Ausbildung in Bildender Kunst für Kulturelle Bildung
Thema und Begriffsbestimmung
Bildende Kunst der Gegenwart umfasst nicht nur unterschiedlichste künstlerische Verfahren und Strategien, sondern realisiert sich in den verschiedensten visuellen und audiovisuellen Medien (z.B. Malerei, Film, Fotografie, Raum, digitale Medien) und medialen Bezugnahmen. Darüber hinaus ist Bildende Kunst kontext- und institutionenabhängig. Was Bildende Kunst ist und wie sie entsteht und rezipiert wird, kann ohne die jeweiligen institutionellen Kontexte nicht greifbar werden.
Der Begriff „Ausbildung“ im Feld der Bildenden Kunst scheint nahe zu legen, dass es insbesondere in der Gegenwartskunst so etwas wie Ausbildung tatsächlich geben kann. Abgesehen von handwerklich-technischen Fertigkeiten in den jeweiligen Feldern der Bildenden Kunst wie Malerei, Druckgrafik, Installation, Performance etc. könnte man von künstlerischen Haltungen und Strategien sprechen, die im Rahmen Bildender Kunst in Ausbildungskontexten erfahren und angeeignet werden können. Es geht dabei immer auch zugleich um Selbsterfahrung und Kontexterfahrung. Eine Professionalisierung der Ausbildung in Bildender Kunst für Kulturelle Bildung wird also immer beide Aspekte zusammensehen: Erfahrungen einer eigenen dynamischen künstlerischen Verortung und Selbsterfahrung und zugleich die zu erwerbende Fähigkeit, künstlerische Projekte im Kontext ihrer institutionellen Einbindung zu konzipieren, zu realisieren und zu reflektieren. Zur institutionellen Einbindung gehören dabei nicht nur Museen und Galerien, sondern all jene Bereiche, die über das rein Private hinausgehen.
Historische Dimension
Bildende Kunst hat in den verschiedenen Ausbildungsfeldern für Menschen, die in der Kulturellen Bildung tätig werden wollen, historisch gesehen unterschiedlichen Stellenwert, je nachdem, wo die Ausbildung derjenigen, die sich dort ihre Nischen suchen, stattfindet. An Kunsthochschulen studieren zukünftige PädagogInnen oder KunstvermittlerInnen schon immer neben denjenigen, die freie Kunst studieren. Sie ordnen sich Ateliers zu und ggf. ProfessorInnen. An Universitäten ist tendenziell ein geringerer Stellenwert der Praxis Bildender Kunst in Ausbildungsgängen vorgesehen, dafür gibt es eher Schwerpunkte in der anwendungsbezogenen Reflexion von künstlerischen Handlungsfeldern. In der Regel gibt es in allen Ausbildungsinstitutionen Lehrende, die sich tendenziell eher als KünstlerInnen und solche, die sich eher als PädagogInnen verstehen, die im Feld Bildender Kunst den Vermittlungsblick in den Fokus nehmen (siehe Kathrin Herbold/Johannes Kirschenmann „Bild- und Kunstvermittlung“). Institutionshistorische Aspekte spielen also genauso eine Rolle wie die Berufsbiografien der Lehrenden. Neuere Ansätze wie der von Helga Kämpf-Jansen (siehe Folgendes) zur Ästhetischen Forschung oder der von Carl-Peter Buschkühle zur Künstlerischen Bildung zeigen neue und offene Wege Bildender Kunst als projektorientierte und prozessorientierte künstlerische Felder der Selbst- und Kulturaneignung auf, die die Beteiligten in ihren biografischen Wegen ernst nehmen und die Rolle der Lehrenden eher als Initiator oder Begleiter definieren.
Aktuelle Situation
Bildende Kunst im Feld Kultureller Bildung macht ein Feld auf, das die Vermittlungsarbeit unter Umständen auf neue Weise mit dem Begriff der Kulturellen Bildung konfrontiert. Bildende Kunst, so kann man formulieren, ist eher sperrig für Vermittlungsprozesse, weil sie sich zuweilen der sprachlichen Reflexion entzieht. Bildung im Feld Bildender Kunst verweist in starkem Maße auf Selbstbildung und Selbsterfahrung im künstlerischen Medium. Und das (vermittelnde) Sprechen über Bildende Kunst bleibt immer ein Sprechen neben der Kunst oder entlang der Kunst. Kommunikationsformen über eigene und fremde künstlerische Arbeiten zu entwickeln, ist eine der zentralen Herausforderungen von Ausbildung in Bildender Kunst für Kulturelle Bildung. Es geht dabei darum, nicht nur Formen des verbalen Sprechens zu entwickeln, sondern Sprache erweitert zu begreifen, indem Dinge, der eigene Körper, die Geste, die Skizze oder Resonanzen, die in anderen medialen Kontexten möglich werden, auch als Form des Sprechens über Kunst verstanden werden.
Ausblick, Perspektiven, Herausforderungen
Hanne Seitz schreibt über die Gegenwart und die Aufgabe Bildender Kunst als performativen Prozess: „Indem wir erkennen, wie wir erkennen, bringen wir uns hervor. Dieses Projekt ist durchaus und gerade jetzt Selbstbildung zu nennen – sofern es die Aufklärung zugunsten der Klärung zurück nach vorn wendet. Es gibt Augenblicke, in denen dies gelingt – davon handelt Kunst, davon kann ästhetische Praxis handeln – bisweilen“ (Seitz 1998:272). Was hier bewusst umständlich formuliert ist, verweist auf künstlerische Erfahrungspotentiale auch im Feld einer Professionalisierung Kultureller Bildung. Künstlerische Erfahrungen verlaufen nicht linear, sie verweisen gleichzeitig in die Biografie, in Vergangenes und reflektieren zugleich in diesem Zurückgehen die Gegenwart und die gegenwärtigen Erfahrungen, in der das Nicht-Lineare auf diese Weise einen Ort erhält, in dem kulturelle Aspekte eingebunden sind. Hier liegt eine Herausforderung der Ausbildung in Bildender Kunst in kulturellen Bildungskontexten.
Christine Heil verweist darauf, dass Kunst eines von mehreren Bezugsfeldern in der Kulturellen Bildung ist. Dort wo Kunst, Design und Alltag produktiv kollidieren und an ihren Rändern aufeinander Bezug nehmen, werden neue Wahrnehmungs- und Erkenntnisräume möglich. Darin liegt ein produktives Moment Bildender Kunst im Rahmen Kultureller Bildung. „Dabei sind die Bezugsfelder der Kunst, des Designs und des Alltags gerade in ihrer Unterschiedlichkeit produktiv. In der Differenz der Sichtweisen und Bewertungen werden sie als solche überhaupt oft erst wahrnehmbar, sodass vor allem an den Rändern der Diskurse Erkenntnisse möglich werden, meistens in der Ausdehnung der Bezüge und Erweiterung der Räume“ (Heil 2010:155).
Helga Kämpf-Jansens Konzept der ästhetischen Forschung verweist vielleicht am radikalsten darauf, wie Ausbildung in Bildender Kunst in Kultureller Bildung aktuell verstanden werden kann. Ihr Konzept verknüpft Alltagserfahrungen mit Bezugnahmen auf Wissenschaft und Kunst, insbesondere Gegenwartskunst. Die AkteurInnen müssen in der ästhetisch-künstlerischen Arbeit ihre eigenen Fragen entwickeln. „Bei der Bearbeitung, beim Fragen, Forschen und Recherchieren wird sozusagen der Strom der Dinge angehalten, wird einzelnen von ihnen eine besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht, wird über sie in besonderer Weise nachgedacht und geschrieben“ (Kämpf-Jansen/Wirtz 2002:179f.). Kämpf-Jansens Ansatz macht die Herausforderung des Feldes der Bildenden Kunst in Kultureller Bildung deutlich und zeigt Chancen auf, die in andere Felder Kultureller Bildung hineinstrahlen: Kulturelle Bildung ist aus dem Blickwinkel der Bildenden Kunst als Selbstbildung zu verstehen, die nicht im Kreisen um die eigene Person verharrt. Vielmehr eröffnet sie neue Blicke auf die uns umgebene Welt der Dinge, der Denkweisen und der medialen Präsentationen von Welt und verbindet sie mit den neuen Erfahrungs- und Erkenntnisweisen, die in der Kunst zur Erscheinung und zur Anwendung kommen.