Ausbildung in Medienbildung, Medienpädagogik, Medienwissenschaft

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von Dagmar Hoffmann

Erscheinungsjahr: 2013/2012

Einordnung: Medien und Kultur

Medien und Kultur können nicht als Dichotomie gedacht werden, denn kulturelles Wissen wird in modernen Gesellschaften nicht nur, aber doch wesentlich über Medien vermittelt. Medien sind die Komponenten, die die Selektion, Thematisierung und Gewichtung kulturellen Wissens vornehmen, steuern und damit bestimmen. Medial vermitteltes Wissen über die Kultur der Gesellschaft ist für moderne Individuen eine wichtige Referenz. Medien informieren über Kultur(en), beobachten sie und modifizieren sie, und zugleich sind Medien auch wiederum Teil der Kultur. Sie sind Vermittler, Speicher und Instrument zur Kommunikation des kultu­rellen Wissens einer Gesellschaft. Kultur funktioniert heute in erster Linie durch die von den Medien zur Verfügung gestellten Inhalte und Materialien (Castells 2001:385). Insofern ist unsere Kultur im Wesentlichen Medienkultur. Wir attribuieren unsere Gesellschaft zudem als Wissensgesellschaft. Um an der komplexen kulturellen Vielfalt dieser Gesellschaft teilhaben zu können, bedarf es eines Zugangs zu den allgemeinverbindenden und verbindlichen Informations­- und Kommunikationstechniken. Der Umgang mit Medien und die Aneignung von Medien sind wichtige Parameter Kultureller Bildung. Medien können als soziale und kulturelle Räume betrachtet werden, die vielfältige Bildungsprozesse und Bildungserfahrungen erlauben.

Ausbildungssituation

Realisiert man die immense Bedeutung der Medien bei der Bereitstellung von kulturellem Wissen und kultureller Teilhabe, so sollte man meinen, müsse Medienbildung respektive der Erwerb von Medienkompetenz eine wesentliche gesellschaftliche Aufgabe sein und sollte ein qualifizierter Umgang mit Medien als Lehr- und Lerngebiet im Bildungssystem fest verankert sein (zur Diskussion der Begriffe „Medienbildung“ und „Medienkompetenz“ siehe Schorb 2009). Doch dies ist bislang bedauerlicherweise nicht der Fall. Eine medienpädagogische Grundbildung ist flächendeckend weder in Lehramtsstudiengängen noch in anderen pädago­gischen Disziplinen obligatorisch vorgesehen. Bemängelt wird auch, dass Kulturelle Bildung keine Kern- und Pflichtaufgabe von allgemeiner Bildung ist, die Medienbildung einschließen könnte. Mit Nachdruck setzt sich die Netzwerkinitiative Keine-Bildung-ohne-Medien derzeit für eine elementare medienpädagogische Ausbildung für Fachkräfte ein, die in der frühkindlichen und schulischen Bildung tätig sind sowie in außerschulischen Arbeitsfeldern. Medienbildung wird in Deutschland zwar als Querschnittaufgabe verstanden, de facto aber gibt es weder ein Schulfach „Medienerziehung“ oder „Medienbildung“ noch sind entsprechende Inhalte in den Lehrplänen der Schulen festgeschrieben (siehe Vera Haldenwang „Medienbildung in der Schule“). Forderungen und Konzepte für eine umfassende Medienbildung in der Schule sind vorhanden, werden aber nicht oder nur in Teilen umgesetzt (siehe etwa Tulodziecki 2009, 2010). Im Grunde findet der Kompetenzerwerb im Hinblick auf den Umgang mit Medien, in Bezug auf eine kritisch-reflexive Auseinandersetzung mit Medien und deren Inhalten sowie der Bewertung von Medienangeboten primär außerschulisch statt, d.h. peer-­to-peer und/oder in der Familie, in Freizeiteinrichtungen, der Jugendarbeit und in verschiedenen Weiterbildungsstätten. Sich mit Medien kulturell zu bilden, ist zumeist an Freiwilligkeit und das Eigenengagement der Bedürftigen geknüpft und häufig auch ressourcenabhängig (z.B. Zeit und Geld). Somit haben nicht alle Kinder und Jugendlichen die gleichen Chancen, an Medien herangeführt zu werden, sich diese anzueignen und sich kritisch mit Technologien, Umgangsweisen und Inhalten auseinanderzusetzen.

Sich zu sozialisieren und zu kultivieren, ist ohne den kommunikativen Austausch über Medien heute aber kaum denkbar. In Zeiten der Digitalisierung und Mediatisierung sollten Menschen allerdings nicht nur an kulturellem Wissen partizipieren, sondern auch selber ihres bereitstellen können (Stichwort: media literacy). Deshalb ist ein emanzipatorischer Umgang mit Medien wesentlich. Als soziale und kulturelle Wesen sind Menschen für den sozialen sowie medialen Wandel mitverantwortlich und sollten entsprechend daran mitwirken respektive darauf Einfluss nehmen können. Folglich gilt es, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle Mitglieder einer Gesellschaft am kulturellen Geschehen teilhaben können, niemand aufgrund seines Alters, Geschlechts, seines Bildungshintergrundes oder seiner ethnischen Herkunft oder seines Einkommens ausgeschlossen ist (Stichwort: digital gap/digital divide). Gerade die digitalen Kommunikationstechnologien ermöglichen neue Formen des Lernens, neue Formen der Bildung, neue Formen der Wahrnehmung und Gestaltung in Interaktion mit anderen – also Kultur. Sie erlauben dialogische Kommunikationen aller und nicht nur elitäre Diskurse weniger – nicht zuletzt über das kulturell Bedeutsame. Medien werden heute als es­sentielle Ressource verstanden, die kulturelle Teilhabe ermöglichen. Da sie allerdings dauernd in Veränderung sind und sich weiterentwickeln, sind Menschen gefordert, sich kontinuierlich mit ihnen zu beschäftigen, mit ihren Potentialen, Herausforderungen und Begrenzungen. Menschen dabei zu begleiten und zu unterstützen, ist eine wesentliche Bildungsaufgabe.

Ausbildungsangebote

Wie oben erwähnt, gibt es in Deutschland eine Vielzahl an außerschulischen Angeboten, bei de­nen Kinder und Jugendliche befähigt werden, kreativ und kritisch mit Medien umzugehen. Auch finden sich zunehmend Weiterbildungsangebote für Erwachsene im mittleren und höheren Lebensalter. Ein systemischer Überblick über das weite Spektrum an medienpädagogischen Aus- und Weiterbildungsangeboten fehlt bislang. Einige Landesmedienzentralen pflegen einen sogenannten „Medienpädagogischen Atlas“, das sind in der Regel umfangreiche Online­-Datenbanken, die Einrichtungen, Initiativen, Projekte und Netzwerke auflisten, die in den jeweiligen Ländern (z.B. Baden­-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein­-Westfalen, Mecklenburg­-Vorpommern, Thüringen) medienpädagogisch arbeiten und mit ihren Angeboten und Aktivitäten medientheoretische und medienpraktische Kompetenzen vermitteln. Zudem wird aktuell ein Wiki vom Expertenkreis Co:llaboratory erstellt, in dem Angebote, Einrichtungen und Netzwerke nach bestimmten Auswahlkriterien zusammengeführt werden sollen. Ferner erhofft man sich über den ersten Medienkompetenzbericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), der 2013 erscheinen soll, eine aussagekräftige Bestandsaufnahme zur Situation der Medienbildung und Medienpädagogik in Deutschland.

Betrachtet man die derzeitige Ausbildungs­- und Beschäftigungssituation, so kommen die in der Medienbildung und Medienpädagogik tätigen Fachkräfte aus verschiedenen Disziplinen und verfügen entsprechend über unterschiedliche Berufsqualifikationen. Insbesondere im außerschulischen Bereich engagieren sich unter anderem ErzieherInnen, PädagogInnen, SozialarbeiterInnen und auch KulturmanagerInnen oder ­-pädagogInnen. Die wenigsten Fachkräfte verfügen über eine grundständige medienpädagogische Ausbildung, da diese auch nur an wenigen Hochschulen angeboten wird. Medienbildung und Medienpädagogik ist meistens als (Teil­-)Modul oder als Neben­-, Ergänzungs-­ oder Erweiterungsfach in (bzw. zu) anderen Studiengängen wie etwa Lehramtsstudiengängen, Sozialarbeit/-­pädagogik, Medienwissenschaft, Informatik oder Medienkommunikation zu finden. Anzumerken ist hier, dass an den jeweiligen Hochschulen einschließlich Universitäten ein uneinheitliches Verständnis darüber besteht, was unter Medienbildung und Medienpädagogik verstanden wird. Auch ist es für Außenstehende schwierig auszumachen, inwieweit die Module und komplementären Studienangebote eine besondere Orientierung auf kulturelle Bildungsprozesse gewährleisten.

An dieser Stelle sollen einige Studiengänge aufgeführt werden, die ein grundständiges und/oder ein weiterführendes Studium im Bereich der Medienbildung und Medienpädagogik anbieten. Grundlage der Zusammenstellung sind die Eintragungen im Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz. Studiengänge der Erziehungswissenschaft, Pädagogik (z.B. Universität der Bundeswehr München), der Bildungswissenschaft sowie der Sozialen Arbeit (z.B. Westfalen/Lippe, Nürnberg) mit den Schwerpunkten Medienbildung oder Medienpäda­gogik sind nicht berücksichtigt worden, da die Anteile am Studium unterschiedlich gewichtet sind. Zudem existieren Studiengänge wie Medien und Kommunikation an den Universitäten Augsburg (Bachelor) und Passau (Bachelor und Master), die explizit eine medienpädago­gische Ausrichtung haben. Zudem verfügt der Studiengang Medienkommunikation an der Technischen Universität Chemnitz über einen Schwerpunkt im Bereich Medienpädagogik/E- Learning. Ebenso sind inzwischen einige Studiengänge der Sozialen Arbeit in Deutschland auf die Vermittlung medienpädagogischer Inhalte spezialisiert. Nach Durchsicht des Angebots­katalogs und eigenen Recherchen sind lediglich vier grundständige Studiengänge im Bereich der Medienbildung/Medienpädagogik an deutschen Hochschulen vorhanden.

Studienfach

Hochschule

Abschluss/Abschlüsse

Kultur-­ und Medienbildung

Pädagogische Hochschule Ludwigsburg

Bachelor Kultur­- und Medien­bildung

Kultur-­ und Medienpädagogik

Hochschule Merseburg

Bachelor

Medienbildung: Visuelle Kultur und Kommunikation

Universität Magdeburg

Bachelor

Medienpädagogik vier Studiengänge je Schulform

Universität Regensburg

Lehramt für Grund­-, Haupt­-, Realschulen, Gymnasium

Abbildung 1. Grundständige Studiengänge im Bereich Medienbildung und Medienpädagogik



Weiterführende Studiengänge sind die Folgenden an den Standorten Freiburg, Heidelberg, Köln, Magdeburg, Erlangen­Nürnberg und Schwäbisch Gmünd:

Studienfach

Hochschule

Abschluss/Abschlüsse

Handlungsorientierte Medien­pädagogik

Fachhochschule Köln/Donau

Universität Krems

Master of Arts

Medienbildung: Visuelle Kultur und Kommunikation

Universität Magdeburg

Master

Pädagogische Hochschule Freiburg

Pädagogische Hochschule Heidelberg

Master of Arts

Medienpädagogik

Pädagogische Hochschule Freiburg

Lehramt an Grund-­ und Hauptschulen

Medienpädagogik

Universität Erlangen­Nürnberg

Staatsexamen

Medienpädagogik,

zwei Studiengänge je Schul­form

Pädagogische Hochschule

Schwäbisch Gmünd

Lehramt an Grundschulen, Werkreal-­, Haupt­- und Real­schullehramt

Abbildung 2. Weiterführende Studiengänge im Bereich Medienbildung und Medienpädagogik

 

Es ist anzunehmen, dass auch viele der insgesamt 200 Kommunikations-­ und Medienwissen­schaftsstudiengänge über einen Schwerpunkt Kultur verfügen, wobei sich nicht überblicken lässt, inwieweit Aspekte Kultureller Bildung dort verstärkt unterrichtet werden. Grundständige kulturwissenschaftlich ausgerichtete Medienwissenschaftsstudiengänge (vgl. die Übersicht unter www.gfmedienwissenschaft.de/gfm/studiengaenge/index.html) werden unter anderem an der Universität Paderborn, der Universität Siegen und der Universität Trier angeboten. An der Universität Weimar wurde erfolgreich ein Bachelorstudiengang „Medienkultur“ installiert, zu dem aufbauend ein Studium der „Europäischen Medienkultur“ angeboten wird. Darüber hinaus gibt es interdisziplinär ausgerichtete Studiengänge mit einer ‚Kultursäule‘ wie etwa „Literatur-Kunst-­Medien“ an der Universität Konstanz oder „Literatur-­Kultur­-Medien“ an der Universität Siegen. Kulturschwerpunkte finden sich auch in folgenden weiterführenden Studiengängen:

Studienfach

Hochschule

Abschluss/Abschlüsse

Angewandte Kultur­ und Medi­enwissenschaft

Hochschule Merseburg

Master

Kulturwissenschaft: Culture, Arts, Media

Universität Lüneburg

Master of Arts

Mediale Kulturen

Universität Paderborn

Master

Medienkultur

Universität Bremen

Master

Medienkultur

Universität Siegen

Master

Medienkultur

Universität Trier

Master

Medienkulturanalyse

Universität Düsseldorf

Master

Medien und kulturelle Praxis

Universität Marburg

Master

Abbildung 3. Weiterführende Studiengänge im Bereich Medien und Kultur


In der Regel geht es in diesen Studiengängen darum, Medien und Kultur sowohl kultur-­, me­dien-­ und sozialwissenschaftlich zu analysieren. Analysiert werden kommunikative Vorge­hensweisen, die dafür verwendeten und präferierten Medien sowie Medienprodukte. Je nach Universität sind die Fachrichtungen mal weniger mal stärker anwendungs-­ und praxisorientiert angelegt. Einige sind inhaltlich auf bestimmte Handlungs-­ und Berufsfelder spezialisiert, andere sind an der Vermittlung ganzheitlicher medien-­ und kulturwissenschaftlicher Ansätze interessiert. Der Kompetenzerwerb erstreckt sich über Kultur­- und Medienanalyse, Kultur­- und Medienproduktion/­-gestaltung. Kulturvermittlung und Medien­- und Kulturberatung. Besonderer Wert wird zudem auf ästhetische Bildung gelegt.

Insgesamt sind Studiengänge, die ‚etwas mit Medien‘ zu tun haben, derzeit in Deutschland gut nachgefragt. Die beruflichen Tätigkeitsfelder der AbsolventInnen sind thematisch breit gestreut, die StudienabgängerInnen entsprechend einsetzbar. Im Studium werden neben den inhaltlichen Kernkompetenzen auch Qualifikationen wie Problemlösungs-, Kommunikations- und Medienkompetenz vermittelt, die die Grundlage für spätere Tätigkeiten unter anderem in den Bereichen Kulturmanagement, Journalismus, Public Relation, Kinder­-, Jugend­- und Erwachsenenbildung sind. Die Berufsaussichten für AbsolventInnen der Medienbildung, Medienpädagogik und Medienwissenschaften lassen sich aktuell nur vage einschätzen und hängen oftmals von den Schwerpunkten der Studierenden in ihrem Studium ab und nicht zuletzt von den Projekten, an denen sie beteiligt waren. Praxiserfahrungen während des Stu­diums und Projekt(mit)arbeiten sind für Arbeitgeber stets gute Anknüpfungspunkte. Generell arbeiten viele (wenn nicht die meisten) MedienpädagogInnen als freie MitarbeiterInnen. Auch sind MedienwissenschaftlerInnen und KulturmanagerInnen häufig beruflich selbständig beziehungsweise als FreiberuflerInnen unterwegs.

Verwendete Literatur

  • Castells, Manuel (2001):

    Das Informationszeitalter, Bd. 1: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Opladen: Leske + Budrich.

  • Expertenkreis Co:llaboratory (ohne Jahr): www.collaboratory.de
  • Netzwerkinitative „Keine-Bildung-ohne-Medien“ (ohne Jahr): www.keine-bildung-ohne-medien.de
  • Schorb, Bernd (2009): Gebildet und kompetent. Medienbildung statt Medienkompetenz? In: merz, 5/2009, 50-56.
  • Tulodziecki, Gerhard (2010): Medienbildung in der Schule. In: Bauer, Petra/Hoffmann, Hannah/Mayrber­ger, Kerstin (Hrsg.): Fokus Medienpädagogik. Aktuelle Forschungs- und Handlungsfelder (45-61). München: kopaed.
  • Tulodziecki, Gerhard (2009): Ganztagsschule und Medienbildungsstandards. In: merz – medien + erziehung, 1/2009, 8-15.
  • Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) (ohne Jahr): www.hochschulkompass.de

Anmerkungen

Dieser Text wurde erstmals im Handbuch Kulturelle Bildung (Hrsg. Bockhorst/ Reinwand/ Zacharias, 2012, München: kopaed) veröffentlicht.

Zitieren

Gerne dürfen Sie aus diesem Artikel zitieren. Folgende Angaben sind zusammenhängend mit dem Zitat zu nennen:

Dagmar Hoffmann (2013/2012): Ausbildung in Medienbildung, Medienpädagogik, Medienwissenschaft. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/ausbildung-medienbildung-medienpaedagogik-medienwissenschaft (letzter Zugriff am 14.09.2021).

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Dieser Artikel wurde dauerhaft referenzier- und zitierbar gesichert unter https://doi.org/10.25529/92552.443.

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