gibt. Jede Person konstruiert sich die jeweils wahrgenommene Realität selbst. Diese entsteht aus Vorerfahrungen und Vorwissen und wird geprägt durch soziale Interaktionen (Terhart 1999). Wissen lässt sich dabei nicht von einer Person auf eine andere übertragen. Die individuellen, eigenaktiven Lernprozesse machen es vielmehr erforderlich, vielfältige Lerngelegenheiten bereitzustellen, die den unterschiedlichen Voraussetzungen der Lernenden gerecht werden und möglichst lebensweltnah angelegt sind. Im Fokus steht dabei weniger der Wissenserwerb als der Kompetenzzuwachs, der es den Lernenden ermöglicht, Wissen zu erweitern, zu teilen und gemeinsam weiterzuentwickeln (Utzschneider 2011).
Das zugrundeliegende Strukturmodell der konstruktivistischen Didaktik besteht aus drei unterschiedlichen Phasen (Reich 2005). Innerhalb der Phasen erschließen sich Lernende aktiv Wissen, agieren als Beobachtende, Teilnehmende und experimentierende Akteur*innen. Sie reflektieren ihre Ergebnisse und hinterfragen ihre eigenen Grenzen. Der Lernprozess ist dabei immer in soziale Kontexte eingebettet (Terhart 2005).
Problematisch für kulturell-ästhetische Angebote scheint aus der Perspektive der konstruktivistischen Didaktik die Begrenzung einer freien Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur durch den kognitiven Prozess (Stenger 2022). Diese lässt sich jedoch in fruchtbare Auseinandersetzungen überführen, wenn kognitive und ästhetische Bildung miteinander verknüpft wird (Pfeiffer 2013; Mollenhauer 1986; Selle 1988). Körperliche, situative und soziale Bildungsprozesse erweitern dann die ästhetische Bildung (Wulf/Zirfas 2007).
Befragung der Lehrkräfte
Die vorliegende Studie basiert auf quantitativen Daten einer schriftlichen Befragung, die an allen Kulturschulen Baden-Württembergs durchgeführt wurde. Ein Vergleich mit Lehrkräften, die nicht kulturell-ästhetisch unterrichten, wurde nicht angestrebt, weshalb sich das Sample auf die Kulturschulen des Landesprogramms Kulturschule Baden-Württemberg beschränkte.
Insgesamt nahmen 86 Lehrkräfte aller Schularten an der Befragung teil. Der dabei erreichte eher geringe Rücklauf lässt darauf schließen, dass sich an der Befragung ausschließlich Lehrkräfte beteiligten, die kulturell-ästhetischem Lehren und Lernen zugetan sind und dieses zudem aktiv anwenden.
Auch wenn auf theoretischer Basis alle didaktischen Traditionen für kulturell-ästhetische Angebote genutzt werden können, stellte sich hierfür die zentrale Forschungsfrage: Ähneln sich Lehrkräfte an Kulturschulen in Baden-Württemberg in ihren didaktischen Vorlieben und welche Aspekte sind ihnen bei der Unterrichtsvorbereitung besonders wichtig?
Die Annäherung an die Forschungsfrage erfolgte über drei Perspektiven, die alle dem quantitativen Teil des Fragebogens zugerechnet werden können. Zunächst wurden sie aufgefordert, aus den folgenden Aspekten bzw. Handlungsprinzipien die drei Punkte zu benennen, die ihnen im Unterricht besonders wichtig sind: Persönlichkeitsentwicklung, Identitätsentwicklung, kulturelle Teilhabe, soziales Lernen, Eigenverantwortung, emotionales Lernen, Reflexion, Lernmotivation, Leistungszuwachs, fachliche Tiefe, Selbstbestimmung, Solidarität, Kommunikation, Transparenz, Demokratisierung, Ko-Konstruktion und Kreativität.
Daran anschließend benannten die Befragten, an welche Aspekte sie denken, wenn sie ihren Unterricht vorbereiten. Auch hier waren aus der folgenden Auswahl drei Nennungen möglich: Inhalte, Kompetenzen, didaktische Abläufe, einzelne Schüler*innen, Leistungsüberprüfung, Handlungsorientierung, Interaktionen, unterschiedliche Lehrkräfterollen und soziale Situationen.
Letztlich wurden sie darum gebeten, sich einem der folgenden Sätze zuzuordnen, die jeweils eine der didaktischen Traditionen widerspiegeln sollen.
- Ich bin hauptsächlich Lernbegleiter*in, rege Lernprozesse an, aber erzeuge sie nicht.
- Ich, als Lehrkraft, wähle Inhalte aus, ordne sie in logischer Weise an und verdeutliche sie den Lernenden.
- Ich schaffe im Unterricht soziale Situationen, die dazu beitragen, dass Instruktionen in den Hintergrund treten und Interaktionen im Vordergrund stehen.
- Ich, als Lehrkraft, plane und analysiere Unterricht, d.h. ich arbeite mit einem forschenden und praktischen Blick.
Eine Mehrfachnennung war nicht möglich.
Ergebnisse
In der Zusammenfassung aller Lehrkräfte zeigten sich unter der Fragestellung, was ihnen wichtig sei, die Persönlichkeitsentwicklung (gewählt von 59% der Lehrkräfte), das soziale Lernen (45%), die Eigenverantwortung (39%), kulturelle Teilhabe (33%) und Kreativität (31%) als nennungsstärkste Kategorien. Selbstbestimmung (15%), Demokratisierung (13%), Solidarität (10%), Transparenz (8%) und Ko-Konstruktion (0%) scheinen demgegenüber den Lehrkräften weniger wichtig zu sein.
Die Frage danach, woran die Lehrkräfte denken, wenn sie Unterricht vorbereiten, werden hauptsächlich Inhalte (67%), didaktische Abläufe (48%) und Handlungsorientierung (55%) genannt. Die Leistungsüberprüfung (5%) sowie unterschiedliche Lehrkräfterollen (2 %) sind die am wenigsten gewählten Aspekte.
Von den 86 befragten Lehrkräften ordnet sich die Mehrheit einem kommunikativen didaktischen Verständnis zu (35 %). Darauf folgt eine Gruppe, die ein konstruktivistisches Verständnis (26 %) in ihrem Unterricht bevorzugt, gefolgt von der lehr-lerntheoretischen Herangehensweise (23 %). Am seltensten wurde die bildungstheoretische Vorgehensweise präferiert (16 %).
In Bezug auf die unterschiedlichen didaktischen Traditionen zeigen sich in den beiden ersten Fragestellungen deutliche Unterscheidungen, aber auch Gemeinsamkeiten.
Anhänger*innen der bildungstheoretischen Didaktik (n=14) scheint der Leistungszuwachs der Lernenden (43% der Befragten) sowie die Lernmotivation und die Kommunikation (je 36%) besonders wichtig. Ko-Konstruktion (0%), emotionales Lernen, Reflexion, Selbstbestimmung und Demokratisierung (je 7%) sind für sie eher belanglos. Bei der Unterrichtsvorbereitung denken alle Beteiligten über Inhalte nach (100%) – die zweitmeisten Nennungen erhalten didaktische Abläufe (50%). Unterschiedliche Lehrkräfterollen (0%) und soziale Situationen (7%) fallen demgegenüber nicht ins Gewicht.
Befürworter*innen der Lehr-Lern-Theorie (n=20) benannten als besonders wichtig die Persönlichkeitsentwicklung (65%), soziales Lernen (60%), Eigenverantwortung und fachliche Tiefe (je 45%). Ko-Konstruktion (0%), Transparenz und emotionales Lernen (15%) werden deutlich weniger ausgewählt. Bei ihrer Vorbereitung orientiert sich diese Gruppe hauptsächlich an didaktischen Abläufen (80%) und Inhalten (70%), soziale Situationen (0%) oder unterschiedliche Lehrkräfterollen (5%) spielen fast gar keine Rolle.
Anhänger*innen der kommunikativen Didaktik (n=30) betonen die Persönlichkeitsentwicklung (60%), soziales Lernen (53%) und die Eigenverantwortung bei Lernenden (43%). Ko-Konstruktion (0%), Transparenz und Solidarität (je 7%) werden sehr selten berücksichtigt. Bei der Vorbereitung stehen Inhalte (53%), Kompetenzen (47%) und einzelne Schüler*innen (40%) im Vordergrund.
Diejenigen Lehrkräfte, die mit der konstruktivistischen Didaktik (n=23) sympathisieren, betonen die Persönlichkeitsentwicklung (70%), die Eigenverantwortung der Lernenden (44%) sowie die Lernmotivation (39%). Selbstbestimmung, Transparenz oder Ko-Konstruktion (alle 0%) spielen für sie keine Rolle.
Bei der Unterrichtsvorbereitung wird die Handlungsorientierung mit Abstand am häufigsten gewählt (74%), gefolgt von dem Denken an unterschiedliche Schüler*innen (39%). Einzelne Interaktionen stehen jedoch nicht im Mittelpunkt (4%).
Interpretation und Diskussion
Die unterschiedlichen Präferenzen zu bestimmten didaktischen Theorien liegen bei den befragten Lehrkräften insgesamt eng beieinander. Eine eindeutige Zuordnung, wie Lehrkräfte einer Kulturschule klassischerweise kulturell-ästhetisches Lernen durchführen, scheint es nicht zu geben.
Die gelebte Didaktik der Kulturschule – sofern sie nicht nur aus individuellen isolierten Ansätzen einzelner Lehrkräfte besteht, sondern in der schulischen Gemeinschaft ausgehandelt wird – scheint einer eklektischen Didaktik nahe zu liegen.
Eklektische Didaktiken beruhen auf der Annahme, dass keine Theorie allgemeingültig ist, sondern durch andere Perspektiven ergänzt werden kann (Zierer 2009). Sie nutzen die vielversprechendsten Elemente bestehender Modelle und verbinden sie zu einem neuen didaktischen Ansatz (Strauß et al. 1989; Herrmann 2004).
Unter den befragten Lehrkräften scheint – bis auf die Anhänger*innen der Bildungstheorie – Einigkeit über die Bedeutung von Persönlichkeitsentwicklung und Eigenverantwortung der Lernenden. Lernmotivation wird von den bildungstheoretischen und konstruktivistischen Didaktiker*innen hervorgehoben, während Lehrkräfte, die sich der lehr-lerntheoretischen oder der kommunikativen Didaktik zugehörig fühlen, das soziale Lernen betonen. Die kommunikative und konstruktivistische Perspektive auf Lehr-Lernprozesse eint der gemeinsame Blick auf die einzelnen Lernenden, wenn Unterricht vorbereitet wird.
Unterricht an Kulturschulen scheint damit in seinen großen Linien auf einer „gemeinsamen Sprache“ aller Beteiligten aufbauen zu können. Persönlichkeitsentwicklung als der Kernbereich der kulturell-ästhetischen Bildung scheint vielen Lehrkräften ein zentrales Anliegen. Auch in der zurückhaltenden Bewertung von Transparenz, Solidarität, Ko-Konstruktion, emotionalem Lernen, sozialen Situationen und unterschiedlichen Lehrkräfterollen scheint eine grundsätzliche Übereinstimmung zu herrschen. Dies überrascht vor einem kulturell-ästhetischen Hintergrund, der die Selbstwirksamkeit und die Partizipation der Lernenden stark macht (Fuchs 2013), die den genannten Aspekten entspringen können. Gerade hier scheint es wichtig zu sein, miteinander ins Gespräch zu kommen und zu erörtern, was die einzelnen Beteiligten genau unter den einzelnen Aspekten verstehen und wie sie im Unterricht gelebt werden können. Eine gemeinsame Auseinandersetzung darüber, was kulturell-ästhetisches Lernen ist, scheint als Ausgangspunkt der gemeinsamen Arbeit an Schulen unausweichlich.
Fazit
Die Lehrkräfte der Kulturschulen nutzen unterschiedliche didaktische Traditionen für ihren Unterricht. Um eine Kulturschule, innerhalb derer ein gemeinsames Verständnis über kulturell-ästhetisches Lernen herrschen sollte, weiterzuentwickeln, ist deshalb ein steter Austausch und im Idealfall ein ko-konstruktives Miteinander wichtig. Auf diese Weise kann eine kulturschulspezifische eklektische Didaktik entstehen, die die Persönlichkeitsentwicklung aller Beteiligten unterstützt:
Auch wenn die Lehrkräfte, die Schulleitungen und das weitere pädagogische Personal an Schulen gemeinsame Überzeugungen und Einstellungen hinsichtlich des kulturell-ästhetischen Lernens entwickeln, bedeutet dies nicht, dass sie ihre ursprüngliche didaktische Position verlassen und ihre Herangehensweise an Unterricht „umlernen“ müssen. Eine gemeinsame Auseinandersetzung kann vielmehr dazu führen, positive Aspekte unterschiedlicher Ansätze miteinander zu verweben und ein ganzheitliches Vorgehen zu entwickeln. Dieses trägt schulspezifisch dazu bei, dass die Lehrkräfte selbst auf eine Weise unterrichten, wie es ihren Einstellungen und Haltungen entspricht, ohne sich zu verstellen oder „fremde“ Vorgehensweisen unreflektiert zu übernehmen, wodurch alle Lernenden optimal unterstützt werden. Eine gemeinsame Didaktik der Kulturschule wird so zur Basis eines höchst produktiven Miteinanders.