Bibliotheken – starke Bildungspartner in ländlichen Regionen

Artikel-Metadaten

von Kristin Bäßler, Kathrin Hartmann

Erscheinungsjahr: 2024

Peer Reviewed

Abstract

Bibliotheken sind heute sehr vielmehr als Orte der Medienausleihe. Sie sind offene Orte für alle und Begegnungsorte für alle Generationen, die Themen wie Nachhaltigkeit aufgreifen, medienpädagogische Angebote für Kinder und Jugendliche bereithalten und starke Partner für Kitas und Schulen im Bereich der Leseförderung sind. Solche Orte sind insbesondere dort von zentraler Bedeutung, wo es nur wenige Kultur- und Bildungsangebote gibt. Allerdings haben es oft kleinere Bibliotheken schwer, Fördermittel einzuwerben. Der Artikel gibt einen Einblick über die vielfältigen Aufgaben, Services und Angebote von Bibliotheken in ländlichen Regionen, die u.a. durch das Programm „Vor Ort für Alle“ gefördert wurden. Auf Grundlage der innerhalb des Programmes gesammelten Erfahrungen hat der Deutsche Bibliotheksverband Handlungsempfehlungen abgeleitet, wie insbesondere kleine Bibliotheken in ländlich geprägten Regionen unterstützt werden können.

Im Sommer 2024 schlug Bundesbauministerin Klara Geywitz vor, den Umzug von Großstädter*innen in kleinere Kommunen zu fördern. Hintergrund ist, dass in immer mehr Großstädten der Wohnraum knapp wird, in vielen ländlich geprägten Regionen hingegen immer mehr Wohnraum durch den Wegzug von Menschen zur Verfügung steht. Was aber zeichnet ländliche Regionen und ihre Infrastrukturen aus? Und wie müssen diese weiterentwickelt werden, damit sie zur Lebensqualität der dort lebenden Menschen beitragen?

Neben Schulen, Ärzten und Supermärkten sind Kultur- und Bildungseinrichtungen wie Theater, Museen und Bibliotheken ein Standortfaktor für kleine Kommunen und Regionen. Bibliotheken haben sich in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt und übernehmen für viele Regionen zentrale kultur- und bildungspolitische Aufgaben als Ort für Wissen und Kommunikation, als Lern- und Freizeitorte (siehe Jürgen Seefeldt „Öffentliche Bibliotheken und ihre Rolle für Bildung und Kultur in ländlichen Räumen“). Ein Beispiel ist die Stadtbibliothek im Bayerischen Alzenau, die 2024 mit dem Preis „Bibliothek des Jahres 2024 in kleinen Kommunen und Regionen“ ausgezeichnet wurde. Der Preis, der seit 2020 vom Deutschen Bibliotheksverband e.V. (dbv) und der Deutsche Telekom Stiftung verliehen wird, zeichnet Bibliotheken in Städten und Gemeinden mit bis zu 50.000 Einwohner*innen aus, die sich mit innovativen Angeboten in der Region etabliert haben. Die Arbeit der Stadtbibliothek Alzenau ist auf vier zentralen Säulen aufgebaut: „Leseförderung“, „Digitalisierung“, „Alltag und Freizeit“ sowie das Thema „Teilnahme am öffentlichen Leben/Bürgerschaftliches Engagement“. In der Jurybegründung wurden besonders die Kooperationen mit den Grundschulen des Ortes hervorgehoben. So sind die Grundschulklassen nicht nur regelmäßig zu Besuch in der Bibliothek, sondern die Bibliotheksmitarbeitenden kommen auch regelmäßig in die Schulen und bieten dort Workshops zur Leseförderung und zur digitalen Medienbildung an. Ergänzt werden diese durch Nachmittagsangebote für Jugendliche, die im Makerspace Roboter nutzen sowie in der Coding-AG das Programmieren erlernen können. Um noch mehr Personen zu erreichen, gehen die Mitarbeitenden darüber hinaus mit ihren Bildungsprojekten hinaus in die Stadt und unterbreiten dort verschiedene Outreach-Angebote.

Und auch das Thema Nachhaltigkeit spielt für die Bibliothek in Alzenau eine große Rolle: Seit Jahren setzt sie sich konsequent für die Umsetzung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele ein. Neben einer 2023 geschaffenen Saatgutbibliothek, organisiert sie einmal im Monat in Kooperation mit dem Repair-Café Alzenau Reparaturabende und macht Kleidertauschbörsen. Die Bibliothek unterstützt als Ort der politischen Bildung außerdem die Alzenauer Initiative „Demokratie stärken – Vielfalt leben“ mit Workshops und Ausstellungen. Zum jährlichen „Tag der offenen Gesellschaft“ organisiert sie verschiedene Aktivitäten, um mit den Menschen aus dem Ort ins Gespräch zu kommen.

Dies ist nur ein Beispiel für die umfassende Arbeit von Bibliotheken in ländlichen Regionen. Von den über 8.000 Bibliotheken in Deutschland liegen über 6.300 in Orten unter 50.000 Einwohner*innen. Im Jahr 2023 wurden diese Bibliotheken über 47 Millionen Mal besucht (vgl. Deutsche Bibliotheksstatistik 2023) und mit im Schnitt 1.64 Personalstellen hatten sie fast 3 Millionen Stunden (vgl. ebd.) geöffnet.

Kultur- und Bildungseinrichtungen für ländliche Regionen

Die Rolle dieser Informations- und Medienzentren ist vor allem für ländliche Regionen zentral. Denn oftmals sind sie die letzten Kultur- und Bildungseinrichtungen in vielen Regionen, weshalb ihr Aufgabenportfolio weiterwächst. Neben dem Zugang zu Büchern, Zeitschriften, Datenbanken und der Möglichkeit zur Fernleihe, die jedes gewünschte Medium in die Bibliothek vor Ort liefert, werden Bibliotheken immer stärker zu Begegnungsorten: sei es durch Gamingräume für Jugendliche, Treffpunkte für Vereine oder Orte der Leseförderung für Familien mit Kindern. In den letzten Jahren wurde auch auf dem Land das Angebot für die Jüngsten vermehrt ausgebaut. So beteiligen sich zahlreiche Bibliotheken in kleinen Kommunen, darunter auch viele ehrenamtlich geführte, bei der bundesweiten Initiative „Lesestart“, einem Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Stiftung Lesen, das mit Buchgeschenken und Informationen zur Bedeutung des frühen Vorlesens Familien ab Geburt ihrer Kinder unterstützen möchte. Bibliotheken richten mit Angeboten wie den „Bücherbabys“ Krabbel-Gruppen ein, in denen neben Sprachspielen erste Kinderbücher vorgestellt werden. Ein Beispiel zeigt das Video „Frühkindliche Sprach- und Leseförderung in der Stadt- und Schulbibliothek Kelsterbach“. Für etwas Ältere werden Bilderbuch-Kinos und Kamishibai, das japanische Erzähltheater, veranstaltet, außerdem kooperieren Bibliotheken eng mit den örtlichen Kitagruppen. Bereits vor Schuleintritt tragen Bibliotheken mit ihren Medien- und Veranstaltungsangebot zur Lern- und Leseförderung von Kindern bei.

Für diese kulturelle Bildungsarbeit benötigen gerade kleinere Einrichtungen zusätzliche Mittel: Der Deutsche Bibliotheksverband unterstützt durch die Beteiligung am Bundesförderprogramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ mit den Programmen „Lesen macht stark (2013–2017), „Total digital“ (2018–2022) und „Gemeinsam digital“ (2023–2027) auch viele Bibliotheken in ländlichen Regionen. Ziel des Ausbaus des kulturellen Bildungsangebots für junge Menschen ist es, sie in ihrer persönlichen Entwicklung durch Angebote der außerschulischen Kulturellen Bildung zu stärken und damit langfristig zu ihrer gesellschaftlichen Teilhabe beizutragen (vgl. Homepage des dbv mit Projektbeispielen der Förderung).

Im Fokus der dbv-Förderung stehen Projekte der digitalen Leseförderung für Kinder und Jugendliche, die das Erzählen einer eigenen Geschichte, die aktive Mediengestaltung oder partizipative Beteiligung in den Fokus stellen – begleitet durch medien-, literatur- und kulturpädagogisches Fachpersonal. Gefördert werden z.B. Medienprojekte in den Bereichen Podcast, Foto, Video, Stop-Motion, Buchtrailer, Robotik, Coding, Gaming, Maker-Camps oder Schreibwerkstätten.

Gesellschaftspolitische Funktionen

Neben ihren kultur- und bildungspolitischen Aufgaben übernehmen Bibliotheken zudem eine zentrale demokratische und gesellschaftspolitische Funktion: Sie sind offene Orte für alle und schaffen Zugänge, damit sich jede*r kostenlos informieren kann. Mit ihrem überparteilichen Medien- und Informationsangebot sorgen sie für die informationelle Grundversorgung aller Bürger*innen und leisten so einen zentralen Beitrag zur Meinungsbildung, zu einem demokratischen Gemeinwesen sowie zur politischen Willensbildung. Bereits die ersten Volksbüchereien im 19. Jahrhundert waren ein Schritt hin zu mehr Demokratie: Menschen erhielten die Möglichkeit, sich eigenständig zu informieren, weiterzubilden und dadurch an gesellschaftlichen Diskursen teilzuhaben.

Heute sind Bibliotheken Begegnungsorte, in denen Menschen Zeit verbringen: zum Stöbern, Lesen, Lernen oder zum Austausch. Solche konsumfreien und niedrigschwelligen Aufenthaltsorte, in denen Menschen sich zwanglos begegnen können, sind besonders in ländlich geprägten Regionen zentral. Denn aufgrund des demografischen Wandels schließen dort immer mehr (kulturelle) Orte wie Jugendclubs, Gaststätten oder Kirchgemeindehäuser ihre Türen, fehlen zunehmend Treffpunkte. In einer Zeit, in der pluralismus- und demokratiefeindliche Tendenzen in der Gesellschaft zunehmen, ist es ein Ziel des dbv, Bibliotheken als Orte der Demokratie, der Information und des Austauschs zu stärken.

Demokratieförderung durch Bibliotheken

Die Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) und der Deutsche Bibliotheksverband haben daher 2023 erstmals das Programm „Land.schafft.Demokratie“ aufgelegt, das die spezifischen Herausforderungen der Demokratieförderung und -stärkung in ländlichen Regionen aufgreift. Die bpb setzt sich mit ihren breit gefächerten Bildungsangeboten dafür ein, dass sich Bürger*innen mit politischen und gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen und aktiv am politischen Leben teilnehmen. Ziel von „Land.schafft.Demokratie“ ist es, den Beitrag, den Bibliotheken als Akteure der Demokratieförderung leisten, weiterzudenken und konkrete Veranstaltungsformate für kleine Bibliotheken zu entwickeln (vgl. dbv-Homepage).

In der Pilotphase wurden 2023 zehn Bibliotheken in Orten mit bis zu 50.000 Einwohner*innen ausgewählt, die gemeinsam mit Akteuren der politischen Bildung Workshops zur Demokratiebildung für unterschiedliche Zielgruppen entwickelt haben. Zudem konnten Bibliotheksmitarbeitende an kostenlosen digitalen Trainings teilnehmen, die ihnen die Möglichkeit gaben, sich in verschiedenen Themenfeldern rund um die demokratiestärkende Bibliotheksarbeit weiterzubilden – ob als Moderator*innen von Debatten oder im Umgang mit Hass im Netz. Zugleich wurden Argumentationstrainings für Bibliotheksmitarbeitende angeboten. Maßgabe bei allen Formaten war es, niedrigschwellige Angebote zu entwickeln, die angepasst an die lokalen Gegebenheiten einen klaren Fokus auf bestimmte Zielgruppen legen. Das konnten Schreibwerkstätten für Kinder und Jugendliche zum Thema Empowerment sein, Vorlesenachmittage mit Nutzung der politischen Kinderbuchreihe der bpb, Workshops zu Desinformation, Fakenews und Hatespeech sowie Veranstaltungen für Eltern und Jugendliche zur Frage, wie Computerspielen pädagogisch begleitet werden kann. Die bpb hat den teilnehmenden Bibliotheken zusätzlich Materialen wie Aufsteller und Publikationen zur Verfügung gestellt. Das Programm konnte 2024 mit 15 Bibliotheken in Kommunen bis 30.000 Einwohner*innen, davon je drei in Thüringen und Sachsen sowie zwei in Brandenburg, fortgesetzt werden, mit der Perspektive einer Fortführung auch über 2024 hinaus.

Passgenaue Förderung für Bibliotheken in ländlichen Regionen

Damit Bibliotheken zu lokalen Treffpunkten werden können, in denen sich Menschen gerne aufhalten, bedarf es attraktiver Räumlichkeiten, die zeitgemäß ausgestattet sind. Von 2020 bis 2023 hat der dbv auf Initiative der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) das Soforthilfeprogramm „Vor Ort für Alle“ für zeitgemäße Bibliotheken in ländlichen Räumen durchgeführt. Die Mittel hierfür stammten aus dem Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ (BULE) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Ziel des Programms war es, Bibliotheken als „Dritte Orte” zu stärken und damit einen Beitrag zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse zu leisten. Im Fokus der Förderung standen investive Maßnahmen zur Modernisierung der Bibliotheksausstattung sowie die Einführung neuer (digitaler) Angebote. Insgesamt konnten im Rahmen des Programms über 650 Bibliotheken in Kommunen mit bis zu 20.000 Einwohner*innen mit insgesamt sechs Millionen Euro gefördert werden.

Die große Bandbreite der geförderten Projekte verdeutlicht, wie vielfältig Bibliotheksarbeit heutzutage ist und welche Möglichkeiten bestehen, wenn Bibliotheken ausreichend Mittel zur Verfügung haben, um relevante Angebote für die lokale Bevölkerung anzubieten.

Beispiel: Eine Werkstatt für Alle

In der rheinland-pfälzischen Kreisstadt Wittlich hat zum Beispiel die Stadtbücherei in Kooperation mit der Stadtverwaltung und zahlreichen öffentlichen und sozialen Einrichtungen ein leerstehendes Ladenlokal in einen hochmodernen Makerspace verwandelt, eine offene Werkstatt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die generationsübergreifend genutzt wird. Lasercutter, 3D-Drucker, PCs mit professioneller Software und Nähmaschinen sind nur einige der Geräte, die den Besucher*innen mehrmals wöchentlich in der offenen Werkstatt sowie in Schul-AGs oder Kursen unter haupt- und ehrenamtlicher Anleitung zur Verfügung stehen. Insbesondere Jugendlichen soll der Makerspace eine kostenlose und unverbindliche Freizeitgestaltung ermöglichen.

Dank zahlreicher Kooperationspartner aus der Region, darunter das Überbetriebliche Ausbildungszentrum Wittlich und die Hochschule Trier, können gemeinsam mit den Jugendlichen individuelle Potentiale erkannt sowie Praktika und Lehrstellen vermittelt werden. Aber auch Start-Up-Gründer*innen und Tüftler*innen, die in der ländlich geprägten Region keine geeignete Infrastruktur finden, können über den Makerspace ihre Ideen verwirklichen und dort auf kompetente Ansprechpersonen treffen.

Beispiel: Eine Bibliothek für alle Generationen

Die Stadtbibliothek Röbel/Müritz in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Ort des Zusammentreffens für Jung und Alt. Für die ältere Generation (rund ein Drittel der Kund*innen sind über 60 Jahre) wird der Bestand an Hörbüchern und Medien in Großdruck stetig erweitert. Für Kinder, Jugendliche und Asylsuchende steht die Sprach- und Leseförderung im Mittelpunkt.

Der Bibliothek ist es wichtig, die verschiedenen Generationen von Bibliotheksnutzer*innen mit ihren unterschiedlichen Bedarfen noch zielgerichteter anzusprechen. Im Vordergrund steht dabei die Inklusion von Leser*innen, die aufgrund von Alter oder Krankheit nicht vor Ort ausleihen können. Mithilfe eines E-Lastenfahrrads, das im Rahmen des Programms angeschafft werden konnte, können sie nun mit Medien versorgt werden. Passend dazu wurde die „Onleihe“ eingeführt und damit die Verfügbarkeit von digitalen Medien auf dem heimischen Tablet oder E-Reader. Mit dem Lastenfahrrad kann das Bibliotheksangebot nun auch dort die Menschen erreichen, wo sie sich aufhalten.

Auch die Bibliotheksräumlichkeiten wurden modernisiert. Neben verschiedenen Digitalisierungsmaßnahmen wie Tablets und WLAN-Accesspoints, ist mit der Einrichtung eines Freiluftleseraums ein lang gehegter Wunsch der Leser*innenschaft in Erfüllung gegangen. Der bisher ungenutzte Garten hat sich dank eines Sichtschutzzauns, Lesepavillons und XXL-Spielen in einen Lese- und Erholungsort für Groß und Klein verwandelt. Noch mehr als bisher erfüllt die Stadtbibliothek somit ihre Funktion als altersübergreifender sozialer Treffpunkt in der kleinen Gemeinde.

Beispiel: Bibliothek als Wohnzimmer

Welche Bedeutung Bibliotheken als soziale Treffpunkte und Kommunikationsorte gerade in kleinen Gemeinden haben, zeigt das Beispiel im unterfränkischen Gerolzhofen mit knapp 7.000 Einwohner*innen. Der Fokus liegt hier auf dem Aspekt der Aufenthaltsqualität, damit sich Besucher*innen in ansprechend ausgestatteten Räumen wohlfühlen und einen Gemeinschaftsort haben, an dem sie gerne ihre Zeit verbringen. Mit Hilfe der Fördermittel wurden unter anderem ein Multifunktionsraum und ein Bibliothekscafé eingerichtet. In der Bibliothek machen Kinder Hausaufgaben, Familien spielen gemeinsam Gesellschaftsspiele, hier trifft sich eine Gruppe Frauen regelmäßig zum Stricken. Der von der Stiftung Lesen geförderte Leseclub für Kinder und Jugendliche findet ebenso in der Bibliothek statt wie das Literaturgespräch „Klassiker-Klatsch“. Neben analogen Medien hat die Bibliothek zusätzlich aktuelle digitale Angebote wie 3-Drucker und Konsolen für Computerspiele angeschafft, was sie auch für ältere Kinder und Jugendliche attraktiv macht.

Beispiel: „Bibliothek der Dinge“ fördert Nachhaltigkeit

Die Stadtbibliothek in Heimsheim im Nordschwarzwald hat mit den Fördermitteln eine „Bibliothek der Dinge“ eingerichtet. Im Sinne der Nachhaltigkeit können die Nutzer*innen hier selten genutzte Gegenstände entleihen. Zusätzlich gibt es in der Bibliothek ein Tauschregal und einmal im Monat können im Repair-Café defekte Sachen repariert werden. Das Thema Nachhaltigkeit hat vor Ort eine hohe Bedeutung. So kooperiert die Bibliothek auch mit der lokalen Fairtrade-Gruppe, dem Bund für Umwelt und Naturschutz, mit denen sie Kooperationen realisieren wie den Bau von Insektenhäusern oder die Aktion „Faire Woche“. Die „Bibliothek der Dinge“ erweitert mit Geräten wie einem Beamer, einem Hochdruckreiniger, einer elektronischen Heckenschere, aber auch einer Popcorn-Maschine und einer Slackline den Bestand, so dass ganz neue Zielgruppen die Bibliothek für sich entdecken. Damit wird gleichzeitig der nachhaltige „Sharing“-Gedanke gestärkt, der immer schon dem Grundprinzip von Bibliothek entsprach.

„Vor Ort für Alle“ hat nicht nur vielerorts wichtige Impulse zur Weiterentwicklung vor allem kleinerer Bibliotheken gegeben und damit die Teilhabechancen und die Versorgung der örtlichen Bevölkerung mit Kultur- und Bildungsangeboten verbessert. Es hat auch zum Imagewandel von Bibliotheken in ländlich geprägten Regionen beigetragen und die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, was diese Einrichtungen alles leisten können.

Fördern, aber wie?

Ein zentraler Bestandteil für die Modernisierung von Bibliotheken in ländlichen Regionen ist die Einführung moderner Technik wie zum Beispiel Selbstverbuchungsautomaten. Hierdurch können die Nutzer*innen selbstständig Medien ausleihen und zurückgeben. Für das Bibliothekspersonal ergeben sich hierdurch Freiräume zur Gestaltung neuer Angebote, wie etwa Digitalsprechstunden für Senior*innen oder Erzählcafés für Deutschlernende. In vielen ländlichen Gegenden haben sich Bibliotheken durch Angebote wie diese als zentrale, generationsübergreifende Anlaufpunkte für die örtliche Bevölkerung etabliert. Nicht umsonst sind sie die meistbesuchten Kultur- und Bildungseinrichtungen der Kommunen (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2024).

Oft haben es aber kleinere Bibliotheken schwer Fördermittel einzuwerben, da sie für Mindestfördersummen von 10.000 oder gar 50.000 Euro nicht die benötigten Eigenmittel aufbringen können. Abgesehen davon sind viele Förderprogramme oft sehr voraussetzungsvoll und nicht ohne tiefergehende Verwaltungskenntnisse oder zusätzliche Personalressourcen durchführbar. Das Soforthilfeprogramm „Vor Ort für Alle“ war anders: Erstmalig wurden vom Bund investive Mittel für die Weiterentwicklung von Bibliotheken in ländlichen Regionen bereitgestellt. Die niedrigschwellige Gestaltung des Antragssystems und die enge Begleitung durch den dbv erlaubte es dabei auch Personen ohne Drittmittelerfahrungen, alle Abwicklungsschritte zielgerichtet und zuwendungsrechtskonform durchzuführen. Dies zeigte auch die Programmevaluation zum dbv-Soforthilfeprogramm „Vor Ort für Alle“ (vgl. Deutscher Bibliotheksverband 2023), wonach fast die Hälfte der Geförderten zuvor keine oder kaum Erfahrungen mit Förderanträgen hatten. Für die Mitarbeitenden der meist kleinen Einrichtungen war die Förderung deshalb sehr motivierend. Sie hat jedoch nicht nur die Selbstwirksamkeit dieser Kultur- und Bildungsakteure in ländlichen Regionen erhöht, sondern nach ihren Angaben auch für eine bessere Sichtbarkeit der Bibliothek in der Gemeinde gesorgt.

Viel wichtiger ist jedoch, dass rund zwei Drittel der Geförderten angeben, dass sie in ihrer Bibliothek nun Angebote machen können, die es sonst häufig nur in größeren Städten gibt. 60% sagen wiederum, dass ihre Angebote auch die Attraktivität der Kommune insgesamt verbessert haben. Das zeigt sich auch an den Nutzer*innenzahlen: Über 70% der geförderten Bibliotheken konnten durch ihr Projekt Neuanmeldungen verzeichnen, viele haben sich dabei sogar neue Zielgruppen erschließen können. Und bei knapp der Hälfte der Einrichtungen hat sich auch die Aufenthaltsdauer der Nutzer*innen erhöht. Insgesamt geben deshalb über 80% der Geförderten an, dass die Förderung auch über die Projektdauer hinaus positive Impulse und Veränderungen in ihrer Bibliothek angestoßen hat. Allerdings sehen auch rund 91% der geförderten Bibliotheken weiteren Förderbedarf für die Weiterentwicklung ihrer Bibliothek, der nicht aus eigenen Mitteln gedeckt werden kann.

Kulturpolitische Handlungsempfehlungen

Auf Basis der Erfahrungen aus dem Soforthilfeprogramm hat der dbv Empfehlungen zur Förderung von Bibliotheken in ländlichen Regionen veröffentlicht (vgl. Deutscher Bibliotheksverband 2024). Die Empfehlungen richten sich an Verantwortliche in Politik und Verwaltung, die sich mit der Zukunft von Kultur und Bildung in ländlichen Räumen befassen.

Aus den Empfehlungen lassen sich drei zentrale Forderungen ableiten:

  1. Für eine nachhaltige Weiterentwicklung von Bibliotheken in ländlichen Regionen braucht es eine gemeinsame kommunale Strategie, in der festgehalten wird, wie Bibliotheken vor Ort den bildungspolitischen und gesellschaftlichen Anforderungen der Kommune zukünftig noch besser gerecht werden können.
  2. Aufgrund geringerer Personalressourcen und häufigen Lieferengpässen, sollten Förderprogramme überjährig ausgestaltet werden. Nur so können auch größere und planungsintensivere Vorhaben wie z.B. der Aufbau sogenannter Open Libraries oder größere Baumaßnahmen umgesetzt werden.
  3. Gleichwertige Lebensverhältnisse bedeuten, dass Bibliotheken als öffentliche Räume für Begegnung und Austausch, als Kultur- und Bildungsinstitutionen weiterentwickelt werden. Damit das gelingt, brauchen Bibliotheken in ländlich geprägten Regionen investive Mittel, um notwendige Modernisierungsmaßnamen umsetzen zu können. Entscheidend bleibt eine verlässliche Grundfinanzierung mit einer Personalausstattung, die den zentralen kultur- und bildungspolitischen Aufgaben, die die Bibliotheken für die Kommune übernimmt, entspricht.

Bibliotheken: Orte der Zukunft

„Bibliotheken sind verlässliche Partner in einer gelingenden Daseinsvorsorge und leisten ihren Beitrag zur erfolgreichen Gestaltung gesellschaftlicher Veränderungsprozesse“ (Neu 2022:218). So lautet das Fazit zum Thema Bibliotheken eines Handbuches zur Daseinsvorsorge. Wenn von politischer Seite aus darüber nachgedacht wird, ländliche Regionen attraktiv weiterzuentwickeln, sollte in die vorhandenen Infrastrukturen investiert werden. Bibliotheken fungieren insbesondere in dünner besiedelten Regionen nicht nur als Orte der Medienausleihe, sondern verstärkt auch als Begegnungs- und Austauschorte, als Unterstützungsorte für digitale Teilhabe, als Orte Kultureller Bildung, Leseförderung, Medienbildung und Stärkung von Informationskompetenz. Sie greifen Themen auf, die die Menschen vor Ort interessieren, geben lokalen Gruppen und Initiativen Raum und fördern damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Die Angebote und Services von Bibliotheken werden vielfältiger. Dennoch stehen sie als Einrichtungen immer wieder zur Disposition, vor allem dann, wenn die kommunalen Kassen leer sind. Dass es aber den Bedarf und das Engagement gibt, Bibliotheken als attraktive Aufenthaltsorte weiterzuentwickeln, machen die oben aufgeführten Beispiele deutlich. Bereits im Jahr 2007 hat die vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ in ihrem Abschlussbericht die Bundesländer aufgefordert, die Aufgaben und die Finanzierung der Öffentlichen Bibliotheken in Bibliotheksgesetzen zu regeln (Deutscher Bundestag 2007:132). Seither haben Thüringen, Sachsen-Anhalt, Hessen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein Bibliotheksgesetze erlassen. In Berlin ist aktuell ein Bibliotheksgesetz in der Entwicklung. Vom Berliner Abgeordnetenhaus heißt es: „Das Gesetz soll laut Intention des Berliner Abgeordnetenhauses die Öffentlichen Bibliotheken Berlins als grundlegende Infrastruktur der sozialen, kulturellen und edukativen Daseinsvorsorge und somit als Pflichtaufgabe des Landes und der Bezirke rechtlich verbindlich verankern" (Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt Berlin 2024).

Nicht zuletzt angesichts der aktuellen Krisen, sollten alle Bundesländer durch ein Bibliotheksgesetz die Aufgaben der Bibliotheken definieren und so die gesellschaftliche und bildungspolitische Relevanz von Bibliotheken – egal ob in den Großstädten oder in den ländlichen Regionen – benennen. Denn Bibliotheken sind Teil der Daseinsvorsorge und haben als multifunktionale Orte für ihre lokale Community ein großes Potential für die individuelle Entwicklung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.